20.10. 10

Ich grub mich weiter durch Steuerbelege und verließ um die Mittagszeit das Haus, um meine frierende Seele mit indischem Essen aufzuwärmen. Außerdem brauchte ich noch ein paar Sachen aus dem Biomarkt. Buchweizenmehl, Öl und Reiswaffeln. Natürlich packte ich bei dieser Runde prompt noch einen Kürbis ein und dies und jenes, um am Donnerstag abend Kürbissuppe kochen zu können.
Die Pinnwand am Einpacktisch war der Horror. Im Gegensatz zu Biomärkten im Prenzlauer Berg, wo Yoga, Kurse für gesunde Ernährung und Geburtsvorbereitung angeboten werden, geht es in Schöneberg bei der vorwiegend weiblichen und postklimakterischen Klientel nur um Esoterik. Beziehungsarbeit per Gedankenlesen, auch Fernheilungen möglich. Kartenlegen. Tarot. Edelsteinheilen. Wiedergeburten. Man hat das Gefühl, ins Mittelalter versetzt zu sein. Ich packte mein Fahrrad voll und verließ diesen Ort, bevor jemand auf die Idee kam, im Eingangsbereich eine Teufelsaustreibung vorzunehmen und radelte durch den Regen Richtung Heimat.
Dort schlug auch bald wieder der Hausmeister auf, der eine weitere Stunde schraubte. Das Ergebnis: Die Flexschläuche sind wieder dicht, ich habe jetzt sogar einen Waschmaschinenanschluß, aber der Einhebelmischer tropft abwechselnd oder ist verstopft und der Durchlauferhitzer produziert neuerdings in der Warm-Einstellung kaltes und in der Heiß-Einstellung warmes Wasser. Aha. Scheinbar handelt es sich bei dem Problem eher um wandernes schlechtes Karma.
Auch den Abend verbrachte ich mit Steuerbelegen. Dann las ich viel zu lange im Bett, einen Martini an der Seite, um ein ungutes Telefongespräch zu vergessen.

Bemerkung am Rande: Es gibt komische Menschen. Vorgestern klickte ich jemanden auf Xing an, weil mir sein Name bekannt vorkam und am nächsten Tag hatte ich eine Kontaktanfrage im Postfach mit der Formulierung: „Was kann ich Schönes für Sie tun?“.
„Äh… Nichts! Tun sie so, als hätte mein Besuch auf Ihrem Kontakt nie stattgefunden!“, hätte ich ihm schreiben sollen. Ich beschränkte mich aufs Ignorieren.
Bei so viel Distanzlosigkeit kann ich mich nur schütteln. Als würde man einen Menschen in der U-Bahn ansehen und hätte sofort seine Telefonnummer in der Hand.
Urgs.

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15. Das 4. Buch in deinem Regal von links

Es geht mir wie vielen, die diese Frage beantworten. Welches der Regale? Ich habe zwar nicht mehr 7 Laufmeter Bücherregale wie früher, aber zwei sind immer noch.
Ok. Jurek Becker, Aller Welt Freund. Ein Buch, zu dem ich kam, wie die Jungfer zum Kind. Ich mochte Becker sehr als Drehbuchautor, als Romancier habe ich ihn nie richtig wahrgenommen.
Dann kam der Freund, der mich so wunderbar fotografiert hat und fragte mich, ob ich nicht für ihn die dramaturgische Beratung für ein Drehbuch zum Roman machen wollte. Jurek Bekcers Witwe hätte ihm die Rechte überlassen.
Ich sagte ja. Er gab mir das Buch, ich las und konnte damit über-haupt-nichts anfangen. Das war mir natürlich peinlich, denn er lachte immer laut auf, wenn er über das Buch erzählte.
Ich sagte mir: Kitty, ob ein Dramaturg einen Stoff mag oder nicht, analysieren sollte er ihn schon können. Nur bin ich keine Literaturwissenschaftlerin. Und ich hielt das auch nicht für einen Roman, sondern für eine längere Erzählung. Jedenfalls kam ich damit nicht hin und nicht her und schwafelte nur Schwachsinn über „Entwicklungsgeschichte“ etc. Für mich war es einfach ein Buch mit einem Helden mit Westberliner Pseudoproblemen, die einem eigentlich nur leid tun können.
Wir haben das Projekt dann begraben. Was heißen will, ich habe es stillschweigend unter den Teppich gekehrt.
Der ganze Fragebogen.