MMM mit Jerseyblazer

Seit Sewing by the Sea, wo Elisabeth an einem Blazer arbeitete, wollte ich auch einen. Das heißt, ich habe einen Jerseyblazer, ein 15 Jahre altes Stück von Escada, das verbotenerweise mitgewachsen ist und auch so aussieht. Aber jetzt brauchte ich einen, der paßt. Also so einigermaßen.
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Ich habe dafür meinen neu konstruierten und erprobten Oberteilgrundschnitt verwendet, auf Paßformklasse 6 geweitet (viel zu viel! aber ich hatte im Kopf, dass Elisabeths Blazer zu eng wurde) und ein Revers angebaut. Der Graf hatte mir guten Sweatshirtstoff spendiert.
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Nach der ersten Anprobe hingen mir die Ohren runter, der Graf kommentierte, ich würde wie eine Landfrau auf dem Gang zur Beerdigung aussehen und das Teil kam erst mal in die Ecke. Der Stoff geht auseinander wie Hefeteig. Hauteng durfte der Blazer auch nicht sein, ich wollte wie bei meinem Vintage-Teil auch mal einen Pullover drunter tragen können und ein Futter sollte er auch noch bekommen.
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Ich habe ihn mächtig tailliert und vorn und hinten zwei Abnäher gemacht, unter die hängenden Schultern kamen Polster.
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Auch an der Brust habe ich etwas weggenommen, Trotzdem ist der Bereich über der Brust etwas zu weit, da habe ich mich nicht rangetraut. Alle Längsakzente haben eine Ziernaht bekommen. Die Taschen brauchen noch Knöpfe, sie stehen durch die Abnäher etwas ab.
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Der Blazer ist wie die alte Jacke mit einem dünnen grauen Baumwolljersey gefüttert, der wenig Elasthan enthält (aber leider furchtbar staubt, ich hoffe, das gibt sich nach einigen Wäschen).
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Für die erste eigene Konstruktion (es gibt noch einen Schnitt für ein A-Linienkleid aus Batist, aber das ist noch nicht fertig) bin ich sehr zufrieden. Und das mit dem Jersey lerne ich noch.

Und die anderen schönen Kleider gibt es wie immer hier.

MMM im buntem Cordrock

Wir waren vor ein paar Wochen in einem Kellerladen im Haus gegenüber, in dem eine junge Frau Taschen und Kapuzenschals näht und verkauft. In der Ladendeko lag ein Stück folklore-bunt bedruckter schwarzgrundiger Babycord, das sie wohl der Kundin vorher gezeigt und dann einfach hingelegt hatte.
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In meinem Kopf tutete es „habenmuss!!!!“, der Graf fragte an und die Ladenbesitzerin war verkaufswillig. (Anfang Januar in einem Geschäft, in das Kunden nur durch Zufall geraten, ist Material verkaufen schon mal drin.) Ich komplettierte das Material noch mit rotem Satinschrägband, orangefarbenem Futter und einer schwarzen Pomponborte. Wenn schon, denn schon.
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Ich wußte relativ schnell, dass ich einen schlichten Glockenrock haben wollte, keine überbordende Länge am Saum und oben nicht zu eng, ein für mich recht untypisches Normalo-Modell. Ich drehte meinen Grundschnitt für einen schmalen Rock unten auf und ließ hinten nur den äußeren Abnäher drin, damit die Hüfte sitzt. Der Rock hat keinen Bund, nur einen Beleg und an der oberen Naht ist innen festes Band eingenäht, damit sich der weiche Stoff nicht dehnt.
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Das ist ganz gut aufgegangen, nur ein Problem gab es nach der Fertigstellung – ich hatte durch die Grippe wenig gegessen und der Rock hing sonstwo. Überhaupt ist mein schwankender Bauchumfang  ein technisches Problem. Deshalb habe ich den Beleg und den Rock auf den oberen 3 cm mit einer Steppnaht versehen, so dass ein Tunnelzug entstand, vorn zwei senkrechte Knopflöcher eingearbeitet und zwei Bänder und etwas Gummi am Ende eingezogen. So kann ich den Sitz besser regulieren. (Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen ich mich über Autofahrerhosen mit verstellbarem Bundumfang beömmelt habe…)
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Hinten musste ich leider eine Mittelnaht machen, denn ich hatte 1m Stoff und musste im Strich zuschneiden, da gab es nur einen Mittelbruch. Da springt das Muster dann sichtbar. Hinten habe ich einen Reißverschluss und Haken und Öse eingearbeitet.
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Das sind die kleinen Pompons, ich hatte etwas unterschätzt, dass diese dicke Borte den Saum ziemlich steif macht.
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Über der Borte sitzt noch das rote Satinschrägband und darunter der orangefarbene Futterrock und wäre ich nicht so schlapp vom Kranksein gewesen, hätte ich sicher Handsäume gemacht, das fällt besser und zerkratzt die Strumpfhosen nicht. So wollte ich nur fertig werden und bin einmal mit der Maschine drübergerattert. Die Seitennähte sind wie immer französische Nähte, so dass nichts Abgeketteltes zu sehen ist.
( BTW. Da warb doch bei meinen Overlockmaschinenrecherchen jemand damit, dass Overlockversäuberungen professionell und nicht selbstgemacht aussehen würden. Für mich sehen sie nur nach billiger Industrieware aus, die wir mittlerweile gewöhnt sind.)
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Ich trage den Rock sehr gern, er ist nicht nur ein Ersatz für einen Wollrock, den ich letztens zu heiß gewaschen und verdorben hatte, sondern ein echtes Schmuckstück.

Hier geht es zu den anderen Damen vom Me Made Mittwoch und ihren selbstgenähten Kleidern.

MMM mit buntem Tweed

Der schmale Tweedrock tauchte ja im Lieblingsstückpost letzte Woche schon einmal auf.
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(Es ist übrigens immer wieder eine Übung für mich, naturbelassene Fotos zu machen. Einfach so geschossen, ohne richtiges Licht, kurz vorm Losgehen und dazu nicht richtig gesund, was man sieht. Da schlägt der Perfektionsanspruch des Berufes immer wieder durch. Aber das nur am Rande.)

Der dunkelbraune Fischgrat-Tweed, der bestimmt 100% Acryl ist, sprang mich beim vorweihnachtlichen Stoffmarktbesuch an und wollte auf den Arm. Ich habe ihn auch noch einmal mit schwarzer Grundfarbe gekauft, das soll ein Etuikleid werden, wenn ich denn mal den Schnitt passend bekomme.
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Das klassische Web-Muster, das ich schon naturbelassen sehr mag, ist mit verschwommenen Blüten bedruckt. Darüber liegen noch einmal dunkle, grafisch aussehende Streifen, auf die ich auch gern verzichtet hätte, denn sie sind aus Flockenmaterial (so wie bei beflockten T-Shirt-Motiven) und machen den Stoff etwas steif. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum der Stoff für 3 Euro das Meter auf dem Markt auftauchte.

Zuerst hatte ich unglaubliche Pläne, aus dem Stoff einen kurzen Tournürenrock zu machen. Und dann fragte ich mich, ob ich denn wirklich wie ein kleines Zirkuspferd ausstaffiert meine Weihnachtseinkäufe machen will.

Quelle: https://curiousoddities.wordpress.com/tag/ruff/

Der klassische Konflikt zwischen Kopf- und Herznähen also.

Für den Schnitt habe ich dann meinen schmalen Rockgrundschnitt benutzt, den ich nach Memas Anleitung angepaßt habe. (Memas Blog ist für mich übrigens ein hervorragender Wissensspeicher. Vielen, vielen Dank an die Autorin!)
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Ich mag es gern körpernah, habe derzeit aber keine Lust auf aufwändig zu fertigende und das Hinterteil abkühlende Schlitze. Deshalb habe ich hinten ein Godet eingefügt.
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Dafür habe ich ein halbes Oval aus dem Schnitt genommen und aufgedreht. (Beim Wiedereinfügen – Überraschung! – war das aufgedrehte Teil viel größer geworden. Das gab noch zwei tief eingelegte Falten.)
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Hinten habe ich nach der Nähschlampenmethode einen Reißverschluss und wie immer – statt eines Knopfes – Haken und Öse eingefügt. Ein nahtverdeckter Reißverschluss hätte mir zu sehr aufgetragen.
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Der obere Abschluss ist nur ein Beleg, damit der dicke Stoff nicht so aufträgt. Wo Beleg und Rock zusammengenäht werden, habe ich ein festes schmales Baumwollband mit gefasst, damit der Bund nicht ausleiert.
Sonst setze ich einen Bund an, mache ich einen Formbund hinten und seitlich füge ich breites Gummiband ein, damit sich ein Rock meinem klimakteriumsbedingt mondartig veränderlichen Taillenumfang anpasst. Mit dieser Schnittlösung, die sich nicht anpasst, saß der Rock nach Weihnachten drei Zentimeter zu tief. Das kanns geben.

Das Innenleben ist wie immer kommod. (Das mag ich am Selbernähen, nicht auf das unbequeme Innenleben billiger Konfektion angewiesen zu sein.)
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Die Stoffkanten sind mit Bändern gefasst und der Saum ist per Hand angenäht. Wenn ich dann noch graues Garn gehabt hätte… aber lassen wir das. Der Futterstoff ist ein rutschiger Baumwoll-Viskose-Mix, den ich einmal völlig verfärbt hatte. In dem Grau, das beim Entfärben übrig blieb, ist er gut als Futter geeignet.
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Das Futter ist an den Beleg genäht und ich habe diesmal sogar gleich daran gedacht, Aufhänger mit zu fassen.

Fazit: Ich glaube, ich brauche noch 1-2 schmale Röcke, wenn sie so bequem sind wie dieser. Machen Bella Figura, brauchen nicht viel Stoff und sind genauso schnell zu nähen.

Die anderen Damen und ihre Kleider am Me Made Mittwoch sind hier zu finden.

MMM mit 2015er Lieblingsstücken

Da ich 2015 fast nur aufgetragen, wenig genäht und noch weniger fotografiert habe wurde, war mein meistgetragenes Stück der Palermo-Rock, den ich im Frühjahr 2014 aus reiner Verlegenheit angefertigt hatte.
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Ich trug ihn im Winter als Haus- und im Sommer als unkomplizierte Bürokleidung.
Kurz gefolgt vom Tüllrock, der allerdings ein reines Sommerstück ist und dem ich in reiner Improvisation einen Jerseyober/unterrock verpasste, denn der teure Tüll war beim Färben eingegangen.
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Was lerne ich daraus? Vielleicht sollte ich, die ich auf Webstoffe eingeschworen bin, mal über den Tellerrand sehen und mich nicht nur aus Verlegenheit mit Jersey beschäftigen, wenn ich die daraus gefertigten Stücke trage, bis sie mir vom Leib fallen. Was heißt, ich müsste lernen, mit einer Overlockmaschine umzugehen…

Aber es kündigt sich ein neues Lieblingsteil an, ein schmaler Tweedrock, in 2015 gefertigt und kurz vor dem Jahreswechsel erst angezogen. Mehr Details davon nächste Woche.
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Die anderen Lieblingsstücke gibts wie immer beim Me Made Mittwoch.

Vielleicht das noch als Ergänzung: Ich muss was gegen meine massive Oberteilschwäche tun. Wer die Welt mit selbstgenähten Kleidern verbessern will, sollte keine 5-Euro-T-Shirts und 29-Euro-Pullover vom Massenhersteller kaufen, die garantiert in irgendeiner Ausbeuterbutze in Bangladesh gefertigt wurden.

Es mal mit ein paar Jacken zu versuchen, wäre auch nicht schlecht, wenn ich dann demnächst einen ordentlichen Jackengrundschnitt habe. Den wiederum werde ich erst fertigmachen können, wenn ich mit Hilfe vom Kind und vom Grafen die Schneiderpuppe fertig habe.
Man sieht, es ist ein Riesenstapel von „geht nicht, weil!“, den ich vor mir her schiebe. Was für mich Frau der Tat etwas ungewöhnlich ist.
Aber ich kontere einfach mit einem anderen Sprichwort: „Gut Ding will Weile haben“. Ich wollte mich in 2016 vor allem damit beschäftigen, für mich ein gutes und gesundes Timing zu finden.