18. Das Buch mit dem schönsten Cover, das du besitzt

Es sind zwei, zwischen denen ich mich nicht entscheiden kann.
Zu einen eine sehr schöne Strindberg-Ausgabe:
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Der Einband scheint nachträglich für eine Bibliothek gebunden zu sein. Das konstruktivistisch gemusterte Einbandpapier ist nicht maschinen- sondern handbedruckt:
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Das andere hat mir eine schlaflose Nacht bereitet, als ich es zuerst in meinen Umzugskisten nicht fand, denn ich hätte es sehr vermißt. Es ist wieder ein Exemplar „Zukunftsliteratur“:
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Der Einband ist in Feinleinen gebunden, in das die Blümchen eingewebt sind. Auch hier machte man die Bindung scheinbar nachträglich für eine Bibliothek.

Es gibt noch das eine oder andere Buch, das ich in Studentenzeiten ins Antiquariat trug, wenn das Geld knapp war. Es war sogar ein großer Doppelband eines Volksarztes mit buntem Jugendstileinband dabei, den ich in einem Prager Antiquariat aufgestöbert hatte, der mir (für DDR-Verhältnisse) recht viel Geld brachte, so daß ich wußte, hier habe ich gerade etwas sehr Wertvolles fast weggeschenkt.
Der ganze Fragebogen.

15. Das 4. Buch in deinem Regal von links

Es geht mir wie vielen, die diese Frage beantworten. Welches der Regale? Ich habe zwar nicht mehr 7 Laufmeter Bücherregale wie früher, aber zwei sind immer noch.
Ok. Jurek Becker, Aller Welt Freund. Ein Buch, zu dem ich kam, wie die Jungfer zum Kind. Ich mochte Becker sehr als Drehbuchautor, als Romancier habe ich ihn nie richtig wahrgenommen.
Dann kam der Freund, der mich so wunderbar fotografiert hat und fragte mich, ob ich nicht für ihn die dramaturgische Beratung für ein Drehbuch zum Roman machen wollte. Jurek Bekcers Witwe hätte ihm die Rechte überlassen.
Ich sagte ja. Er gab mir das Buch, ich las und konnte damit über-haupt-nichts anfangen. Das war mir natürlich peinlich, denn er lachte immer laut auf, wenn er über das Buch erzählte.
Ich sagte mir: Kitty, ob ein Dramaturg einen Stoff mag oder nicht, analysieren sollte er ihn schon können. Nur bin ich keine Literaturwissenschaftlerin. Und ich hielt das auch nicht für einen Roman, sondern für eine längere Erzählung. Jedenfalls kam ich damit nicht hin und nicht her und schwafelte nur Schwachsinn über „Entwicklungsgeschichte“ etc. Für mich war es einfach ein Buch mit einem Helden mit Westberliner Pseudoproblemen, die einem eigentlich nur leid tun können.
Wir haben das Projekt dann begraben. Was heißen will, ich habe es stillschweigend unter den Teppich gekehrt.
Der ganze Fragebogen.

14. Ein Buch aus deiner Kindheit

Geschichten aus der Murkelei von Hans Fallada. Ein Geschichtenbuch für seine Kinder, das 1938 erschien, Zeichen seiner inneren Emigration, weiß ich heute. Für mich als Kind war es spaßig, weil die Erwachsenen in den Geschichten genauso verrückt waren wie die Kinder.
Es ist eines der Bücher meiner Mutter, das ich auf Nimmerwiedersehen verborgt hatte (sorry, Bruderherz!) und so mußte ich es mir als Erwachsene noch mal anschaffen.
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Dann die Hundegeschichten und Märchen von Friedrich Wolf. (Der Wikipedia-Link zu seiner Biografie ist leider sehr nichtssagend einseitig. Der Mann war Reformarzt, einer von diesen Licht-, Luft-, Sonne- und Vegetarismus-Predigern und radikalisierte sich politisch. Einer seiner Söhne wurde ein begnadeter Regisseur, der andere Chef der Spionageabteilung der DDR, ein dritter, geboren im Jahr seines Todes, ist Physikprofessor. Gute Gene.) Die Hundegeschichten Kiki und Cora Buntauge waren anrührend pathetisch-sentimental und ich zerdrückte so manches Tränchen beim Lesen.

Das Handyobjektiv scheint den letzten Inselaufenthalt tatsächlich nicht überlebt zu haben. Ich muß wohl auf die Kamera umsteigen.
Der ganze Fragebogen.

7. Ein Buch, das dich an jemanden erinnert

Als ich schon einmal einige Jahre in diesem Schöneberger Doppelmietshaus wohnte, hatten wir eine Nachbarin, die im weitesten Sinne zur Familie meines Lebensgefährten gehörte. Sie war die Sekretärin und Buchhalterin seiner Großeltern bis zur Aufgabe der Konfektionsfirma in den späten 60ern.
Ein klassisches Fräulein, das Beruf und Freiheit vor Heirat und Hausfrauendasein stellte. Auch ihre Schwester, die ein Leben lang mit ihr zusammen wohnte, hatte den gleichen Weg eingeschlagen, sie war Sekretärin in einem großen Chemieunternehmen, starb aber, bevor ich Fräulein K. kennenlernte.
Fräulein K. hatte alles mitgemacht. für eine Tochter eines höheren kaiserlichen-preußischen Beamten war sicher ein anderes Leben geplant. Doch dann brach das Deutsche Reich einmal zusammen, danach Inflation in einer riesigen, repräsentativen Wohnung am Charlottenburger Steinplatz, finanziert von einer Beamtenpension. Später Berufsausbildung, Steno, Maschine schreiben, Buchhaltung. Männer sicher, aber zu welchem Preis? Einen Mann bedienen und zufriedenstellen für Essen, Kleidung und Wohnung? Also Arbeit und Eigenständigkeit. Und Verschwiegenheit in Liebesdingen.
Nazis? Vollidioten aus Bayern, Identifikationsfiguren für Enttäuschte aus Proletariat und Bürgertum, die bei der dynamische jungen Angestelltenklasse kaum Gehör fanden. Vorerst.
Dann der Krieg, die Firma nähte statt Blusen Fallschirme. Stillschweigende Verlobung mit einem Piloten, der nicht zurückkehrte. Verlagerung des Betriebs nach Böhmen. Nachrichten aus Berlin. Diese Freundin ausgebombt, jene Freundin im Keller verschüttet und tot. Alles um die alte Wohngegend herum platt oder ausgebrannt. Das Deutsche Reich war ein weiteres Mal zusammengebrochen.
Rückkehr nach Berlin. Im Frühsommer 1945 mit der Schreibmaschine in der Hand durch die Ruinen 10 Kilometer zur Arbeit laufen. Mit Hunger im Bauch und kaputten Schuhen. Abends ging es zurück und dann wurde getanzt und gefeiert oder ins Theater gegangen.
Die Jahre vergingen, es gab wieder zu Essen, es wurde bis in die Nacht gearbeitet und im Urlaub in die Alpen gefahren. Großbürgerliches Wohnen war vorbei. Wozu auch. Männer waren Mangelware und die beiden Schwestern wollten sich nicht mit zweiter Wahl begnügen. Kriegsinvaliden, Greise, Witwer, Verheiratete, wozu? Dann lieber für O.W. Fischer schwärmen. Und eine kleine, praktische Wohnung mit der Schwester teilen. 50 Quadratmeter mit Balkon, Fernheizung, Warmwasser, kleiner, paktischer Küche und Bad, was braucht man mehr?

Aus dieser Zeit stammt das Buch Am grünen Strand der Spree von Hans Scholz. Es hat im Tonfall noch immer die Berliner Coolness der späten 20er Jahre. Gebrochen durch Kränkung, Trauer, Unverständnis und Schuldgefühl.
Da säuft sich die Generation geschichtenerzählend durch die Nacht, die 10 Jahre später von ihren Kindern beinharte Vorwürfe bekommt, es wäre doch einfach und zwingend richtig gewesen, dagegen zu sein.
Nun ja.

Ich habe dieses Buch mit Befremdung und Freude gelesen, weil es mich an Tucholsky, Vicki Baum und Kästner erinnerte. Es war so anders als die langweilig-pathetische Pflicht- und Schuldigkeitsliteratur der Ostzone. Mit Alkohol und Jazzmusik, tollen Frauen und großfressigen Kerlen. Eigentlich viel mehr das Leben als diese mittleren epischen Helden (diese Wortkonstruktion ist nicht mal mehr zu googlen) mit ihrer Betroffenheits- und Läuterungsproblematik.
Der ganze Fragebogen.