Miz Kitty reist mit dem Grafen – Finis auf Schloss Wernersdorf

Auch schöne Zeiten wie diese auf Schloss Wernersdorf sind einmal vorbei. Eigentlich wollte der Graf nochmals verlängern, dauert sein Urlaub doch noch eine Woche und meine Termine fangen erst wieder im August an, aber manchmal sind auch die schönsten Dinge einfach „drüber“.
Ein wesentliches Arrangement in Schloss Wernersdorf ist nämlich noch nicht ausgereift: Das Verhältnis zwischen zahlenden Gästen und urlaubenden Angehörigen der Besitzer-Familie.
Da hat jemand ein Haus zurückgekauft und ein schönes Hotel daraus gemacht, aber natürlich auch einen komfortablen Feriensitz für die Familie. Das wird mitunter unangenehm, wenn Leute, für die diese Existenz mit Ungeniertheit selbstverständlich ist und zahlende Gäste, die sich diese als Ausbruch aus dem Alltag leisten, miteinander kollidieren. Daß es anders geht, haben wir gesehen: Im Stonsdorfer und Lomnitzer Schloss arbeitet die Familie mit im Hotel, in Schloss Juelsberg separierte sie sich völlig und hatte ihren eigenen Bereich. Auf Schloss Wernersdorf ist die Familie im Gaststatus, lässt sich vom Personal bedienen und ist es in vielen Dingen doch nicht, denn sie ist nicht zu Gast.
Bei den alten Herrschaften hat das Unterhaltungswert. Sie führen und beleben dieses Haus und ohne deren mitunter hörbar rigorose Tatkraft wäre es nicht so weit gediehen. Sie halten Hof mit Künstlern und wichtigen Menschen und genießen es, beim Konzert vorn auf einem Louis-Seize-Sofa zu sitzen.
Nun, sie reisten gestern ab und zurück blieben Kinder und Enkel und deren Freunde. Und das hat plötzlich eine unangenehme Dominanz, die man sonst nur von vollkommen aufeinander bezogenen Reisegruppen kennt. Es wird lauter als bei den Paaren und Familien, die sonst dort sind und aufeinander Rücksicht nehmen. Es ist unangenehmer, diese Leute sind dort öffentliche Personen, wer die Website mit der Geschichte des Schlosses kennt und noch ein, zwei Sachen googelt, kann die unüberhörbaren Interna zuordnen.
Das ist, als würde der Nachbar gegenüber ständig nackt durch die Wohnung laufen und du selbst müsstest das entweder aushalten und so tun, als würdest du es nicht sehen oder aber deinen Schreibtisch vom Fenster wegrücken.
In dieser Konstellation gibt es keine Korrektive als die Beteiligten selbst, denn das Personal ist dazu nicht befugt. Wenn die Beteiligten aber mit sich selbst und ihren ganz privaten Problemen beschäftigt sind (was ja im Urlaub auch legitim ist, da will man sich entspannen, aber das ist auch die Crux), wird nichts mehr bemerkt. Wir wurden einige Male gefragt, ob die Kinder zu laut seien und stören würden. Nein, Herrgott, Kinder sind Kinder. Wenn sie ihre Grenzen kennen und man ein Auge auf sie hat, ist doch alles fein. Das letzte, was dort störte, waren die Kinder.
Mich störte etwas, zu dem ich selbst neige: Ignoranz, Dominanz und Empathielosigkeit. Dazu widerspricht das, was da stattfindet, komplett dem Charakter der Location, die Entspannung, Ruhe, Zurückhaltung, Dezenz und Stil suggeriert.
Es ist so schade. Wir haben uns hier wunderbar erholt und haben eine Menge geschafft: Recherchiert, geschrieben, lektoriert, dazu geschlafen und geliebt. Wir würden gern hierher zurückkommen. Aber man kann wohl schlecht fragen, ob die Familie gerade nicht da ist.
Nun überlegen wir ernsthaft, ob wir morgen bereits abreisen und weichen heute Abend auf einen anderen Essplatz aus.
Aber nun Themawechsel.

Heute Mittag fuhren wir guten Mutes zum Wandern nach Agnetendorf. Ein Besuch im Gerhart-Hauptmann-Museum war auch geplant, nur war es wieder, wie letztes Jahr, Montag und das Museum zu. Dann dachten wir über Wanderrouten nach und es wurde immer heißer, kein Wunder, im Nachhinein sah ich, es war der wärmste Tag der Reise.
Die Bergsonne knallte schon wieder brutalst. Ich machte bereitwillig den Schlappi und wir fuhren nur an ein Waldstück, an dem wir voriges Jahr mit einer Wanderung begannen und setzen uns unweit einer wenig befahrenen Bergstraße an ein plätscherndes Bächlein. Ich kühlte meine kochenden Füße im Wasser und wir tranken auch davon, denn es schmeckt göttlich, weil es direkt aus dem Gebirge kommt. Dann begann Kitty Spielkind noch mit dem Bau einer Staustufe. Wunderbar.
Auf dieser Fahr entdeckten wir einen Ort, in dem es sich leben ließe: Michalowice liegt auf dem Hügel neben Agnetendorf und ist eine Ansammlung von Häusern und Karpfenteichen in lieblicher Berglandschaft unter den Schneegruben. Dort wachsen nicht allein düstere Nadelbäume, sondern üppige Birken und Linden. Leider scheint es kein Geheimtipp mehr zu sein, denn es stehen schon etliche Biznesmeny-Häuser dort und sogar ein Theater gibt es.
Das wäre doch ein Träumchen gewesen, hier eine kleines, feines „Zu verkaufen“-Häuschen aus den späten 20ern mit Talblick zu finden.
Danach war Badewanne angesagt und nun steht der Vollmond am veilchenfarbenen Abendhimmel.
Das Leben ist schön.

Miz Kitty reist mit dem Grafen – Von Schloss Wernersdorf auf zur Schneekoppe

Wenn es den kleinen Äffchen im Schloss Wernersdorf dann doch ein bisschen langweilig wird oder die Konditionierung aufwacht und immer hörbarer schreit: „Ihr könnt hier nicht nur rumsitzen! Geht wandern!“, ja dann ist es Zeit für den Ranger-Hut, die Wanderstiefel und die restliche Funktionskleidung. Ich wollte wandern und der Graf wollte vorgestern noch einmal auf die Schneekoppe. Ich bin ja nicht so der Typ für die Stellen, wo alle hingehen. Aber es ging ihm um den höchsten Gipfel. Diesmal gingen wir es von der östlichen Riesengebirgskante, vom tschechischen Ober-Klein Aupa oder Hory Mala Upa an. Der Graf hatte einen Wanderbericht gefunden, nach dem ein älterer Herr die Strecke in weniger als zwei Stunden geschafft hatte. Wir fuhren eine halbe Runde ums Gebirge und dann die Berge hoch auf den Pass. Die Tour begann und ich fühlte mich von Anfang an nicht so fit. Niedriger Blutdruck, Dröhnen in den Ohren, noch nicht warm mit den Bergen aber ich bemühte mich um Haltung. Was ein 74jähriger Ex-Leistungssportler schafft, schafft Moppel Kitty schon lange. Es begann mit einer lockeren Aufwärmsteigung, 240 Höhenmeter auf einen reichlichen Kilometer. Ich verwandelte mich binnen Sekunden in eine schnaufende Dampflok, das ist bei Steigungen mein normaler Betriebsmodus, so weit also alles normal. Der Graf trabte leichtfüßig vor – Marathonläufer halt – und wartete an den Wegbiegungen gern auf mich. Immer wenn wir uns kurz begegneten, bemühte ich mich um ein engagiertes Lächeln. Ganz hoch wollte ich eigentlich nicht, aber als mir einfiel, dass dort oben ein Postamt ist, wollte ich dem Kind doch unbedingt eine Karte mit Schneekoppenpoststempel schreiben, dann mussten wir flott machen, das Postamt schloss um 16 Uhr. An der steinernen Stuhl Steinernen Tafel schauten wir kurz ins Tal nach Polen. Es war zwar temperaturmäßig nicht übermäßig heiß, aber die Sonne knallte mir böse auf den Kopf. Bei der nächsten – moderaten – Steigung, kurz vor der Hütte erwischte es mich dann. Die übliche Panikattacke nach selbstgemachtem Leistungs- und Zeitdruck. Den Rest des Weges zur Jelenka-Baude legte ich heulend und hyperventilierend zurück. Gott sei Dank mit Sonnenrille, so dass es keiner sah.
Andere müssen nach Nepal fliegen, um im Annapurna-Gebirge zu kollabieren oder kraxeln die Eiger-Nordwand hoch, um sich von der Bergwacht abpflücken zu lassen. Miz Kitty ist da wesentlich sparsamer im Unterhalt. Ihr reicht das Riesengebirge, viel Sonne, der Gedanke, die Wasserflasche vergessen zu haben und niedriger Blutdruck.
Langer Rede kurzer Sinn: An der Jelenka-Baude war dann Schluss für mich und wir winkten dem einen Berg entfernten Schneekoppengipfel nur noch zu, denn die nächsten 400 Höhenmeter waren für mich illusorisch. Der Graf bemühte sich darum, mich schonend den Berg runter zum Auto zu bugsieren.

Böhmische und schlesische Dörfer

Unten im Tal war ich dann wieder so weit genesen, daß ich den Unterschied zwischen tschechischen und polnischen Riesengebirgsdörfern konstatieren konnte: In Tschechien ist alles wie geleckt, frisch gestrichen und mit Zierstreifen versehen, samt kameraüberwachten Parkplätzen und elektrischen Schranken und an jedem zweiten Haus steht „zu verkaufen“. In Polen ranzt alles friedlich vor sich hin. Man frage sich, wer von den Völkern mehr Spaß hat am Leben.
Horny Mala Upa ist übrigens ein Ort, an dem Geschichte Kondensationspunkte hatte. Die preußische Zollstation wurde 1866 durch Desertion des Zöllners verlassen (man erinnere sich, es war hier mal die Preußisch-Östereichische Grenze), die Wehrmacht brannte das Grenzhaus ab und mit ihm den tschechischen Zöllner, worauf ein paar Tage später vor der Ruine sieben deutsche Bewohner des Ortes standrechtlich erschossen wurden. Das ist noch nicht so lange her. Nun kommt der Europakapitalismus mit Niedrigpreis-Supermärkten, vollgepackt mit Nestlé- und Unilever-Produkten und Vorschriften.

Wir fuhren zurück, hielten aber noch einmal kurz in Arnsdorf (Milko), wo uns eine Kirchenruine aufgefallen war. Polen? Kirchenruinen? Absurd. Die Schautafel klärte auf. In der Zeit der preussischen Herrschaft hatte es protestantische Herrscher und evangelische Kirchen gegeben. 1945 wurde sie zerstört, in den 80ern stürzte das Dach ein und nun wachsen Bäume darin. Der Graf berichtet mit Fotos.

An diesem Abend war ich nicht lange wach, ich aß nur eine Suppe, trank zur Seelchenreparatur einen Stonsdorfer und ging früh zu Bett. Der Himmel erfreute uns mit Fast-Vollmond und über die Gipfel jagenden Caspar-David-Friedrich-Wolken. Den nächsten Tag verbrachte ich zur Rekonvaleszenz mit Nichtstun. Am Abend war ein Konzert im Schloss angesagt und ansonsten schlummerte ich, las etwas. badete und schwamm meine übliche Morgenrunde.

Konzert in Schloß Wernersdorf

Die Herren von Schloss Wernersdorf (Palac Pakoszow), die Familie, die es seit Jahrhunderten besaß, 1945 durch die europäische Teilung verlor und vor einigen Jahren wieder erwarb, veranstalten regelmäßig Konzerte im Barocksaal des Hauses. Seit vier Tagen gibt es wieder einen Flügel an der Stelle, an der er auch auf alten Fotos stand und deshalb wurde dieser im aktuellen Konzert eingeweiht.
Zwei junge polnische Solisten spielten Brahms, Paganini, Saint-Saens und Franck, musikalisch von extrem hoher Qualität und atmosphärisch sehr schön, denn der Saal mit dem riesigen Deckengemälde und dem Gebirgsblick war mit Kerzen beleuchtet.
Es waren sehr viele Besucher gekommen. Viele verbanden das Konzert mit einer Übernachtung, andere kamen von Hirschberg (Jelenia Gora) und es gab einen Trupp uralter, kleiner, runder Herrschaften im Sonntagsstaat, die sicher die örtlichen pensionierten Lehrerinnen, Amtsvorsteher und Ingenieure waren.
Und – auch wenn Sie genervt die Augen verdrehen – wissen Sie, wie wunderbar das ist? Aus dem Bett in die Badewanne gleiten, sich ein Kleid überwerfen, etwas Puder auf die Nase und Parfüm hinters Ohr, eine Treppe tiefer gehen und dort ist ein Konzert.
Das nächste ist übrigens im August.

Veröffentlicht unter Reisen

Miz Kitty reist mit dem Grafen – Schloss Wernersdorf, Niederschlesien

Na? Kennta? Kennta? Klar!
Zum Abschluss der Reise kehrten wir wieder für ein paar Tage in Schloss Wernersdorf (Palac Pakoszow) im Hirschberger Tal ein. Im vorigen Jahr hatten wir den Architekten noch bei der Arbeit erlebt, alles roch nach Farbe und das Personal fabrizierte mitunter freundliches Chaos, denn die Eröffnung war 3 Monate her. Nun sind die Wege fertig gepflastert, der Springbrunnen plätschert und alles hat sich eingespielt. Waren wir letztes Jahr fast allein (die Saison ist vor allem im Winter), gibt es nun eine moderate Gesellschaft von Mitlogierenden. Gut verdienende junge polnische Familien mit Kindern (angenehm gut erzogen!) und ältere deutsche Paare, oft aus dem Osten. Klar, das ist nicht weit. Aber man geht sich noch immer sehr angenehm aus dem Wege, denn es ist genug Platz und vor allem herrscht hier eine himmlische Ruhe, denn das Schloss ist etwas abgelegen. (Und, Frau Modeste: Man ist hier sehr auf Kinder eingestellt, im Haus und im Garten. Zwar kein Grand Hotel mit Samtportieren, aber es könnte Ihnen und dem kleinen F. gefallen.)
Nach einem Tag ging es uns in Schloss Wernersdorf wieder wie den kleinen Äffchen im Zoo: Essen, schlafen, spielen und dann wieder von vorn. Wir haben wieder ein Zimmer mit der Wanne neben dem Bett und Klo und Bidet in einem Pax-Schrank-ähnlichen Einbau mit Glasschiebtür, daneben eine Freisicht-Dusche. Nix für ältere Herrschaften, die sich schon aneinander sattgesehen haben und lieber getrennt schlafen, aber für uns sehr schön.
Ich genieße das hiesige Interieur. Im Gegensatz zu den polnisch geführten Schlössern ist dieses sachlich und modern eingerichtet. Ich genieße die haptisch und farblich angenehme Umgebung, die wenig visuelles Grundrauschen und doch Wärme und Geborgenheit erzeugt. Keine Schnörkel ist das Prinzip: Helle Eiche, weiße Wände, Marmor, Edelstahl, weißes Bone China-Porzellan, Riedel-Gläser, braune Stühle, rote Sessel, schwarze Sofas. Und überall WLan (überhaupt, kostenloses WLan haben hier nicht nur die Schlösser, sondern auch die Imbissbuden an der Landstraße).

Wir sind gerade exzessive Müßiggänger und denken natürlich öfter voll Reue darüber nach, ob das so richtig ist, es besteht schließlich die Gefahr, dass sich die Erde mit Blitz, Donner und Getöse öffnet und uns Todsünder verschlingt.
Mit täglich zweimal einer halben Stunde Achten schwimmen im Pool, einem üppigen Frühstück, gediegenem abendlichen Diner und Schlummer- und kleinen Schoki-Nasch-Inseln über den Tag verteilt schaffe ich es zwar in diesem Sommer nicht zur Bikini-Figur *hust*, aber die Hosen klemmen auch nicht. Ich habe nicht das Gefühl, ich müsste wegen Unausgelastetsein nun in heftige Aktivität ausbrechen.
Nun ja, wir haben heute mittag ein eBook zwecks Lektorat gesichtet und schon darüber nachgedacht, morgen wandern zu gehen. Wobei des Grafen erster Vorschlag, 26 km, mir etwas sportlich erschien, sind doch auch etliche Höhenmeter zu überwinden.

Wir werden berichten.

Miz Kitty reist mit dem Grafen – Palac Tlokinia, Opatowek, Großpolen

Der Graf hatte mit seiner Idee, doch noch weiter in Richtung Osten zu reisen, sehr recht. Wir landeten in Opatowek unweit von Kalisz. Das ist wirtschaftlich prosperierendes Polen. Kilometerweit ziehen sich Gewächshäuser mit Gemüse und Blumen hin, dazwischen sitzen mittelständische Firmen.
Der Palac Tlokinia ist ein Gründerzeitpalais mit Park inmitten dieser sehr zersiedelten Landschaft, das von einem bürgerlichen polnischen Ehepaar vor dem ersten Weltkrieg gebaut wurde. Viel Glück hatten die beiden nicht, denn der Mann starb vor dem zweiten Weltkrieg und die Frau musste sich nach 1945 200km entfernt niederlassen, sie lebte noch bis in die 70er, aber ihre Spur verliert sich in Breslau. Der Palast verfiel zur Ruine und wurde vor einigen Jahren von einem ortsansässigen Unternehmer wieder aufgebaut, der zumindest Erde von dem Friedhof, auf dem die Witwe vermutlich liegt, in ein Grab im Park legte.
In den Räumen finden sich großformatig abgezogene Fotos des Ehepaars und seiner Besucher und Verwandten. Bei der Jagd, beim Skifahren, beim Tennisspielen, beim Tontaubenschießen, beim Teetrinken. Leider sind die Informationen, die wir fanden, lückenhaft und schwer verständlich. Weder ist zu erfahren, wovon Zofia und Ignac Chrystowski lebten, noch weiß man, was der Witwe in der deutschen Besatzungszeit geschah. (In Opatowek ist der Ursprung der nationalpolnischen Bewegung der zweiten Republik und das Paar sieht sehr jüdisch aus. Ein weites Feld für Spekulationen.)
Man kann auch trefflich über die Motivation des Unternehmers spekukulieren, das Leben einer bürgerlichen polnischen Kapitalistenfamilie wieder auferstehen zu lassen. Identitätssuche?
Nun ist das Haus wieder pikobello in Ordnung und um einen riesigen Festpavillion ergänzt, in dem, als wir ankamen, eine zünftige polnische Hochzeitsparty stattfand. Eine Band spielte Polka und Polonaise, die Damen trugen waffenscheinpflichtige Kleidung mit turmhohen Schuhen und die Kinder hatten feine Kleider an und einen Riesenspaß. Der Blumenschmuck – weiße Gladiolen und Rosen – war in riesigen Gestecken kübelweise über das ganze Anwesen verteilt. Grund genug, sich eine Rose zu klauen, das bringt sicher Glück.
Wir logierten allein im Kontorgebäude und hatten ein hinreißend eingerichtetes kleines Zimmer. Kitsch as Kitsch can:
Palac Tlokinia, Opatowek
Amor-Bett
Rechts oben im Bild die weiße Rose, für die ich aus einer kleinen Mineralwasserflasche eine Reisevase gebaut hatte. Die Möbel stammen samt und sonders aus Italien, sind aus schwerem und massivem Holz, sehen aus wie aus altväterlichen Zeiten und müssen schlichtweg ein Vermögen gekostet haben. Das Bett übrigens das erste echt französische – also ohne Ritze – auf dieser Reise.
Wir dinierten allein im oberen Salon, assistiert von zwei Kellner-Lehrlingen, die sich ganz furchtbar Mühe gaben. Meine Rote-Bete-Suppe mit Sahne gab eine unglaublich gute Harmonie mit meinem grauen Kleid. Was der Graf fotografierte, ich aber nicht getwittert haben wollte, weil: „Wääh! Auf dem Foto hab ich ne Knollennase!“ Zicken? Kann ich.

Unser einsames Diner erinnerte mich an einen der schönsten Urlaube in meiner Kindheit, im Jagdschloß Speck, in der Nähe der Müritz. Der Großvater konnte nicht der Belegung gemäß Urlaub bekommen (ein Wochenende alle 14 Tage war für die Angestellten frei, Samstag war Abreise und erst Montag wieder Anreise) und wir waren in dem Schloss mit Pool und See allein und aßen zu viert im riesigen Saal. Ich habe mich lange Jahre im Gedränge und der unkomfortablen Enge anderer Ferienmöglichkeiten mit Wehmut an diese zwei Tage zurückerinnert.

Die Nacht im Bett mit dem Amor war kuschlig und ruhig und am Morgen fuhren wir nach einer Runde durch den Schlosspark nach Kalisz, bevor wir ins Riesengebirge abbogen. Schon im Schlosspark begann es zu regnen und der Gedanke, im strömenden Regen durch eine Stadt, zu laufen, die außer Häusern und leeren Geschäften (das Einzelhändlersterben um den Marktplatz hatte zugeschlagen) nicht viel zu bieten hatte, beflügelte mich nicht sehr. Einzig ein großer Antiquitätenladen hatte Anziehungskraft. Hier sahen wir schöne Stücke zu akzeptablen Preisen, wie sie nah an der Grenze schon längst ausverkauft sind. Der Graf fand einen hübschen Römer, der den vor einem Jahr von mir zerschlagenen ersetzen konnte und weiter ging es in Richtung Südosten, ins Gebirge, weg vom flachen, kornbestandenen Großpolen.