Vertigo oder Neues aus Hypochondrien

Das hat in irgendeiner Art und Weise mit Hitchcock zu tun. Zumindest vom Effekt her.
Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf, drehen den Kopf in Richtung Wecker und plötzlich sitzen Sie in einem Düsenjet, der antriebslos herumtrudelt.
Oben, unten, vorne, hinten, links, rechts gibts nicht mehr. Sehen geht auch nicht mehr. Entweder das Bild dreht sich oder wabert im rasenden Herzschlagtempo. Hören geht auch nicht mehr, in den Ohren ist nur noch Pfeifen, Knattern und Brausen. Übelkeit gibt es gratis.
Nach 20 Sekunden, die sich nach 2 Studen anfühlen, ist der Spuk vorbei. Bis zur nächsten Kopfbewegung.

Nicht schön, aber läßt nach drei Tagen und beharrlichen, von Kotzanfällen begleiteten Kopfdrehübungen wieder nach.

Gnaaa!

Veröffentlicht unter Leben

Blasentee oder Nagelstudio 2.0

Im letzten Sommer wurde Berlin Mitte von Franchisekonzept-Drückern überfallen, die unterbeschäftigten Hipstern, die noch ein westdeutsches Erbe zu vertun hatten, anboten, entweder ein Geschäft für  Bubble Tea oder für Frozen Joghurt zu eröffnen.
Schöne Idee, vor allem, wenn es bunt und eigentlich für Kinder gedacht ist. Der gemeine Hipster, mit Ed v. Schleck sozialisiert, mag alles, was ihn nicht erwachsen werden läßt.
Bubble Tea, ein Mixgetränk, das in Hongkong und China für Schulkinder interessant war, wird nun via Aufwertungskette zum „Kultgetränk aus Kalifornien“.
Frozen Joghurt habe ich schon vor 20 Jahren in Florida gesehen. Die dicken Kinder von Fort Lauderdale und ihre fetten Mütter standen danach Schlange, auf das ach so fettarme Eis kam ein knietschbuntes, süßes Topping, fertig war das Nahrungsmittel.
Mit billigsten Rohstoffen, ein bißchen Wasser, Stärke, Joghurt, Marshmallows und Kekskrümeln läßt sich richtig viel Kohle verdienen, vor allem wenn man als Franchisegeber die Maschinen und Rohstoffe vertreibt.
Eine kleine Portion Frozen Joghurt (die erstmal nach nichts schmeckt) kostet 2,30 €, die Toppings jeweils 0,30 € (Zum Vergleich: ein Kugel Häägen Dasz 2,50 €, eine Kugel Bandy Brooks 1,80 €, über den Qualitäts- und Geschmacksunterschied wollen wir mal garnicht reden).
Zum Geschmack von Bubble Tea kann ich nichts sagen, scheinbar bringt das Zeug einen zum Spucken. (Fotografiert am Henriette-Herz-Platz am S-Bahnhof Hackescher Markt)

Damit es nicht so auffällt, wie billig die Rohstoffe für die Kultnahrung sind, wird ordentlich in den stylishen Laden und anderes Design investiert. Bunt muß es sein:
Hier, hier und hier.

Und? In Berlin Mitte scheint der Hype durch zu sein. Die Karawane zieht weiter nach Köpenick, Spandau, Frankfurt(Oder) und Stralsund. Dort, wo sie hingehört, in die Unterschicht-Shopping-Malls, neben Mandy’s Nagelstudio, damit Cindy’s dickes Kind etwas Unterhaltung hat, wenn  sie sich neue Glitzersteinchen auf die bunten Pornospaten kleben läßt.
Auf die Hand in der Veteranenstraße rührt sich nicht mehr. Seit der Zettel mit der Ankündigung, man sei am 12. Januar (oder war es Februar?) wieder für die Kundschaft da, aus dem Fenster verschwunden ist, ward niemand mehr im Laden gesehen. Scheinbar reichte es nicht einmal mehr für das völlig überforderte Schüler-Aushilfen-Personal, das ich bei meinen 2 oder 3 Versuchen dort antraf. Be Bubble am Weinbergsweg hat schon im Dezember die stylishen Möbel zu Geld gemacht, unter anderem stand ein Murano-Leuchter für 980 € zum Verkauf.
Joli Frozen Joghurt am Weinbergsweg macht noch Pause, am 6. März geht es wieder los. Und wenn Süße Sünde drei Läden weiter ein paar Tage später wieder mit richtigem Eis aufmacht, steht hier eine Schlange und dort gähnt leer ein stylischer Laden. Wobei leere hohe Räume einfach besser aussehen.

Veröffentlicht unter Exkurs