Das Kind der Nachbarn ist da. Der Termin war irgendwann im August, in der Hitze Ende Juli war alles still und ich hörte nur noch ihn den Hund ausführen, dann, als es kühler wurde, gab es einen Tag hektisches „Tür auf, Tür zu“, am nächsten Tag hing ein winziges Babymützchen am Türknauf.
Gestern morgen ging ich dann quer durch den Weinbergspark, der so früh bevölkert ist von trainierenden Menschen und Menschen mit zu trainierenden Hunden. Ein Paralleluniversum. Zwei Stunden später sitzen hier die ersten in der Sonne und pflegen den Müßiggang.
Ich kaufte Blumen. 20 winzige stachlige Rosen, eine pinkfarbene Gladiole, zwei Bambustriebe und eine magentafarbene Lilie.
Die Rosen wurden vom Grafen mit einer handgeschriebenen Karte versehen und den Nachbarn vor die Tür gestellt. Was für ein Duft!
Das andere Gemüse kam in die große Glasvase.
und ein übriggebliebenes Röschen beduftet meinen Schreibtisch.
Ich setze grade die Website des Freundes, der unsere Hochzeitsfotos machte, neu auf. Da die Projekt-Arbeit mit Dreamweaver immer umständlicher und schwieriger wurde, sind wir auch hier zu WordPress gewechselt. Mit ein paar Anpassungsarbeiten ist das Ergebnis effizienter zu erreichen als mit stundenlangem Zu-Fuß-HTML-Schreiben und Fotos umrechnen.
Dann schlug das Wetter um. Eine missgelaunte Migräne bemächtigte sich meines Kopfes und dreht ihn durch die Mangel. Gott sei Dank hält das nie lange an und so konnte ich spätabends noch aus Kohl und Roter Bete Suppe kochen (der Kühlschrank enthält grade nur Eier, Joghurt und Gemüse, ein Zustand, den der Graf mit „es ist nichts zu essen da“ assoziiert).
Dann setzte ich mich noch für eine Weile an den Quilt. Mit der Regulierung der Unterfadenspannung war das Problem gelöst, es gibt keine Fadenfresser mehr. Stippling ist wirklich eine Arbeit für Leute, die Vater und Mutter umgebracht haben. Aber ich lerne noch. Nach allem, was ich mir in Foren zusammengelesen habe, war es wohl der größte Wahnsinn, als erstes Projekt einen 140×200-Quilt anzugehen. Nun habe ich die Chance, alle Anfängerfehler auf einmal zu machen.
(Es ist im übrigen sehr interessant, dass diese Handarbeitsforen fast troll- und spinnerfrei und im Ton extrem höflich sind – mal abgesehen davon, dass sie sich alle ständig umarmen und bepuscheln, was mich etwas befremdet. Wenn man da etwas sucht, wird man wirklich fündig und muss sich nicht durch Seiten voller Mimimi und Aggro lesen.)
Bei der abendlichen Meditation an der Nähmaschine, allerdings gestern nicht so entspannend war wie sonst sondern mit Migränenachwehen, sprich Schweißausbrüchen und Schwindelanfällen garniert, sind langsam Fortschritte sichtbar.
Mit dem Abstand von zwei Jahren frage ich mich, was mich geritten hat, diese Leberwurstfarbe als Grundton zu wählen. Aber ich erinnere mich, das hatte mit der pompejanisch roten Wand in der Bettnische des Nestchens zu tun und damit, dass LaPrimavera meinte, starke orientalische Farben, die ich eigentlich angedacht hatte, würden in der winzigen Wohnung zu beunruhigend wirken. Nun nähe ich also Hirnwindungen, auf denen Quadrate schwimmen. Weiters frage ich mich, wie ich auf de Idee gekommen bin, diesen arktisblauen Streifen einzusetzen, die einzige ungebrochene Farbe, ich erinnere mich schwach, dass ich mich irgendwo vermessen hatte und mir 10 cm fehlten und dieser Stoff grade reichte. Da muss ich noch mal ran. Wahrscheinlich werde ich die Handstiche der Quadrate durch artktisblaue Maschinen-Nähte ersetzen. Design ist echt nicht meine Stärke.
Sollte ich jemals ein klassisches Nähblog machen, dann wäre es ein Pendant dazu. Meine nachträglichen Ausbesserungen von Mess- und Planungsfehlern sind wirklich beachtlich.
Nachts recherchierte ich mich noch durch diverse Klamottenseiten. Mein Körper ist neuerdings der Meinung, dass Hosen (sprich: Jeans) doof sind, nachdem ich den ganzen Sommer Kleider trug. Ein Kleid für den Winter, das bequem ist, warm hält und nicht überall hängenbleibt, Staub wischt oder sich zur Küchenkatastrophe entwickelt, ist so eine Sache. Winterkleider sind heute vor allem Très Habilié-Garderobe (schöner französischer Begriff für den Repräsentativitätsgrad von Kleidung) oder diese irren ärmellosen Kleidchenfummel, die ein Model unterm Pelz trägt. (Oder die ganzganz furchtbare Variante Kleid-über-Jeans, das die Berliner Mädchen vor 10 Jahren trugen, bevor sie Kinder bekamen.) Nächstes Problem ist, dass ich diese Wurstpellen-Strumpfhosen hasse und Leggings möglichst nicht zu sehen sein sollten.
Ich glaube, die Lösung sind Schichten und back to the roots. Wenn man sich Trachten und ländliche Kleidung von vor 150 Jahren ansieht, sieht man die Lösungen für weiblich gekleidet sein, sich trotzdem bewegen können und es warm haben.
Den Anfang werde ich mit einem Prairie-Dress aus Baumwollflanell machen. Das ist die Klamotte, die Frauen in Western tragen, wenn sie nicht aufgetufft und mit Korsett versehen als Halbweltdame in Saloon sitzen. Also das was Caudia Cardinale trug, als sie die Arbeiter von Sweetwater versorgte, nur etwas züchtiger.
Wenn man sich in das Thema versenkt, begreift man, welche Funktionen Chemisen, Cache-Coeurs, Fichus und Rüschen-Unterröcke neben Halbtransparenzen und Frou-Frou haben: Sie wärmen. Und für schmutzigere Arbeiten gibts dann eine Schürze drüber, damit man sich nicht bekleckert.
Das heißt, für das Flanellkleid wird es zwei Unterkleider geben. Die Schürzen habe ich noch in meiner Sammlung, da hab ich alles gehörtet, was vorbeikam, weil es die nicht mehr gibt. (Wobei ich schöne Schürzenschnitte gefunden habe.)
Coco Chanel wird sich zwar im Grabe umdrehen, aber die hat für Frauen entworfen, die nur noch zum Schlafen nach Hause kamen und folgerichtig zu Hause einen Morgenrock trugen.
Dem weiblichen Homeofficer bliebe heute übrig, den ganzen Tag im Bademantel rumzuhocken, zur üblichen Jeanskluft zu greifen oder schlimmer noch – zur Jogginghose. Ein One Piece finde ich zwar ganz lustig, aber der Gedanke, mich auf dem Klo halb auszuziehen ist unwitzig.
Also, Pläne sind vorhanden.