Junge Garde im Mai

So, das war eine wilde Woche. Am Sonntag Abend Schnitzel im Alpenstück mit Internetmenschen aus Stuttgart und Köln. Am Montag einige Jobs (wenn die Leute grade in Berlin sind). Am Dienstag dann re:publica-Damenkaffeetrinken, so wie das letzte Jahr. Da habe ich doch endlich mal Anne Schüssler kennengelernt. Und ich muss gestehen, ich bin leicht verknallt in die Mischung, die in dieser Frau steckt: Technik und Kunst, weiblich und analytisch, open minded und aufm Punkt, wertvoll und modern, sanft und klar. Doch, das gibts.
Auf der re:publica ging es weiter mit dem Kennenlernen von Menschen aus dem Internet. Frau … äh Mutti zum Beispiel, Frau Brüllen, eine Dame, die aus der Schweiz kam, behauptete, nicht zu bloggen und die ich deshalb nicht googlen kann (??? war dsa wirklich so?), die Frau Pepa, Littlejamie, die genau war, wie ich sie mir vorstellte und die Frau Elfengleich, die genau wie die Letztgenannte ein Selbstbau-Blog besitzt.
Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig, mir fegt mal wieder mein soziales Herausgefordertsein das Hirn leer. (Aber das haben wir ja alle ein bisschen.)

Am Dienstag abend gab es noch eine Veranstaltung der Digital Media Women im BASE_camp zum Thema Reich werden mit dem Internet. Was allerdings eher ein Joketitel war, um Leute in die Friedrichstraße zu locken. Es ging um Unternehmerinnen, Geld verdienen, Strategien und Wagemut. Und da hatten wir wieder unser altes Problem: Die Fragen an die Damen auf dem Podium (Frau aus dem Westen – kein Kind und „liiert“, Frau aus dem Osten – Mann und Kinder, Französin – Mann und Kind) drehten sich nur um ein Problem:
– Wie kann ich das Risiko eingehen, ein Unternehmen zu gründen, wenn ich Kinder ernähren muss?
– Wie kann frau eine gut laufende Firma leiten, wenn frau ein Kind hat?
– Wer passt auf das Kind auf, wenn Mama Chefin ist?
Auf die letzte Frage fiel die Französin Catherine Barba fast vom Stuhl und verwies nach ein paar Sekunden Überlegens auf ihren Mann, die Nanny und sich selbst, die als Chefin doch schließlich das Kind mit in die Konferenz nehmen könne.
Auch die Moderatorin Sanja Stankovic lenkte ein und teilte ihre Erfahrungen mit, dass Frauen im Gegenteil in der Selbständigkeit und Kindern viel besser arbeiten könnten. – Was auch meine Erfahrung ist. Female Entrepreneurship ist anders. Aber es nicht zwingend, nur kleine Brötchen mit bunten Streuseln zu backen.
Ich nehme wiederum gern meine Rolle als grantelige mittelalten Dame ein, wenn ich sage: Das kann doch wohl nicht sein, dass weibliches Unternehmerinnentum bereits in den Präliminarien steckenbleibt, weil Kinderaufzucht als alleinige Aufgabe der Mutter betrachtet wird und der langweilige Teilzeitjob oder Hausfrauendasein bemäntelnde „Projekte“ eine respektable Ausbildungs- und Berufsbiografie ruinieren.
In Trennungsfall alleinerziehende Mütter und ihre Kinder zu Sozialfällen (mit allen damit verbundenen Demütigungen) macht und Männer zu halbruinierten Zahleseln.
(West-)Deutschland ist in dieser Hinsicht Entwicklungsland und dass wir uns damit nicht zufrieden geben, ist wichtiger als Nebenkriegsschauplätze, wer was wie sagt, ob das jetzt sexistisch ist und ob es Genderklos gibt. (Eine Frau, die ein Unternehmen leitet und Kinder hat, würde sich auch nicht wegen solchem Pipifax mit Männeren und ihresgleichen rumstreiten.) Dass Frauen an an einem solchen Abend ausschließlich solche Fragen haben, also schon in den Anfängen des Geldverdienens als Unternehmerin oder Führungskraft riesige Schwierigkeiten sehen, wäre einen viel lauteren #aufschrei mit nachfolgendem gesellschaftlichen Diskurs wert.

Ich versuche seit gestern die re:publica zu fassen und bin noch nicht ganz durch damit. Außerdem haben das andere besser gemacht: Die Frau Indica und Thomas Knüwer zum Beispiel.
Ich sehe einen Professionalisierungstrend in Bezug auf Blogs und Social Media und ich finde den gut. Welche Form das annimmt und ob das neben guten Sachen, wo klar ist, dass man damit Geld verdienen will, weil es gute Arbeit ist, nicht auch viel Verarsche und Generve geben kann, weil Leute ihre persönlichen Kanäle plötzlich nutzen um andere mit Marken- und Produktbotschaften (für die sie einen Appel und n Ei bekommen) vollzuspammen, wird man sehen. In diesem Zusammenhang fand ich den (unsichtbaren, weil verpackt) Werbeblock für das Bezahlsystem Leetchi beim Iron-Blogger-Panel ziemlich grenzwertig. Aber ich mag da empfindlich sein, beim Fernsehen ist die strikte Trennung von Werbung und Programm gefordert gewesen und wurde ständig umgangen.
Mir geht es um eines: Ich möchte auch in Zukunft im Internet mit authentischen Menschen zu tun haben und nicht mit Markenbotschaftern.
Ich hatte darüber hinaus das Gefühl, dass die reinen Internet-Business-Menschen etwas verloren in Grüppchen herumstanden. Irgendwann hatten sie sich gegenseitig erzählt, welches Copycat sie gerade am Laufen haben oder welche Firma ihnen gerade die Dienstreise bezahlt.

(Kleine Anekdote am Rande: Ich setzte mich am Montag morgen aus Pflichtbewußtsein an den Rechner, um in dem voll moderierten Forum, in dem ich ehrenamtlich mitarbeite, neue Moderatoren anzuleiten, damit sie nicht völlig verloren rumhängen und klinkte deshalb morgens die Eröffnung der re:publica aus. Die Hälfte der bezahlten Administratoren wiederum waren auf Kosten ihres Arbeitgebers in der Eröffnung anwesend. Das mache ich auch nicht noch mal. Das sind die haarscharfen Trennlinien zwischen Crowdsourcing und Professionalisierung.)

Die Panels sind für mich nach wie vor nicht die Hauptsache. Dazu sind sie oft zu leichtgewichtig und wenig professioniell. Ich sehe das gespalten, einerseits ist es gut, Bereiche zu haben, die noch offen, beweglich und nicht von männlichen oder weiblichen meinungsführenden Silberrücken dominiert sind. Graswurzelimpulse sind wichtig. Andererseits drehen sich mir bei Gestammel und Nichtinformation, weil das Thema nicht richtig ausgearbeitet oder noch schlechter präsentiert ist, die Zehennägel hoch. Das habe ich schon zur Genüge, wenn ich Präsentationsseminare halte, da holt mich der Beruf ein. Weil es dazu passt, in eigener Sache: Ich nehme es sportlich, wenn meine Idee für ein Panel abgelehnt wird. Ich lasse mir aber ungern im Zusammenhang damit dämlich kommen. (und wie ich hörte, war ich da nicht die Einzige, die diese Erfahrung machen durfte) Höflichkeit und Stil würden roten Lippenstift professionell ergänzen und so etwas wie Format ergeben. Irgendwann geht es vielleicht auch mal über diesen Tellerrand und diese Suppe hinaus, auf der frau gerade auf der Wurst mitschwimmt. Da ist souveränes Verhalten in konfliktreichen und hektischen Situationen eine Grundforderung.

Im Ironblogger-Panel hatte ich Spass und die Ironmutti Antischokke hat den coolsten Auftritt evbber hingelegt. Auch das Karrierebibel-Panel erfreute mich, wenn ich auch inhaltlich dazu eine andere Meinung habe.
Was mich bei der re:publica ungeheuer pusht, ist die Energie, die unterwegs ist. Da fliegen Ideen durch die Lusft, da gibt es viel zu Lachen, noch mehr zu trinken und endlich sieht man die Nichtberliner Live, die man ansonsten nur liest. Das ist ein Gefühl, wie auf einer großen Wolke zu schweben. Klassentreffen halt. Da fand ich den Abschlußsong auch passend und den emotionalen Gipfel.

Ich wünsche mir, da es noch lange so bleibt und die SEO- und Marketing-Fredis, denen das Internet und sein Potential ansonsten im Leben am A… vorbei geht, lange draußen bleiben.

PS. Ob ich nächstes Jahr dabei sein werde, weiß ich nicht. Solange die Early-Bird-Blogger-Tickets vor allem an Firmen gehen, eher nicht. Der Graf hat dieses Jahr mein Ticket mitbezahlt. Ich hätte es mir nicht leisten können.

Fingerübung

Von 14 bis 24 habe ich eine Menge Klamotten genäht. Daher rafft es mich vor allem im Frühling, in die Stoffkiste zu greifen und das eine oder andere Kleid zu nähen. Vor allem seit ich in den Läden in meiner Umgebung so gut wie nichts mehr in meiner Größe kaufen kann. Außerdem ist es gut für mein Konzentrationsvermögen, das kann ich so trainieren.

Bei dem Stufenrock im Winter habe ich mir noch fast die Finger gebrochen, so ungewohnt war das. Am ersten Mai begann ich mit einer Kombi aus Faltenrock und Oberteil und bin nun um einige Erkenntnisse reicher.

  1. Burda-Schnitte sind Sch… Der Faltenrock hat eine Zeichnung, in der die Falten symmetrisch liegen, aber schon der gesunde Menschenverstand sagte beim Anblick der technischen Zeichnung, das das so nicht geht. War auch so. Viele andere Schnitte sind einfallslos, unraffiniert und haben Kirchentagschick.
    Die Hefte scheinen mittlerweile Variationen von drei Grundschnitten zu beinhalten. War das früher schon so?
  2. Ich kanns noch, wenn auch langsam. französische Nähte, Kappnähte, Blindsaum mit Maschinenstich etc. pp.
  3. 40er Jahre-Viskosekrepp aus dem Omi-Bestand, der, wenn er gewaschen wird, nur noch halb so groß ist, kann mit Stärke wieder großgebügelt werden und das hält dann auch.
  4. Kitty, merke dir endlich, auch nach 20 Jahren Versuchen: Karos stehen dir nicht!
  5. Hier sehen sie  nun das Modell, in dem ich aussehe wie eine Trümmerfrau beim Sonntagsspaziergang. (Nein, ich ziehe es nicht an und fotografiere mich damit!)

trümmerfrauenkleid

Kappnähte, weil der Stoff angestückelt werden mußte.

Kappnähte, weil der Stoff angestückelt werden mußte. Gelber Heftfaden kommt noch raus.

Maschinenblindsaum, links von innen , rechts am Pfeil der winzige Stich, der außen zu sehen ist.

Maschinenblindsaum, links von innen , rechts am Pfeil der winzige Stich, der außen zu sehen ist.

Perlmuttknopf und Reissverschluß (Stoffkante, wie ich sehe, noch nicht ausgebügelt)

Perlmuttknopf und Reissverschluß (Stoffkante, wie ich sehe, noch nicht ausgebügelt)

Hm, das kommt jetzt entweder zurück in meine Kiste oder jemand meint, Karos stehen ihr. Der Rock läßt sich problemlos verkleinern bis zur 38, dann sind die Falten auch besser zu legen.

Ich warte derweil, bis die von Mr. Glamourdick gesponsorten Vogue-Schitte ankommen, dann geht es weiter…

PS: Schade um die schöne Seide!

Tag der Arbeit

Durch geputzte Fenster sieht der 1. Mai doch viel besser aus. Und ich freue mich jedes Mal diebisch, daß ich nicht mehr die Plastenelke antüdeln, zu Winkelementen greifen und am Ende des Tages die volksfestbesoffenen Asis ansehen muß.
Als Kind fand ich das alles faszinierend, da saß ich immer mal auf einer Ehrentribüne und unten gabs MIlitärparade (besser gesagt Vorbeimarsch) mit Tambourmajor, Cabrios, in denen Kommandeure standen (gibts einen Namen dafür, den hab ich nur vergessen) und Raketenwerfern. (Tiefe frühkindliche Prägung: Millitärmärsche! Die besten sind übrigens von Beethoven.)
1981, zum selbständig denkenden den Menschen mutiert, war bei mir Schluss, zunächst innerlich, ich wußte, einmal muss ich noch, bis ich volljährig und aus dem Gymnasium raus bin. Dafür gab es auch einen konkreten Auslöser.

Da lachen sie noch, sechs Wochen später knallts…

Die Kreisparteileitung, Nationale Front, das Oberste Kundgebungsbüro (oder wer auch immer das organisierte) des Oderkaffs hatte beschlossen, daß es doch toll aussähe, wenn die Gymnasiasten der Stadt einen Fahnenblock bilden würden und daß dieser Fahnenblock am Anfang und am Ende der Kundgebung marschieren könne.

So ungefähr.

Was einmal hieß, wir mussten da über Gebühr rumhängen und uns die Parolen anhören und andererseits mich unheimlich ärgerte, da als Bestandteil eines laufendenden Potemkinschen Dorfes unterwegs zu sein. Mein Gefühl war: Wenn das gut ankommt, laufen in 10 Jahren ein paar Hanseln, die sich noch nicht drücken dürfen, mit Wink- und Sichtelementen einige Stunden im Kreis um die Ehrentribüne, um die winkenden Greise darauf zu erfreuen. Gott sei Dank kam es nicht mehr dazu.
Wir übten uns in passiver Aggression. Die zum lächeln aufgeforderten Mädchen lächelten nicht und die Jungs, die diese hohen Fahnen tragen mussten, stellten sich nach Leibeskräften blöd an und wackelten und wankten mit diesen Dingern herum. Mehr ging leider nicht, wir wollten schließlich alle noch Abitur und einen Studienplatz.

Daher war ich gestern gar nirgendwo unterwegs. Unten vor der Tür demonstrierte der DGB-Dachverband auf Motorrädern, die Jungs hatten Spaß und ich übte mal wieder meine eingerosteten Nähkünste.
In diversen Kammern habe ich noch immer größere Stoff-Vorräte und die derzeitige wunderbar weibliche Mode, die ohne großartige High-Tech-Materialien und -Verarbeitung auskommt, ist gut selbst machbar. (Das Kindchen hat zwar ne tolle Overlock-Maschine, aber die ist selbst mir Technik-Freak zu kompliziert, als daß ich mal eben vorbeikommen und was zusammennähen könnte.)
Meine alte Veritas habe ich vor 5 Jahren wegwerfen müssen, weil der Motor zu schmoren begann und ich bereue es jetzt etwas. Der Antrieb wäre vielleicht zu ersetzen gewesen, denn darüber hinaus war sie stabil, weil aus Metallguß und hatte ein klares Stichbild. Die Singer, die mir das Kind geschenkt hat, eiert im Unterfaden ziemlich oft, so wie ich es nur von meiner allerersten Schwingschiff-Victoria kenne.

Also knibbelte ich gestern den ganzen Tag an einem simplen Faltenrock aus schwarzrosa karierter Dupionseide. Ich habe noch etwas schwarzen Crêpe de Chine aus der Omikiste, das wird noch eine kleines Oberteil mit karierten Blenden dazu, allerdings werde ich stückeln müssen, der ist so komisch proportioniert. Gute Gelegenheit, mal wieder französische Nähte auf Seidenpapier zu üben.
Dazu habe ich mir Burda-Schnitte runtergeladen. Ey Leute, gehts noch? 89 pdf-A4-Seiten für ein Schnittmuster??? Irgendwie ist das noch keine optimale Technologie.
… Fotos gibt es, wenn ich fertig bin.

Kommen wir zum Kapitel Biokiste:
broccolihuhn
Irgendwie ist das Bild am unteren Rand etwas unscharf…
Also, ich habe das, was übrig war, nämlich (im Nudelwasser blanchierten) Broccoli, eine Möhre, mit Hähnchenbrust, Knoblauch und viel Chili im Wok angebraten und noch zwei Eßlöffel Hoisin-Soße dazugegeben. Die graubraunen Fäden sind keine Regenwürmer, sondern Süßkartoffel-Buchweizen-Nudeln.
Der Graf bekam einen halben Liter Orangensaft. (Nicht, weil ich nichts abgeben wollte, sondern weil er leidend ist und nichts essen mag.)
Jetzt sind noch zwei Datteln und eine Banane übrig und morgen kommt eine neue Kiste.

Dann las ich heute etwas, was mich echt triggerte. Ich bin ja sonst eher skpetisch bis zynisch, was Trendsportarten angeht. (Da erinnere ich mich gern an RTL Samstag Nacht „Extreme Mitessing“ „Streetchess“ „Extreme Homerunning“, ja Privatfernsehen war mal cool und innovativ…)
Aber die Aussicht, mit gutem Equipment Küstenwanderungen im Wasser zu unternehmen, Seatrekking genannt, ist der Hammer! Da würde ich sogar auf Spezialequipment sparen wollen, was ich sonst immer blöde und überflüssig finde.
Ich habe das ja schon mal gemacht, vor 11 Jahren. Da mein Bruder mein Kajak mit in dem Urlaub genommen hatte, bin ich halt um den Stechlinsee geschwommen. Ich hatte einen Neoprenanzug an, damit es nicht so kalt ist und einen wasserdichten Brustbeutel mit etwas Notfallausstattung.
Ich habe sogar mal eine Kurzgeschichte geschrieben, die „Das Meer-Projekt“ hieß, in der es um Menschen ging, die auf dem Grund von Flüssen in Richtung Meer wandern.
Mit kleinen Flossen, Schnorchel und Taucherbrille hätte man dann auch noch die Welt unter sich vor Augen, mit Zelt und trockenen Klamotten im Gepäck müsste man nicht mehr zurück und könnte an schönen Stellen übernachten. Das einzige Problem würde ich darin sehen, dass bestimmte Stellen bei hohem Seegang gefährlich werden.
Das kommt auf meine Bucketlist, auf der ja auch noch eine Skiwanderung in Norwegen steht.