Immer wieder

kommt das Frühjahr mit einem Knall. Gleißend hell und gänzlich ungefiltert, weil ohne Baumdächer, bricht plötzlich die Sonne über die Stadt hinein. Uff.
Alles ist noch etwas grau und schuppig. Die Menschen, die Gehsteige, der Rasen. Aber gestern wurde  tatsächlich schon eine Schwalbe über Kreuzberg gesichtet und ein – wie könnte es auch anders sein, auf dem Glämmerdickschen Balkon – Marylinenkäfer. Der Roséwein, den wir tranken, hatte den netten Namen La Pomponette.
Am Samstag abend verließen wir übrigens die Stadt in Richtung jwd (für die Nicht-Berliner: janz weit draußen). In Stahnsdorf wurde ein Geburtstag gefeiert und wegen des besseren Unterhaltungswertes unter dem Motto „Karibik“. Dit war schon sehr schön, It-Nerds, Lehrerinnen und Patentanwälte mit Blumen im Haar und Seeräuberpistolen zu sehen. Im übrigen hatte der, der ansonsten der Steifste in der Runde ist, das coolste Outfit an: Leggings in Hawaiifarbtönen, Badelatschen und ein weites Hemd. Irgendwie fehlten die Neoprenanzüge und die Surfboards, aber das hätte in dem kleinen Wohnzimmer nur zu Kollisionen geführt. Das Essen hatte großen Zuspruch. Pizza Hawaii (suchterregend gut), Toast Hawaii, Kartoffelsalat mit Erbschen und  Möhrchen fein etwas aufgepeppt mit Mandarinen, exotisch gewürzter Kaßlerbraten und Kittys Curry-Reissalat mit Kokosdressing, marinierter Hähnchenbrust, Gemüse und Exotic-Fruchtcocktail. (BTW, wer einmal Curry selbst macht, nimmt nie wieder das nach Maggi schmeckende gelbe Pulver.)
Die Freunde haben aus praktischen Gründen Stahnsdorf gewählt, arbeitet er doch noch weiter draußen im Brandenburgischen und sie in Wannseenähe. Aber so richtig kann ich es nicht verstehen, warum man sich ohne Kinder in ein Doppelhaus mit handtuchgroßem Rasen zwängt, links und rechts belagert von den Spielanlagen der Nachbarskinder. Aber andere wiederum verstehen nicht, warum man in einer 35 qm-Aufbauprogrammwohnung eine Stuckwand macht (icke) oder eine Wohnung bevorzugt, bei der der Zigarettenrauch der Nachbarn durch die Dielen dringt (der Graf).

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Ashby House

Nein, ich habe nicht vergessen, daß ich die Entdeckerin und vormalig betreuende Agentin des Autors V. K. Ludewig mal mokant und despektierlich in der Art böser alter Frauen unter „Literaturmädchen“ einsortierte. Ich nehme das hiermit zurück und bitte um Vergebung!
Also nun „Ashby House“ . Ein Debüt, das keines ist, hat der Autor doch schon mehrere von ihm geschriebene Bücher gedruckt in den Händen gehabt, auch wenn nicht immer sein Name auf dem Titelblatt stand. Ein Buch, das ich unbedingt und dringend lesen mußte, hat es doch der scharfzüngige und warmherzige Freund geschrieben.
Schauerliteratur las ich ungefähr von von zehn bis dreizehn, als ich mich schuleschwänzend am Bücherschrank meiner Eltern vergriff. Edgar Allan Poe, Mary Shelley, Ambrose Bierce, E.T.A. Hoffmann. Als mentaler Gegentwurf zum wissenschaftlichen Materialismus, der Landesreligion in der größten DDR der Welt und den naturwissenschaftlichen Dogmen meines Vaters, der alles andere als Spinnerei abtat und nur manchmal zugab, daß Heisenberg … naja …  aber das ist eine andere Geschichte.

Also Ashby House. Der Waschzettel sagt es: zwei amerikanische Schwestern, eine davon sehr prominent, ziehen sich, von Hollywood kommend, auf ein Anwesen in Cornwall zurück. Das Haus ist verwünscht und beginnt, kaum bewohnt, sein Eigenleben. Ja, nee, ist klar. Das ist dann so eine Geschichte, wo Leute zu Mitternacht mit einer Kerze in der Hand allein auf den Boden oder in den Keller gehen, weil sie dort sonderbare Geräusche gehört haben. Dieses Klischee unterläuft der Autor sofort, indem er sich schon auf den ersten Seiten darüber lustig macht.
Das Setting ist das Übliche: Ein altes Haus, verstaubt, jahrelang nicht bewohnt und wunderbar vintage in der Ausstattung. Die Landschaft ist breathtaking english und das Ambiente erwählt und einsam. Die Protagonisten sind schön und es wäre nicht Glämmy, der das Buch geschrieben hat, wenn die Männer nicht hothothot wären.
Ich war sehr schnell drin in der Geschichte und wollte nicht wieder raus. Die Sprache hat es mir angetan. Brilliant. Wenige Worte und jedes sitzt, sofort habe ich ein Bild im Kopf. Nur ein paar Sätze, um eine Figur zu beschreiben, ein paar weitere, um eine Figurenverhältnis klarzumachen, jedes Wort sprüht Funken. Ich bin entzückt!
Die Handlung eskaliert vorbildlich, unter Einsatz von homosexuellem Anals*x, Dolmen und Hubschraubern. Überhaupt, das ist es, was ich mag. Stringenz. Kein waschlappiges Abbiegen, weil man sich zu weit in den hyperprägnanten Stil oder ins Genre hinausgewagt hat, Weiterentwicklung mit Tempo und Rhytmus. Und selbst der Umstand, den ich wiederholt als dramaturgische Schwäche notierte (Warum vergißt der denn grade ne Figur? Wo ist die denn hin?), hatte einen Grund.
Diese Art von Schreibe ist nicht deutsch, der einzige Deutsche, der das vorher konnte, war vielleicht E.T.A. Hoffmann, der zwergenhafte, häßliche Trinker. Sie ist global, weil medial, die Hollywoodzitate unterhalten ungemein. Keine bräsigen Frauenbefindlichkeiten, garniert mit Esoquatsch, ausgewalzt auf 500 Seiten, sondern Witz, Schärfe, Ironie und rasende Handung bis zum Finale und hinein in den hintergründigen Epilog, verbunden mit Treue zum Genre.
Hach! Ich muß mich erstmal verpusten…
Herrschaften, lesen Sie dieses Buch.
Es ist zu vernehmen, daß die Fortsetzung in Arbeit ist. Ich freue mich drauf!

Und: Warten Sie mal drauf, wenn der Ludewig aus dem Genre rausgeht. Paul Auster ist nämlich leider völlig humorlos.

Kitty ist genervt

über die zunehmende SEO-Vermüllung von G**gle.
Als alte Zipperlein-Sucherin schätze ich die Hypochonder-Foren, doch die sind irgendwo ganz hinten auf Seite 3 oder 4 verschwunden. Die obere Range der Suchergebnisse sind Seiten, die aufeinander verweisen, oft noch mit gleichen Texten zum Suchwort, versehen mit Links zu rezeptfreien Medikamenten und Naturheilmitteln.
Bei der Suche nach einem Girokonto mit bestimmten Konditionen passiert das gleiche: Seiten, die redaktionell wirken wollen und mit geringfügig anderen Texten ständig die gleichen drei Banken anpreisen. Wird die Suche modifiziert mit dem Stichwort „Test“ tauchen die gleichen Seiten, mit ahnlichem Layout und ähnlichen Formuierungen auf und suggerieren, sie demonstrieren Ergebnisse eines Tests.
We ist denn bitte so blöd, auf so etwas reinzufallen?

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Romantik satt

Am Anfang war da eher ein flotter Spruch. Der Graf und ich wollten zum Kaisers am Kotti fahren, genau ein Jahr, nachdem wir uns dort kennengelernt hatten.
„Mach doch eine Einladung zu einem Flashmob“, meinte er und entschwand zu seinem Technikerseminar. „Hm“, dachte ich mir. Vor meinem Auge entstand das Bild eines Liebes-Happenings. Menschen mit bunten Luftballons und Bumen und wer Single ist, hat die Gelegenheit, sich kennenzulernen (also gegenseitig). – Zwischen Schokolade und Tiefkühlpizza fallen sich Menschen in die Arme oder lächeln sich wenigstens schüchtern an.
Die Einladungsfrist war dann doch ein bißchen knapp für den großen Menschenauflauf, aber der Kuß vorm Schokiregal war *schniefhach* und ich bin ganz entsetzt, weil ich lonesome Cowgirl allmählich zur Romantikerin mutiere. Die Frau Antischokke ging mit uns anschließend noch ein Weinchen trinken und der Fotograf des Unsichtbaren kam leider zu spät.
Und um keinen Zuckerschock zu bekommen, haben wir uns zwei Stunden später gestritten wie ein sizillianisches Ehepaar.
So musset sein, sonst merkt man ja keinen Unterschied.

Veröffentlicht unter Leben