Meine Nähmaschine – Bernina Aurora 450

Marja Katz sammelt Erfahrungsberichte über die technische Ausstattung der Nähnerds. Bei ihr wird in einem Linkup eine Sammlung ausführlicher Erfahrungsberichte zu Nähmaschinen entstehen, um Kaufentscheidungen zu unterstützen. Hier ist meiner.

Anschaffung und Folgekosten

  • Welches Modell hast Du, welchen Preis hatte Deine Nähmaschine und wann hast Du sie gekauft?
    Eine Bernina Aurora 450 zum Preis von ca. 1.500 €, ein heruntergesetztes Auslaufmodell, das wir 2012 gekauft haben. Die Bernina Aurora ist nun ausverkauft, ein noch neu erhältliche Maschine mit ähnlichem und modernerem Funktionsumfang wäre die Bernina B530*.
    Ich hätte mir diese Nähmaschine nicht leisten können, der Mann und Oma Charlotte selig waren die Sponsoren.
    Bernina Aurora 450
  • Findest Du das Preis-Leistungs-Verhältnis angemessen?
    Ja.
  • Welche Eigenschaften waren für Dich ausschlaggebend für die Kaufentscheidung?
    – Die Maschine hat ein Innengerüst aus Metall, das verhindert Instabilität bei schnellem Nähen.
    – Langsames Annähen mit dem Fußpedal bis hin zum Einzelstich.
    – Gutes Stichbild in Gradstichen auch auf der Rückseite.
    – Die Fähigkeit, dünne Stoffe unfallfrei zu nähen (wichtig!) wie auch vor mehrlagigem Denim nicht zu kapitulieren (nicht so wichtig).
    -Guter Transport und ausreichend großer Durchlass für Quilts.
    -Gute Beleuchtung.
    -Wenig anfällige, noch nicht bewährte Elektronik-Experimente.
    -Zum Zeitpunkt des Kaufs wollte ich unbedingt Zierstiche, da wir nun auch das Stickkit haben, gebrauche ich die selten.
    Ich habe damals hier, hier und hier über meine Suche gebloggt und dabei auch meine Tests anderer Maschinen im Nähmaschinenladen kutz beschrieben.
  • Wieviel Zubehör wird mitgeliefert und wie teuer ist ein eventuelles Nachrüsten von Zubehör, z.B. Nähfüßchen?
    Im an die Maschine anklickbaren Zubehör-Container waren die wichtigsten Nähfüßchen: Normal-, Schmalkant-, Reißverschluß-, Jersey-, Stopf-, Stick- und der automatische Knopflochfuß. Dazu das Übliche, Nadeln, 10 Spulchen, Öl, Pinsel, Schraubendreher und Anschlaglineale. Ach so und noch eine Freihandbedienung und der Anschiebetisch.
    Das Nachrüsten ist recht teuer. Die Kosten für Nähfüße beginnen bei 20€ aber es gibt wirklich jeden Sch…, auch das, was man als geübte Näherin nicht braucht.
    Wir haben Spulchen, einen transparenten Applikationsfuß für den Mann und für mich einen Quiltfuß mit vielen Nahtabständen hinzugekauft. (Neben dem Stickkit und dem Freiarmsticktool.)
  • Wieviel Zubehör gibt es insgesamt für Deine Nähmaschine, welches davon hast Du und welches davon nutzt Du am meisten? Welches möchtest Du unbedingt noch anschaffen?
    S.o., es gibt unglaublich viel Zubehör, bestimmt an die 50 Teile. Zudem die Möglichkeit zur Umrüstung zur Stickmaschine. Bei diesem Modell braucht es dazu noch einen externen Computer zur Maschinensteuerung, aber das kann jeder Windows-Laptop.
    Ich nutze neben dem normalen Fuß am meisten den Schmalkantfuß, weil die Maschine durch 9mm Stichbreite und entsprechendem Abstand der Transporteure freihändiges schmalkantiges Nähen ohne Verstellen der Nadelposition schwierig macht. Danach kommt der Quiltfuß, mit dem ebenfalls das „füßchenbreite“ Nähen unter 1 cm bequem möglich ist. Für das Freihandquilten benutze ich den Stopf- oder Quiltfuß sehr häufig.
    Ganz oben auf der Wunschliste steht der Stich-Regulator (BSR)*
    . Da ich oft in Mustern Freihand quilte, ist es sehr anstrengend, die Stichlänge per Hand immer fast gleich zu halten. Genau das macht der Stich-Regulator – je nach Geschwindigkeit der Bewegung des Stoffs unter dem Fuß reguliert er die Stichlänge. Leider ist er mit fast 500 € auch das teuerste Zubehörteil, dafür muss ich lange sparen.
    Ansonsten brauche ich demnächst einen Biesenfuß und der Mann liebäugelt mit einem Bandeinfasser.
  • War Deine Nähmaschine schon einmal kaputt? Kannst Du eine Aussage darüber machen, ob die Reparatur- oder Wartungskosten hoch sind (z.B. aufgrund aufwendiger Elektronik)?
    Nein, sie war noch nicht kaputt und ich erwarte einfach von dieser Marke auch wenig Reparatur- und Wartungsaufwand. Allerdings bin ich Maschinenflüsterin und überkorrekt beim Putzen und Ölen, das mache ich nach jedem größeren Projekt.
    Die Wartungskosten sind vermutlich hoch (ich weiß es nicht) und Gott sei Dank hat sie wenig Elektronik im Bauch.
  • Wo würdest Du Dein Modell einordnen (Holzklasse, Mittelklasse, Luxusklasse) und für wen würdest Du es empfehlen (Anfänger, Fortgeschrittene, Profi)
    Obere Mittelklasse, etwas für Anfänger, weil unverzickt, aber auch für Profis ehr gut. Profis brauchen in der Regel wenig Chichi, aber belastbares, präzises Arbeitsgerät.

Praktikabilität

  • Wie groß und wie schwer ist Deine Nähmaschine?
    Schwer, wegen des Metallgerippes im Inneren, 9,9 kg, relativ hoch wie alle Berninas und nicht sehr breit.
  • Kommt Deine Nähmaschine für einen Auf- und Abbau bei flexiblen Arbeitsplätzen in Frage oder ist sie eher für feste Arbeitsplätze geeignet?
    Sie lässt sich mit ein paar Handgriffen aufbauen, steht aber auch durch ihr Gewicht sicher und fest am Arbeitsplatz.
  • Wie aufwendig ist Abbau/Verpackung/Transport für gemeinsame Nähkränzchen?
    Schleppen möchte ich die Maschine nicht, aber solange es ein Auto gibt, in das man die in die Tasche verpackte Maschine stellen kann, ist der Transport kein Problem. Die Verpackung geht schnell, die Tasche hat eine große Öffnung und die Maschine einen robusten Tragehenkel.
  • Lässt sich die Nähmaschine gut reinigen oder kommst Du an einige Stellen gar nicht heran?
    Geht so, es gibt ein Loch hinter dem Greifer, in das Flusen hereinfallen und wo ich nicht herankomme, dort läuft aber keine Mechanik. Außerdem lässt sich der Greifer nicht auseinandernehmen, weil es ein Rundlaufgreifer ist, wie ihn Industriemaschinen haben.
    Mich macht es aber schon ein bisschen kirre, wenn ich das Innenleben einer Maschine nicht ohne großen Aufwand ansehen kann.
  • Wie ist die Helligkeit der Beleuchtung?
    Gut hell, ich hätte es aber gern noch heller. Da die Maschine recht hoch und kompakt ist, lässt sich das Nähfeld schlecht zusätzlich mit Fremdlichtquellen beleuchten.
  • Wie laut ist die Maschine?
    Wenn sie gut geölt ist, ist sie normal laut, auch wenn sie schnell läuft. Sie klingt metallisch und mechanisch, das Motorengeräusch ist nicht so laut wie bei anderen Maschinen (v.a. meinen alten). Muss sie geölt werden, fängt sie an zu klacken.
  • Ist die Maschine intuitiv bedienbar?
    Nur der mechanische Teil. Die elektronische Steuerung ist eindeutig in der Zeit vor dem iPhone und seiner intuitiven Bedienungsphilosophie entwickelt und hat die üblichen kruden Knopfdruck-Kombinationen, die kundenfernen Ingenieurshirnen entsprungen sind und die ich jedes Mal nachschlagen muß.
  • Kann man die Nähmaschine auch ohne Pedal bedienen?
    Ja, mit regulierbarer Geschwindigkeit.

Näheigenschaften

  • Welche Nähmaschine(n) hattest Du bisher? Wie schätzt Du Deine Maschine im Vergleich dazu ein?
    Eine Victoria mit Langschiffchen von 1915, dann elektrische: eine Veritas, eine Famula, eine einfache Privileg, eine einfache Singer, die nur noch den Namen trug und dann die Bernina Aurora 450.
    Die ist mit Abstand die Beste, obwohl die Veritas schon ziemlich gut war, da brannte mir nur der Motor ab.
  • Wie oft nähst Du? Was nähst Du hauptsächlich und findest Du Deine Nähmaschine dafür ungenügend, perfekt ausreichend oder etwas oversized?
    Wir nähen 2-3 mal wöchentlich, Kleidung, Heimdeko, Taschen, Etuis und große Quilts. Die Maschine ist dafür perfekt ausreichend.
  • Welches Feature fehlt Dir für Deine Näharbeiten und auf welches Vorhandene möchtest Du auf gar keinen Fall verzichten?
    Mir fehlt auf den ersten Blick nichts, aber vielleicht gibt es Sachen, von denen ich nicht weiß, dass ich sie brauche.
    Ach doch, eines: Ein automatischer Fadenabschneider, man wirft ja gut 20% des Garns weg und das Abschneiden raubt Zeit. Eine Unterfadenkontrolle brauche ich z.B. nicht, weil ich es höre, wenn der Unterfaden zur Neige geht.
    Ich möchte vor allem auf die unverzickte Präzision, Robustheit und Unkaputtbarkeit nicht mehr verzichten.
    Langfristig brauche ich noch eine Overlock, auch da bin ich leider Bernina-addicted, das wird teuer.
  • Hat Deine Nähmaschine Features, die Du für unsinnig hältst?
    Die Zierstiche, aber das war mir beim Kauf nicht klar. (Obwohl mir das viele gesagt hatten.) Damit verbunden die 9mm Stichbreite, denn die haben einige negative Konsequenzen.
  • Welche Knopflochfunktion(en) hat Deine Nähmaschine und bist Du damit zufrieden? Was könnte besser sein?
    Es gibt 8 verschiedene Knopflocharten, die nach Programmierung automatisch genäht werden. Auf flachen Stoffen sehen sie super aus.
    Da die Maschine empfindlich auf dicke Stellen im Stoff reagiert und Knopflöcher meist an Kanten mit dicken Stoffstellen sind, bin ich damit noch nicht so glücklich. Dafür gibt es noch einmal Sonderzubehör, das ich nicht habe.
  • Potentielle Problemzonen
    • Wie näht Deine Nähmaschine enge Rundungen?
      Geht so. Bei 9mm maximaler Stichbreite sind die Transporteure recht weit auseinander, das bedingt einen größeren Wenderadius. Ich nähe allerdings selten enge Rundungen. Für Applikationen würde ich das Stickkit benutzen.
    • Ist das Stichbild sauber, auch bei sehr dickem Nähgut oder sehr schnellem Nähen?
      Das Stichbild ist präzise, auch auf der Unterseite.
      Das ist eine Frage des angepassten Nähtempos, die Maschine ist (wahrscheinlich durch den Industriegreifer) bei höherem Tempo fast präziser. Nähe ich sehr schnell, habe ich das Gefühl, die Maschine könnte mechanisch gesehen noch höheres Tempo machen. Sie wirkt fast wie in der Geschwindigkeit abgeriegelt. (900 Stiche/Minute ist allerdings schon viel.)
      Zögerliches Nähen mit ständigem Geschwindigkeitswechsel mag sie gar nicht, da lässt sie Stiche aus und der Unterfaden eiert.
      Unterschiedlich hohes Nähgut unter dem Füßchen – also rechts dick, links dünn oder umgekehrt – ist sehr problematisch. Dafür gibt es Ausgleichsplättchen. Ich bin aber zu blöd, damit umzugehen bzw. müsste das erst einmal lernen. Meist habe ich schnell eine andere Lösung gefunden, das passiert nicht so oft.
    • Ist der Stofftransport gerade und gleichmäßig, auch wenn Du den Stoff nicht aktiv führst?
      Ja, ich kann glatte Stoffe eigentlich „freihändig“ nähen, das ist wiederum der Vorteil der weit auseinanderstehenden Transporteure.
    • Ist ein sauberes Nähen an Stoffkanten möglich, ohne dass sich die Naht oder der Stoff zusammenzieht? (Nahtanfänge, versäubern)
      Ja, auf jeden Fall, das war eines der Hauptargumente für die Maschine.
    • Werden elastische Stoffe problemlos genäht oder wellt der Stoff?
      Ich nähe selten Jersey oder Strick. In den Fällen, wo ich es getan habe, hat sich der Stoff gewellt und ist unter dem Füßchen verrutscht. Allerdings bin ich da nicht sehr erfahren und ich habe versucht, knappkantig zu nähen, was mit der Transporteurweite schwierig ist. Dafür steht die Anschaffung einer Overlockmaschine an.
    • Wie ist die Kontrolle über Nähgeschwindigkeit? Ist sehr schnelles oder sehr langsames Nähen (Stich für Stich) möglich?
      Ja, das ist möglich. Stichgenaues, sehr präzises Nähen erfordert ein wenig Übung und Kennenlernen und dann klappt es super. Ich mache das mit dem Fußpedal, es lässt sich aber auch über die einstellbare Nähgeschwindigkeit regeln.
    • Bei welchen Nähfragen kommst Du an die Grenzen Deiner Nähmaschine? Was funktioniert überhaupt nicht?
      Kleine, schmale, gebogene, fummelige oder einseitig wulstige Stücke mit Hilfe des Normalfußes mit einer Naht versehen. Filztierchen könnte ich damit nicht machen.

Wie ist Dein abschließendes Gesamturteil in Kurzform?Auf einer Skala von 1 bis 5 – wieviel Sterne würdest Du Deiner Nähmaschine geben und warum?

Sehr verlässliches, belastbares, präzises und gut aufrüstbares Arbeitstier. Da sie nicht mehr hergestellt wird, würde ich auch einen Gebrauchtkauf auf jeden Fall empfehlen.
Ich würde 4 Sterne geben. Es ist schon noch Luft nach oben, aber bei der Marke Bernina würde ich bleiben.

Die anderen Erfahrungsberichte stehen bei Maja Katz.

*Affiliate-Link

Young, white, male. Noch Fragen?

So, jetzt kommt ein Rant.

Die bei „Geschickt eingefädelt“ angebotenen Rollenmodelle:

  • Die Cosplayer. Spinnert, etwas sonderbar und sich permanent selbst überschätzend. Aber man kommt wohl an ihnen nicht vorbei.
  • Die Sexy Oma – forever raschelbar – doch das funktioniert mit ihr nicht bis zum Ende, sie wird immer strenger und zugeknöpfter und die Jungen ziehen dann doch vorbei.
  • Die Dicke – es wird bestraft, wenn jemand, der nicht normiert ist, sich ins Rampenlicht traut, denn selbst die Plus Size-Models haben in dieser Welt die 38. Bei jemand, die so aussieht und sich traut, wird inszeniert: die kann nix.
  • Die junge Naive – ist schön und sympathisch, hat ehrgeizige Ideen, kommt weit, aber nicht bis ins Ziel, weil sie leider nur eine Frau ist.*
  • Die mit der guten Leistung – das ist das, das Frauen gehörigst tun sollen: sich anstrengen und immer noch besser werden, Leistung bringen. Leider reicht das auch nicht, um zu gewinnen.
  • Dann gibt es da noch den jungen Schwulen – ganz interessant, bringt Abwechslung und Kreativität rein, darf aber natürlich auch nicht gewinnen, wo kämen wir denn da hin!
  • Der Gewinner – ein Klon von Papa, von Papas Gnaden zur Nachfolge bestimmt. Wenn er vielleicht auch handwerklich nicht besser ist als die Frauen, er macht das ja unter einem anderen Vorzeichen, in anderer Mission. Nicht, als Hobby, nein nein, als ernstzunehmener Beruf und natürlich kann deswegen auch nur er die Nachfolge von Papa antreten. Die Frauen dürfen ruhig weiter klein-klein Hobby machen.

Das müde Finale dieser Show ist Deutschland in der Nussschale.
Wahrscheinlich 95 Prozent der HobbynäherInnen Deutschlands sind Frauen. Es gewinnt – Überraschung! – ein Mann. Der kann mit dem Preis, einer Ausbildung an einer Pariser Modeschule wenigstens was anfangen. Denn bei den Frauen weiß man ja, die sind eh nicht abkömmlich, wer soll sich denn in der Zwischenzeit um die Kinder kümmern?
Dazu noch jemand, der in Kreativtechniken versiert ist und der sich in seiner Ausbildung zum Modemanager auch mit Modedesign beschäftigt haben wird, denn das gehört zu den Studieninhalten. Ansonsten – nähen konnte der junge Mann nicht besser als die anderen. Beeindruckend war seine Designerdenke und die hat er im Studium und in Praktika mit Sicherheit bei anderen lernen können.
Ich fand es von Anfang an ziemlich feige von dem Machern, im Cast junge Profis unterzubringen. Genauso feige, wie in einer Talentshow Musicaldarsteller unterzubringen und als kommenden Star zu hypen.
Ich ging davon aus, dass sie keine anderen Männer gefunden hatten. So jemanden gewinnen zu lassen, ist ziemlicher Etikettenschwindel. Warum die das nötig hatten, verstehe ich nicht.
(Und es war so vorhersehbar. Sein schönes Thema verfehlt-Materialschlacht-Kleid stand in den letzten 2 Sendungen im Hintergrund, wenn die Juryentscheidungen verkündet wurden.)

Unterm Strich ist das eine klare Ansage für all die Frauen im Land: Was ihr könnt, ist unterhaltsam und nett, aber letztlich nicht interessant. Es ist possierlich, euch beim Mühegeben zuzusehen, besonders wenn ihr jung seid. Aber den Ruhm machen die Männer unter sich ab.

Ich bin ja mal gespannt, ob sie in der zweiten Staffel, den Arsch in der Hose haben eine mit allen Nähtricks beschlagene Endsechzigerin in den Cast zu holen.

Und noch etwas, das ich gelernt habe: Verarbeite vor der Kamera nie, nie farbigen Duchesse-Satin. Man sieht jeden Fehler.

*Unter Ausklammerung des WoC-Themas, das Faß mache ich jetzt mal nicht auf. Aber Fernsehen ist da in der Regel sehr konservativ.

WMDEDGT Dezember 2015 & Sonntagsmäander zusammen

Irgendwann nach Mitternacht und vor dem Schlafengehen bemerkte ich, dass gestern der 5. war. Der Tag, an dem Frau Brüllen fragt, was man denn die ganze Zeit gemacht hat.
Da ich von morgens bis abends zu tun hatte, hatte ich das komplett vergessen. Also wird es heute nachgeholt.

Gestern schlief ich aus, was heißt, ich sagte meinem inneren Faulpelz beim Aufwachen um 9:30 Uhr, dass wir jetzt nicht mehr weiter schlafen.
Dann frühstückte ich Joghurt mit Banane und Datteln, trank zwei große Tassen Kaffee und las ganz in Ruhe ein paar Neuigkeiten im Internet.

Inzwischen war der Graf aufgestanden, der wenn die Umstände es erlauben, ein Nachtmensch ist und wir machten unverzüglich eine kleine Gegenstände-Fotosession. Diese Gegenstände-Fotos brauchen Tageslicht und mit Licht wurden wir letzte Woche nicht so richtig verwöhnt und nun schien die Sonne.
Also bügelte ich zwei Hintergründe, der Graf richtete das Licht aus und fotografierte, ich zupfte und drapierte und schnell waren 200 Fotos gemacht. Gott sei Dank wähle ich das nicht aus, mir läuft von zu vielen Fotos gern der Arbeitsspeicher über. (Worum es geht, das steht später im Text.)

Kurz nach Mittag tauschte ich die Rumwusel-Schlumpersachen mit etwas Stadtfeinem, bürstete mir die Haare, malte mir Farbe ins Gesicht und wir machten eine Spazierengeh-Runde in den Prenzlauer Berg, zum Kollwitzmarkt. Das ist nicht unbedingt unsere Go-Area, weil die Leute auch in Eppendorf und am Viktualienmarkt so aussehen (und glauben, das jeweilige Gegenüber sei authentisches Berlin). Aber wir wollten schauen, was der Markt kurz vor Weihnachten so anbietet und ich brauchte ein Kilo Boskop-Äpfel.
Wir liefen von Stand zu Stand, es roch nach Bratwurst und buttrigem Blechkuchen und wir bekamen auf der Stelle schrecklichen Hunger. (Also der Graf wirklichen, weil er nie frühstückt und ich Solidaritätshunger.) Wir nahmen ein knuspriges Ciabatta mit Spanferkelbraten und einen Glühwein zum Aufwärmen, denn mittlerweile war die Sonne weg und es wurde kühl.

Meine Entdeckung dieses Tages war ein Händler, der wunderschöne bespielbare Kinderbücher aus Stoff anbot. Das schönste war eines mit einer Schlafengeh-Geschichte, in der ein kleine Teddy-Figur in den Pop-up-Seiten in Räume gehen konnte.

Mit anderthalb Kilo Äpfeln machten wir uns auf den Rückweg. Inzwischen wurde es dunkel und es war gegen halb vier. Der Graf ging zum Aufwärmen in die Badewanne und ich machte einen Mürbeteigboden, den ich in die Tiefkühlung stellte und testete meinen Grundschnitt für einen schmalen Rock, den ich lange nicht mehr benutzt hatte. Durch den Arbeitsstreß im Sommer trage ich ein paar Kilo mehr mit mir herum, die nur langsam gehen, deshalb nähte ich den Nesselschnitt als erstes zusammen, um die Passform zu testen. Mein Plan ist es, eine Art Tournürenrock zu nähen. Ich hatte auf dem Markt am Maybachufer einen mit Blumen bedruckten Fischgrat-Tweed erbeutet, den zu ich so etwas ähnlichem wie dem Rock in diesem Blogpost verarbeiten wollte.
Mit einer kleinen Korrektur in der Taillenbalance funktionierte der Rockschnitt auch noch. Ob ich dann nicht wie ein monströses Tweed-Sofa aussehen werde, wird die Nähpraxis entscheiden.

Gegen halb 7 begann ich, eine Tarte Tatin zu backen. Am zweiten Advent ist das traditionelle Treffen der Mieter unseres Hauses, zu dem jeder etwas zu Essen beisteuert. Diesmal wollte ich etwas Fruchtiges mitbringen und keinen Stollen oder Kekse.

Als der Kuchen im Ofen war, bereitete ich das Abendbrot vor. Ich packte den Kartoffelbrei mit Buletten und Möhrchen in eine Auflaufform, die in den Ofen kommen sollte, wenn der Kuchen fertig war. Dann widmete ich mich wieder dem Rock. Ein Meter rosa Baumwollsatin kam in die Wäsche, daraus werden das Futter, Paspeln und Schrägstreifen zum Versäubern der Innennähte und vielleicht Rüschen gemacht.

Um Viertel nach 8 aßen wir und danach nahmen wir wieder den Gegenstand in die Hand, den wir am Mittag liegen gelassen hatten. Der Gegenstand ist ein Stiftetui, beziehungsweise mehrere und hat eine Geschichte.
Stiftetui
Der Graf sitzt oft in Kaffeehäusern und schreibt und plant, er hat dort und auch bei anderen Terminen gern sein kleines Büro dabei – Stifte, ein Tablet, einen Touchpen, ein Notizbuch und Zettel. Und er nimmt, wie viele andere Männer, nicht gern eine große Tasche, um alles unterzubringen. Deshalb sind die Dinge, die er auf seine Gänge mitnimmt, in kommode Stoff-Etuis in schlichtem, reduziertem Design verpackt, die er sich unter den Arm klemmt oder in die Jackentasche steckt und oft selbst entworfen hat.
Ich begleite diese Ideenumsetzung in guter Arbeitsteilung an der Nähmaschine. Die Suche nach einer schönen Anmutung, der idealen Größe für die Hüllen, nach passenden Klappen und Schließen und dem Stand, den das Material bekommen soll, das sind die Dinge des Grafen. Ich habe keine Geduld für solche Details und kümmere mich lieber um scharfe Ecken und knappkantige Steppnähte. Für die Stoffe gingen wir gemeinsam auf die Suche, der Graf arbeitet bei Entwürfen gern mit edleren Materialien.
Letzte Woche entstand nach einigen Testexemplaren das roll- oder faltbare Stiftetui aus japanischem Kimonostoff mit traditionellem Seigaiha-Muster mit verschiedenen Verschlußbändern. Ich wollte auch unbedingt eines haben und damit es nicht bei den beiden Exemplaren bleibt, bestimmt noch andere Teile folgen und wir alle im Weihnachtsgeschenkerausch sind, setzten wir uns gestern um 21 Uhr hin und eröffneten endlich den Shop Schöne Klare Dinge, von dem wir seit gut anderthalb Jahren redeten.
Das beschäftigte uns bis weit nach Mitternacht, denn einfach ist das nicht. Texten und Fotos einstellen geht noch, die Paypal-Anbindung ist ein wenig trickreich, aber die Preiskalkulation beschäftigte uns ziemlich. Bei recht teuren Materialien (die japanische Stoffe kosten um 17€ der Meter und liegen nur 1,10m breit) läuft man schnell über die üblichen DIY-Artikel-Preise hinaus. Und im Freizeitbereich vergisst man dann auch ganz gern, dass in dem Preis noch die Mehrwertsteuer inkludiert ist, die wir beide, die wir sonst immer im B2B gearbeitet haben, sonst als durchlaufenden Posten kalkulieren konnten. Wir sind dann als Startpreis glücklich unter 20 € gelandet.

Das war dann schon um nachts um halb 1 und ich schwächelte zusehends. Momentan pendele ich immer noch zwischen vom Sommer ausruhen, den Winterdepri in Schach halten und in Struktur und Disziplin bleiben, da kommen mir solche Arbeiten als Ergotherapie sehr entgegen.
Aber der Tag hatte es schon in sich, wenn auch mit Ergebnissen, die sich sehen lassen können. Und so ging ich gegen 1 Uhr zu Bett.

Ach so, der Kuchen. Den habe ich natürlich nicht im Ofen vergessen und rechtzeitig auf einen großen Teller gestürzt. Da der Rand etwas bröselte, habe ich sogar schon einen Löffel voll davon kosten können. Denn wenn der heute Nachmittag auf dem großen Tisch steht, ist er sehr schnell alle.

Das wars mit dem letzten WMDEDGT für 2015, die anderen Blogposts sind hier verlinkt.

MMM – Der eisvogelblaue Rock

Wer hier mitliest, weiß dass ich eine Schwäche für glänzendes Kobalt-, Stahl- und Eisvogelblau habe.
Frau Creezy hatte mir vor über zwei Jahren den Tipp gegeben, dass es gerade bei Karstadt Bouretteseide im Sonderangebot gab (was waren das in den 90ern für Zeiten, als es gut 5 Sorten Seide mit vielen Farben und Mustern für 10 bis 20 Mark das Meter einfach so im Kaufhaus gab). Ich ergatterte den letzten Rest dieses hinreißenden Blautones und nähte einen klassischen Faltenrock daraus.
Eisvogelrock
Das Blau ist in der Realität etwas grünlicher, solche Farbtöne sind schwer zu fotografieren.
Der Bund hat an der Seite jeweils 10 cm Gummizug, damit er mir dem wechselnden Taillenumfang mithält, es gibt wie immer französische Nähte und der Saum ist recht breit, damit er schwer fällt.
Es gibt ein noch paar kleine Details.
Der Reißverschluss verschwindet hinten in der Mittelfalte. (Auf dem frontalen Foto ist der Rock etwas verrutscht, die Falten sitzen mittig.)
Eisvogelrock2
Der Bund ist nicht doppelt umgeklappt, weil mir das zu sehr aufträgt, sondern innen mit einem grauen Band versäubert, das mit Zickzackstick befestigt ist. Der Zickzackstich bremst, dass das Oberteil wegen des glatten Stoffes herausrutscht und der Saum hat an der Innenseite eine breit graue Blende, weil ich so kleinen, unsichtbaren Komfort sehr mag.
Eisvogelrock3 Eisvogelrock4
(Und auf dem letzten Foto ist der Farbton endlich einigermaßen getroffen…)

Andere Kleider und ihre Näherinnen gibt es wie immer beim Me Made Mittwoch.