Kino, Kino…

Der Herr Beethoven hat mich mit einem Filmstöckchen beworfen. Mich, die Ex-Cineastin. (Manchmal habe ich das Gefühl, einfach zu viel Filme gesehen zu haben.)

Na denn man los:

1. Nenne einen Schauspieler, zwei Schauspielerinnen und drei Filme, die Du sehr gerne magst, und erzähle bitte warum!
Hm, ich bin ja nicht so schauspieler- sonder eher werkfixiert. Jetzt mal abgesehen von meinen frühen und späten Teenager-Schwärm-Zeiten und meine Schwärme Alain Delon, Don Johnson und Keanu Reeves haben das Altern eher nicht so super gemeistert.
Josef Bierbichler, das ist schon ein Hammertyp.
Zwei Frauen…
Jeanne Moreau
und natürlich Marylin Monroe Das war noch in den Zeiten, als Frauen schön waren, wenn sie Fleisch hatten und Seele, jede auf ihre Weise.

2. Bist Du schon einmal vorzeitig im Kino aus einem Film gegangen? Warum und aus welchem?
Ja, aber ich habe verdrängt, aus welchem. Ich glaube, das war irgendein unsagbar blödes Frauen + Probleme + Gespräche + entsättigte Farben + lange Kameraeinstellungen-Debüt-Gedöns, für das mir an diesem Tag die Zeit zu schade war und ich bin laut fluchend in einen anderen Film gegangen.
Meistens harre ich brav aus und in meine Hardcore-Festival-Zeiten habe ich die Zeit dann einfach zum Schlafen genutzt. Die Nächte waren meist kurz, weil es immerzu Parties gab.
Pro-Tipp: Auf Festivals in die Kurzfilmblöcke gehen. Da sind echte Perlen drunter und wenn einer blöd ist, ist er in 10 Minuten vorbei und der nächste fängt an.

3. Gibt es eine Filmszene, in der ein Song gespielt wird, die sich Dir beide untrennbar ins Gedächtnis gegraben haben?
Im Grunde fast jede Szene von Spiel mir das Lied vom Tod. Eine irre Verbindung von Musik und Film, wagneropernhaft. Claudia Cardinale, wie sie am Anfang und am Schluß über die Sweetwater-Baustelle geht, das musikalische Motiv dazu. Das ist wortwörtlich ganz großes Kino.
Die Anfangsszene von Apocalypse Now. The End von den Doors transformiert sich in das Geräusch des Deckenventilators. Ab dem Moment hat dich der Film eingesogen.

4. Welches ist Dein Lieblingskino und warum ist es das?
Noch immer und immer wieder das International in Berlin, mit dem weißen Perlen-Premierenvorhang, dessen eine Bahn teilweise verkehrt herum angenäht ist. Hier habe ich die letzte DEFA-Premiere erlebt und eine ganze Menge anderer schräger, interessanter und auch ätzender Premieren.
Wobei die Lichtburg in Essen auch sehr schön, aber für mich weit weg ist. Ich liebe die alten großen Kinos. Der Titania-Palast in Berlin ist es ja wenigstens noch von außen. Irgendwann werden wir die alten Kinosäle vermissen, da bin ich mir sicher.
Und ich habe einen Traum. Ich möchte einen eigenen Kinosaal haben. Im Keller meines Hauses irgendwo im Süden. Dort werde ich in einem weichen ledernen Clubsessel mit diversen Drinks lümmeln und mir Filme ansehen. Wenn ich genug habe, gehe ich nach nebenan ins Schwimmbad.

5. Lieber Filme oder TVSerien? Warum?
Hm, schwierige Entscheidung. Die Drama-Serie ist die spannendste Film-Innovation der letzten Jahre. Film in Romandramaturgie. Da ich es aber noch immer nicht geschafft habe, mir einen ordentlichen Fernseher anzuschaffen (bin da seeehr wählerisch und wenn mich etwas ärgert, sind es falsche Formatanpassungen und flaue, aber quietschebunte Bilder und der Graf tickt da genau so), bin ich kein richtiger Serienkonsument geworden.
Fernsehserie bedingt eine bestimmte Ästhetik. Die TV-Serie schrumpft die Welt in einen kleinen Rahmen. Festlegung auf ein Format, wenig Details, fast keine Arbeit mit Tiefenschärfe und dynamischen Zooms. Schnitte sind Erzählperspektivisch. TV-Serie ist Spielszenen- und Storyzentriert und nicht primär Bild- und Tonästhetisch. Für mich ist z.B. Mad Men ein vorbildliches Beispiel für perfekte Fernsehästhetik.
Kino hingegen ist ein synästhetisches Erlebnis. Du sitzt im dunklen Raum und kannst als Zuschauer Dinge betrachten, wie du sie nie betrachten konntest. Von ganz fern und ganz nah. Schnell bewegt oder festgefroren. Du kannst mit Zooms den Raum durchschneiden und mit Fahrten und Flügen deine Körperlichkeit vergessen. Es wird Hell, es wird Dunkel. Alles ist monumental. Dazu erlebst du Ton und Musik von allen Seiten. Das ist etwas anderes.
Insofern: Ich ziehe einen Roman noch immer einer Serie vor. Das kann sich aber ändern, sobald es an der Barnimkante einen ordentlichen Fernseher gibt, aber das hat keine Priorität. Kino darf immer sein. Ich habe es in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt und verstehe auch nicht, warum ich so oft zu Hause vor dem Computerbildschirm hocke, wo ich doch jetzt 3 Programmkinos in Laufweite habe. Aber das kommt wieder.

So und nun muß ich das Stöckchen weiterreichen. Meh. Ich hab doch auch nie Kettenbriefe weitergereicht. Und der Glamourdick wird dem Luckystrike doch sowieso die Fragen stellen, die mir nie im Leben einfallen und vielleicht hat der André Herrmann dann auch noch ein paar coole Antworten. Wißter ich hab schon so viel Kamapunkte eingebüßt durch nichtweiterreichen, da kommts auf die fünf jetzt auch nicht an. Es sei denn Glämmie hat keine Zeit, weil er schreiben muß, dann übernehme ich.

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Ashby House

Nein, ich habe nicht vergessen, daß ich die Entdeckerin und vormalig betreuende Agentin des Autors V. K. Ludewig mal mokant und despektierlich in der Art böser alter Frauen unter „Literaturmädchen“ einsortierte. Ich nehme das hiermit zurück und bitte um Vergebung!
Also nun „Ashby House“ . Ein Debüt, das keines ist, hat der Autor doch schon mehrere von ihm geschriebene Bücher gedruckt in den Händen gehabt, auch wenn nicht immer sein Name auf dem Titelblatt stand. Ein Buch, das ich unbedingt und dringend lesen mußte, hat es doch der scharfzüngige und warmherzige Freund geschrieben.
Schauerliteratur las ich ungefähr von von zehn bis dreizehn, als ich mich schuleschwänzend am Bücherschrank meiner Eltern vergriff. Edgar Allan Poe, Mary Shelley, Ambrose Bierce, E.T.A. Hoffmann. Als mentaler Gegentwurf zum wissenschaftlichen Materialismus, der Landesreligion in der größten DDR der Welt und den naturwissenschaftlichen Dogmen meines Vaters, der alles andere als Spinnerei abtat und nur manchmal zugab, daß Heisenberg … naja …  aber das ist eine andere Geschichte.

Also Ashby House. Der Waschzettel sagt es: zwei amerikanische Schwestern, eine davon sehr prominent, ziehen sich, von Hollywood kommend, auf ein Anwesen in Cornwall zurück. Das Haus ist verwünscht und beginnt, kaum bewohnt, sein Eigenleben. Ja, nee, ist klar. Das ist dann so eine Geschichte, wo Leute zu Mitternacht mit einer Kerze in der Hand allein auf den Boden oder in den Keller gehen, weil sie dort sonderbare Geräusche gehört haben. Dieses Klischee unterläuft der Autor sofort, indem er sich schon auf den ersten Seiten darüber lustig macht.
Das Setting ist das Übliche: Ein altes Haus, verstaubt, jahrelang nicht bewohnt und wunderbar vintage in der Ausstattung. Die Landschaft ist breathtaking english und das Ambiente erwählt und einsam. Die Protagonisten sind schön und es wäre nicht Glämmy, der das Buch geschrieben hat, wenn die Männer nicht hothothot wären.
Ich war sehr schnell drin in der Geschichte und wollte nicht wieder raus. Die Sprache hat es mir angetan. Brilliant. Wenige Worte und jedes sitzt, sofort habe ich ein Bild im Kopf. Nur ein paar Sätze, um eine Figur zu beschreiben, ein paar weitere, um eine Figurenverhältnis klarzumachen, jedes Wort sprüht Funken. Ich bin entzückt!
Die Handlung eskaliert vorbildlich, unter Einsatz von homosexuellem Anals*x, Dolmen und Hubschraubern. Überhaupt, das ist es, was ich mag. Stringenz. Kein waschlappiges Abbiegen, weil man sich zu weit in den hyperprägnanten Stil oder ins Genre hinausgewagt hat, Weiterentwicklung mit Tempo und Rhytmus. Und selbst der Umstand, den ich wiederholt als dramaturgische Schwäche notierte (Warum vergißt der denn grade ne Figur? Wo ist die denn hin?), hatte einen Grund.
Diese Art von Schreibe ist nicht deutsch, der einzige Deutsche, der das vorher konnte, war vielleicht E.T.A. Hoffmann, der zwergenhafte, häßliche Trinker. Sie ist global, weil medial, die Hollywoodzitate unterhalten ungemein. Keine bräsigen Frauenbefindlichkeiten, garniert mit Esoquatsch, ausgewalzt auf 500 Seiten, sondern Witz, Schärfe, Ironie und rasende Handung bis zum Finale und hinein in den hintergründigen Epilog, verbunden mit Treue zum Genre.
Hach! Ich muß mich erstmal verpusten…
Herrschaften, lesen Sie dieses Buch.
Es ist zu vernehmen, daß die Fortsetzung in Arbeit ist. Ich freue mich drauf!

Und: Warten Sie mal drauf, wenn der Ludewig aus dem Genre rausgeht. Paul Auster ist nämlich leider völlig humorlos.

Kitty ist genervt

über die zunehmende SEO-Vermüllung von G**gle.
Als alte Zipperlein-Sucherin schätze ich die Hypochonder-Foren, doch die sind irgendwo ganz hinten auf Seite 3 oder 4 verschwunden. Die obere Range der Suchergebnisse sind Seiten, die aufeinander verweisen, oft noch mit gleichen Texten zum Suchwort, versehen mit Links zu rezeptfreien Medikamenten und Naturheilmitteln.
Bei der Suche nach einem Girokonto mit bestimmten Konditionen passiert das gleiche: Seiten, die redaktionell wirken wollen und mit geringfügig anderen Texten ständig die gleichen drei Banken anpreisen. Wird die Suche modifiziert mit dem Stichwort „Test“ tauchen die gleichen Seiten, mit ahnlichem Layout und ähnlichen Formuierungen auf und suggerieren, sie demonstrieren Ergebnisse eines Tests.
We ist denn bitte so blöd, auf so etwas reinzufallen?

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Blasentee oder Nagelstudio 2.0

Im letzten Sommer wurde Berlin Mitte von Franchisekonzept-Drückern überfallen, die unterbeschäftigten Hipstern, die noch ein westdeutsches Erbe zu vertun hatten, anboten, entweder ein Geschäft für  Bubble Tea oder für Frozen Joghurt zu eröffnen.
Schöne Idee, vor allem, wenn es bunt und eigentlich für Kinder gedacht ist. Der gemeine Hipster, mit Ed v. Schleck sozialisiert, mag alles, was ihn nicht erwachsen werden läßt.
Bubble Tea, ein Mixgetränk, das in Hongkong und China für Schulkinder interessant war, wird nun via Aufwertungskette zum „Kultgetränk aus Kalifornien“.
Frozen Joghurt habe ich schon vor 20 Jahren in Florida gesehen. Die dicken Kinder von Fort Lauderdale und ihre fetten Mütter standen danach Schlange, auf das ach so fettarme Eis kam ein knietschbuntes, süßes Topping, fertig war das Nahrungsmittel.
Mit billigsten Rohstoffen, ein bißchen Wasser, Stärke, Joghurt, Marshmallows und Kekskrümeln läßt sich richtig viel Kohle verdienen, vor allem wenn man als Franchisegeber die Maschinen und Rohstoffe vertreibt.
Eine kleine Portion Frozen Joghurt (die erstmal nach nichts schmeckt) kostet 2,30 €, die Toppings jeweils 0,30 € (Zum Vergleich: ein Kugel Häägen Dasz 2,50 €, eine Kugel Bandy Brooks 1,80 €, über den Qualitäts- und Geschmacksunterschied wollen wir mal garnicht reden).
Zum Geschmack von Bubble Tea kann ich nichts sagen, scheinbar bringt das Zeug einen zum Spucken. (Fotografiert am Henriette-Herz-Platz am S-Bahnhof Hackescher Markt)

Damit es nicht so auffällt, wie billig die Rohstoffe für die Kultnahrung sind, wird ordentlich in den stylishen Laden und anderes Design investiert. Bunt muß es sein:
Hier, hier und hier.

Und? In Berlin Mitte scheint der Hype durch zu sein. Die Karawane zieht weiter nach Köpenick, Spandau, Frankfurt(Oder) und Stralsund. Dort, wo sie hingehört, in die Unterschicht-Shopping-Malls, neben Mandy’s Nagelstudio, damit Cindy’s dickes Kind etwas Unterhaltung hat, wenn  sie sich neue Glitzersteinchen auf die bunten Pornospaten kleben läßt.
Auf die Hand in der Veteranenstraße rührt sich nicht mehr. Seit der Zettel mit der Ankündigung, man sei am 12. Januar (oder war es Februar?) wieder für die Kundschaft da, aus dem Fenster verschwunden ist, ward niemand mehr im Laden gesehen. Scheinbar reichte es nicht einmal mehr für das völlig überforderte Schüler-Aushilfen-Personal, das ich bei meinen 2 oder 3 Versuchen dort antraf. Be Bubble am Weinbergsweg hat schon im Dezember die stylishen Möbel zu Geld gemacht, unter anderem stand ein Murano-Leuchter für 980 € zum Verkauf.
Joli Frozen Joghurt am Weinbergsweg macht noch Pause, am 6. März geht es wieder los. Und wenn Süße Sünde drei Läden weiter ein paar Tage später wieder mit richtigem Eis aufmacht, steht hier eine Schlange und dort gähnt leer ein stylischer Laden. Wobei leere hohe Räume einfach besser aussehen.

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