Plagiator

Ich weiß, jetzt verdrehen alle die Augen, das Thema kann keiner mehr hören.
Zuerst habe ich gefeixt. Weil von Ghostwritern verfaßtes, im Ausland gekauftes oder in Dünnbrettbohrermanier zusammengemixtes bei Doktorarbeiten des Titels wegen übliche Praxis ist. Und weil diese Diss scheinbar von einem mies gelaunten Praktikanten oder tatsächlich vom vermeintlichen Verfasser selbst zusammenkopiert wurde – nach dem Motto: alle drängeln, das Ding ist quasi duchgewinkt, ich muß doch nur noch liefern.
Ich habe selbst jahrelang gesagt: Einen Doktor hätte ich schon gern, aber wenn, dann kaufe ich mir den Titel. So wichtig war es meinem Ego dann doch nicht.
Aber so langsam ärgert mich die Geschichte. Aus ganz wertkonservativen Gründen, aus Gründen der Moral. Da macht einer Ausflüchte wie ein beim Spicken ertappter Schüler und beißt dazu noch ein wenig um sich. Macht ein paar Zugeständnisse und dann soll gefälligst Ruhe sein.
Dieser Mann hat eine enorme Entscheidungsgewalt. Ich möchte den nicht in der Regierung haben, wenn er moralisch so angefault ist.
Andererseits. Kann man sagen, andere haben sich auf krummen Wegen die Taschen gefüllt. Geld hat der Mann genug, das hat er nicht nötig. Aber vielleicht ist das Umleiten von Geld zum eigenen Vorteil viel harmloser als Lüge und Betrug.
Und wenn das nächste „Upsi, das war eine Dummheit, ich gebs zurück!“ passiert?

PS. Daß wir es alle mit Fleiß und aufrichtiger Wahrheit nicht so genau nehmen und machthabende Menschen nicht idealisieren sollten, ist wohl wahr.
Der eigenlich Vorgang ist der Glanzverlust der Projektionsfläche. Der Mann ist vor zwei Jahren aus dem Nichts gekommen und hatte eine recht heißluftige Biografie und weder Reife noch hinreichende Politikerfahrung. Das mit der Dokorarbeit, die auch erst seit 3 Jahren auf dem Markt ist, ist mithin auch keine verzeihliche Jugendsünde, die durch spätere Entwicklung kompensiert wurde.

17 Gedanken zu „Plagiator

  1. »Jedem passiert auch mal vielleicht ein Fehler.« kommentiert Herr Schäuble die Causa, und Frau Merkel hält den Mann weiterhin für einen »hervorragenden Verteidigungsminister«. – Einen Mann, dem man aufgrund seiner offenkundigen Nonchalance gegenüber Anständigkeit und Ehrlichkeit keinen Gebrauchtwagen abkaufen würde.
    Wann werden eigentlich Wichert und Schneiderhans rehabilitiert, bei deren Entlassung Untergebenenwort gegen Ministerwort stand? Sollte man denen jetzt nicht eher glauben, wer in ihrem Fall die Wahrheit gesagt hat und wer nicht? Immerhin wurden deren Karrieren durch einen Mann ruiniert, der mittlerweile sattsam bewiesen hat, wie ers mit der Wahrheit hält.

  2. Für mich hat das Ganze etwas mit Anständigkeit und Qualitätsbegriff zu tun.
    Warum sollte man eigentlich ein deutsches Produkt, z.B. ein Auto kaufen, wenn man davon ausgehen muss, dass die Personen, die es entworfen haben, vielleicht gar nicht die Fähigkeit dazu besitzen. Wie der Herr, so sein G’scherr.
    Vielleicht macht er auch einmal einen „Flüchtigkeitsfehler“ in seinem Berufsumfeld. Es wächst ihm etwas über den Kopf und ups werden ein paar Soldaten in den Tod geschickt. Er wollte, dass sie nach links gehen, aber er hat „rechts“ gesagt.
    War ja nur eine kleine Dummheit.
    Darauf kommt es doch nun wirklich nicht an.
    Und lieben tun ihn ja alle noch heiß.
    „Siehst Du, die G’scheiten sind doch nicht so g’scheit.“
    (Ironiemodus aus)

  3. und ich muss immer an vor einem jahr denken und wie das feuilleton sich die kröte hegemann schön geredet hat, trotz plagiat. irgendwie ist damals etwas aus den fugen geraten und die fugen fügen sich nicht mehr zusammen sonder klaffen breiter.

  4. REPLY:
    ja, das alte ich für ein großes problem. schließlich ist er im bundestag nicht pförtner, sondern hat das letzte wort bei den streitkräften.

  5. REPLY:
    diese ausstrahlung von vertrauenswürdigkeit und verantwortungsbewußtsein, verbunden mit moderneität, die er für mich unbetritten hatte, ist für mich verloren.
    ich werde mich bei jeder seiner entscheidungen fragen, ob das jetzt grade mal so dahingehunzt ist (oder von staatssekretären souffliert und ungeprüft weitergegeben).

  6. REPLY:
    für jeden, der gerade prüfungsarbeiten – welcher form auch immer – zu erledigen hat, ist das ein signal.
    ein signal in die richtung, daß sich leistung nicht lohnt.

  7. REPLY:
    das war eine typische merkel-(und im erbe kohl-)reaktion: was geht mich sein problem an, das soll er selber klären und entweder dran krepieren oder es überstehen.

  8. REPLY:
    mit verlaub, ich dachte, so was gibt es nur in österreich oder italien. wir deutsche wären zu knöchern dafür.

  9. REPLY:
    ja, aber langfristig ist auch an hegemann der lack ab. solche sachen kleben wie scheiße.

  10. REPLY:
    *lol*

    Ist Ihnen übrigens schon aufgefallen, dass indirekt proportional zum Ansteigen der Häufigkeit des Auftretens von Exemplaren der Spezies Grasser & Co. die passende Bezeichnung „Hochstapler“ (im Österreichischen früher auch oft „Blender“ genannt) zusehends aus unserem Sprachgebrauch verschwindet ?

  11. Das Unglaubliche, das Unverschämte daran ist doch, das die ‚Konsequenz‘ aus Fehlverhalten auf höchster Ebene nunmehr offensichtlich allein dessen ‚Eingeständnis‘ zu sein scheint. Das reicht offenbar heutzutage schon.

    Wie bitte soll ich so etwas z.B. dem Kind vermitteln? Sie schreibt ab, wird erwischt und gibt dann eben die 6 wieder zurück und alles ist gut. Sie wäre sogar Heldin, weil sie den Vorgang des Spickens eingestanden hat! Und – das geschieht ja gerade – wäre demzufolge fast beleidigt, wenn ihr diese ‚Läuterung‘ nicht auch noch honoriert wird!

    Meine Güte, was sind das alles für Waschlappen! Früher hat man sich wenigstens noch ggf. geschämt und dann „seinen Hut“ genommen (und selbst das war ja oft schon wenig genug).

    /Und unversehens höre ich mich das Wort „früher“ sagen… und „heutzutage“. Hm. /Die alte Dame (84) meinte übrigens heute, recht bewegt, nach der ‚Anhörung‘ im Bundestag, „…ach, weisst Du, ich geh‘ nicht mehr wählen.“

    Mir ist das alles zu frech.

  12. REPLY:
    wenn man sich die statistiken über die verteilung der internetnutzung durch die gesellschaftsschichten ansieht, sind ungebildete menschen internetabstinenter als gebildete.

  13. Der Mann ist eine moralische und intellektuelle Zumutung; und Frau Dr. Merkel gerät mit ihrem Taktieren um den eigenen Gesuichtsverlust herum in seinen Sog.

  14. Mich erinnert dieser Herr bis zum Erbrechen an den ehemaligen österreichen Finanzminister Karl Heinz Grasser, der sich mit einer Chuzpe, die ihresgleichen sucht, bis heute über jeden Verdacht erhaben fühlt. Selbstbereicherung und -beweihräucherung, Lüge, Freunderlwirtschaft und eine Hochglanzfassade zur Tarnung der ganzen inneren Verkommenheit, das sind die Erfolgsfaktoren heutzutage, will man in Wirtschaft und Politik reüssieren.

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