Ich denke, da ist ein „richtiges Buch“, das man nicht in einem Ritt durchliest, gemeint. Da war ich noch nicht ganz 8 Jahre alt.
Das war Die silberne Brücke von Hertha Vogel-Voll, einer schreibenden Arztgattin aus der Dresdener Kunstszene der 20er Jahre.
Das Buch wurde von meinem Bruder und mir besonders geliebt, weil unsere Mutter als Kind die schwarz-weißen Grafik-Illustrationen wunderschön mit Buntstiften koloriert hatte.
Ich habe keine Ahnung, ob es das Buch noch gibt. Ich habe so manches verborgt (vor allem gegen Karl-May-Romane) und nicht zurückbekommen.
Das erste „Erwachsenenbuch“ war eine Dünndruck-Sammlung der Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe aus dem Insel-Verlag.
Das war tatsächlich nur zwei Jahre nach der Silbernen Brücke.
Der ganze Fragebogen.
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8. Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert
Wenn ich durch die Landschaft nordöstlich von Berlin fahre, dann denke ich an Martin Grambauer, Pastors Ulrike und Johannes Bärensprung aus dem Armenhaus, Charaktere aus Ehm Welks Roman Die Heiden von Kummerow.
Ehm Welk hat mir viel Landschafts- und Geschichtsverständnis dieser preußischen Gegend beigebracht. Viel mehr als der abgehobene Fontane mit seinen Wanderungen durch die Mark. Geschichten unter Webern und Bauern, mit Pferden, Schweinen, Gottesdienst und heidnischen Bräuchen waren mir lieber.
Auch Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer ist sehr lesenswert. Fast 100 Jahe deutsche Geschichte, von der ersten, für die Handarbeiter existenzvernichtenden Industrialisierungswelle über die Gründerzeit bis zum zweiten Weltkrieg.
Fahre ich nach Spremberg, dann denke ich an die wilde Kutschfahrt den Berg herunter, die Esau Matt mit seinem Großvater im ersten Teil von Strittmatters Laden unternahm.
Auch wenn ich aus einer sächsisch-lausitzisch-erzgebirgischen Familie stamme, diese Gegend hier ist mir doch sehr ans Herz gewachsen.
Der ganze Fragebogen.
6. Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht)
1984 von George Orwell.
Dieses Buch ging mir durch und durch.
Nicht nur, weil ich schon lange, bevor ich es las, bereits von Hubschraubern träumte, die in die Fenster der Menschen schauten.
Der ganze Fragebogen.
5. Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest
… das ich immer und immer wieder lese, denn es ist mein Lebensseismograph.
Das ist „Eine andere Welt“ (Another Country) von James Baldwin. Eigentlich eine ganz simple New-Yorker Künstlerfreundesgeschichte. Nicht. Eine Geschichte über Rassentrennung, Homosexualität, Künstler-Sein, Armut, Aufstiegswillen, Bürgerlichkeit, Liebe, Nichtanpassung, städtischen Verfall, Erfolg und Jazz, jede Menge Jazz.
Als ich das Buch zum ersten Mal las, war ich 13 oder 14. Da interessierten mich Sex, New York und Jazz daran.
Ich nehme es im 4-5-Jahresabstand immer wieder zur Hand und es blättert sich eine neue Facette auf:
Der Mythos vom armen Künstler.
Die begnadete Sängerin, die alles für ihre Karriere tut, selbstverständlich auch mit dem Manager schläft.
Homosexuelle Liebe als Erlösungsmotiv und Mittel zur Selbsterkenntnis.
Die Geschichte vom Künstler als Diener des Marktes, der plötzlich nicht mehr Künstler genug ist.
Ein Amerikaner in Europa.
Nicht zuletzt Cass. Meine Identifikationsfigur. Die blonde, weiße, bürgerliche, zickige, ewig unzufriedene Cass, die als einzige Revolte in ihrem Leben – übrigens als Reaktion auf den schriftstellerischen Erfolg ihres Mannes – eine Affäre mit einem homosexuellen Freund beginnt.
Vor ein paar Jahren bekam ich einen Schreck, als ich begriff, daß Cass, die mir immer uralt vorkam, mittlerweile 10 Jahre jünger als ich ist. So vergeht die Zeit mit einem Buch.
Der ganze Fragebogen.