5 Jahre

Ich sehe gerade den Eintrag.
Heute vor 5 Jahren bin ich am Abend nach einer schwierigen Vertragsverhandlung, die zur besten meiner Laufbahn wurde, zusammengebrochen.
Seit ungefähr drei Monaten habe ich das Gefühl, endgültig wieder gesund und nicht mehr gefährdet zu sein. Was nicht heißt, dass alles so ist wie früher. Das wird es nie mehr und das ist gut so.

Veröffentlicht unter Exkurs

WMDEDGT August 2014

Ein Passagen-Tag im Urlaub, wir waschen nur die Sachen und fahren am nächsten Tag weiter.
9:00 Uhr aufstehen, Käsebrot frühstücken, Zeitungsschau.
10:00 Uhr aufräumen, mal in den Kühlschrank schauen, was eigentlich noch da ist
11:00 Uhr einen Blogartikel über das Wochenende in Dresden schreiben
13:00 Uhr jetzt hat auch der Graf seine schmutzige Wäsche ausgeräumt – Wäsche waschen ist angesagt
14:00 Uhr langes, planloses Rumgekruschtel, dann mache ich Teig für Eierkuchen (woanders heißen die Pfannkuchen, aber das sind bei uns ja die Berliner) und taue Apfelmus aus Primaveras Garten auf
15:30 Uhr kleines Essen mit dem Grafen, draußen regnet es endlich mal heftig und die seit Wochen warme und stickige Wohnung kühlt etwas ab, das ist der Nachteil der Südseite aufm Berg
16:00 Uhr einen neuen Schwung Wäsche aufhängen und plötzlich bin ich müüüüüde und lege mich besser hin
17:30 Uhr aufwachen, weitermachen
18:00 Uhr Wohnung putzen
19:30 Uhr bei einem Blick auf Twitter merken, dass ich einen fetten Shitstorm verpasst habe, mich zu meiner Timelinepflege beglückwünschen
20:00 Uhr so langsam bin ich hungrig, entweder ich wärme mir ein Curry aus dem Frost auf oder gehe mit dem Grafen mit, um draußen etwas zu essen, mir ist eher nach letzterem, aber der Mann badet noch, ich bügele meine Kleider
21:30 Uhr ein kurzes Gequengel hat geholfen, wir gehen zum Naan in der Oderberger Straße
23:30 Uhr wie immer nach dem Essen bin ich todmüde. (Furchtbar, wie ein Baby, erst unleidlich aus Hunger und dann müde. Ich retardiere manchmal zum Kleinkind.), der Graf geht zum Geldautomaten und löst mich aus, damit ich nicht zu Abgeltung der Rechnung Geschirr spülen muss ;)
Mitternacht Zeit, sich einzukuscheln und noch etwas lesen, der Glam hatte mir Donna Tartt empfohlen

und die anderen Aufzeichungen sind hier zu lesen

Nochmal Dresden

Wir fuhren nach noch nicht einmal zwei Wochen wiederum nach Dresden. Diesmal, um am Elbeschwimmen teilzunehmen. Was wir dort erlebten, läßt sich demnächst im neuen Gemeinschafts-Blog Freistilstaffel nachlesen. Eine wunderbare, auf Twitter entstandene Idee, die gerade anläuft.

So muss das.

Aber zurück zu Dresden. Wir waren wieder in Loschwitz untergebracht, denn dort ging es auch ins Wasser. Das ist ungefähr so, wie wenn Berlin-Touristen am Kollwitzplatz wohnen und sich nur im Prenzlauer Berg bewegen und das Berlin-Besuch nennen. Aber egal. Es ist disneylandhaft nett dort, denn die beiden Hochwasser 2002 und 2013 haben den elbnah gelegenen Immobilien Vollsanierungen beschert, wenn die Versicherung das ermöglichte. Heißt es zumindest. Glück im Unglück.
Am Freitag reisten wir ganz langsam an, gingen wieder ins Gästehaus Loschwitz und  aßen abends im Zaza. Eine eigenartige Location. Wahrscheinlich mal als alternativer Kulturtreff Anfang der 90er hergerichtet, ist es nun eher bevölkert mit dem Bürgertum vom Weißen Hirsch und man muß auf das – sehr gute und bezahlbare – Essen ewig warten, aber auf jeden Fall bleibt es ein magischer Ort mit einem wunderbaren Blick auf den Fluß.
Am Samstag lümmelten wir in diversen nah gelegenen Biergärten herum. Zuerst zu zweit, ich war mit Stricknadeln zugange (der nah gelegene Woll-Laden war mein Verderben), der Graf mit iPad und Tastatur. Dann kam der Herr Spontiv nachmittags mit analogem Gatten quer durch die Stadt zu uns und wir verplauderten angeregt die Stunden, bis aus dem netten Sommerregen mit Gerumpel am Horizont ein heftiger Gewitterguß wurde und darüber hinaus, als der Regen ebenso schnell wieder aufgehört hatte und wir den Abend im Café Clara beschlossen.

Die Nacht war kurz und unruhig. Obwohl das albern war, zweifelte ich an meiner Belastbarkeit und hatte Horrorszenarien im Kopf vom Herzkasper mitten im Wasser, Panikattacken, die mich gar nicht erst hineingehen ließen oder einem unrühmlichen Abbruch der Schwimmstrecke wegen Erschöpfung. Außer dem imaginierten Herzkasper waren das Dinge, die mir in den letzten Jahren passierten und das lässt mein Ego immer noch leise fiepend in der Ecke hocken.
Aber nichts dergleichen passierte und nach Schwumm, Bier und Bratwurst wanderten wir in einem warmen Sommerregen den Elberadweg zurück nach Loschwitz. (Nebenbei, wenn ich mir so meine Instagram-Fotos beschaue, es ist nicht immer gut, zu glauben, es ginge auch ohne Lesebrille, die sind nämlich samt und sonders unscharf.)

Der Nachmittag war für ein Schläfchen reserviert und am Abend hatte der Graf die nicht so ganz einfache Aufgabe, eine sehr, sehr hungrige Frau und seine Anforderungen an gutes Essen in stilvoller Atmosphäre unter einen Hut zu bringen. Das funktionierte in der Villa Marie sehr gut, sogar mit Entertainment, denn da sind jedesmal die Leute an den Nebentischen eine Schau für sich.
Das letzte Mal beobachtete ich ein erstes Date. Sie blond, jung, stilvoll-bieder herausgeputzt und ununterbrochen redend. Er ein leicht abgelebter, wohlhabend aussehender, zwanzig Jahre älterer „sich viel jünger fühlen“-Typ, der Zuhören simulierte und sichtlich überlegte, wie er die Dame heute noch rum- und zum Schweigen kriegte. Diesmal zwei nach Golfclub aussehende westdeutsche Paare, die dem Personal erklärten, wie das mit der Hochwasserversicherung sei und was zu beachten wäre, um dann nahtlos in eine Tirade zum Thema „keine Ahnung, warum die jungen Leute so viel Geld für Computer ausgeben, die von Apple sollen ja besonders teuer sein“ auszubrechen.
Derweil machte der Himmel eine Sonderaufführung in Abendlicht nach Gewitter und Regenbogen.

Am Montag bestiegen wir in strömendem Regen nacheinander beide Bergbahnen. Genau wie beim Elbeschwimmen, als ich mich an die Erzählungen meine Großvaters erinnerte, der als Teenager des öfteren trotz Verbot durch die Elbe geschwommen war, weil es als besondere Mutprobe galt, unter der großen Eisen-Kette durchzuschwimmen, die die Dampfschlepper kurz aus dem Wasser hoben, dachte ich hier wieder an ihn. Die Bergbahnen waren nicht nur innovative Ingenieursleistungen, sie waren ein innerhalb kürzester Zeit finanziertes und gebautes ein Luxustransportmittel, das teure Grundstücke erschließen sollte, für Immobilien, die bei Inversionswetterlage über dem giftigen Mief des Talkessels lagen. Den Mief erzeugten die Fabriken derjenigen, die dann am Elbhang residierten. Die Urgroßmutter, die ich bewusst nicht mehr erlebte, hatte Hautschäden von der Arbeit in der Chemiefabrik. Projekte wie Hellerau waren nicht massentauglich.
Der Urgroßvater war Sozialdemokrat der radikaleren Sorte und später Kommunist, der Großvater Spartakist, sie wollten eine neue, gerechte Gesellschaft. Wen wundert das?
Es gibt die irrsten Momente, in denen mich die Familienvergangenheit einholt…

Am Nachmittag, der Regen hatte nachgelassen, fuhren wir auf den Rat der Herren Spontiv nach Großsedlitz, in den Barockgarten. Während viele Barockgärten später in Landschaftsparks im englischen Stil umgestaltet wurden, wurde dieses Projekt ob seines Größenwahnsinns und weil Barock bald peinlich wurde, lange Jahre vergessen. Was für ein Glücksfall. Die Frau Indica schrieb darüber und ich kann mich dem nur anschließen: Die hatten damals scheinbar ziemlich wirkungsvolle Drogen. Ein Sandstein-Disneyland aus der Fantasia-Phase für blaublütige Erwachsene.
Es lohnt sich, sich dort einen ganzen Tag Zeit zu lassen und sich in den Heckengängen zu verlustieren. Es ist auch nicht schlecht, sich einen gut gefüllten Picknickkorb mitzubringen, denn das Parkcafé beschert einem ein Sozialismus-deja vu feinster Art. Als wir eine halbe Stunde vor Schluß eine Tasse Kaffee begehrten, sagte man uns freundlich lächelnd, es würde nicht mehr bedient. Ansonsten ist an Wochentagen hier nicht viel los, auch das finde ich fein, es stellt sich ganz schnell ein „alles meins“-Gefühl ein, wenn man durch die Gemarkungen spaziert.

Am Abend rutschten wir flott nach Berlin durch, musten aber vorher dringend in Heidenau noch bei McDonalds probieren, ob wir wenigstens da ordentlichen Kaffee bekommen, damit der Graf nicht mit dem Kopf aufs Lenkrad fällt. Aber auch da gab es nur Bliemchengaffee. Lesen Sie dazu bitte auch die Frau Herzbruch, sie spricht mir aus dem Herzen.

Veröffentlicht unter Leben