Archiv für den Monat: September 2013
Tagebuchbloggen – 29. September 2013
Ein wurliger Vormittag, noch schnell klar Schiff machen, Klamotten in die Tasche schmeißen, das Auto ranorganisieren, das mit abgelaufener Plakette irgendwo halb im Wedding parkt, noch einen letzten Schwung Wäsche aufhängen und die Blumen gießen und ab gehts Richtung Norden. Auf dem blauen Himmel schweben Wolkenschiffchen, auf den Feldern liegen Strohballen und in La Primaveras Garten begrüßen uns rote Äpfel.
Zum Abendbrot machen wir eine kleine Pilzsammelrunde im Garten und genießen anschließend die letzte Sonne vor dem Haus.
Dann gibt es Bratkartoffeln, Pilze und Salat. Anschließend sichteten La Primavera und ich einen ganzen Schwung Klamotten. Ich habe jetzt Wickeljäckchen, Pullover und eine schöne Tweedjacke, die mir, wenn ich noch einen Rock dazu nähe, den Kostüm Sew Along spart.
Leider wirbelte das Anproberen so viel Katzenhaare aus den Sachen aus (hier hat ja jeder Katzen), dass ich erstmal furchtbar litt, aber dann doch in eine stille ländliche Nacht unter strahlendem Sternenhimmel glitt.
Tagebuchbloggen – 28. September 2013
Isabella Donnerhall musste mich erst darauf hinweisen, dass mein Post gestern aus der Zukunft kam. Hihi.
Gestern schrammte ich ständig am Rand zur Migräne lang, auch wenn ich gut ausgeschlafen war. (Halb Elf aufzustehen ist schon Sünde.)
Ich kam nicht so recht voran, weil nur noch ein Rest Kaffee vorhanden war, der Graf aber vor dem gemeinsamen aushäusigen Kaffeetrinken mehrere Stunden wässern musste, ich – als er dann aus der Badewanne kam – an der Nähmaschine saß und die Stopffunktion an einer Jeans testete und nur noch hörte, wie die Tür zuklappte und merkte, dass ich ihm grade gesagt hatte, dass ich heute nicht mehr vor die Tür wolle.
Ja, aber Kaffee??? Wenn der Graf den in zwei Stunden mitbringen würde, läge ich schon längst röchelnd am Boden.
Also zog ich den Bequemhoodie aus und ein Röckchen an und ging zu Galao, um einen grossen Kaffee und zu Süße Sünde, um das letzte Eis des Jahres in Empfang zu nehmen und setzte mich damit in den Rosengarten auf eine Bank. Zweites Berliner Frühstück um halb Fünf. So muss das sein.
Abends kochte ich gefüllte Paprikaschoten mit Reis. Es fühlt sich übrigens sehr obszön an, den Finger in lange, spitze Paprikaschoten zu bohren, damit das Mett auch ganz hinten ankommt.
Dann war nur noch Cremant austrinken angesagt, auch den des Mannes, den der Schlaf bei Lesen überkommen hatte.
Tagebuchbloggen – 27. Oktober September 2013
Ein Galopp-Freitag. Die Yogastunde am Vortag hatte mich so fertig gemacht, dass ich ausnahmsweise mein Homeofficer-Privileg nutzte und mich nach Verabschiedung des Grafen noch mal hinlegte, damit wurde der Tag natürlich um einiges kürzer.
Dann ging es irgendwie heftigst durcheinander. Biokiste ausräumen, die nächsten Suppen kochen (Kürbis und Sellerie-Birne), in der Wohnung klar Schiff machen, eine Abschlussbesprechung für eine Website halten, einen Blogeintrag machen, Wäsche waschen, den nachhause kommenden Mann mit Vitaminen versorgen.
Pro-Tipp: Den Trick, mit den lustig arrangierten Nahrungsmitteln die Esslust für Gesundes anzuheizen, kann frau auch benutzen, um Obst in den Mann zu bekommen. Ich nutzte Pflaumen, Bananen, Datteln und Weintrauben. Das Bild bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.
Da ich meinen Blogeintrag gestern während eines schnellen Mittagsimbisses schrieb, möchte ich noch etwas nachtragen.
Wahrscheinlich reagiere ich so allergisch auf Gejammer, weil Oma Lotte darin eine Meisterin war. Wenn ihr etwas Gutes passierte, wenn sie hätte auf etwas stolz sein können, bog sie ihre Perspektive so lange um, dass ihr Weltbild „allen anderen geht es besser als mir, ich bin krank, ungebildet und gegen meinen Willen vereinsamt“ wieder stimmte.
Diese #nudelnmitketchup – Diskussion ist überflüssig wie ein Kropf, weil sie nur eine weitere Variante der deutschen Neiddiskussion ist. Finde ich jedenfalls. Klar kann man jemandem zum Vorwurf machen, dass es ihm besser geht als einem selbst und er deshalb kein Recht hätte zu klagen. Dann wären wir mitten im Befindenslimbo, den auch unsere Großmütter so trefflich beherrschten. Eine sehr protestantische Diskussion, wie ich finde. Denn nach deren Ansicht, hat das Leben Anstrengung und Qual zu sein und derjenige, dem es aus irgendeinem Grund besser geht, hat das gefälligst nicht zu zeigen.
Vielleicht ist es auch eine spezielle Atmosphäre in Westdeutschland. Durch die Wirtschaftswunder-Erbschaften und die kleiner werdenden Familien werden Aufstiegsbiografien seltener nötig. Ja, sie werden scheel angesehen. Mich wundert es daher nicht, dass Gesellschaftsschichten immer weniger durchlässig sind und wer in eine Schicht hineingeboren ist, dort mit Sicherheit auch bleibt. Gesellschaftliche Aufstiege von Migranten aus anderen Kulturkreisen in einem Land, das kein Einwanderungsland ist, brauchen dazu noch die doppelte und dreifache Kraft, denn sie bedeuten auch massives Abgrenzen von einigen Werten der Eltern. Und wir haben nun mal mehr Migrantenkinder in den unteren Gesellschaftsschichten (weil Familie und KInder dort noch selbstverständlich zu einem Lebenslauf dazugehören) als Kinder von Menschen, die schon seit vielen Generationen in Deutschland leben. Das heißt, Aufstiege werden noch exotischer.
Eigentlich ein Grund, stolz darauf zu sein, diesen Sprung zu schaffen. Aber Stolz auf etwas Geleistetes ist in manchen Gruppierungen nicht en vogue, es sei denn man ist im Fitness-Studio oder läuft Marathon.
Schade, ich finde, es zieht nichts mehr runter, als die alten Geschichten immer wieder hervorzuholen, Hass tief zu inhalieren, die Energie aufzuwenden, akribische Notizen in einem Buch der Kränkungen zu machen, statt sich ein gutes, glückliches und selbstbestimmtes Leben als Ziel zu setzen und das zu realisieren.
Meine Philosophie ist ohnehin, wenn wir nicht gerade mit sehr schweren, irreparablen Lebenshindernissen auf die Welt kommen, ist die Summe von Freud und Leid, die uns allen widerfährt, gleich. Nicht gleich ist, wie wir Freud und Leid wahrnehmen und was uns im Detail widerfährt.
Dass es Kindern von Reichen besser geht und dass sie es leichter haben im Leben, ist ein alberner Trugschluss. Die Leute, die ich kennen gelernt habe, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, waren nicht weniger im Leid, als diejenigen, die den Aufstieg nicht von ihren Eltern geschenkt bekamen.
Sie hatten genauso wenig Spielraum, weil ihre Eltern übermächtig sind. Die Angst, dass die Eltern nicht loslassen können und das Familienunternehmen in den Sand setzen, bevor es vererbt wird, ist genauso groß, wie die Angst enterbt zu werden, wenn man sich nicht gewünscht verhält (die falsche Frau heiratet, womöglich ihr Kind adoptiert) und die Angst davor, dass im Falle eines Berliner Testaments in der Elterngeneration noch mal geheiratet wird und Geld und Gut auf den letzten Metern verjuxt und falsch vererbt wird. Dazu kommt eine ständige unterschwellige Angst vor Verarmung, die ich bei diesen Leuten spürte. Da konnte ein fünfprozentiger Kursabfall einer Aktie oder das Brandschutzgutachten für eine Immobilie schon mal eine mehrwöchige Depression auslösen. Die Ängste, sich zu verlieben und sich an den/die Falsche zu binden und die Konsequenzen tragen zu müssen, kommen gratis dazu. Man halt halt viel zu verlieren.
Mir sind die Leute, die kämpfen mussten, allemal lieber. Ich kenne jemand, der hat mit Anfang 20 sein erstes Haus für die Familie allein gebaut, als Minderjähriger hat er (kein Witz) Flaschen gesammelt, wenn das Geld am Monatsende alle war, Unterstützung der Eltern gab es nicht, ab dem 15. Lebensjahr auch kein Dach über dem Kopf bei ihnen. Eine soziale Infrastruktur, die solche Jungendlichen auffing, gab es in den späten 70ern noch nicht. Nun kann er sein Lebenswissen auf seinem ausgedehnten Hof in südlichen Gefilden nutzen. Zwischendurch hat er Jobs ganz oben in internationalen Konzernen gemacht und ist früh ausgestiegen. Solche Leute schätze ich sehr. Mehr als die Söhne und Töchter von, die mir begegneten, denen alle Türen offenstanden, ohne dass sie etwas dafür leisten mussten und die der kleinste Windstoß aus den Schuhen pustet.
Denn es hat großen Charme und ermöglicht einen guten Einsatz von Kraft, selbst ein leeres Blatt zu füllen.
So, das war die Ergänzung zu gestern. Am Nachmittag gingen der Graf und ich zu einer Veranstaltung der Social Media Week, es ging um das von uns sehr geschätzte Rosegarden Magazin und Pop up-Kultur.
Danach gab es noch eine ausgedehnte Stunde bei Modulor, ich kaufte auch nur ganz wenig. Aber Schneiderkopierpapier musste sein.
Dann hatten wir Hunger, uns war nach Huhn, aber nicht im Hühnerhaus. Die Henne war natürlich ausgebucht, aber in der Kleinen Markthalle waren zeitlich limitiert noch zwei Plätze frei. Das wird gefühlt immer schlimmer, einfach spontan am Freitag- oder Samstagabend essen zu gehen scheitert an den Reservierungen.
Das Huhn war knusprig, das BIer lecker und nach diesen wirbeligen Tag verschwand ich früh im Bett.
Dann habe ich noch drei Links noch mal, weniger emotional diesmal, zur Wahl:
Das Nuf – CDU-Wähler_innen scheinen die neuen Zombies zu sein und die Zombieapokalypse hat scheinbar nur die Hipstergemeinden verschont.
Ix – Ich glaube, Themen werden nicht manipulativ umarmt, um Wähler zu locken, sie rutschen in den Mainstream.
Journelle – D’accord, nix hinzuzufügen, außer vielleicht den Gedanken, dass mit ein bisschen Geschichtserinnerung das Schicksal von Ländern betrachtet werden kann, in denen eine kleine nonkonforme Elite an der Macht kam. Das hat meist übel gekracht.