Die Packstation-Verschwörung II

Eigentlich sollte hier jetzt ein Artikel stehen, dass wir der guten Frau drei Tage Zeit gegeben haben und nun versuchen müssen, das Paket wieder loszuwerden, natürlich unter Beachtung alle Horrorszenarien in des Grafen Kopf (das schönste: Paket wird beim diskreten Ablegeversuch im Postamt für eine Bombe gehalten, gesprengt und hinterher verklagt die Besitzerin der Schuhe Frau Novemberregen, den Grafen und mich auf Schadensersatz).
Aber siehe da, vor einer Stunde kam eine Mail. Die Empfängerin ist in Westafrika unterwegs und freut sich, daß die lange erwarteten Schuhe aufgetaucht sind und will sie nach ihrer Rückkehr Ende Januar abholen.

Die Packstation-Verschwörung

Frei nach Lems „Waschmaschinen-Verschwörung“, in denen diese Dinger die Weltherrschaft übernehmen…BTW. das hier ist she said, beim Grafen bekommen Sie he said in Form einer Text- & Fotostory.

Ich stöberte nichtsahnend letzte Woche durchs Netz und las bei Frau Novemberregen, dass sie schon wieder eine Mail einer Berliner Packstation erhalte hatte, die besagt, dass ein Paket auf sie warte. Sie überlegte öffentlich auf Twitter, dass sie der Sache auf den Grund gehen wolle, indem jemand dieses Päckchen abholt und nachschaut, was das ist und da war ich natürlich sofort dabei. Frau Novemberregen tütete ihre Karte ein und bevollmächtigte mich und als ich das dem Grafen erzählte, meinte er, da käme er dann lieber mit.
Sie müssen wissen, ich bin von der Sorte „Oh toll! – Egal! – Was ist das denn? – Peng! Krach! Aua! – Mamaaaa!“ und der Graf ist eher von der Sorte, die alle Eventualitäten einplant. Ich sah mich einen Goldschatz auspacken, der Graf sah eine riesige Packstations-Tür zuschlagen und Miz Kitty mit nach drinnen kicken.

So machten wir uns gestern, am Samstag auf den Weg ins tiefe Neukölln. Ausgerüstet mit mannigfachen Mobilgeräten und der Graf mit der großen Kamera.
Wir liefen von der U-Bahn die Erkstraße lang, das ist schon ziemliches Paralleluniversum. Bäckereien, in denen leckerstes Baklava lag, Dönerrestaurants, Mobilfunkshops, gleich zwei türkische Hochzeitsausstatter (*hach*) und ein moslemisches Begräbnisinstitut.
Die Packstation lag hinter einer Tankstelle. Der große Moment kam, Karte einführen, Nummer eingeben, Klack! Zur großen Erleichterung des Grafen sprang nur ein kleines Fach auf, keines das mich gern gefressen hätte. Und das Päckchen war definitv nicht für die Frau Novemberregen. Fieserweise mischte sich die Packstation sofort per Display ein und meinte: „Annahme verweigern is nich!“
Die Frau hatte ja schon mal getestet, wie es ist, eine solche Postsendung wieder loszuwerden. Man kann es da und hier lesen. (Das Ansinnen, man solle dem Befüller der Packstation auflauern, ist nachgerade absurd. Man bucht dieses Tool doch, gerade weil man nicht den ganzen Tag Zeit hat.)
Mit dem Päckchen unter dem Arm gingen wir wieder in Richtung U-Bahn, nicht ohne kurzen Touchdown in einem der Brautläden. Ich suche immer noch so was wie diese hübschen Teile für ein *hust* Elfenkostümspiel, sie wissen ja, ich bin eine Klopselfe. (BTW, die Dawanda-Elfenblütendame hat mir seit 10 Tagen nicht auf eine Mail geantwortet, in dem ich meinen Wunsch beschreibe, nicht mal „ham wa nich“…)
Also zurück zur Erkstraße. Der Graf hatte noch nicht gefrühstückt und so gelang es mir, ihn in einen der Bavlava-Läden zu lotsen, damit ich mir dort einen Zuckerschock verpassen konnte.
Ich tat im Café, in dem im Hinterzimmer türkische Comedy lief, das, was wir im Szenario abgesprochen hatten, ich öffnete das Päckchen*. Kein Goldschatz, auch nicht das Bernsteinzimmer, sondern ein Paar sehr hübscher Damenschuhe kam zum Vorschein.
Der Graf hatte beim Kaffee dann auch schnell herausgefunden, wer vermutlich die Empfängerin dieses Päckchens ist (Irrtümer sind immer möglich, aber der Name ich nicht soo häufig): eine Fotografin und Dokumentarfilmern. Leider hatte sie keine Adresse auf ihrer Homepage, dann hätten wir Paketbote gespielt und so rief er sie kurz an und sprach ihr auf die Mailbox. Wir knusperten unseren Kuchen und warteten, daß sich die Schuhempfängerin vielleicht kurzfristig meldet, aber das tat sie nicht.
So reisten wir zurück auf die Barnimkante, twitterten in die Runde, daß wir noch leben und harrten des Anrufes. Am späten Nachmittag schickte ich noch eine Mail hinterher und erklärte die Sache kurz. Bis jetzt Schweigen.

Es ist also weiterhin spannend. Fühlt sich die Frau veralbert und ist not amused? Ist DHL vielleicht mal daran interessiert, Menschen, die so einen Irrläufer in der Hand haben, richtig zu sagen, was sie damit machen sollen? Sollten wir jetzt auch die Absenderin kontaktieren?

*Ja, ich weiß! Das ist illegal!

Empfindlich uff die Wörter

Das ist wahrscheinlich der letzte und drölfzigtausendste Artikel zum Thema politisch korrekte Sprachbereinigung in Kinderbüchern, aber ich brauchte erst einmal ein paar Tage, um die Sache im Kopf zu bewegen und rauszubekommen, was mich an dieser Aktion so stört.

Als Kind habe ich alle Bücher von Jules Verne verschlungen, die ich kriegen konnte. Die Ausgaben waren meist bist zur Unkenntlichkeit „für die Jugend bearbeitet“. Als mir einmal ein Buch aus älteren Zeiten in die Hände fiel, waren dort unangenehme Szenen drin, in denen es um einen häßlichen, krummen, geldgierigen Juden ging. Das stieß mich ab. Die Figuren bei Verne waren doch ansonsten taffe Helden oder ebenbürtige Feinde.
Bei Jules Verne und Dumas kann ich die allfälligen Änderungen verstehen, schließlich handelte es sich um publikumsgefällige Nutzliteratur.
Nun habe ich weder Lindgren noch Preußler gelesen. Für mich wird keine Kindheitserinnerung planiert, wenn aus dem Neger ein Südseekönig wird.
Aber.

In dem Land, in dem ich aufwuchs, war es üblich, Sprachregelungen zu treffen, um gewisse kulturelle oder politische Reibungsflächen zu verbergen.
Es hieß nicht mehr „die Russen“, durfte es nicht heißen. Es hieß „Sowjetmenschen“ oder – noch euphemistischer – „die Freunde“.
Es hieß nicht „Heimat-Vertriebene“, nicht „Flüchtlinge“, sondern „Umsiedler“ (die sind halt in einer ordentlichen, friedlichen Aktion umgezogen).
Dies betraf den offiziellen Sprachgebrauch und auf dessen Einhaltung wurde peinlichst geachtet. Wem das falsche Wort entschlüpfte, galt als Ewiggestriger und war nicht für den Frieden.
Nicht nur das. In populären Weihnachtsliedern wurden die Worte „Christkind“ und „Heilige Nacht“ ersetzt, ganze Strophen wurden gestrichen.
Eine urbane Legende machte aus dem Weihnachtsengel die heute belachte „Jahresendfigur“.  Schließlich waren Christen die komischen Typen, die es immer noch nicht geschnallt hatten, wie die Welt besser wird.

Das ist der Grund, warum ich Sprachpolizei-Aktionen skeptisch betrachte.
Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, daß wir uns vor allem mit den Problemen anderer Leute beschäftigen. Indianer, Aborigines und Eskimos werden hier selten gesichtet. Wieviel Prozent der Bevölkerung sind von so dunkler Haut, daß man sie mit dem N…-Wort benennen könnte? Maßgebliche Sklaverei gab es auch nicht in Deutschland.
Von Rechts wegen sollten wir uns dann auch Spracheuphemismen für unsere nächstliegende politische und kulturelle Reibungsfläche einfallen lassen.
Sind wir Ossis, Ostler? Brüder und Schwestern? Menschen mit friedlichem Revolutionshintergrund? Ostigene Bevölkerung, aus dem Prenzlauer Berg für eine Handvoll Glasperlen vertrieben?
Im Fernsehen sollte niemand aus dem Westen mit Schnauzbart und Bierbauch mehr einen Sachsen spielen, der nicht wirklich sächsisch redet, denn das ist wie dieser Opernskandal, in dem Othello ein schwarz gemaltes Gesicht hat.
Das Zonengabi-Bild müßte auf den Index kommen, denn hier wird sich schließlich über die Dummheit und Zurückgebliebenheit von Ureinwohnern lustig gemacht.
Klingelts?
Fasst euch mal an die eigene Nase!

Veröffentlicht unter Exkurs