Tagebuchbloggen – 26. September 2013

Ich machte eine kurze Schreibtischsession, nachdem der Graf aus dem Haus war. Dann wechselte ich zwischen Küche und Nähmaschine. Der Unterrock sollte bei Tageslicht fertig werden, abends tun mir oft die Augen weh. Irgendwann kapierte ich es, was mich an dem Batist aus „reiner Baumwolle“- laut Versicherung des Händlers – so befremdete. Der schwere, labberige Fall, der leichte Glanz, ja und dann der erste leichte Sengfleck meines zugegebenermaßen stramm heißen Bügeleisens. Es ist Viskose, vielleicht halb und halb mit Baumwolle. Als Unterrock ideal, aber wie immer sollte man sich auf dem Stoffmarkt am Maybachufer nicht auf die blumigen Argumente des Verkäufers verlassen.
In der Küche entstand währenddessen Rote-Bete-Suppe. Bevor wir zu La Primavera fahren, wollte ich noch alle Gemüsevorräte aus der Biokiste verarbeiten. Die kommen in den Tiefkühler und werden je nach Bedarf frostige Herbstnasen wärmen.

Ich überlegte mir schon, welche Ausrede ich der Freundin zukommen lassen könnte, mit der ich am Abend zum Yoga verabredet war, da kam von ihr eine Mail: „Ich erwarte dich um 18:15 Uhr auf der ausgestreckten Matte!“. Ok., da musste ich. Ich gab meinem fetten inneren Schweinehund, der ständig im Weg rumliegt, einen Tritt, dass er winselnd bis nach Timbuktu flog, grabbelte meine Bequemhosen aus dem Schrank und beeilte mich, in die Stargarder Straße zu fahren. Von der Stunde (die harmloseste Sorte Yoga, die sie dort anbieten) nur so viel, die Engel sangen bei jeder Dehnung in Chor, zweimal konnte ich fast nicht mehr (sensible Lehrerin, die dann immer das Tempo wegnahm) und eine halbe Stunde danach hätte ich Bäume ausreißen können. Coole Sache. Und was noch schön ist: Meine letzte Yogaübungen sind gut drei Jahre her, aber das ist wie Fahrradfahren das verlernt man nicht.

Am Abend sah ich, daß ich auf Twitter zwei (Oder waren es drei?) Empörungs-Meme verpaßt hatte und mutete nach kurzem Einlesen die Hashtags. Es nervt mich nur noch.
Ein Artikel in dem ein infantiler Berufsjugendlicher seine Versagensängste auf eine Mutterfigur und die ihn leider ignorierenden Objekte der Begierde – nämlich Mädchen (wer ein ewiger Junge ist, nennt Frauen Mädchen, was sonst?) projiziert, ist mir kein Schulterzucken wert.
Ein ähnlicher Artikel einer ähnlich tickenden jungen Frau, die sich über die dominanten Macho-Typen in der Uni und den Nazi im Prüfungsamt beschwert, der ihr das Studium versaut hat, wäre im Diskurs meiner Fem-Filterblase von einer fucking Heldin geschrieben und somit sakrosankt.
Dann erzählt Mutti mal eine Runde vom Krieg: Ich habe meine Nudeln mit Ketchup im Studium mit meiner Tochter geteilt und statt Interrailurlaub zu machen, habe ich Geld gespart, damit ich ihr Schuhe kaufen konnte.
Der Nachteil: Weniger Rumspielerei und Spaß, keine drogengesättigten Raves. Der Vorteil: Ich wurde für voll genommen, weil ich da war und nicht irgendwo in der Verweigerung, und mein Leben war daher nicht minder interessant.
Armut ist Scheiße, wenn es keinen Ausweg gibt. Studenten erarbeiten sich mit dem Studium eine Palette an Chancen und es zeigt sich sehr schnell, wer sein Leben in „ich würde ja, aber es geht nicht, weil die anderen schuld sind“ verdallert und ewig am jammern ist und wer nicht. Der junge Mann von oben wird wahrscheinlich ewig in der Pose des zu kurz gekommenen und entthronten kleinen Prinzen verharren. Lassen wir doch dort mit seinem Kurzenund kümmern wir uns derweil um relevantere Dinge.

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Tagebuchbloggen – 25. September 2013

Einer der Tage, an denen ich beim Me Made Mittwoch ein Kleid vorstelle. Der Artikel ist schon halbfertig, das ging schnell. Irgendwie schlumpse ich dann doch beim Einstellen, ich bin erst mittags auf der Liste, denn La Primavera ruft an, wie es denn wäre ins Gartenherbstparadies zu kommen.
Es ist wirklich herrlich, wenn zwei menschliche Immobilien versuchen, sich gegenseitig zu Besuchen zu bewegen. Die Bilanz ist trotzdem ausgeglichen. Sie schaffte es jahrelang nicht, nach Berlin zu kommen und ich fuhr zu ihr, jetzt schaffe ich es jahrelang nicht, zu ihr zu kommen und sie kommt hierher.
Dann machte ich Networkingkram, der Zeit braucht und trotzdem nicht sichtbar ist. Das kennt wohl jeder, diese Arbeiten, die Außenstehende fragen lassen: Was hast du eigentlich die ganze Zeit gemacht?
Dann endlich, seit dem Morgen geplant, Badewanne und Haare waschen. Das geht bei mir nicht  mehr so ruckizucki wie früher bei dieser Haarlänge. Kaum war ich untergetaucht, klingelte es. „Klasse“, dachte ich, „ausgerechnet jetzt schleicht der Hermes-Paketbote nicht wie sonst wie ein Phantom vorbei, sondern klingelt.“ Dazu rappelte es vor der Tür und klingelte noch ein zweites Mal. Hm, ich hatte den Nachbarn Hilfe angeboten,wenn jemand mal kurz auf das Baby aufpassen soll. Also tapste ich aus der Wanne raus, tropfend in einen Bademantel gewickelt.
Waaaah, ich hab ja immer so Asozialitätsängste. Eine davon ist, am frühen Mittag völlig verkommen im Bademantel die Tür zu öffnen.
Wer da sei, fragte ich. Polizei, sagten die Herren vor der Tür, wir hätten kein Klingelschild, wer denn hier wohne? Ok., dann machte ich die Tür auf und sah mir die Typen mal an, die sofort eine Marke vorzeigten.
Auskunft geben konnte ich ihnen nicht, sie suchten jemanden in der Nachbarschaft, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Mir geht die „Bullenschweine“-Paranoia vieler Berliner Mitmenschen komplett ab. Wozu? Wenn mir was passiert und ich eine Anzeige mache, möchte ich auch, dass die Sache aufgeklärt wird. Ich muss niemandem in den A… kriechen, aber mit einem „Nein, weiß ich nicht.“ fühle ich mich besser als mit einem „Das geht Sie garnichts an, wer hier wohnt, was bilden Sie sich eigentlich ein.“ etc.
Zur Sicherheit habe ich hinterher noch mal recherchiert, ob die Jungs wirklich so eine Marke haben, auch Moskau Inkasso kann so was vorzeigen. Haben sie tatsächlich.
Dann Mittagessen, die Reste von gestern und kurze Rast auf dem Sofa.
Später weiter im Programm. Recherche in den Tiefen des Internets, in den Jahren 2006 und 2007. Fünf Jahre haben uns alle mächtig verändert.
Dann wechsele ich an den Zuschneidetisch. Passend zum Stufenrock schneide ich einen Unterrock aus weißem Batist zu. Der Stoff ist furchtbar rutschig. Die drei Meter, die noch übrig sind, werde ich gut stärken, damit ich sie besser verarbeiten kann. Bei einem Unterrock Ist es egal, ob man beim Zuschneiden mal einen halben Zentimeter abrutscht, für eine Bluse würde ich es blöd finden. Ich machte die ersten Nähte und war wiederum voll des Lobes über das Maschinchen. Hauchdünner, zuppeliger Stoff, extra mit kleinen Stichen genäht und der Transport und das Stichbild sind präzise wie immer.
Später trinke ich Cidre und einen kleines Gläschen von diesem Gin, der fürs Mixen viel zu schade ist, lese noch etwas und gehe schlafen.

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Tagebuchbloggen – 24. September 2013

So, erstmal die Titel in die richtige Reihenfolge gebracht. Der Titel trägt das Datum des zu beschreibenden Tages, Kitty, merk dir das.
Gestern? Die Kette der blöden Tage setzt sich fort. Erst Schreibtisch. Dann Nähmaschine. In hoher Konzentration Kräusel festgesteckt, bis das Signal aus dem Oberstübchen kam: SOFORT HINLEGEN! SONST TACKERST DU DEN DAUMEN FEST!
Dabei wollte ich einkaufen gehen. Aber es war erst mal eine Stunde Boxenstopp auf dem Sofa angesagt, danach gings wieder.
Dann eingekauft und gekocht. Süßkartoffelbrei mit Mangold, dazu Lachssteaks mit Kapern-Senf-Butter.
Der Graf half mir bei dem Umzug der Seite, den ich am Tag zuvor abgebrochen hatte. Das war irgendwie alles nicht in meinem Logikbereich angesiedelt und daher ganz simpel. Nimm deinen Schrott nachdem du alle Links von der Test-URL auf die richtige URL geändert hast, schmeiß ihn in das bereits existente Verzeichnis, auf das diese URL geleitet wird, lösche die alte Seite dort raus, fertig.
Dann ein längeres Planungsgespräch, aus dem ich ziemlich bettreif rauskam. Nicht weil das Gespräch blöde war, das war sehr angenehm. Aber es wirbelte in mir einen ganzen Müllhaufen Unbewältigtes auf. Ich muss lernen, dass Pläne nicht heißen, dass ich sie wie früher ganz allein realisiere(n muss) und alles an mir hängt. Verdammt noch mal, ich sollte mir abgewöhnen, mir jede dämliche Jacke anzuziehen. Wenn man zu zweit ein Projekt angeht, heißt das nicht, dass einer die Idee hat und den anderen damit ins Feld schickt. Jede Kooperation in meiner früheren Selbständigkeit ist letztlich daran gescheitert, dass ich irgendwann gefühlt den größten Teil der Arbeit gemacht habe. Warum? Ich weiß nicht. Weil ich nicht Nein sagen kann, denn das hieße ja dumm sein (wtf? narzissstische Omnipotenzträume!). Weil die Möhren Leistung und Anerkennung vor der Nase mich rennen lassen. Weil ich ein selbstreferenzieller Flowarbeiter bin, der sich irgendwann abkoppelt und allein über die Prärie reitet. Und weil es Bereiche gab, bei denen ich nicht rechtzeitig gesagt habe, dass das nicht mein Ding ist, ich dann dort rumdilettiert und natürlich obendrauf noch den Versagerbonus eingesteckt habe. Ach, ficken!
Ich mache nur noch was ich kann oder mir ungestört und ohne Druck erarbeiten kann.
Ich mache nur noch, was ich bewältige, langfristig, inklusive Ruhezeiten. Ich hab dieses ganze Rattenrennen doch schon hinter mir. Diese Riesendinger, bei denen ich selbst neben mir stand und dachte: Das warst jetzt aber nicht du oder? Aber auch den Übelkram mit schwer krank arbeiten.
Die Lebensträume anderer sind die Lebensträume anderer, auch wenn wir uns sehr nahe sind. Ich kann sie bei der Realisierung unterstützen, aber ich trage die Verantwortung für meine Lebensträume und die sind nicht ganz deckungsgleich mit den anderen. Sie sind – situationsgemäß – bescheidener, weil ich vieles schon gelebt habe. Aber ich bin eine gute Supporterin und trotz ziemlicher Präsenz als Macherin im Hintergrund sehr gut.
Tschuldigung, das wars auch schon…

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MMM 25.9. – Das Schleifenkleid

Ich hatte mich im Frühling in einen Schnitt verliebt, der „eigentlich“ im Gepäck hatte. Eigentlich zu schick. … zu jugendlich. … zu extravagant. … zu unpraktisch.
Daher wollte ich ihn unbedingt realisieren. Dann lief mir auch noch ein wunderbar strahlendes stahlblaues Leinengemisch in die Quere. Also konnte ich nicht anders.
schnitt  stoff
Ich änderte nicht viel. Die üblichen 2 cm runter an der vorderen und 2 cm rauf an der hinteren Taille, was in diesem Fall hieß, den Rückenausschnitt zu verschieben, aber das war einfach. Außerdem gefiel es mir gar nicht, dass die Schleife so weit oben saß. Mein Rücken ist in der Mitte nicht mehr taufrisch und der BH war auch zu verdecken, deshalb setzte ich die Schleife tiefer und breiter an.
Schleifenkleid von vorn Schleifenkleid von hinten
Der Schnitt ist simpel und einfach zu realisieren. Das Oberteil wird gedoppelt, die Anleitung für das Einarbeiten der Schleife von Innen und das Verstürzen des Oberteils ist detailliert und nachvollziehbar. Mittlerweile würde ich das Teil nicht mehr doppeln sondern füttern, doppelt ist der Stoff sehr steif. Auch ein Rockfutter wäre bei der Halbtransarenz eigentlich gut gewesen, aber uneigentlich – Unterhöschen blitzen nicht durch, dazu ist oben genug Stoff und das verlängerte Bein durchscheinen zu sehen, finde ich ganz reizvoll.
Die mitgegebene Stoffverteilung für die Größe, die ich zuschneide (20 mit Sicherheits-Zugaben) ist verdammt knapp. Deshalb durfte ich die Zickzackpräzision der damals neu gekauften Bernina austesten, indem ich kleine Keile in angefressene Teile setzte. So langsam sollte ich den Schnitten wieder vertrauen, meist sind meine Zugaben unnötig. Aber zu viel Weite wegnähen ist besser als zu viel Enge wegwerfen.
Einsatz
Der Reißverschluß wurde weggespart, das Kleid ist weit genug, ich habe hinten einfach eine Falte geknöpft.
Knopfverschluß
Vorn musste ich leider einen Abnäher setzen. Hohe U-Boot-Ausschnitte und ich waren noch nie Freunde. Der Ausschnitt war ursprünglich 3 cm höher, aber da protestiert meine empfindliche Schilddrüse.
Ausschnitt
Ich finde das Kleid ziemlich fein, die Farbe steht mir sehr und die Schlichtheit vorn und die Verspieltheit hinten sind ganz nach meinem Geschmack.
Rückenansicht
Was man dann drüberzieht, ist ein eigenes Thema. Jedes Jackett hätte einen Buckel. Mehr als ein Pashmina oder Cache-Coeur funktionieren nicht. So ist es ein Kleid für warme Sommerabende. Ich sehe mich damit Martini trinkend auf einem Barhocker sitzen, im Hintergrund dezenter Jazz.
Rock

Und nun folgt leider ein Rant erster Güte: Dieser Stoff, so genial er aussieht, ist der letzte Dreck! Es handelt sich um ein Leinen-Modal-Gemisch. Was heißt: Das Leinen braucht eine hohe Bügelemperatur, um glatt zu werden, die Modalfasern vertragen das aber nicht.
Ich habe mir zwei Mal beim Ausbügeln Löcher in den Stoff gesengt. Das Modal britzelt weg wie Zigarettenpapier und der Leinen-Schussfaden liegt plötzlich allein da, wenn man nicht gaaanz vorsichtig mit einem sehr feuchten Tuch rangeht und damit gleichzeitig leichten Krissel in Kauf nimmt. Eine große Stelle konnte ich nur durch eine Schnittänderung rausholen, die andere (beim finalen Ausbügeln passiert) muss ich auftrennen und von innen mit Klebebelag reparieren.
Schaden
Deshalb bleiben solche Brüche einfach drin und können wahrscheinlich nur mit Waschen und nassbügeln entfernt werden.
Stoffbruch
Außerdem kratzt der Stoff ganz erbärmlich. Also ist das Kleid tatsächlich etwas für den großen Auftritt von zwei Stunden nach dem frau ganz schnell wieder in den seidenen Kimono schlüpfen darf (dann auch gern mit diesen Halsbrecherschuhen, zu denen es hier eine schöne Geschichte gibt).

edit: Wenn ich mir die Fotos kritisch ansehe , habe ich gut was zu nölen:
1. Oberteil zu weit und um den Busen doch noch zu eng. Also demnächst Brustweite anpassen.
2. Wird Zeit, dass ich mir einen Rocksaum-Abrunder besorge, wenn ich ständig Tellerröcke nähe.
3. Die Bügelschäden hinten sind immer noch zu sehen.

Demnächst gibt es dann hier wieder ganz normale Sachen. Ich sitze ja schon an den Herbstschlumpiklamotten.

Und hier geht es zurück zu den Kleidern der anderen Damen.