Hundstage

Die Stickmaschine ausprobieren, dafür den 10 Jahre alten Büro-Laptop plattmachen und noch mal übertief in die Windows-Welt eintauchen. Nebenher ein Kleid fertig nähen und der Graf probiert sich mit Erfolg an der Nähmaschine. Über Trachten und heutige Mode nachdenken. Schwimmen üben, denn das Elbeschwimmen rückt näher. Szenische Lösungen im Kopf wälzen und die mit Finanzierbarkeit abgleichen. Schwitzen und unter der Hitze stöhnen.
Obwohl die Tage lang sind wie nie, passt nur ein Teil meiner Vorhaben hinein. Ich müsste ausdünnen, nach dem Spielmodus tut Fokussierung not. Aber noch zögere ich, es macht einfach Spaß.
Nachts falle ich dann in tiefe, traumlose Schwärze.

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Verglüht

Das wars dann mit Tagebuch. Die Tage sind derzeit einfach zu voll.
Am Wochenende waren wir in Dresden, weil der Graf an einer Tagung teilnahm und ich floh, nachdem ich den Grafen morgens abgeliefert hatte, immer nur in die Kühle. Am Samstag saß ich unter einer Weide neben dem Schloß Pillnitz im Schatten, am Sonntag ging ich gleich ins Militärhistorische Museum, weil es da kühl und menschenleer war.
Wir hatten Quartier in Loschwitz und benahmen uns genau so wie die Touristen in Berlin. Saßen in den Touribiergärten, fanden disneylandhaft hergerichtete Stadtteile allerliebst und suchten cool places in der Neustadt. Meine Lieblingsorte, das Nymphenbad morgens bei Sonnenaufgang und der Friedrichstädter Neptunbrunnen, den ich noch als trockene zerfallene Ruine kenne, ließen wir aus, zu heiß, zu früh.

Das Militärhistorische Museum ließ mich sehr erstaunt zurück. Zum einen fand ich es ganz groß, Krieg und Militär so tief in gesellschaftlichen und kulturellen Kontext einzubetten, zum anderen fühlte ich mich schwerst überpädagogisiert. So, wie die Ausstellung gestaltet ist (ich habe im historischen Teil allerdings nur die Neuzeit gesehen, das ist alles viel zu umfänglich, aber das Konzept zieht sich durch), lässt sie Militaria-Fetischisten gottseidank draußen, urteilsfähige Menschen kommen aber zu kurz, finde ich.
Man stelle sich vor, eine Gesellschaft definiert ihr Verhältnis zu Nacktheit und Sexualität neu und baut eine Gemäldegalerie um. Statt der üblichen Ansammlung schwelgenden Fleisches in mannigfachen Aktionen und Posen inklusive Erklärungen zu Künstlern und Ikonografie gibt es nun die Schlummernde Venus, einen Mädchenraubschinken und Leda und den Schwan, aber immer nur ein Bild, verbunden mit einem Wust von Erklärungen zu Schwänen, Reitunterricht und einem Exkurs zu Schlafbekleidung, damit sich ja niemand daran erregt.
Ja, das Verhältnis zu gesellschaftlich sanktionierter Aggression hat sich massiv gewandelt, wie überhaupt das Verhältnis zum Umgang mit Aggressionen. Aber wie verändern sich Gesellschaften dann? Haben wir wirklich eine Strategie dafür? Man muss nicht Ian Morris heißen, um zu wissen, dass Krieg allzu statische und undurchlässige Gesellschaften durcheinanderwirbelt, ein Vorgang, der qua Besitzstandswahrung sonst seltenst passiert.
Auch dem  Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs schleppen Kriege hinterher. Die friedliche Revolution war nur in einem historisch engen Zeitraum und Areal tatsächlich eine, wenn wir uns aktuelle Ereignisse anschauen.
Meiner Familie, Menschen, die allesamt am Kriege führen nicht interessiert waren, hat der zweite Weltkrieg im Ergebnis einen gesellschaftlichen Aufstieg aus der Arbeiterschicht ermöglicht, den sie sonst nie gemacht hätten. Hätte es Alternativen gegeben?
Haben wir Alternativen? Warum lesen wir dann heute noch für Managementtechniken Sunzi und Clausewitz? Mit diesen Fragen kam ich aus dem Museum.
Zumindest eine Frage hatte sich mir beantwortet. Am Abend vorher diskutierte der Graf mit mir über Uniformen und warum die Infanterie nicht so augenfällig gekleidet ist, wie die Marine oder die Flieger. Ich lernte etwas über den Krieg der Massen im industriellen Zeitalter, der den Krieg Mann gegen Mann ablöste und die neuen personifizierten Helden, Flieger und U-Boot-Kapitäne.

Am Montag fuhren wir zurück und hielten für ein Stündchen in Zabeltitz, um das Schloss anzusehen. Das liegt sehr verwunschen und still in eine ruhigen Heidelandschaft. Leider ist es keine Unterkunft, es gehört der Stadt Großenhain, die es scheinbar als Eventlocation benutzt.

Dann hatte uns Berlin wieder, mit Lärm von der Weinerei, der sich nach Mitternacht aus dem Spielplatz fortsetzte, europäische Spielkinder eben, und Hitze, fürchterlicher Hitze.

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16/7/14 Tagebuchbloggen

Gestern klingelte der Wecker früh, weil ich mich mit einer Freundin traf, deren Website eine neue Struktur und die eine Einführung in Facebook für ihre berufliche Seite braucht. Bei Facebook kann ich nur sagen: Einfach machen. Das ist so komplex, das kann man nicht erklären.
Danach brachten der Graf und ich die Nähmaschine zum Händler, damit er uns in zwei Tagen das Stickmodul vorführen kann. Wie immer standen wir erst mal in diesem Laden, der ist seit kurzem übervoll und ich konnte mit Freude feststellen, dass mein englisches Nähvokabular gut abrufbar ist. Die Verkäuferin verstand eine Kundin nicht, die dicke Nadeln und Garn für die Nähmaschine brauchte, um eine Hängematte zu nähen.

Dann fuhren wir nach Friedrichshain zur Wasserstelle, der Kühlschrank soll demnächst mal an die Leitung abgeschlossen werden. Der Laden hat Websitegewirr. Hier und hier. (Verschiedene Zielgruppen???) Die bräuchten auch mal jemand, der ihnen die Kommunikation sortiert. Ich mags ja nicht, wenn man mich so anbrüllt bzw. mir Eso-Kram aufschwatzt.

Da wir gerade in der Richtung Osten unterwegs waren, fuhren wir weiter stadtauswärts und testeten die Seen um Kaulsdorf/Mahlsdorf/Biesdorf. Wir schwammen eine Stunde im Habermannsee und machten wunderbare Sozialstudien über alte und junge Ossis.
Als ich wieder Richtung Ufer schwamm, waren an meinem Einstieg zwei junge Frauen im See, die die ganze Zeit wassertretend plauderten. Über ihre aktuelle Diät, was sie essen dürften und was nicht, wie ihre Gewichtsentwicklung sei, wie sie gesündigt hätten, dass sie die Woche über jeden Tag Sport treiben müssten, damit sie am Wochenende bei Muttern mal Kuchen und Kartoffelsalat zu sich nehmen könnten. Ich kriegte Ohrensausen von diesem körper- und essenreglementierenden Gerede.
Als ich mich abtrocknete, beschlossen sie auch, aus dem Wasser zu kommen. Denn: „Boah, das zieht schon richtig an den Oberschenkeln und Armen, wenn man so lange schwimmt.“ Ja, nee, is klar.
Die eine war normal, die andere vom Körpertyp her etwas weich und üppig. Völlig normale, unterschiedlichen Menschen also. Vielleicht ist diese Körper- und Ernährungsfixiertheit ja auch eine Form von Volksablenkung. Sie frisst Braintime.

Der Abend verging mit Schreiben über Tracht und Dirndl am offenen Fenster.
Und wenn mir jemand weiterhelfen kann, wie ich ein „for editorial use“ getaggtes AP-Foto ins Blog bekomme, ohne abgemahnt zu werden, bin ich sehr dankbar. Ich muss das Foto ja nicht umsonst haben, wenn es kostet und ich es mir leisten kann.

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Dirndl Sew-Along: Inspiration

Ok. mein erster Sew-Along: (Für alle, die nicht wissen, was das ist: ein gemeinschaftliches, thematisch eingegrenztes Nähprojekt mit verschiedenen Stationen von Fertigstellung.)
Ich weiß noch nicht, ob ich am Schluss tatsächlich ein fertiges Teil in Händen halte, ich kreise ja oft sehr lange um etwas, könnte sein, dass das noch länger braucht.

(Ich habe das heiße Foto von Claudia Cardinale erstmal rausgenommen. Ich Greenhorn muß erstmal klären, wie ich an die AP-Lizenz komme.)

Als erstes: Vergiß Dirndl. Deutsche Tracht wird oft auf die bayerische reduziert, ggf. denkt man noch an den Schwarzwälder Bollenhut und das ist nicht mein Kulturkreis.
Mich interessiert Trachtenkleidung zum einen im Zusammenhang mit Kulturgeschichte und Sprache. Vormoderne Kleidung spricht. Sie sagt, ohne Wort und Schrift, woher ein Mensch kommt, welchen Beruf, Gesellschafts-, Familienstand und Religion er hat, wie wohlhabend, kunstfertig bzw. fleißig er ist, zu welchem Zweck er draußen unterwegs ist und übermittelt dazu noch allerlei aktuelle Signale wie Stimmung, Offenheit und Ansprechbarkeit.
Zum anderen mag ich Kleidung, die einem relativ strengen Formen-Kanon folgt, die klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht, schöne handwerkliche Details erlaubt und absolut zeitlos ist. (Nebenbemerkung: Für die Generation meiner Großeltern war Tracht Ausdruck von hinterwäldlerischem, traditionsgebundenen Dasein, Tracht trugen nur noch dumme Bauern, über die sich der moderne Arbeiter lustig machte.)
Wenn ich die Eltern meines früheren Lebensgefährten in Oberbayern besuchte, trug ich ab und zu Kleider, die aufgeweichte Tracht aus den Touristenläden waren, das war mit immer etwas peinlich. Die Dörfler oberhalb von Berchtesgaden gingen zu Festtagen immer noch Old Fashioned umher, mit Lederhosen und Gamsbarthut, falschem Zopfkranz und Dirndl. (Aber die sprachen sich untereinander auch immer noch mit Hofnamen an und nahmen die „Zugroasten“ auch nach 30 Jahren nicht für voll.)  Mein Traum war ein Tostmann-Dirndl, aber das war unerschwinglich. Daß Gexi Tostmann sich weit jenseits von vulgären Wiesn-Dirndln mit der Modernisierung von Tracht beschäftigte, beeindruckte mich schwer.
In den Jahren mit viel Geld trug ich sehr oft Dolce & Gabbana. Die Kleider und auch die Unterwäsche waren oft von traditionellem sizilianischem Look inspiriert.

Schon im letzten Herbst recherchierte ich nach einer Hauskleidung, die mich einerseits warm hält bzw. sich in verschiedenen Modulen den Temperaturen anpasst, in der ich genauso Haus- wie Büroarbeit wie auch ein Nickerchen machen kann und weiblich ist.
Ich kam auf das Pioneer Dress. Die bäuerliche Variante Victorianischer Mode, die von den Siedlerinnen im damals tatsächlich noch wilden Westen getragen wurde, bestehend aus einfachen Schnitten und verschiedenen übereinander zu tragendenTeilen.
Erst hinterher merkte ich, dass ich das Fahrrad gerade zum zweiten Mal erfand, das erste Mal hatte es bereits Laura Ashley getan.
Zu dem Wort „weibliche Kleidung“, das bereits mehrere Male fiel. Ich habe einfach die Nase voll von Casual-Unisex-Kleidung. Ich spiele gern mit Geschlechterwechseln und habe jahrelang den Hochzeitssmoking meines Vaters getragen, aber Jeans und Sporthosen ohne Anlass (Arbeit, Sport) meide ich immer mehr. Seit ich sehr weibliche Körperformen bekommen habe, brauche ich Sachen, die nicht klemmen und kneifen, Busen, Bauch und Po Platz geben, Bewegungsfreiheit garantieren und trotzdem gut aussehen.(beim Link runterscrollen!) – Tracht wurde für Lebensjahrzehnte gemacht und musste während fetter und magerer Zeiten, Schwangerschaften und Klimakteriumsveränderungen ohne großen Aufwand passen. Schnürleibchen und weite Röcke funktionierten da sehr gut.

Ich fragte mich bei der Recherche, welche Tracht mich interessieren würde. Süddeutsch würde es nicht sein, s.o.
Also recherchierte ich die Trachten der Regionen, in denen ich meine Wurzeln habe. Meine Vorfahren stammen wahrscheinlich aus Böhmen, meine Großmutter, mit der mich viel verbindet, aus der Oberlausitz, ich bin im östlichen Brandenburg geboren und aufgewachsen. Das ist wendisches Gebiet.
Die Assoziation ist ganz schnell wendisch=sorbisch und mit sorbisch verbindet sich die Tracht, die eigentlich nur in ein paar Spreewalddörfern getragen wird.
Die für mich nächstliegende, die Lebuser Tracht, finde ich ganz schrecklich. Also ging ich südwärts auf der Karte: NiederlausitzHausschlangenland, nee, das wars nicht, Bautzen, nee irgendwie zu bunt – und wurde fündig. Die schwarzweißeTracht der katholischen Sorbinnen. (Die mich wiederum, Rücksprung, an den wilden Westen und an die Kleidung der Amish erinnert.)
Nun bin ich weder sorbisch noch katholisch. Aber im wendischen, später katholischen Land, unweit von Czorneboh und Bieleboh (schwarzer und weißer Gott, sagte mein Urgroßvater immer) liegen meine mentalen Wurzeln, da ziehts mich innerlich.
Als ich meine Großmutter in ihrer letzten Lebenszeit jährlich im Frühling nach Oppach zum Konfirmandentreffen fuhr, machte ich manchmal einen Abstecher nach Kloster Marienstern zur Messe. So wie diese Frauen, mehr oder weniger.
Eine kleine Anekdote, die dazugehört: In Zeiten, wo ich mal weder komplett die Nase voll von der Welt hatte, malte ich mir aus, Nonne in diesem Kloster zu werden, eine weißschwarze Zisterzienserin. (Bis ich dann vom Zickenkrieg in Klöstern hörte und den Gedanken aus meinem Kopf verbannte.)

Es wird also ein schwarzer Rock und ein gleichfarbiges hinten geschnürtes Leibchen, dazu eine weiße Leinenbluse, später vielleicht noch eine schwarze Jacke und eine weiße Schürze. Da die Anschaffung einer Stickmaschine bevorsteht, wird es Biesen und Stickereien geben, schwarz auf schwarz, weiß auf weiß.

Das ist nun mein schlangenartiges Inspirationsknäuel: Wendisches Blut -> Stella Maris -> Marienstern -> Wilder Westen -> Pioneer Women -> Amish -> Schwarz und Weiß -> Oberlausitz

Die Bildersammlung ist hier. (Ich scheue mich, solches Material direkt ins Blog zu posten, das gibt nur Urheberrechts-Ärger.)

Und das sind die Inspirationen der anderen Teilnehmerinnen beim Me Made Mittwoch.

Edit: Ich habe gerade mit dem Trachtenfundus in Rosenthal telefoniert. Vielleicht trägt es uns demnächst mal dort hin, damit ich Details anschauen kann. Die Verwalterin betonte extra, die katholische sorbische Tracht sei keine „Truhentracht“, die würde von den älteren Frauen auf dem Dorf auch im Alltag getragen.