Vigil 87

Lieber Tagesspiegel, lange habe ich deine Online-Ausgabe ohne Adblocker besucht. Ich dachte mir, irgendwie muss das Geld für die Zeitung ja reinkommen. Mein Papier-Abo, das ich ewig hatte, habe ich vor mittlerweile auch schon wieder 8 Jahren gekündigt.
Seit ich nun deine Website kaum noch aufrufen konnte – Ladezeiten von zwei bis drei Minuten waren keine Seltenheit – wobei der Lüfter hochdrehte und der Rechner trotzdem sehr heiß wurde (das Flash-Plugin crashte auch immer mal, wie man mich informierte), habe ich überlegt, ob ich es wohl ganz lasse. Denn auf dem alten iPad geht es auch nicht mehr, da stürzt deine Website schon beim Laden ab. Eine Chance wollte ich dir noch geben.
Jetzt also mit Adblocker. Und es funktioniert wieder.

Was für eine dusslige Idee, eine Seite so mit Code-Scheiß vollzupacken, dass sie nicht mehr benutzbar ist.

Vigil 86

Heute schlug ich über Dietrich Mühlberg nach, meinen Kulturwissenschafts-Prof, bei dem ich die interessantesten Vorlesungen über Alltagskultur hörte. Natürlich haben sie ihn in den frühen 90ern abserviert. Es geierten genug andere Leute nach den Professuren, die, die im Westen zu kurz gekommen waren. Die Assistentin, bei der ich Seminare in Kultur der Arbeiterklasse hatte und die die seine langjährige Co-Autorin war, traf ich in der Bibliothek der Theaterwissenschaft als Bibliothekarin wieder.
(Und: Nein, die Lehrveranstaltungen waren keine Rotlichtbestrahlung. Sie waren für die Leute aus dem Westen nur einfach nicht hip genug, da benutzt man grade andere akademische Buzzwords.)

Mit kam eine Erinnerung an das erste Seminar mit einem Dozenten aus dem Westen hoch. Keine Ahnung mehr, wie der Typ hieß. Er machte irgendwas zu Geschichte (Theorie?) der Wahrnehmung. Er war ein smarter blonder Surfertyp. Es gab keine Leselisten, es gab kopierte Buchauszüge und es gab kopierte Bilder. Alles musste illustriert werden. Ständig sprang er in den Themen hin und her. Es war alles recht flach, ein netter kleiner flacher Teich Wissen. Wir sahen ihn stumm an, beobachteten ihn wie eine Laborratte.
Irgendwann meinte er, wir müssten keine Angst haben, etwas zu sagen und wunderte sich, dass wir lachten. Es war einfach uninteressant und wir blieben nur aus Höflichkeit nicht weg. Wir waren nur 15 Leute. Das wäre einfach aufgefallen.

 

Vigil 84

Ich habe ja nun so etwas wie einen Tagesablauf. Ganz von alleine, ohne dass das irgendwelche Kunden, denen ich zur Verfügung stehen muss, erzwangen.
Da ich sehr viel schriftlich und mit Konzentration arbeite, lasse ich mich ungern stören. Dass ich nicht so wahnsinnig viel socializen mag, ist eh klar. Intro eben.
Aber nun telefoniere ich noch weniger gern als früher. Telefonieren ist für mich mit Job konotiert. Mit Terminabstimmungen und Deals und auch damit, dass ich mich komplett verstelle oder besser, meine Berufs-Persona nach vorn lasse.
Ich telefoniere eigentlich nur streßfrei und angenehm mit dem Kind (das machen wir aber nur, wenn iMessages zu anstrengend fürs Informationsvolumen werden), den Eltern (die fassen sich noch immer kurz, wie früher, als Ferngespräche teuer waren) und der ältesten Freundin (wir verständigen uns ganz schnell, obs gerade passt oder nicht und was die Themen und die Erwartungen an das Gespräch sind). Eine weitere Freundin ist dazu gekommen, mit der Brainstorming am Telefon hervorragend geht.
Ansonsten habe ich seit Jahre Freunde, mit denen ich mich schriftlich verständige oder die ich ab und zu treffe.
Auch mit dem Grafen telefoniere ich seltenst. In der Zeit, in der wir uns kennenlernten, wechselten wir Mails und SMS. Da wir beide unsere Handys immer auf leise gestellt haben, würden wir ohnehin nur die Mailbox volltexten und der Graf ist oft mit einem Device unterwegs, das gar nicht telefonieren kann.

Also ähm, ja. Das ist leider so.

Ach übrigens, es ist scheinbar gelungen, endlich diese hässlichen, kriechenden Saufoasen totzutreten, die einem beim Vorbeifahren immer Anblicke von Klempnerdekolletes der strampelnden Männer boten. Hoffentlich bleibt das jetzt so.

Vigil 82

Was für ein schöner Tag!
Wie verließen aus Gründen das Haus recht früh, stiegen in Wannsee in einen Dampfer und waren die nächsten dreieinhalb Stunden Richtung Potsdam unterwegs, um vom Wasser aus Schlösser anzusehen, die Könige namens Friedrich und/oder Wilhelm hatten bauen lassen.
Erst war es feucht, leicht trübe und noch kühl auf dem Wasser, das Schiff war fast leer und der See glatt. Später kam die Sonne und ich klappte den Regenschirm auf, um ihn zum Sonnenschirm zu machen. Trotzdem habe ich mächtig rote Schultern.
Der Graf klemmte das iPhone mit einem Gorillapod an die Reling und filmte die Fahrt, um den entspannten Tag zu archivieren.
Als wir wieder im Wannsee ankamen, kauften wir gerade angelieferte Werder-Erdbeeren und fuhren wir zum Seehasen unterm Löwen und aßen Fleisch und Salat (seit der deutsche Wirt in Pension ist und ein Türke übernommen hat, gibt es auch sehr leckere Köfte). Wir plauderten noch etwas mit einer Achtzigjährigen Dame, die die Orte ihrer Jugend wieder aufsucht und bis zu ihrer Hochzeit 1953 in Wannsee gelebt hatte.
13256722_1731431137145186_1655496983_n
Dann kam das lange erwartete Gewitter und wir waren einmal vom Sommerregen nass.
Der Stau auf dem Rückweg war nicht so lustig, aber es war die Zeit, wo alles dringend von A nach B musste.
Dann kam zu Hause das verschobene Dessert: Vanilleeis mit Erdbeeren. Und ein Glas Champagner dazu, weil es so gut passt.

So muss das, wenn Zwillinge Geburtstag haben.