Der Preis der Freiheit

Bei den ganzen Eva-H.-Diskussionen habe ich immer mal eingeworfen, daß mir zwar die Haltung der Frau piefig und vorvorgestrig erscheint, das Thema aber heiß ist.
Ich stolpere in der letzten Zeit immer wieder über Fakten, nach deren Begutachtung ich das Gefühl habe, eine soziale Veränderung tut not. Sicher wird es sich um nichts so Revolutionäres wie sozialen Konsequenzen von 68 handeln, die momentan in jeder Zeitschrift auf die Person des barbrüstigen Fräulein Obermeier oder des spiddeligen, nur kopfbehaarten Langhans-Bürschchens und die Legenden von „Jeder mit Jeder“ reduziert werden.
Ich habe das Gefühl, unsere sozialen Verhältnisse und ihre Konsequenzen müssen in unseren moralischen Vorstellungen und dem daraus folgenden Handeln ankommen.
Die einzige soziale Moral ist derzeit, daß es keine Moral gibt. Es gibt zwar eine kritische Bewegung, die sich mit unserem Umgang mit der Umwelt und ihren Ressourcen auseinandersetzt, zum Teil werden moralische Fragen zu Managermoral gestellt (das scheint jetzt sogar in den Chefetagen anzukommen).

Haltung, Madame

Ja, der Sprung von KKM zum iPhone ist haarsträubend.
Ich hatte was gebosselt über Whitmans Halcyon Days und die Valium Days der Realität und das fiel dem allgemeinen Fehler, der gestern grassierte, anheim.
Außerdem habe ich das dringende Bedürfnis, mich wieder in den Bereich der Normalität zu bewegen. Samstag ein Gespräch mit meinem Vater über KKMs Transport ins Pflegeheim, danach stundenlang ein Zustand, den ich eigentlich nicht kenne. Heulkrämpfe, Tunnelblick, Übelkeit, Schwindel, Herzrasen, Schweißausbrüche, Frieren. Das alles in Bremen in einem Hotelzimmer. Eigentlich hätte ich auf der Geburtstagsparty von HeMans Bruder stehen wollen.
Da ich Mutters kleine chemische Helferlein gegen weibliche Nervosität nicht ständig bei mir trage (Korrektur: nie), hab mich dann per Taxi in die psychatrische Notaufnahme eingeliefert. Nach kaum einer Dreiviertelstunde Warten inmitten von Stimmenhörern, Brüllmonologisierern und hyperaktiven, alles demontierenden Bepinkelten lehnte ich das freundliche Ansinnen einer jungen Ärztin, mich über Nacht stationär zu behalten, ab und bat sie nur um eines: Ich möchte für eine Stunde auf dieses Familienfest, vielleicht etwas blaß und mit einem matten Lächeln, aber ohne Angst, Tränen und Panik. Egal wie. Den Wunsch hat sie mir erfüllt.
In den 48 Stunden der Valiumruhe habe ich zumindest eine Vorstellung von mir ausgebrütet. Ich habe mich gefragt, was KKM getan hätte. Keine Frage, sie hätte Haltung bewahrt und sich auf das Wesentliche konzentriert.
Und das tue ich jetzt. Sicher in ihrem Sinne. Die da so klein wie ein Kind in ihrem Pflegeheimbett liegt.