2013 im Schnelldurchlauf

Januar
Das war der Monat, in dem Stories & Places startete, das erste der gemeinsamen Herzensprojekte. Keiner von uns beiden hatte geglaubt, dass es wirklich so abgehen und ein nachhaltiger Erfolg werden könnte. Ich war tagelang damit beschäftigt zu schauen, ob alles stabil läuft, während der Graf arbeitete. Dazu mussten wir schon am ersten Tag innerhalb von Stunden eine Haltung dazu finden, wer als SEO-Spammer sofort rausgeschmissen wird und wen wir interessant finden. Das war sehr sehr aufregend.
Sonst war der Monat düster, der dieser Winter strengte mich sehr an, aber er war mit ein paar schönen Dingen garniert, Schuhen und göttlichen Kleidern (die noch der Änderung, dem Passendmachen und des großen Auftritts harren).
Wenn sie ein paar grundlegende Dinge über mich wissen wollen, die können Sie im Januar nachlesen.

Februar
Ein wunderbares Geburtstagsfest mit vielen Freunden und einem nächtlich mit der allerbesten Freundin aufgegessenen Käsekuchen.
Dann war ich lange krank und schniefend und röchelnd im Bett liegend, schrieb ich einen längeren Text über das, womit die westliche Nahrungsmittelindustrie einst begonnen hatte. Den finde ich noch immer gut.
Es lag schon einige Monate ein weiteres gemeinsames Projekt in der Luft, unsere Hochzeit, aber irgendwie schwebte das noch in der Planungs-Paardynamik. Einig waren wir uns, dass es stattfindet, nur das Wie und Wo war ein längerer Entscheidungsprozess. Ich mit den üblichen schnellen Entscheidungen und gleichzeitiger Konservativität (ohne Ringe, ordentliches Kleid und einem besonderen Tag hätte ich keine Trauung ernst nehmen können) und der Graf mit seinem Perfektionismus.

März
Es schneite immer wieder, der Winter schien nicht zu enden..
Da Twoday immer mehr verkommt, half ich den Freunden beim Umzug ihrer Blogs und der Sicherung ihrer alten Daten. Dazu bekam LaPrimavera eine Website, die ein gar gigantomanisches Projekt zu werden drohte. Nach der ITB, wo wir uns Reiseblogger live ansahen, kam die Leipziger Buchmesse mit vielen guten Begegnungen.
Wir hatten endlich einen Hochzeitstermin und -ort gefunden, nachdem das Besorgen der Papiere sich in eine mittelgroße Aktion auswuchs.

April
Das Kindchen zog mit dem besten Regieassistenten der Welt zusammen und es war Kisten-Workout angesagt.
Dann folgte eine langanhaltende Odyssee durch Herrenausstatter. – Der Graf und sein Perfektionismus eben. Je minimalistischer die Kleidung, desto schwieriger ist es, scheint mir. Ich hatte mein Outfit bereits  Anfang Februar nach ein paar Stunden Internetrecherche und einem Telefonat mit LaPrimavera komplett. Es kam nur noch ein wunderschönes Geschenk des Grafen dazu – ein Kollier.
Dann gab es Frisurentests und noch ein paar Organsationsdinge um diesen Tag, ja und dann ging es los. Am 16. April wurden wir dann Mann und Frau. Bisher haben wir es noch nicht bereut (während ein Paar aus der weiteren Bekanntschaft, das einen Monat vorher geheiratet hatte, bereits wieder mit Riesenkrach auseinander ist).
Die Oma, die in der frühen Kindheit so etwas wie meine Mutter war, war nun fünf Jahre tot.

Mai
Ich begann nach fast zwei Jahrzehnten Pause wieder mit dem Nähen. Mein erstes Produkt war ein seidener Rock und ein Top, die mich aussehen ließen wie ein freundliche Trümmerfrau. Es war also noch viel Platz nach oben, die Latte lag nicht zu hoch. Die Nähmaschine, nach Singer-Patent gebaut, die das Kind mir ein Jahr zuvor geschenkt hatte, erwies sich als praktikabel, aber nicht beständig, die Lagerung der Unterfadenkapsel war aus Plastik. Ich suchte nach einer neuen Maschine.
Der Graf und ich gingen zu re:publica, ich lernte wieder sehr interessante Bloggerinnen kennen.
Die andere Oma, Charlotte, starb vier Wochen nach ihrem 92. Geburtstag. Eine weitere Familienära ging zu Ende.
Dann kam der Ende-Mai-Geburtstagsmarathon, der von meiner besonderen Affinität für Zwillingsgeborene kündet.

Juni
Ein wunderbarer Mittsommerabend auf der Barnimkante mit Heartcore und seinem Liebsten, Herrn Lucky und dem Kind mitsamt dem besten Regieassistenten der Welt.
Ich wandelte von Glam geschenkte Vogue-Schnitte in Kleider um und testete jede Menge Nähmaschinen.
Wir fuhren für einen Tag ans Meer.

Juli
Durch ein Vermächtnis von Oma Charlotte und des Grafen Großzügigkeit hatte ich nun eine neue Nähmaschine. Das Nähen ging weiter. (Musste, ich passte in keine Sommerklamotte der letzten Jahre.)
Dann kamen zwei Wochen Urlaub in Großpolen und Schlesien. Als wir zurückkamen, kochte Berlin und wir schwammen zu Abkühlung im Schlachtensee.

August
Ich nahm zum ersten Mal am Me Made Mittwoch teil. Eine großartige Sache, Kleider an so verschiedenen Frauen zu sehen.
Dann beendete ich einen vor zwei Jahren begonnenen Quilt, zufrieden war ich aber nicht. Das Ding sieht einfach nach Krampfadern und Gummistrumpf aus.

September
Zuerst feierten wir den Sommer und mit Verspätung unsere Hochzeit mit Freunden, dann fuhren wir nach Leipzig, um dort auch noch einmal Hochzeit zu feiern und in den Herbstferien besuchten wir LaPrimavera in ihrem ländlichen Paradies.
Ich schaffte es, ein schon seit langem konzipiertes Seminar an einer Hochschule unterzubringen. – Überhaupt Arbeit, ich bin bereits das ganze Jahr damit beschäftigt, nicht mehr als 3 Stunden täglich zu arbeiten. So richtig gefällt mir das aber nicht. Ich brauche Schwung für meine Arbeit und manchmal auch einen längeren Anlauf. So bleibt mir das Jahr als eines im Gedächtnis, in dem ich auf der Stelle getreten bin und nichts richtig geschafft habe.

Oktober
Katzen hüten und Pilze sammeln bei meinen Eltern. Ein weiteres Herzensprojekt des Grafen und mir beginnen – diesmal ist es ein Buch, das Thema ist wiederum Internet-Storytelling.
Ich schwimme noch einmal ein paar Züge im Schlachtensee, es fühlt sich fast wie früher an.
Ab Mitte Oktober beginne ich mein seit Frühjahr geplantes Arbeits-Belastungstrainung, drei Mal die Woche fünf Stunden in einem Job, der mir wenig Verantwortung abverlangt und die Strukturen schon mitbringt.

November
Vor dem Seminar werde ich natürlich krank. Es ist trotzdem ein großer Erfolg und ich bekomme ein Nachfolgeangebot. Ich lese mich durch unser neues Projekt durch des Anfangszeiten des sozialen Internets. Spannend, sehr sogar. Mein Näh-Output stagniert, zu viel Arbeit, noch mehr Ausruhen, aber ich beschäftige mich mit den Grundlagen von Kleidungs-Entwurf und Schnittgestaltung.
Der Mann und liebe Freunde, die für mich da sind, auf meinem Weg zu mehr Belastbarkeit.

Dezember
Viel Arbeit und wie immer vergeht der Monat viel zu schnell. Ein großes Jubliäum bei meinen Eltern. Weihnachten bei Kind und Mann. Zwischen den Jahren Begegnungen mit Freunden und Bloggern, die ich schon Jahre lese und zum ersten Mal treffe.
Müde, schlaflos und glücklich.

Das war 2012.

 

November-Run

Hu, das ist gerade heftig viel und dann auch noch so viel Beeindruckendes. Und jedes Mal fing es an mit „ok., gehste mal hin, wenns langweilig ist, kannste schnell wieder abhauen“. Das dauert wohl noch ein kleines bisschen, bis ich das alles aufschreiben kann.

Endlich wieder Sonne

Der Tag gestern hatte mir echt die Schuhe ausgezogen. Aber jetzt geht es weiter im Text, das blonde Biest steht auch wieder am Himmel und strahlt über die aufziehende Winterkälte hinweg. Es hätte alles schlimmer kommen können.

Was macht man mit der Ankündigung, dass das wichtigste Lebenszeichen eines Freundes, das man täglich liest, wohl bald nicht mehr kommen wird? Dagegen reden? Oder diesen Wunsch respektieren? Letzteres muss ich wohl, so traurig es mich macht.

Eine komische letzte Woche war das. Dieser Alice-Schwarzer-Post war eigentlich Teil eines schriftlichen Sonntagsgeplauders. Irgendwann dachte ich. Nö, lass den mal so stehen, weniger ist mehr, mal sehen, was passiert. Es passierte. Ich glaube, ich hatte noch nie so viele Zugriffe auf einen so trockenen Text und so viele Verlinkungen.* Aha. Leute, die Internet-PR machen, lernen das wahrscheinlich schon in der ersten Schulstunde, dass man Informationen in zielgruppengerechte Häppchen zerlegt.
Weitergedacht – Mit mir hätte so ein Verlautbarungs-Schreiben dann aber gar nichts mehr zu tun. Kitty Komas Diary, das ist Leben, Lieben, Mimimi, Kulturkritik und immer mal ein Waldorf & Stetler-haftes Statement, zu dem, was mir so auffällt. Also halte ich es wie der bayrische Dandy, hier gibts auch weiterhin keine optimierten Produkte, sondern das pralle Leben.
Schon weil diese Weltvereinfachung dem allgemeinen Trend Vorschub leisten würde, mit -ismen beschriftete Schubladen zu füllen und was nicht passt, passend zu machen und das hasse ich wie die Pest. Das Leben chaotisch und absurd und wer es papieren dürre machen muss, um sich ihm besser aussetzen zu können, ist eine arme Sau. Mit Verlaub.

Ein schöner Link zum Thema Schematisierung der Welt zum Zweck der Einpassung in ideenbeschwerte Begrifflichkeiten ist dieser. Menschen haben sich den Spaß gemacht, eine Ego-Inszenierungs-Kultur, nämlich das unter #selfie verhashtagte Handy-Selbstporträt ad absurdum zu führen, indem sie den Wortspiel-Hashtag #shelfie dagegensetzten und ihre Bücherregale fotografierten. Zeitgleich sammelte jemand selfies von ganz merkbefreien (seltenst deutschen) Touristen, die der Welt zeigten: „Hey, icke! Bin grad in Auschwitz! Vernichtunglager! Wisster Bescheid!“ oder so.
Ergebnis dieser Kollision: Subsummierung der Bücherschrankfotos unter den Begriff Klassismus. Und Klassismus ist grade ein ganz großes Buzzword.**
(Ich habe eher das Gefühl, dass dieses Klassismusgewaber rhetorisches Symptom einer in Klassen und Schichten kaum noch durchlässigen Gesellschaft ist. Die Botschaft lautet für mich: „Bleib mal da, wo du bist, ist doch auch schick!“ Es gibt keine Unterschiede, sondern nur noch Diversity – eine andere Art, sich etwas schön zu reden. Wer sich verändern will, muss erstmal merken, dass es Unterschiede und eine andere, womöglich für ihn besser funktionierende Existenz gibt, die er gegen Widerstand erreichen kann. Denn in der Regel begrüßt einen keiner in der kommoderen Existenz mit Handschlag und macht freundlich seinen Platz frei.)

Ich setze dem selfie-shelfie-Diskurs mal andere -ismen dagegen: Karnevalismus. Was das ist? Das war der indoktrinale heiße Scheiß in den Zeiten des Stalinismus. Gegen die Vereinfachung der Welt per (Sprach-)diktatur unter Josef Stalin, in einer Zeit, in der man zum Lachen und unverstellt Reden lieber in den Keller ging, um nicht im Lager zu landen, schrieb der Literaturwissenschaftler Bachtin den Essay Творчество Франсуа Рабле и народная культура средневековья и Ренессанса (Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur). – Ich lege allen Buzzwordbenutzer_innen ans Herz, diese Arbeit zu lesen.
Rohe Zusammenfassung, auf das Thema bezogen: Jede Kultur hat ihre Gegenkultur und das äußert sich in absurden Details. Shelfie ist die gegenkulturelle Reaktion auf selfie und ich fürchte – auch wenn das den Fotografierenden sicher nicht bewußt ist – die selfiesatseriousplaces gehören zur gegenkulturellen Reaktion auf unsere Erinnerungs- und Mahnmalkultur. Das eine geht nicht ohne das andere. Auf Beerdigungsfeiern werden die saftigsten Witze gerissen.
In der Langfassung: Bachtin schrieb damals etwas Bahnbrechendes auf. Die Kultur des Impulsiven, Triebhaften, Niederen und Banalen ist die andere Seite der Medaille der Herrschafts-/Hochkultur, in der diese Impulse kontrolliert und sublimiert sind. Die beiden Seiten sind untrennbar miteinander verbunden und kluge Herrschaftssysteme wussten das als druckstabilisierendes Prinzip zu benutzen. Die Sklaven-Herren-Verkehrung während der Saturnalien, ebenso das exzessive, lüsterne, brutale Treiben des Karnevals in katholischen Landstrichen oder die vollen Schnaps- und Schweinefleischtheken in den Zeiten des schmallippigen Kleinbürgersozialismus hatten diese Funktion.
Diktatoren wie Stalin, die größenwahnsinnig nicht einmal ein Ventil ertrugen, hatten Besserungslager für die Menschen, die die Denk-, Rede- und Handlungsverbote ihrer Ideologie übertraten. Ein Grund, warum Bachtin über Rabelais, das Mittelalter und die Renaissance schrieb – offen über die Gegenwart zu schreiben, hätte ihn das Leben gekostet. Hat ihm aber nichts genutzt. Die besten Jahre seines Lebens hat er wegen ungebührlicher Gedanken und ihrer Äußerung als Buchhalter in Sibirien verbracht.
Die harmlosen Verfechter_innen von Sprach- und Denkdiktatur sind die Wortgouvernanten, die zu allem, was herausplatzt und passiert, gegenzischen: Das sagt man nicht! / Das macht man nicht! die haben in dem Spiel von Sudel und Moral, von Erhabenem und Witz ihre Funktion, aber vor den anderen, die sich weiters bemächtigen und nur unser Bestes wollen, bewahre uns Gott.

Themenwechsel. Ich arbeite gerade an einem Kleid, das sehr schön wird. Das einzige Problem ist wohl mal wieder der Schnitt vs. meine Physis. Vielleicht schaffe ich es irgendwann, mich so darüber zu ärgern, dass ich lieber 10 Kilo abnehme, als weiter diese Anpassungen zu machen. Die ernüchternde Erkenntnis lautet: Für Schnitte für Dicke bin ich nicht dick genug. Ich habe weder runde Schultern, noch einen runden Rücken, meine Brüste sind nicht groß und tief genug und ich bin nicht halslos. Ich habe vor allem Bauch, Hüfte und Oberarm, wie alle meine Omas und Tanten in diesem Alter hatten. Deshalb darf ich aus einem fast zusammengenähten Kleid zentimeterweise Brust, Rücken und Schulter rausnehmen und dafür die Taille hochsetzen und rauslassen. Über den viel zu weiten Halsauschnitt decken wir mal den Mantel der Liebe  und des Schweigens, der lässt sich konstruktionsbedingt nicht ändern.
Nehme ich wieder einen Schnitt für normale, ist der so schon von der Linienführung so, daß es endlos blöde aussieht. Es ist zum Haareraufen…

 

*Witzigerweise außer blogf, die das entweder verpennt haben oder denen der Text zu wenig auf ihrer politischen Linie lag.
**Wie man aber am Wikipedia-Artikel und seinen Editierungshinweisen sieht, scheinbar kaum erklärbar.

Nulltag

Das waren einfach ein paar lichtlose Tage zu viel. Es blieb beim „ich muss heute raus an die Luft“ und dann stolperte ich doch lieber gradewegs ins Bett. Dieser Zustand hat für mich eine Struktur. Wesenhafte Schatten aus grauen Insektenschalen, Spinnenweben und Staub, die mir folgen und mir irgendwann die Luft abdrücken.

Was da seit früh in meinem Kopf ratterte mit „das musst du heute erledigen!“ wurde ersatzlos gestrichen. Keine Betten bezogen, Mails geschrieben, Projekt-Tabelle gemacht. Nichts am neuen Kleid geändert. Isso.

Aber ist nicht nur hier so. In den Nachbarblogs herrscht auch November-Tristesse.