Vigil 60

Als ich dieses Kleid testhalber als Shirt zuschnitt, um zu schauen, Mccalls7186

ob obenrum alles so passt, wie ich mir das denke, meinte ich zum Grafen, wenn nicht, dann sei das wirklich das letzte Mal, dass ich einen fertigen Schnitt verwende.
Natürlich habe ich ein prächtiges Teil für die Tonne gemacht, trotz messen und anpassen. Die Ärmel zu eng, die Brust plattgedrückt… Gna…
Eine FBA konnte ich mir nicht vorstellen, denn im Vorderteil steckt eine Drapierung drin und kein Abnäher. (Und der Versuch, so etwas zu ändern hatte mir mein erstes Weihnachts-TFT beschert, das hinterher an manchen Stellen ein Sack war.)

Also nächster Versuch. Jetzt habe ich meinen angepassten Oberteilgrundschnitt zur Grundlage genommen und eine Drapierung reingebastelt. Morgen wird genäht. Wahrscheinlich ist es dann zu weit, wie der Versuch meines Jersey-Jacketts.
In so was kann ich mich ja richtig verbeißen. Ich schaffe das.

 

Vigil 59

Heute Nachmittag im Kaisers hinter dem Hackeschen Markt. Das Regal mit dem Sekt ist fast leer. Als wir an die Kasse kommen, bezahlt dort gerade eine nette alte Omi, ganz in beige und mit Hackenporsche, ihren Korb voll Rotkäppchen-Sekt.

Was die wohl zu feiern hatte?

Übrigens hatte es vor genau 4 Jahren über 25 Grad.

Vigil 58

Bei Vorliebe für schwarze Kleidung ist abendliches Stricken und Nähen einfach die Pest.

– Mit ganz kleinen Augen gesendet.

Vigil 57

Als die Nachrichten über einen atomaren GAU irgendwo in der Sowjetunion im Westfernsehen berichteten, ging das Abwägen los. Ist es die Hysterie der Öko-Fredis? Ist halb Sibirien am Schmelzen? Ist denen eine Atombombe aus dem Flugzeug gefallen? Oder Plutonium ausgebüxt?
In diesen Zeiten war es nicht einfach, Informationen zu generieren. Die Medien im Sozialismus waren darauf trainiert, unliebsame Wahrheiten zu verschweigen oder so zu verdrehen, dass noch Jubelmeldungen oder Fehlmeldungen des Gegners der hehren großen Idee daraus wurden.

Am 26. April nachts, als der Reaktor in die Luft flog, wußte niemand etwas davon. Erst zwei Tage später ahnten die Schweden, dass etwas passiert sein musste, erst einen Tag später wurde es offiziell zugegeben. Erst 10 Tage nach der Explosion wurde kein strahlendes Material mehr in die Atmosphäre freigesetzt.

Ich war schwanger, besser, ich ahnte, dass es so war. Es war noch ganz früh, in der Phase, in dem atomare Strahlung schwerste Schäden an einem Fötus anrichtet.
Mein Vater wiegelte ab. Alles nicht so wild, ich solle mir keine Sorgen machen. Da wäre die Radonstrahlung in den alten Häusern im Erzgebirge höher oder die Strahlenbelastung auf einem Flug.

Ich starrte nachts die Decke an und fragte mich, was passiert war, was uns verschwiegen wurde und welche Konsequenzen das für das ungeborene Kind haben würde.