Vigil 52

Heute bin ich in Richtung Prenzlauer Berg zum Fischladen in der Schönhauser gelaufen und habe die Jute Bäckerei entdeckt, die ausschließlich glutenfreie Backwaren hat – Brot, Kuchen und Kekse. Es gibt nicht nur helles Brot, sondern sogar Buchweizen, Vollkornbrot. Da werde ich mich in den nächsten Wochen Stück für Stück durchprobieren. Zur Zeit kann ich nämlich keine Reiswaffeln mehr sehen.

Da ich gerade in der Gegend war, ging ich noch einmal zu Siebenblau, dem Biostoffladen in der Pappelallee. Ich bin von dem Angebot sehr angetan. Vor allem, weil es sehr viele „seriöse“ Stoffqualitäten gibt und nicht nur bunt Bedrucktes. Zum Beispiel gut 6 oder 7 unterschiedliche Stoffe aus Baumwolle für Blusen und Hemden – Batist, Voile, Popelin, Chambray, Satin, Flanell, Twill… Dazu sehr guten Tüll und verschiedene gewirkte Hanfstoffe, die eine ähnliche Haptik wie Ramie haben. Die Stoffe sind natürlich recht teuer, aber das sind qualitativ gute (Marken-)Stoffe heutzutage alle.

Auf dem Rückweg schaute ich auch noch bei Frau Schneider rein. (Komischer Webauftritt für so einen großen Laden, die sind mit gängigen Stichworten wie „Stoffladen Schönhauser Allee“ nicht zu googeln, da kommt nur irgendwann der Dawanda-Shop. Wenn ich die Adresse nicht im Fenster gesehen hätte, hätte ich mir n Wolf gesucht.) Da liegt fast das gesamte Lillestoff-Sortiment, sehr viele Biostoffe und natürlich Jersey, Jersey, Jersey. Ich habe mich etwas in einen cyklam/roséfarbenen leichten Doubleface verkuckt. Für meine Bedürfnisse ist der Laden zu gemustert, aber die Auswahl ist sehr groß und wird das Herz jeder nähenden Mutter erfreuen.

Vigil 51

Zweimal im Jahr gibt es eine Woche, die gleißend hell und kalt zugleich ist. Im April und im September. Der blaue Himmel und das Gleißen der Sonne täuschen über die Kälte hinweg und kündigen doch einen Fall in eine neue Zeit an.

Auch mal eine Art, vom Wetter zu reden.

Mir fehlt der unkomplizierte Schritt von der Wohnung auf die Erde sehr. (Ja, der Blick aus dem Fenster kompensiert es, aber…) Das ist es, wozu Menschen Häuser haben. Damit sie morgens hinaustreten können, die Nase in die Luft halten und ihren Tag beginnen. Hier gibt vor allem Zement, Asphalt, Fahrzeuge und Menschen.

Jetzt, in diesem Leben, darf ich wieder von Dingen träumen, die ich wahrscheinlich nie erreichen werde. Früher war das langweilig. Ich erlaubte mir nur, von Dingen zu träumen, die ich erreichen konnte, für alles andere hatte ich keine Zeit.

Deshalb: Türschwelle, Bach, Streuobstwiese, Wäscheleine.

Vigil 50

Nachdem gestern definitiv nicht mein Tag war (Sie erinnern sich: zur Beruhigung Socken mit komplizierten alten Mustern stricken), ging es heute wieder einigermaßen. Von Doppel-Grmpf zu Einfach-Grmpf.
Die Sonne schien und da ich ohne Brille auf die Wetter-App schaute, erstaunte ich mich über 18 Grad in Aussicht. Die Putzfrau schaute skeptisch, als ich ihr begeistert davon erzählte und meinte, der Wind wäre aber kalt und als ich vor die Tür trat, wußte ich, dass ihr Stirnrunzeln kein Verständnisproblem war. 13 Grad, wir erwarteten und hatten um die Mittagszeit 13 Grad.
Aber wenigstens den kleinen Tomaten geht es gut, obwohl sie auf den Treppenabsatz im Flur umziehen mussten. Ja, ich war zunehmend allergisch gegen ihr simples Wachstum, da mussten sie noch nicht einmal blühen und Pollen verteilen.

Dann habe ich ein Buch von Martha Grimes begonnen und war ganz verdattert, dass es eine Art Pferdemädchengeschichte ist. Na ja, kann man ja mal lesen.
Am Nachmittag die Gliederung für etwas längeres Schriftliches aufgeschrieben, das gar nicht geplant war und den Text habe ich weitgehend im Kopf. Obwohl ich zäh und verzweifelt schon lange an etwas anderem längeren Schriftlichen arbeite. Vielleicht hat das alles seinen Sinn.

Im Schwimmbad über zwei Frauen gewundert, die immer da sind, wenn ich da bin, obwohl ich so unregelmäßig komme. Beide sind sehr, sehr schlank und ziehen sich zusätzlich formende halblange Unterhosen unter die Hosen. War das jetzt Angst vor imaginärem Körperwabbel oder der scharfe Wind?

Ach so, Körperwabbel. In dem Artikel im Spiegel über Gewichtsprävention bei Kindern ist mir so manches nicht klar. Zum Beispiel, die Statistiken. Wenn ich das recht sehe, schlägt Diabetes bei erwachsen gewordenen dicken Kindern vor allem in armen Ländern zu und in Industrieländern bei Männern. Kann es sein, dass es noch andere Ursachen gibt, als als Kind moppelig zu sein? Ob so ein Drill von Kindern wie in Finnland not tut, bin ich mir nicht sicher. Sagt ein Kind, an dessen zu wenig oder zu viel Gewicht / zu wenig oder zu viel Essen die gesamte Kindheit herumgedeutelt, -gegängelt und -genörgelt wurde und das deshalb nie ein entspanntes Verhältnis zum eigenen Körper entwickeln konnte.

Vigil 49

Irgendwie schaffe ich es nicht, Meinung zum Thema Altersarmut und geringe Qualifikation zu haben. Der Artikel liegt im Archiv, weil ich mich frage, wen denn mein unfundiertes Rummeinen interessieren sollte.

(Dies war ein Beitrag aus der Rubrik „Einfach mal die Schnauze halten“. Hamwer hier ja nicht so oft.)

Ansonsten hänge ich in den letzte Zügen für das zweite selbstkonstruierte Kleidungsstück. Im Moment sieht die Jacke aus wie für Tante Trudchen gemacht, weil zu weit. (Armlochauflockerung? Pah!) Nicht sehr amüsant, vor allem, wenn man wie ich seit Jahren aus Gründen zu enge Klamotten hat.
Ich stricke grade eine Socke, das beruhigt. Alles Luxusprobleme.

Und für alle anderen Widrigkeiten dieses Lebens empfehle ich Ihnen Madame will mal brüllen von der großartigen Madame Modeste.