WMDEDGT Februar 2014

Was habe ich heute den ganzen Tag lang gemacht?

Wir sind im Urlaub im Hirschberger Tal und das ist ganz kommod, weil wir fast allein in dem Schloßhotel sind.

9:20 Uhr
Verflixt, ich habs verschlafen! Eigentlich wollte ich vor dem Frühstück noch eine halbe Stunde schwimmen, das wird knapp. Ich drehe zumindest ein paar Runden im Pool, um wachzuwerden und gehe hinterher kurz unter die kalte Dusche.
10:00 Uhr
Frühstück, üppig und ausgiebig.
11:00 Uhr
Wir sitzen noch am Frühstückstisch, da kommt eine Mail von einem Freund, dessen Website ich betreue. Sie wurde gehackt und vom Provider erstmal abgeschossen.
11:15 Uhr
Ich schaue nach, was los ist, der Graf schaut mir über die Schulter und assistiert mir mit Ratschlägen. Ich sichere die Seite noch mal und wir flöhen die Dateien und die Datenbank auf Schadcode.
Irgendwie ist das alles nicht so prickelnd. Die Internetverbindung ist hier sehr langsam und der Provider braucht auch eine Weile, auf um geänderte Zugangsdaten und Einstellungen zu reagieren. Dazu kommt, dass auf der Seite einige Plugins laufen, die mit Samthandschuhen angefaßt werden müssen.
14:00 Uhr
Der Graf übernimmt, die Seite wird am besten komplett neu aufgesetzt, weil eine Fehlermeldung die andere jagt und ich bin grade etwas ratlos. Mich hat es wohl zu sehr aus der Urlaubsstimmung rauskatapultiert.
17:30 Uhr
Ok., es scheint wieder zu laufen. Die Ladezeiten halten die Sache am längsten auf.
18:00 Uhr
Ich gehe noch mal lange Schwimmen.
19:00 Uhr
Fertigmachen für den Abend. Farbe ins Gesicht, Frisur machen, anziehen. Der Graf ist von der Badewanne in den Pool gewechselt, ich sitze noch etwas auf der Fensterbank und lese.
20:00 Uhr
Im Restaurant ist der Platz am Kamin frei. Wir essen Gulasch mit Spätzle und haben wohl so verhungert ausgesehen, dass die Bedienung einen großen Berg Brot und Butter nachliefert.
22:00 Uhr
Wir wechseln in dei Bibliothek, um noch etwas zu lesen und zu schreiben.

Die anderen Tage wie immer hier.

Losfahren

Wir fuhren am Samstag in Polnische hinein, in eine ganz langsame winterliche Abenddämmerung. Kurz nach Forst mussten wir lernen, daß die Autobahn von Polen nach Deutschland sehr komfortabel ist, wir aber nie auf die Idee gekommen waren, uns beim Nachhause fahren die Gegenrichtung anzusehen – benutzt hatten wir sie noch nicht, wir waren bisher immer auf anderen Wegen gekommen – ein DDR-Autobahn-deja vu vom Feinsten. Rumpel-rumpel-rumpel, so lange, bis man freiwillig auf die linke Spur wechselt, um nicht die Stoßdämpfer um die Ohren zu kriegen. Wir verließen die Autobahn dann doch lieber.
Die Straße, auf der wir dann fuhren, ging durch eine sehr eigene Landschaft. Seit 1945 schien dort die Zeit stehengeblieben, wenn nicht immer mal ausgewählte Häuser einen neuen Gruselgrün-Anstrich bekommen hätten. Die Gegend um Węgliniec (Kohlfurt) ist eine trostlose, sumpfige Heide, auf der verstreut Bauernhäuser und Waldstücke stehen. Früher bezog die Görlitzer Industrie von dort Holz und Braunkohle und die Stadt wuchs um einen Eisenbahnknotenpunkt. Heute will man da mit Sicherheit nicht tot überm Zaun hängen.
Wir hangelten uns über Nord-Süd-Verbindungsstraßen in Richtung Gebirge, weil die Schnellstraße bis ganz nach Hirschberg ein Umweg gewesen wäre. Wie immer waren wir hoch erstaunt darüber, wie nah das Riesengebirge an Berlin ist. Der Graf fragte mich entspannt: „Was machen wir denn heute Abend?“ und ich begann zu überlegen. Schwimmen gehen, einfach schlafen, fernsehen?
Riesengebirge
Es wurde gerade dunkel, da suchten wir eine Kreuzung, die laut Karte gleich kommen musste. Aber wie das so ist, manchmal muss man auch auf Schnellstraßen absurderweise nach links abbiegen, um nach rechts zu kommen. Die Ausfahrt hatten wir wohl verpasst. Der Graf sagte: „Ich nehm dann die hier!“ und bog rechts auf einen kleinen Weg ab und ich meinte nur: „Och ja, klar!“, war doch die zu erreichende Straße keine 400 m entfernt.
Wir fuhren einen kleinen Asphaltweg entlang, der nach einer Kreuzung zu einem Feldweg wurde, nur noch über den kleinen Hügel und dann wären wir auf der verpassten Straße. Nach einer Kurve bestand der Feldweg  nur noch aus Schlammlöchern. „Oh!“ sagte ich und dachte nur „Ach du Scheiße!“. Der Graf sagte gar nichts mehr, sondern schusselte uns durch den Schlamm. Der Weg erinnerte mich an meinen Geheimtipppfad auf Rügen zu einer der schönste und geheimsten Stellen, wo es mit einer scheren Limousine meist hieß: beten, dass man nicht stecken bleibt.
Und dann waren vor uns beide Fahrspuren zu einer Pfütze von vier, fünf Meter Länge und kaum zu schätzender Tiefe vereint. Da mittendrin stecken zu bleiben, wäre sehr ungut. Wir hielten an. Nun war das dran, was wir eigentlich vermeiden wollten, nämlich den ganzen engen, mittlerweile dunklen Weg wieder rückwärts zu fahren. Ich schlug vor, zu wenden und prüfte den Schlammgehalt des Ackers neben uns. Eine 270 Grad-Runde schaffte der Graf, dann saß das Auto auf dem Acker fest, die Räder drehten auf einer feuchten Stelle durch.
Ich erinnerte mich, wie ich mein Auto mal auf einem brandenburgischen Waldweg flottbekommen hatte, in dem ich Kiefernäste unter die Reifen schob. Wir hatten zwei alte Decken im Kofferraum, das müsste doch klappen. Einen Meter weiter kam das Auto, dann musste ich die Decken neu ansetzen. Aber irgendwie gings nicht mehr, die Decken waren zu glitschig geworden. (Sie können sich sicher vorstellen, wie meine Hände und meine Stiefel an dieser Stelle bereits aussahen. Auch der Graf stampfte mit den guten Schuhen im Schlamm herum.) Der Graf versuchte zu schieben, ich gab Gas, es machte keinen Sinn, wir saßen rechts hinten zu tief drin.
Ok., nächstes Kapitel. Was ich auf Rügen mit viel Glück immer vermeiden konnte, war jetzt fällig, einen Bauern mit einem Traktor oder Jeep zu finden. Da eine nette Frau mit blondem Zopf immer hilfebedürftiger wirkt als ein schlammbespritzter fremder Mann, machte ich mich auf den Weg zum nächsten Gehöft, in dem Licht brannte und ein Jeep vor der Tür stand. Ich klopfte an einer Tür, hinter der ein Fernseher flackerte. Nach endlosem Fluchen und Zetern hinter der Tür öffnete ein zahnloser Großvater, der einen Meter gegen den Wind nach Schnaps roch. Mist, mit dem Alkoholpegel konnte der Mann nicht mehr hinters Steuer.
Nun kam erst Mal das schöne Kapitel Gastfreundschaft: Frau! Hinsetzen! Was trinken! (ein nach chemischen Ginger-Ale mit Schnaps schmeckendes Supermarkt-Gebräu, aber in meinem Worst-Case-Szenario hätte ich Schnaps trinken müssen) Erzählen! Erst ich, dann du! Wir einigten uns auf bruchstückhaftes Russisch. (Ich weiß jetzt, dass der alte Mann nur dreizehn Jahre älter ist als ich, seine Tochter in Freiburg wohnt, er seine Enkelin viel zu selten sieht und seine Frau ihn verlassen hat und ich die schönste junge Frau bin, die ihm auf die alten Tage begegnet wäre.) Dann schaute mal ein knapp Volljähriger in den Raum hinein und wurde wieder weggeschickt, mit Sätzen, die ich kaum verstand.
Dann kramte ich mein Russisch zusammen und nahm ein paar Gegenstände auf dem Tisch zu Hilfe, um zu vermitteln, dass das Auto dringend rausgeschleppt werden müsste. Das war aber nicht so im Interesse des alten Mannes, der hatte ja nun endlich Gesellschaft.
Ich stand auf, blitzte mit dem Ehering und sagte ratlos, mit Kulleraugen: „Aber mein Mann wartet auf mich!“ So ein Satz wirkt immer. Er zog sich eine Jacke an, führte mich um das Haus, zu einem Eingang, den ich bisher übersehen hatte. Scheinbar war ich in der Altsitzerwohnung gelandet, denn nun stellte er mich einem kompakten Paar in den Vierzigern vor (Mein Sohn!), die Frau verstand etwas englisch und instruierte ihren Mann, den Abschleppgurt zu holen und den Jeep flott zu machen.
Alles andere war eine Sache von fünf Minuten. Das Auto vom Acker runterziehen, den Vierradantrieb anstellen, uns wieder eine Runde über den Acker drehen, zur kleinen Asphaltstraße zurückschleppen, Instruktionen geben, wo die gesuchte Straße ist und großen Dank und Lohn in Empfang nehmen.
Danach haben wir nicht mehr überlegt, was wir am Abend machen.

Jahresrückblickfragebogen 2013

Zugenommen oder abgenommen?
Gleich. Ich warte auf den Moment, in dem mir moderate Anstrengung keine Angst mehr macht. Meine Seele hat sich in der untersten Komfortzone der Maslow-Pyramide verschanzt und möchte es geborgen, warm, entspannt und satt.

Haare länger oder kürzer?
Noch länger.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Die Arme reichen nicht mehr und die neue Lesebrille ist bereits bezahlt.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Gleich wenig.

Mehr bewegt oder weniger?
Weniger, bedingt durch den Plan mit konstant wenig Arbeitszeit belastbarer zu werden. Das widerspricht meinem Naturell, ich komme zu nichts. Nächstes Jahr teile ich meine 15 Wochenstunden auf 3 Tage statt auf 5 auf.
Aber keine Panik, Stillstand ist der Zustand vor der Bewegung.

Der hirnrissigste Plan?
Es gab keinen, wie langweilig.

Die gefährlichste Unternehmung?
Ich bin nach wie vor nicht risikofreudig.

Die teuerste Anschaffung?
Eine Lindberg-Lesebrille. Ich bin in manchen Dingen doch ein Snob geblieben.

Das leckerste Essen?
Das, was Vorratskammer, Küche, Wald und Garten bei La Primavera hergaben, gekocht, gebraten und am Herdfeuer gegessen.

Das beeindruckenste Buch?
Es war nicht das Jahr fürs großartige Bücherlesen (und das schreibe ich, die in Hochzeiten 20 Bücher im Monat „gefressen“ hat!), aber ich habe nach drei Jahren endlich den Barock-Zyklus von Neal Stephenson zu Ende gelesen, ein Geschenk von Frau Fragmente.

Der ergreifendste Film?
Auch das waren nicht viele, das ist gerade nicht mein Medium, es gibt keinen Favoriten.

Die beste CD?
Dito. Falsches Medium. Ich habe sehr wenig Musik gehört und die schönste wehte an Sommerabenden ins Fenster und kam aus dem Rosengarten im Weinbergspark, das waren dann Soul und Jazz oder flog aus dem Fenster des Nachbarn über den Hinterhof und war Schuberts Winterreise.

Das schönste Konzert?
Die Hausmusik zum zweiten Advent bei den Nachbarn.

Der beste Sex?
Ist jetzt der eheliche.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Schnitte ändern und nähen.

Die schönste Zeit verbracht damit…?
Kleider zu nähen.

Vorherrschendes Gefühl 2013?
Ich tue kleine Dinge.

2013 zum ersten Mal getan?
Vorübergehend Nutznießerin des Ehegattensplittings geworden. Sehr komisches Gefühl.

2013 nach langer Zeit wieder getan?
Einen Weihnachtsbaum aufgestellt.

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Auf Twitter mehrmals von einer Person angepöbelt zu werden, die Freundin meiner Freunde ist und die ich nach vor schätze, die hysterische Atmosphäre in meiner Filterblase vor der Wahl und der Niedergang der Piraten als von Sektierern und deren internem Krieg zerfressene einstmals gute Idee.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Veränderungen fangen immer bei sich selbst an und Worte sind bedeutungslos ohne Taten.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ich weiß es nicht.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Einen Ring mit einer Gravur.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Ein „Ja“.

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Ein „Ja“.

2013 war mit 1 Wort…?
Solide Basis.

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