Rendezvous mit großen Tönen

P. kenne ich schon seit mehr als einem Dutzend Jahren. M. brachte seinen alten Jugendfreund ins Schauspieler – Regisseure – Autoren – Labor (Achtung, Vintage-Website!) mit und dort waren wir allesamt mit experimentieren, streiten und Schnitzelessen zugange. P. hatte hochinteressante Konzepte beizusteuern, auf die wir Filmdeppen erstmal nicht gekommen wären.
Dann brachte er mir das Singen bei. Hatte ich doch von Hause aus gar keine Stimme oder aber einfach eine Sperre im Kehlkopf, wie mans nimmt, jedenfalls nach zweieinhalb Jahren hatte ich einen okayen, wenn auch nicht umwerfenden Mezzosopran.
Zwischendurch kämpften wir an verschiedenen Fronten, heckten aber unter P.s Führung die Präsenzseminare mit Tutorial, Präsentationsübungen, Einzelcoaching und Videoauftritt aus. Das war ein ziemlicher Erfolg.
Jetzt geht jeder weiter, zu neuen Ufern. P. ist in der Kunst noch mal ein Stück weiter gekommen. Er macht so hinreißende Sachen, wie Grimms Märchen mit Gesang, Musik und Sandmalerei. Und er wird neue Türen beim Präsenztraining aufstoßen. Zu diesem Anlass trafen wir uns heute. Manchmal ist eine Zuhörerin nicht verkehrt. Nachdem ich eine Stunde kommende Projekte und Pläne angehört und kommentiert hatte, ging es ans Singen. Das hatte ich ja gut fünf Jahre nicht mehr richtig getan. P. meinte zwar zwischendurch immer mal, wenn wir zusammen ein Seminar machten, meine Stimme wäre höher geworden, aber ich habe es nie ausprobiert.
Dann ging es los, erst Felix Mendelsohn Bartholdy zum warm machen. Das war ein bißchen so, als würde man nach langer Zeit wieder Autofahren, der Gasfuß ist etwas eingerostet und man hat vergessen, wie ein Auto losschießen kann.
Halleluja, das ist ein heftig lautes Organ geworden. Früher musste ich lernen, Laut zu geben, heute darf ich piano üben. Und, ja, ich bin wohl jetzt ein Sopran. Als mir die Erkenntnis bei einem glockenhellen hohen Ton kam, den ich sonst immer gerissen habe, musste ich gleich erst mal ein bisschen heulen.
Das andere Repertoire muss erst wieder hochgeholt werden. Shirley Bassey hat so einen souveränen Stimmumfang, da kneifen meine Stimmbänder reflexartig. Außerdem werden wir neues Programm üben. Schlager.

Veröffentlicht unter Leben

Epilog

als zufällig selbstbewusste Frau

ich möchte mich nicht wehren müssen

was soll ich denn machen?

victim blame

er wurde von mir zurechtgewiesen … ich weigere mich aber, das als normal zu betrachten … Kann ich jetzt stolz auf mich sein?

ich streite nicht gerne

erwachsene Männer möchte ich nicht erziehen (sinngem.)

die Verantwortung liegt doch wieder bei denen, die die Hand am Po wegschieben müssen

das Problem ist das gesellschaftliche Klima

Wehrhaftigkeit kann nicht Bedingung einer gleichberechtigten Gesellschaft sein

es ist Aufgabe der Angreifer aufzuhören

Wer, wenn nicht wir?
Das nimmt uns keiner ab.Ein Anfang ist gemacht. Ich hoffe, es versackt nicht im drüber reden. Handelt, um euch und eure Kolleginnen, Freundinnen, Töchter zu schützen. Und lasst euch nicht behandeln.

Aus dem Leben einer Dame

 


Ich hatte Maikes Beitrag bei Kleinerdrei noch garnicht gelesen, da platzte mir heute morgen mittag bei Twitter dezent die Schleife am Hut. Ergebnis sind die zwei obenstehenden Tweets. Ich versuche mal, im gleichen Stil darauf zu antworten und mache mich auf die Suche nach der Ursache, daß ich im Chor der belästigten Frauen nicht mitsingen kann.

Ich hasse öffentliche Verkehrsmittel. Weil Frauen und Männer damit fahren, zu viele Frauen und Männer, die in ihrer Mitbenutzerschaft öffentlicher Verkehrsmittel meine Distanzschwelle unterschreiten. Mir sind dabei um sich schlagende alte Damen und laut telefonierende Proll-Hühner genauso zuwider, wie Männer, die stinken oder deren Eier die Größe von Melonen zu haben scheinen, wenn es nach ihrer Breitbeinigkeit ginge. Ich kann mich an Belästigung dort nicht erinnern. Doch. Einmal. Ich war 22, hatte mir die in den 80ern modernen Bermuda-Shorts aus Anzugstoff genäht und trug sie zu Pumps, Ledermantel und hautfarbenen Nylons. Das gab lautes Gegröle in der Straßenbahn im Oderkaff, das war zu Avantgarde, ich hätte dort auch nackt einsteigen können.
Wenn mir nachts jemand folgt, laufe ich langsamer, lasse mich überholen und halte meine Handtasche fester. Komischerweise erst seit dem Burnout, ich bin vorsichtiger geworden und körperlich nicht mehr so fit.
Als vor 14 Jahren während der Berlinale ein albanischer Taschendieb nachts um zwei Uhr in der Fasanenstraße sexuelle Belästigung vortäuschte, indem er den anlehnungsbedürftigen Betrunkenen spielte, mich umarmte, mir gleichzeitig die Handtasche öffnete und mein Handy klaute, ärgerte ich mich, denn das Handy war neu und teuer. Ich buchte es als Erfahrung ab, jetzt zu wissen, wie Taschendiebe arbeiten.

Mir ist es öfter passiert, dass ich belästigt wurde, wenn ich in jüngeren Jahren mit einer Freundin unterwegs war. Sie schien das anzuziehen. Wir wurden von halbbetrunkenen Männern nachts beim Nachhausegehen begleitet und zugelabert. Bis ich irgendwann stehenblieb und wütend wurde. Wenn eine Frau sich aufbaut, die Hände in die Hüften stützt und laut schreit: „Paß mal auf Freundchen, du verpisst dich jetzt! Und zwar so-fort“ oder „Ich reiß dir gleich die Eier ab!“, sieht sie nicht mehr hübsch aus. Und nett ist sie dann auch nicht mehr. Die Herren machten dann meist einen Spruch in Richtung „Ey, is ja gut!“, setzten noch irgendwas von „Blöde Lesben!“ nach, um nicht ganz das Gesicht zu verlieren und trotteten fix davon.
Was war anders zwischen uns? Hübsch waren wir beide. Ich wirkte vielleicht nicht so mädchenhaft niedlich. Und ich hatte keine Hemmungen, böse zu werden.
Das ging so weit, dass sie in der Straßenbahn neben mir saß und von einem Mann geschlagen wurde, der Wut auf Frauen hatte und sie nichts tat, sondern sogar noch zu mir sagte, das wäre ganz richtig so, dann würde sie sich mal wieder spüren. Wtf? (Das war aber schon die Zeit, in der ich mir abgewöhnt hatte, für Leute zu fighten, die das gar nicht wollen, aber das ist eine andere, sehr lange und bittere Geschichte.)

Ich bin oft allein getrampt und dabei achtzehnjährig im Hippiekleidchen mit langer blonder Mähne auf LKWs, neudeutsch Trucks, mitgefahren. Einmal fragte mich einer am Ende der Tour, als er mir die Kraxe runterreichte, ob ich denn nicht wolle. Ich erst mal: „Hä???“ und als ich kapierte, „Ach nee, lass mal, weder mein Freund, noch deine Frau würden das mögen.“ Brenzliger wurde es, als ein Fahrer auf einen Auto- und menschenleeren Waldparkplatz einbog, anhielt und meinte: „Na, wie isset?“. Ich hatte meine Menthol-Mundspray-Flasche (Pfefferspray gabs ja im Osten nicht) verdeckt griffbereit, überlegte, daß es mir nichts nutzen würde, hier aus dem Auto zu springen und sagte ihm dann ganz ruhig: „Sie fahren  jetzt wieder raus auf die Straße!“ Was er machte.
Ich bin auch in den folgenden Jahren allein in Urlaub gefahren, mir ist nie etwas passiert. Klar hat mich mal jemand angebaggert. Aber da reichte ein freundliches „Kein Interesse“, egal in welcher Sprache.

Was mir im Nachhinein fast komisch erscheint, dass ich in diesen Situationen nie Angst hatte. Ich war entweder sehr ruhig oder wütend. Hilfe von Anderen habe ich gar nicht erwartet. (In der Fasanenstraße stand 50 m von uns ein Polizist vor der Synagoge Wache.)
Die täglichen Balzfiguren von Männern nehme ich mal amüsiert-geschmeichelt zur Kenntnis, mal blende ich sie aus. Mit 48 findet Frau hinterherpfeifende Bauarbeiter witzig. Das kommt nämlich nicht mehr so oft vor. Wie überhaupt der Antrieb der Männer, sich blödsinnig und risikovoll zu benehmen, mit den Jahren nachlässt. Die Stellschraube sind Reife, Testosteronspiegel und Sozialisation. Alkohol, Herdenverhalten und Jugendlichkeit des Objekts der Begierde/Statusgefälle neutralisieren diese Faktoren wiederum.

Natürlich gab es auch blöde Erlebnisse. Das ist ja hier keine Ansammlung von Superwoman-Geschichten.
Ein nichteinvernehmlicher Geschlechtsverkehr mit 20. (Ein Kollege, der Vater eines heute als Frauenschwarm bekannten jungen Schauspielers.) Daran habe ich lange geknabbert und mich schließlich einer Freundin anvertraut. Die meinte nur: „Macht gar keinen Sinn, mit jemandem nach Hause zu gehen und zu sagen, da läuft nichts. Vor allem, wenn er völlig breit ist. Lern was draus.“ Habe ich auch. Es ist: Das tust du nie wieder! Eine ähnliche Lektion, wie sie ein Mann lernt, wenn er als Zugereister beim Tanz die Dorfschönheit anbaggert. Die Fäuste im Gesicht sind unangemessen, aber erwartbar.
Eine pubertäre Zettelgeschichte „Wer mal anfassen dürf“ Ich war erschüttert, empört, gedemütigt. So hatte ich mir den Kontakt mit dem anderen Geschlecht (das noch drei Jahre zuvor mit mir Cowboy und Indianer spielte) nicht vorgestellt. Mir schwebte etwas wesentlich romantischeres vor, ein weißes Pferd spielte die Hauptrolle. Es traf mich um so mehr, als ich mich zu dieser Zeit ohnehin ungeliebt, unsicher, nicht geachtet und furchtbar einsam fühlte.
In den Hypezeiten des neuen Marktes tanzte ich auf einer Festival-Party eine Nacht wie damals üblich mit mir allein. Heftig und exzessiv, denn ich war traurig, unglücklich verliebt, hatte einen Eisprung und sah zu dieser Zeit wahnsinnig scharf aus. Irgendjemand hatte das gerochen und meinte (wahrscheinlich mit dem geblähten Ego des weißen Stärkungspulvers): „Du steigst jetzt zu mir ins Taxi!“ Ich explodierte sofort, was der Kerl sich denn einbilde. Er versuchte, mich ins Auto zu zerren und ich hab ihm eine geballert. Mir wäre das nicht so im Gedächtnis geblieben, wenn ich an diesem Tag nicht so verletzbar und bedürftig gewesen wäre – und wenn die Szene nicht vor dem versammelten Publikums des Clubs stattgefunden hätte, das auf Taxis wartete und mich sicher den ganzen Abend beobachtet hatte. Die Szene, die ich aufführte, war mir peinlich und ich fühlte mich gedemütigt.

Ich kann keine Opfer-Geschichten erzählen, denn ich will kein Opfer sein. Vielleicht ist das extrem, mag sein.Ich bin schon als ich Mitte 20 war, für kühl und unnahbar gehalten worden. Die Leute waren distanziert und respektvoll zu mir. Für mich war das nicht immer angenehm. Nahbarkeit hat Vorteile bei der Kommunikation. Relativ dominant und initiativ zu sein, bringt einem nicht gerade Bonuspunkte in der Männerwelt. Die Herren fühlen sich schnell kastriert.

Doch zurück zur Diskussion. Zu den sabbernden Brüderles, die junge Schwesterles belästigen. Jede Frau sollte lernen, dass sie sich entweder Respekt verschafft oder geht. Keine Frau muss sich schlecht behandeln lassen. Und wenn sie sich dieser Situation entzieht und damit den Männern, die bleiben können, unterlegen ist, so hat sie andere Situationen, wo das Dasein als junge Frau von Vorteil ist. Frau kann man sein, man muss sich nur zu helfen wissen.
Ich habe in solchen Situationen meine Vorbilder. Meine Großmutter KKM, Marion Gräfin Dönhoff und das alte Fräulein K., eine Nachbarin, um  die ich mich vor 20 Jahren kümmerte, als sie erkrankt war. Die haben ganz andere Zeiten durchgemacht und haben keine Opfergeschichten erzählt.

Wir leben in Europa, nicht in Afrika, Rußland oder Indien, in einer zivilisierten Zeit, in der wir Frauen so viel Macht und Gestaltungsmöglichkeiten haben, wie nie zuvor. Die mächtigste Frau der Welt, die Kanzlerin, ist eine Deutsche. (Was Feministinnen immer gern ignorieren.) Es wäre reizend und hilfreich, wenn wir mit unserer Macht umgehen lernen würden. Natürlich ist es nicht leicht.
Haben es Männer leichter? Sie sind ohnehin völlig verunsichert, was sie tun sollen/können/dürfen. Wie sie es machen, machen sie es falsch. Wenn sie nun noch freiwillig ihre Erbhöfe aufgeben würden, hätten wir Frauen wahrscheinlich den letzten Respekt vor ihnen verloren.
Sie sollen lieben, was auch und immer noch in der Erwartung vieler Frauen heißt: bebalzen, hofieren, einladen, beschenken und im Fall einer Familiengründung maßgeblich versorgen. Madame hat irgendeinen brotlosen Job studiert und lehnt sich zurück, denn sie hat ja The Rules gelesen und ist eine Prinzessin.

Auf die Dauer geht das so nicht. Wenn wir mehr Freiheit haben als vor 60 Jahren, dann müssen wir für unsere mentale und körperliche Unversehrtheit sorgen können. Verantwortung können nur angstfreie Menschen tragen. Diese Verantwortung für uns selbst, die können wir nicht den Männern zuschieben. (Das wäre ja wieder patriarchal.) Die Männer ändern sich erst, wenn solche Worte und Taten entweder nicht mehr oder ganz schlecht ankommen. Dann ist Belästigung nämlich nicht mehr normal.