Plagiator

Ich weiß, jetzt verdrehen alle die Augen, das Thema kann keiner mehr hören.
Zuerst habe ich gefeixt. Weil von Ghostwritern verfaßtes, im Ausland gekauftes oder in Dünnbrettbohrermanier zusammengemixtes bei Doktorarbeiten des Titels wegen übliche Praxis ist. Und weil diese Diss scheinbar von einem mies gelaunten Praktikanten oder tatsächlich vom vermeintlichen Verfasser selbst zusammenkopiert wurde – nach dem Motto: alle drängeln, das Ding ist quasi duchgewinkt, ich muß doch nur noch liefern.
Ich habe selbst jahrelang gesagt: Einen Doktor hätte ich schon gern, aber wenn, dann kaufe ich mir den Titel. So wichtig war es meinem Ego dann doch nicht.
Aber so langsam ärgert mich die Geschichte. Aus ganz wertkonservativen Gründen, aus Gründen der Moral. Da macht einer Ausflüchte wie ein beim Spicken ertappter Schüler und beißt dazu noch ein wenig um sich. Macht ein paar Zugeständnisse und dann soll gefälligst Ruhe sein.
Dieser Mann hat eine enorme Entscheidungsgewalt. Ich möchte den nicht in der Regierung haben, wenn er moralisch so angefault ist.
Andererseits. Kann man sagen, andere haben sich auf krummen Wegen die Taschen gefüllt. Geld hat der Mann genug, das hat er nicht nötig. Aber vielleicht ist das Umleiten von Geld zum eigenen Vorteil viel harmloser als Lüge und Betrug.
Und wenn das nächste „Upsi, das war eine Dummheit, ich gebs zurück!“ passiert?

PS. Daß wir es alle mit Fleiß und aufrichtiger Wahrheit nicht so genau nehmen und machthabende Menschen nicht idealisieren sollten, ist wohl wahr.
Der eigenlich Vorgang ist der Glanzverlust der Projektionsfläche. Der Mann ist vor zwei Jahren aus dem Nichts gekommen und hatte eine recht heißluftige Biografie und weder Reife noch hinreichende Politikerfahrung. Das mit der Dokorarbeit, die auch erst seit 3 Jahren auf dem Markt ist, ist mithin auch keine verzeihliche Jugendsünde, die durch spätere Entwicklung kompensiert wurde.

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Dampfpost oder Old School Banking

Der Vorgang ist eigentlich ganz simpel:
Da die Post meine fußläufig gelegene Filiale incl. Geldautomat geschlossen hat, hebe ich Bargeld von meinem Postbank-Girokonto nun 300 Meter weiter bei einer Filiale der Berliner Bank ab. Zur Cash Group gehörig, also für mich gebührenfrei.
Wenn dann ein paar Tage später eine Bagatellbuchung von Click & Buy kommt, geht diese zurück, mangels Deckung.
Sonderbar, denn mein Kontostand im Online-Banking sagt mir, daß noch genügend Deckung vorhanden ist.
Die Telefon-Hotline der Postbank wiederum weiß einen anderen Kontostand: Böse in den Miesen. Nämlich genau den doppelten Betrag, den ich in bar abgehoben hatte. Die Buchung wird zwar wertgestellt (also von meinem Guthaben abgezogen), aber aus den Vormerkungen für Buchungen nicht entfernt.
Die Erklärung? Die kam per Formbrief, nachdem ich mich beschwert hatte, denn Click & Buy berechnet für jede zurückgegangene Buchung 15 € Strafgebühr. – Man behalte sich bei Geldabhebungen im Ausland vor, den Betrag noch in den Vormerkungen zu behalten, für den Fall, daß noch Gebühren anfallen.
WTF? Ausland? Ich rief wiederum bei der Postbank an. Ja…., hieß es, da könne man nichts dafür. Da wären die anderen schuld, mit ihren Geldautomaten und Buchungssystemen. Das hätte es seit dem Jahreswechsel öfter gegeben, auch an Shell-Tankstellen. Man würde mittlerweile schon jeden Betreiber einzeln auf das Problem hinweisen, daß auf Grund einer Unstimmigkeit im Datenaustausch die Buchung nicht aus der Vormerkung entfernt werden könne. Ich könne aber anrufen, wenn mir das auffiele, die Mitarbeiter würden den Fehler dann manuell beheben.
Schön. Und was habe ich damit zu tun? Ich bin nur der Idiot, der Strafgebühr bei anderen Anbietern löhnt, wenn eine Lastschrift platzt. (Mal abesehen davon, daß ich das auch sehr peinlich finde.) Ich möchte nicht noch der Idiot sein, der die Postbank überwacht und darauf hinweist, daß sie ihrem Buchungssystem wieder einmal manuell auf die Sprünge helfen muß.
Nachdem mir das jetzt zum zweiten Mal passiert ist, wird es Zeit für einen sehr bösen Beschwerdebrief.

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Handarbeit

Es kann schon sein, daß ich vorwiegend zum Denken tendiere, trotzdem arbeite ich gern mit den Händen. Es ist eine gute Gelegenheit für Entspannung und Konzentration zugleich.
Matteo Tedesco hat mir in der letzten Woche demonstriert, daß es mit meinen holzhandwerklichen Fähigkeiten nicht weit her ist. Ich stand immer nur staunend daneben, wenn er Leisten und Platten vorwärts wie seitwärts mit der Wasserwaage ausrichtete (ich habs getestet, verschüttetes Wasser bleibt auf der Platte stehen und läuft nicht in irgendeine Ritze), mit Hilfslinien anzeicnete und virtuos die Stichsäge bediente.
Mein Ressort waren früher Nadelarbeiten. Schade, daß man heutzutage Socken eher wegwirft, als sie zu stopfen. Wenn kein Muß dahintersteht oder der Berg an Flicksachen nicht zu bewältigen scheint, ist dies eine gute Sonntagnachmittagbeschäftigung zu einer Tasse Tee.
Gestern habe ich als reine Konzentrationsübung einen alten, kaputten Zwirnknopf neu bespannt. Er sah zwar nicht ganz so schick aus, wie die Manufactum-Teile auf dem Foto, aber er funktioniert wieder.
Ja, und ich habe die neue Nähmaschine ausgepackt, zur Hälfte ein Geschenk vom Kind, die seit Jahren mit meiner von Mama abgestaubten Maschine arbeitet. Eine Low-Price-Singer, die ziemlich ok. und akkurat arbeitet.
Dese billigen Maschinen haben zwar alle nicht die Power meiner alten, barbarisch schweren Veritas, die ich vor zwei Jahren schweren Herzens entsorgte, weil der Motorkontakt zu schwelen begann, aber sie sind sehr gut bedienbar und wer will sich schon mit Highspeed ein Loch in den Daumen nähen?
Gestern abend habe ich alte Kissenbezüge von Omi für mein komisches Seitenschläferkissen passend gemacht. Auch so eine Sache. Dieser dichte, schwere Leinendamast von früher ist heute unbezahlbar. – Und wie viele alte Damen haben den noch von der Aussteuer unbenutzt im Schrank liegen… Aus den Resten wurden zwei Geschirrtücher zum Gläser polieren.
Fazit: Man kann meditieren, man kann aber auch mit Nadel und Faden arbeiten, kommt fast aufs gleiche raus, ist aber weniger ergebnisorientiert.

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Das wars mal wieder

Es erleichtert mich, daß ich nicht die einzige bin, die einen Jahresrückblick hinausschieben möchte.
Da ich es jetzt schon einige Jahre fleißig getan habe, nach dem Beispiel dieser wackeren Frau, muß ich jetzt wohl ran. Silvester naht mit Riesenschritten. Also.

Zugenommen oder abgenommen?
Das mit der Anschaffung weiterer Hosen konnte ich dieses Jahr zweimal nicht vermeiden. Zwei Konfektionsgrößen oder die Wahl zwischen Ersticken und Platzen.
Viel ist davon chemiebedingt. So richtig sehe ich das gerade nicht als meinen Körper an. Eher als Proviant für eine lange Reise. Und da wir in der Hinsicht alle archaisch programmiert sind, möchte auch mein tiefes Inneres lieber für harte Zeiten gewappnet sein.
Das wird sich auch wieder ändern und ich hoffe, nicht par force. 10 Kilo innerhalb eines Jahres wäre ok.
Haare länger oder kürzer?
Zu meiner großen Freude sehr viel länger. Frisur kann man das gerade nicht nennen, aber ich will erst wieder Mitte Januar zum Friseur gehen, dann habe ich die Haare ein Jahr wachsen lassen.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Ohne Lesebrille gehen nun auch Telefon und iPad nicht mehr. Es erschreckt mich immer wieder, wenn ich – die Brille auf die Nasenspitze geschoben, zwecks besserer Orientierung – an einem Spiegel vorbeikomme. Ich sehe aus wie meine Mutter in dem Alter.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Noch weniger als letztes Jahr, bis auf die Investitionen ins Nestchen.
Der hirnrissigste Plan?
Hm. Es gab einige Pläne, die ich schnell aufgegeben habe, weil ich dazu noch nicht in der Lage war. Aber hirnrissig waren die nicht.
Die gefährlichste Unternehmung?
Auch die gab es nicht. Ich bin im Frühjahr auf Sardinien am Meer durch die Felsen am Meer geklettert, um gegen meine Ängste anzugehen. Aber vor dem Fall wäre ich ins Wasser gesprungen.
Der beste Sex?
Nach wie vor: Die Kavalierin genießt und schweigt und derjenige, den es meint, weiß, wer gemeint ist.
Die teuerste Anschaffung?
Ein Ring. An neuen Lebensabschnitten beschenke ich mich selbst mit Ringen, das ist so, seit ich volljährig bin.
Dieser ist aus schwarz brüniertem Eisen, das mit einem Hammerschlag gesprengt wurde und in dessen Riß ein winzigster Diamantsplitter klemmt. Ein gutes Symbol, wie ich finde.
Das leckerste Essen?
Wieder auf Sardinien. Gekochter Meeraal in Tomatensoße und selbst gekochte Muscheln.
Das ist nicht zu trennen vom wunderbaren Anblick der Pflaumen, die ich dort aus Nachbars Garten holte, um Pflaumenmus zu kochen.
Das beeindruckenste Buch?
Ich habe so viel gelesen in diesem Jahr, keine Ahnung.
Der wichtigste Text in diesem Jahr ist wieder einmal Shakespeare, Prosperos Epilog aus „The Tempest“:
Now my charms are all o’erthrown,
And what strength I have’s mine own,
Which is most faint: now, ‚tis true,
I must be here confined by you,
Or sent to Naples. Let me not,
Since I have my dukedom got
And pardon’d the deceiver, dwell
In this bare island by your spell;
But release me from my bands
With the help of your good hands:
Gentle breath of yours my sails
Must fill, or else my project fails,
Which was to please. Now I want
Spirits to enforce, art to enchant,
And my ending is despair,
Unless I be relieved by prayer,
Which pierces so that it assaults
Mercy itself and frees all faults.
As you from crimes would pardon’d be,
Let your indulgence set me free.

(Quelle)
Der ergreifendste Film?
Keine Ahnung, ich vergesse derzeit zuviel und Filme ergreifen mich grade nicht.
A Single Man vielleicht. Er war sehr ästhetisch.
Meistens habe ich Filme im Kopf. Wenn ich sie dann wieder sehe, bin ich oft enttäuscht. Der directors cut von Blade Runner war so ein Erlebnis. Stalker auch. Überhaupt lese ich derzeit lieber. Ich mag es nicht, wenn sich ein Regisseur meiner Zeit bemächtigt. Denn lesen kann ich schnell oder langsam.
Die beste CD?
Ich habe viel elektronische Musik gehört.
Das schönste Konzert?
Da ich auf wenigen Konzerten war, erinnere ich mich am liebsten an die Ansprache von Mark Knopfler anläßlich seines Berlin-Konzerts. Er monologisierte lange, wie dankbar er für seinen Spezialstuhl sei, der es ihm ermöglichte, trotz Bandscheibenvorfall aufzutreten.
Die meiste Zeit verbracht mit…?
Kalkputz, venezianischer Kelle und japanischer Federstahlkelle, um den Innenverputz und den Stucco fürs Nestchen zu machen.
Die schönste Zeit verbracht mit…?
Die Abende mit meiner Tochter, als wir plaudernd in meiner Bettnische lagen, die ich essentiell und herzwärmend fand und Wärme im Herzen ist sehr, sehr wichtig.
Der dramatisch schönste Moment des Jahres war ein Nachmittag auf Sardinien im Frühjahr. Wir ankerten in einer wilden, wunderschönen Felsenbucht und ich konnte wieder angstfrei schwimmen. Insofern mit Felsen, Meer, Wind, Sonne, HeMan und Matteo Tedesco, der mich bei der Hand nahm und mit mir ins Wasser sprang.
Vorherrschendes Gefühl 2010?
Scheiße, ist das noch nicht vorbei?
2010 zum ersten Mal getan?
Auf eigenen Wunsch den Beruf aufgegeben.
2010 nach langer Zeit wieder getan?
Bis mittags geschlafen. Komisches Gefühl.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Auf den Breakdown in der Nacht der Wintersonnenwende. Wobei er – wie das mit solchen Tagen ist – eine Wende brachte.
Auf 8 Kilo Gewichtszunahme.
Alles andere habe ich mit dem All-Inclusive-Paket, das sich Leben nennt, erworben und habe mich nicht zu beschweren.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Ich wollte niemanden von etwas überzeugen.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ich weiß so etwas nie. Das ist meine zwischenmenschliche Blindheit.
Vielleicht habe ich es mir selbst gemacht, indem ich tiefe Veränderungen in meinem Leben zugelassen habe.
Ich habe nach fast 15 Jahren meine Firma geschlossen, bin nun nicht mehr Schauspielagentin, sondern Karriere- und Kommunikationsberaterin. Es läßt sich gut an und im Moment zögere ich sogar mit der flächendeckenden Akquise, weil ich noch nicht zu viel arbeiten möchte/kann als ich Aufträge habe.
Ich lebe wieder allein. Vielleicht ist dieses Geschenk auch Freiheit und Distanz. Für den Mann, der lieber in Gedanken mit anderen Menschen lebt als in der Realität.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Das waren so viele. Ein Frühlingsnachmittag auf dem Walter-Benjamin-Platz. Eine Schnorcheltour im Mittelmeer, nackt, allein und doch unter Schutz. Zwei Hände voll Meersalz. Ein Winternachmittag auf dem Sofa, im Hintergrund Teil 1 und 2 des Harry Potter-Films. Finanzielle Hilfe, ohne Wenn und Aber. Vertrauen in Form von Kooperationsangeboten und Aufträgen. Eine Fotosession. Ein Sofa und ein Sessel. Blumen, immer wieder Blumen.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Ich habe ihn in diesem Jahr öfter gehört, so und anders formuliert: Du weißt, ich bin für dich da.
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Keine Ahnung.
2010 war mit 1 Wort…?
Passage.

Meine kleine Lebensjolle wurde ziemlich von Wellen und Strömung durchgeschüttelt, nachdem ich sie wieder flott gemacht hatte.

Und das waren 2009 und 2008.

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