Weihnachtswahnsinn

Wer noch nicht genug prickelnden Stress zu Weihnachten hat, sollte noch ein Buch fertig machen. Damit die, die nicht wissen, was sie schenken sollen, ein Instant-Geschenk haben.
Zwischen Geschenkebasteln und Menüplanung ist „In den Tiefen der Blogs ist fertig geworden, eine Sammlung mit Lieblingsblogtexten vom Grafen und mir.

In den Tiefen der Blogs

Mit von der Partie sind Cabman, Frau Casino, docbuelle, engl, fragmente, Andreas Glumm, Heartcore, Frau Indica, Felix Schwenzel, Journelle, Kaltmamsell, Katiza, Barbara A. Lehner, Lucky, Markus Pfeifer, Modeste, Rosmarin, Sebastian Rogler, Wortschnittchen

Das eBook läßt sich hier in verschiedenen Formaten herunterladen (ca. 9Mb) und so man kann es lesen:

mit der Freeware Calibre auf dem Rechner
im .mobi-Format auf dem Kindle oder in der Kindle-App auf dem iPhone oder iPad
als .epub in der iBooks-App auf dem iPhone oder iPad
und auf Androidgeräten funktioniert die gitden-App.

White Trash Fast Food Abzocke

Der 36. Blog’n’Burger fand wieder im White Trash statt. Aus Gründen. Eine Menge burgerfutternder Leute hatten wieder richtig Spaß und neue Bekanntschaften gab es auch.
Aber so wie es aussieht, wird es das letzte Mal in dieser Location gewesen sein. Das White Trash war ja schon immer etwas speziell und bahnbrechend, was ruppigen, konsequent englisch sprechenden Service, hingeknallte Speisen und die absolute Weigerung zu getrennten Rechnungen anging. Das Essen war gut in einer Zeit, in der es Burger und anderes Streetfood nur bei McDonalds gab, das hat sich mittlerweile sehr geändert. Die Konkurrenz ist fit und besser.

Nach dem Auszug aus der Schönhauser Allee residiert man nun in Laufweite der Arena und diverser Hostels am Ende der Schlesischen Straße. Das seit langem vom Szenepublikum vertriebene Autohaus wurde in einen Tempel des zweifelhaften Geschmacks im Ed-Hardy-Style verwandelt.
Die Musikkneipe im Keller und das Restaurant sind nun vereint, was mit sich bringt, daß man am frühen Abend 1€ Eintritt für den DJ zahlt und später 5€ in Erwartung einer Liveband.
Die Euphemismen der Restaurantbeschreibung im Netz endeten da, wo auf unserem Tisch nur die Burgerkarte lag. Auch da – die Speisekartenpoesie endete angesichts eines Burgers, den ich fast genau so bei mir um die Ecke im Rosenburger bekommen könnte, für nicht mal zweidrittel des Geldes und ebenfalls Bio. Da verbarg man unter jeder Menge Salat, daß es es dolle nun doch nicht ist.

White Trash Burger

Die für den Classic Cheese Burger angekündigte dicke Scheibe Cheddar schien mir eine simple Scheiblette zu sein, das Fleisch war ok., aber nicht umwerfend. Die Fritten waren normale Convinience und das Ganze kostete 10€. Dazu der halbe Liter Warsteiner für 5€. Der an den Nebenplätzen georderte winzige Cheesecake für 7€ (Dessertkarte gab es nur auf Nachfrage) ging als Frechheit zurück. An den Investitionen für die Einrichtung kanns nicht liegen, ich saß auf einem Gartenklappstuhl. Die Bedienung kam im Fünfminutentakt, um zu fragen, wer noch was zu trinken braucht.

Das ist nicht mehr ironische Inszenierung amerikanischen Unterschicht-Lifestyles, das ist Ballermann meets Oktoberfest-Abzocke.

Aber der Hammer war die Sache mit der Rechnung. Schon bei der Reservierung kam mit der Bestätigungsmail der Satz, dass man 10% Trinkgeld erwarte. Kann man in Deutschland nur mit einem loriotschen „Achwas!“ quittieren, die Rechtslage ist da eindeutig. Der Betreiber hat sein Personal zu bezahlen und das Trinkgeld ist die freiwillige Anerkennung für guten Service. Dass am Ende des Essens das Glas rumgeht, weil man hier Bargeld will und eine getrennte Rechnung ablehnt, war bekannt.
Wir rechneten zusammen (die Rechnung belief sich auf über 500€), füllten das Glas und als Chris, der Organisator der Veranstaltungsreihe, für uns zahlte und die Trinkgeldforderung um ein paar Prozent unterschritten wurde, weil keiner von uns zufrieden war, gab es ein Problem. Man wolle 10%, das sei so vereinbart gewesen. Auf einen freundlichen Hinweis, dass das nur eine Empfehlung sein könne, holte man den nächsten Oberhäuptling. Der meinte allen Ernstes, die Reservierungsbestätigung mit der 10%-Forderung an Trinkgeld sei ein bindender Vertrag und er könne die Annahme unseres Geldbetrages auch verweigern. Als er gesagt bekam, das er das gern tun könne, fing er an zu argumentieren. Wir würden den ganzen Abend eine Menge Plätze blockieren, man hätte sechs Tische für uns zusammengeschoben…
Irgendwann zog er mit dem Schlußsatz ab, Blog’n’Burger käme hier nie wieder rein.
Ich glaube auch nicht, dass wir das müssen. Berlin ist voll von hervorragenden Burgerläden. Im Muse oder im Zsazsa Burger gibt es zum gleichen Preis wesentlich besseres Essen. Und das ganze „wir sind stolz auf unseren Proletengeschmack“-Ambiente ist auch sehr Nullerjahre.
Aber das funktioniert sicher noch eine ganze Weile bei den Touristen.

Edit: Nur um das noch mal klar zu stellen, wir geben an diesen Abenden gut Geld aus und keiner von uns knausert mit dem Trinkgeld. Es aber von vornherein als Forderung zu behandeln, geht gar nicht. Für das Personal ist das eine Sch…situation, auf so eine Weise Geld fordern zu müssen, das wahrscheinlich – ich weiß es nicht – eine unzureichende Bezahlung kompensieren soll.

Edit zwei Tage später: Jetzt steuert wohl jemand gegen und die sich stapelnden schlechten Bewertungen auf Yelp werden von extrem positiven überdeckt, deren Schreiber sich komischerweise gerade erst angemeldet haben.
Honi soit qui mal y pense…

Jubiläumsblindheit

Ich vergesse die Geburtstage von Freunden und nahen Verwandten. Ich wundere mich, dass Weihnachten schon wieder vor der Tür steht. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, einer runden Zahl von Followern auf Twitter oder meinem x-tausendstem Tweet Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich dachte ja, dass das bei meinem zehnjährigen Bloggerinnengeburtstag anders wäre. Ende November 2014, da schreibe ich einen Post mit Cremetorte und Champagner, dachte ich.
Vorgestern habe ich nachgeschaut. Mein erster Blogpost ist vom 7. Oktober 2004. Jetzt habe ich die 10 Jahre seit Monaten voll und habe es noch nicht einmal gemerkt.

Manchmal fange ich Sachen an, als wollte ich das Fahrrad neu erfinden. Im Netz war ich seit der Jahrtausendwende immer mal wieder über Logbücher gestolpert. Mich faszinierte das zutiefst. Mittlerweile hatte ich eine ganze Kiste mit Tagebüchern und literarischen Versuchen gefüllt. Das Alleinsein mit meinen Themen war mir zu wenig und mit publikumsfähiger Literatur hatte das, was ich schrieb, wenig zu tun. Zu unfertig, zu zaghaft.
Ich las die Notizen aus dem Leben anderer Leute und wußte, das war es und wußte noch nicht, wie. Ich schrieb zwar passabel html und hatte seit Mitte der Neunziger Websites gemacht, aber noch steckte ich zu tief in der Mediendenke, in der Vorstellung, dass alles bebildert und sendefähig sein musste und im Hobbyfilmemachen, das Versuche und Improvisation zuließ, aber in der Regel nicht für die Öffentlichkeit.

Parallel zum endgültigen Zusammenbruch des neuen Marktes, bekam ich mit, wie die Leute, die in den Startups gearbeitet hatten und nun auf der Straße saßen, versuchten, in Verbindung zu bleiben und sich zu vernetzen. Ich gehörte nicht zu dieser Szene, ich war wie so oft nur Beobachterin, wohnte am Stadtrand, war 10 Jahre älter und auch in der Wirtschaftskrise noch genug mit dem Job beschäftigt.
Komischerweise kam ich auch nie auf die Idee, deutsche Blogs zu lesen. Außer dem von Else Buschheuer kannte ich keine.
Deshalb legte ich die Gedanken an ein Blog immer wieder ad acta. Was hätte ich schreiben sollen? Es gab genug Geschichten, aber ich arbeitete im Hochdiskretionsbereich und mein Privatleben war zu dieser Zeit kompliziert. Ich hätte nicht gewollt, dass Bekannte das lesen und die Idee, dass eine Zeit kommt, in der man persönliche Texte ist Netz stellt, damit Fremde sie lesen, war mir fremd.

Im Herbst 2004, mittlerweile in den Prenzlauer Berg umgesiedelt, hatte ich lange Abende vor mir und wenig Geld, sie in den umliegenden Kneipen zu verbringen. Das einzige, was ohnehin bezahlt war, war der Internetanschluß. Ich recherchierte noch einmal, wie man das denn macht mit diesen Blogs. Blogger.com war mir zu anonym. Der Antville-Server war voll. Auf Blogger.de und twoday.net kam ich komischerweise nicht, warum auch immer.
Ich fragte meinen Bruder um Rat, der wiederum verwies mich an den @slogmen, die beiden hatten mir mit noch einem Dritten im Bunde immer sehr geholfen, was das Firmennetzwerk betraf. (Sie hatten mir zum Beispiel eine Linux-Firewall auf einem alten Computer aufgesetzt, damit unser Internetzugang sicher war. Ja Kinder, so war das früher.) Und da hörte ich dann so Worte wie Movable Type und Textpattern. Ich hatte für die Firma eine Menge Webspace und sage und schreibe 3 Datenbankzugänge. Also machte ich mich selbst an die Arbeit.
Ich fing an zu frickeln und mit Textpattern kam ich zurecht. Für das, was ich schrieb, entwickelte ich eine Form, damit mich niemand identifizieren konnte. Ich splittete mich selbst in zwei Personen auf, die Businesssoldatin und das Weibchen, die in einer fiktiven WG wohnten. So konnte ich prima Geschichten über mich erzählen und mich mit mir selbst auseinandersetzen.
Für Kommentare oder den Gedanken bei anderen zu kommentieren, war ich zwei Jahre viel zu distanziert, das wuchs erst langsam. Für mich war das kein soziales Medium, eher eine kleine Insel der Selbstreflektion, Bekräftigung, dass ich wirklich da bin und mir das gerade passiert. Es rauschte in dieser Zeit viel zu viel vorbei.
Das Blog war damals Tagebuch, Twitter, Spotify, und Facebook in einem.
Zwei Jahre später klebte ich die gespaltene Persönlichkeit zusammen, eine mitlesende Autoren-Freundin bemerkte, dass ich durch die Distanzierung von den Figuren auch Leser auf Abstand halte. Dann stieß mich jemand auf Kitty Koma, eine Maske, die ich gern für mich benutzte, ich erfuhr ja erst viel später, was es mit dieser Figur auf sich hatte. (Eine lange Geschichte.)
Da Textpattern mit den sich entwickelnden Ansprüchen nicht mithalten konnte, es war schwierig, Fotos und Videos zu posten und ich auch immer wieder mit kleinen Bugs kämpfen musste, schloß ich das Blog. Ich hielt die Geschichte für auserzählt, auch weil die Freunde immer wieder befremdet waren, was ich da in dieses Internet schreibe. Aber ich war infiziert, deshalb setzte ich mir ein WordPress auf und da mir die Kommunikation auf Twoday sehr gefiel (ja, nach einigen Jahren Robinsondasein auf meiner Bloginsel hatte ich andere bloggende Lebewesen entdeckt), zog ich bald in Richtung Twoday um.
Dort war ich wiederum eine der ersten, die wieder aufbrach, als ich sah, dass dort nichts mehr investiert wurde. Wer mein Geld nicht will, dem kann ich auch nicht helfen. Also wieder WordPress.

In den Jahren ist es ein Gemischtwarenladen geblieben, viel Befindlichkeiten. Das ist sehr ok. so. Nun ist dieses sonderbare Hobby 10 Jahre alt geworden.

Edit: Mein Mangel an Enthusiasmus hat nichts mit Geringschätzung derer zu tun, die hier lesen. Die liegen mir am Herzen. Der Novemberblues hat mich in die eisige Pranke genommen.
Aber auch das geht vorüber.

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Unrechtsstaat

Da ich zu den diesjährigen Mauerfallfeierlichkeiten ein wenig im ingore-Modus war, wehte die Streiterei um den Begriff „Unrechtsstaat“ nur an mir vorüber. Ich nahm es schulterzuckend zu Kenntnis, dass sich da Leute heftig aufregten ob nun „Ja“ oder „Nein“ und sagte mir, wer keine Innensicht hatte, kann das sowieso nicht beurteilen.
Ich komme trotzdem noch mal darauf zurück. Aber von der anderen Seite. Das Etikett „Unrechtsstaat“ enthält nämlich auch die Absolution für jeden, der sie will. Das Unrecht wird an den Staat delegiert. Der Staat wird in unserem Denken und Reden sehr gern entmenscht, als „das andere“ gesehen, unser Antagonist, der uns unterdrückt, nur – der Staat ist Menschenwerk. Er ist Produkt unserer Gesellschaft, Kategorie Ordnungssystem.
Dann kommt wieder so ein Willy Winzig und behauptet: Er ja nie, immer nur die anderen, die Schweine! Und der Schritt von „Adolf Hitler war schuld“ zu „das war alles die Stasi“ ist auch nicht weit.
Das ist zu einfach. Ich fasste meine DDR-Erfahrung oft so zusammen: Ich konnte nicht verstehen wie sich Leute gegenseitig so anscheißen, maßregeln und drangsalieren konnten. (Das mit der menschlichen Wärme ist nicht so unbedingt meine Erinnerung, aber dafür habe ich vielleicht auch keinen Sensus.)
Die Oberschwester einer Entbindungsstation konnte die angemeldeten Schwangeren an den letzten drei Tagen vor Geburtstermin jeweils morgens um 7 mit dem gesamten Klinikgepäck durch die ganze Stadt antanzen lassen, auch bei 10 Grad minus und Glatteis (nur zur Erinnerung, der Besitz eines Autos war nicht selbstverständlich, Taxis waren selten).
Der Staatsbürgerkundelehrer konnte eine Schülerin, die öffentlich gesagt hatte, es gäbe Versorgungsengpässe bei Schokolade (was jeder wußte) vor dem ganzen Gymnasium zur öffentlichen schriftlichen Rücknahme ihrer Behauptung zwingen inklusive Danksagung an ihn, der sie auf den rechten Weg geleitet hätte.
Ein Lehrer, der sich sehr offenkundig im Ton vergriffen hatte, wurde, nachdem sich seine Äußerung herumsprach und deren Bewertung von einem blöden zynischen Spruch in eine Beleidigung unserer sowjetischen Freunde und ihres heldenhaften Krieges in Afghanistan umschwang, kurz darauf gefeuert.
Jeder Hausvertrauensmann war ein Blockwart in spe, jeder Vollhonk, der die Macht über einen Stempel hatte, war Gott. (Das änderte sich etwas, als ich nach Berlin ging, hier waren die Freiheitsgrade größer.)
Das passierte nicht etwa, weil das alles machtgeile Idioten waren, die Lust daran fanden, andere Leute zu bezwingen. Nein. Sie waren der Meinung, sie hatten Recht. Sie waren der Meinung, sie tun Gutes, sie helfen den Menschen auf den richtigen Weg und ins richtige Denken und Handeln. Sie echauffierten sich und brachten Opfer für eine bessere Gesellschaft. Wer für eine große Sache kämpft, wer die Welt zum Besseren ändern will, dem sind viele Mittel recht.
Diese Gesellschaft war in vielen Dingen extrem übergriffig. Verbot ihren Mitmenschen das freie Sprechen, Denken und Handeln. Denn wenn jeder tun und denken könnte, was er wöllte, dann käme die die neue tolle Ordnung nicht so schnell, war die Grundannahme.
In irgendeinem Roman meiner Jugendzeit sagte der proletarische Held immer wieder „Es muß anders werden!“ und blickte Richtung Horizont. 40 Jahre später streitet man sich um den Begriff „Unrechtsstaat“.*

Manchmal habe ich den Eindruck, dass im Westen geborene Menschen meines Alters und meiner Umgebung (Geisteswissenschaftler, Medienbranche, Netzaktivismus) überhaupt nicht verstehen, warum der nicht linientreue Teil der Ostdeutschen sehr sensibel auf den neuen Puritanismus reagiert. Während der Westen scheinbar unter zu viel Freiheit nach Halt sucht, sind wir mit Sprach- und Verhaltenspuritanismus aufgewachsen, mussten uns dem bis zum Erbrechen anpassen, wenn uns unser Lebens- und Berufsweg lieb war.
Das hat Nachwirkungen in uns. Das allerletzte ist, dass wir uns in den Dienst von Überzeugungen stellen:

Dankbar, dass die jungen Leute auch hier, aus meiner Gegend, heute Meinungen vertreten dürfen, die ich sowas von falsch finde, aber für deren Freiheit ich jederzeit wieder zurück auf den Bahnhofsvorplatz gehen würde.

Diese Zeilen trafen für mich den Nagel auf den Kopf. Ich halte es für wichtig, dass Menschen Meinungen vertreten dürfen, die ich (und vielleicht auch andere) falsch finde.
Da geht der Graben zwischen uns auf.
Wenn ich auf Twitter sehe, dass sich Leute gegenseitig stolz zeigen, dass sie jetzt die Bild-Zeitung geblockt haben, denke ich an die 300%igen Genossen, bei denen es von „Ich sehe kein Westfernsehen!“ bis zum Runterholen der Westantenne des Nachbarn nur ein Schritt war. Ich lese die Bildzeitung nicht, weil mich ihre Inhalte nicht interessieren, das sollte genügen. So ein öffentliches Bekenntnis halte ich eher für ein unfreiwilliges Eingeständnis eines tatsächlichen geistigen Horizonts.
Wenn ich lese, dass die öffentliche Feststellung „Ich bin angepisst, weil ich immer eine Ware gekauft habe, die ein deutsches soziales Projekt unterstützt und nun zahle ich, ohne dass ich es merke für ein indisches soziales Projekt! Was soll das? Erklärt mir mal jemand, was mit dem Geldwertunterschied passiert?“ zu Rassismus uminterpretiert wird, fällt mir der klassische Spruch im (meist unfreiwilligen) persönlichen Gespräch mit den Genossn ein, der lautete: „Aber du bist doch für die Arbeiterklasse oder? Wenn du für die Arbeiterklasse bist kann kannst du nicht…. musst du doch aber… Sonst dienst du dem Klassenfeind!!!“ Schon der Gedanke, einer höheren Ideologie zu „dienen“ ist mir zutiefst zuwider.
Wenn ich sehe, dass ein schräger Wissenschaftler angemacht wird, weil er ein buntes Shirt mit Pin up Girls trägt, weil Herabsetzung von Frauen etc., denke ich an die beige-grauen Funktionärsgestalten und den Hass, mit dem sie alles bunte, provokante Nonkonforme verfolgt haben.

Leute, passt bloß auf. Macht, was ihr wollt, schreit meinetwegen im Internet rum, dann kann man euch technisch ignorieren, verteilt per Social Media Traktätchen zur Menschheitsrettung, aber glaubt nicht, dass es ein guter Weg ist, andere tatkräftig auf den richtigen Weg zu bringen. Die können das schon allein, die sind nämlich schon groß.

 

* Korrektur: Ich habe das Buch gefunden. Es ist Johannes R. Becher, der in seinem autobiografischen Roman „Abschied“ immer wieder schreibt „alles muß anders werden“. Becher, Sohn eines deutschnationalen, aber nicht politisch engagierten Richters am Münchner Oberlandesgericht, der aus dem bürgerlichen Milieu ausbricht und Dichter statt Offizier wird. Versuch eines Doppelselbstmords, erschießt seine Freundin, überlebt, wird für unzurechnungsfähig erklärt, geht nach Berlin, wird Morphinist und Expressionist, kommunistischer Kulturaktivist, Parteidichter. Depressiv im sowjetischen Exil, devot und unterwürfig unter die große Sache in den Anfängen der DDR. Ein ungeheures Talent, das sich in die Mühle der Ideologie warf und als Parteimarionette endete.
Folgerichtig, dass mir der hier einfällt.
Er wollte eigentlich nur Gutes und Anerkennung bekommen.

 

 

Veröffentlicht unter Exkurs