Jetzt echt ma!

Da laufen mir Leute über den Weg, die üben einen Job aus, Fotograf zum Beispiel. Dieser Job bedingt mittlerweile auch, dass sie einfach einen Stapel Fotos zu Auftraggeber und/oder Berater schicken, damit diese eine Vorabschau haben. (Früher gab es statt dessen die großen „Kaffeetrinken mit Fotografen“-Termine, bei denen man die Lupe zückte und Kontaktabzüge ansah.)
Wenn diese Leute es nun ums Verrecken nicht hinkriegen, einem die Fotos zu übermitteln, habe ich mir früher den A… aufgerissen, technische Nachhilfe zu geben. Jetzt ist es mir egal. Eine Fotografie-Studien-Absolventin hat so etwas zu können, wenn sie für ihre Fotos Geld verlangt. So.
Meine Mailboxen sind nur ganz ganz oben limitiert. 100 Mb per Mail schicken, das könnte schwierig werden. Aber jemand, der keinen Webspace zum Datentransfer hat, keine Dropbox, keinen Flickr-Acoount oder wasauchimmer es in der heutigen Zeit zu Haufen gibt und mir dann noch schreibt: „Ich verstehe da nicht viel davon!“

Kopf -> Tisch. Ich sach euch!

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Wiedermal

denken alle daran, wie es war, als man plötzlich die berühmte verbotene Tür öffnete.
Die Leute gingen durch die Mauer und die Welt ging nicht unter. Es gab keinen Krieg, es rollten keine Panzer. Auch wenn ich den 9. November schlicht verschlief, weil ich bei Mann und Kind im Oderkaff war und nicht in meiner Studentenbude in der Kopenhagener Straße, unweit der Bornholmer Brücke.
Da war dieses allumfassende „Wahnsinn“, im Nachhinein grotesk, dass alle dieses Wort benutzten, aber keiner, keiner hätte sich das so vorstellen können. Dann das Gefühl, dass die Geschichte innerhalb weniger Tage einen riesigen Sprung gemacht hatte. Die Erleichterung, dass es ohne Terror und Tote abging, für mich war die groß. Schließlich wäre durch meine Familie damit ein großer Riss gegangen. Mehr noch, ich hätte mich gegen meine Familie stellen müssen. Vor allem gegen meinen Großvater, den ich sehr liebte, der aber nun einmal pensionierter NVA-General war.
Ich war stolz, darauf, daß ich plötzlich auf der Seite derer stand, die Recht hatten, dass es so nicht mehr weiterging, dass es richtig war, diese Geronto-Staatsmacht zu kippen.
Gleichzeitig machte ich mir keine Illusionen. Zwei deutsche Staaten würde es nicht lange parallel geben. Das wäre die Reproduktion der Situation vor 1961. Im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, man müsse in der Situation allgemeiner Euphorie die Leute, die so beharrlich von den „Brüdern und Schwestern“ redeten, beim Wort nehmen. (Ich glaube nach wie vor, dass es keine angenehmere Alternative gegeben hätte. Um den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft und die Identitäts- und Wirtschaftskrise wären wir nie herum gekommen. Ich glaube auch nicht, dass einer der grummelnden älteren Herrschaften im Osten je in den letzten 20 Jahren mit einem Ungarn, Tschechen oder Polen tauschen wollte.)
Ich saß da und hatte ein Gefühl von Zukunft, das zum ersten Mal nichts mit „keinen Ärger provozieren, von der Umarmung der Genossen fernhalten, kleines Glück finden“ zu tun hatten. Meine Gedanken waren zum ersten Mal frei und kollidierten nicht mit der Position meiner Familie. Ich dachte auch zuerst gar nicht so dringend an Coca Cola, Bild-Zeitung und Bananen. Das würde sowieso kommen und derzeit hatten wir kein Geld dafür, hatte meine Familie doch Null Westkontakte.
Meine Zukunfts-Phantasien waren wie üblich verschroben, leicht größenwahnsinnig und sahen aus wie Hollywoodfilme. Meine Großeltern  hatten einen bestimmten Standard von „Bürgerlichkeit“ (eigentlich eine Lachnummer, bei so 300%-Kommunisten), meine Träume waren eine moderne Fortsetzung davon. Es ging darum, sich respektvoll zu behandeln, andere nicht unter Druck zu setzen, trotzdem hohe Erwartungen zu haben, schön gekleidet und gepflegt zu sein, sich mit guten, dauerhaften und wertvollen Dingen zu umgeben. Auswählen zu können, je nach Vermögen. Sich in Freiheit bewegen zu können, ohne Kontrolle. Diese piefige, missgünstige, kleinbürgerliche Nähe abschütteln, das Blockwartgehabe, ebenso die intellektuelle Dissidenteria zu verlassen, die in ihren Nischen klemmte. Denn ich wollte Anerkennung, die hätte ich in diesem Staat nur bekommen, wenn ich linientreu gewesen wäre, denn zum Querulanten eigne ich mich nicht.
Plötzlich waren alle Geschichten wieder möglich, in denen es um Freiheit ging. Roadmovies, Eskapistisches, große Shows. (Was ist das für eine Amour Fou-Story, wenn die Beteiligten morgens 6 Tage die Woche um 5 Uhr aufstehen müssen, um knuffen zu gehen?) Mir fehlte die Überhöhung. Bigger than Life gab es nur im verklemmten, asexuellen heroischen Stil der Kriegshelden- und Arbeiterkämpferverehrung. Das alles war nun vorbei, Neues war möglich und ähnlich sah ich mein Leben neu erstehen.

Unsere Direktive – Kultur am Arbeitsplatz

So hieß es in den 70ern in der DDR und so stand es auch an unseren Wandzeitungen. Ein paar pubertierende Lümmel aus den höheren Klassen hatten das Wort Kultur ausgestrichen und SEX drübergeschrieben. Das gab natürlich Ärger…
Und was meinen Sie dazu?

Miz Kitty vor fast 15 Jahren, fotografiert von einem sehr geschätzten Profi. Das Foto garnierte mein jährliches Werbe-Druckwerk. Was man auf dem Foto des gedruckten Fotos nicht sieht: Es war ein bisschen „Aber Hallo!“ Mehr als Spitzenkante meines BHs blitzte dort und es wurde kurz darüber geredet, ob man das nicht retuschieren müsse. Ich wollte das nicht. Ich hatte Spaß an der Frau im Nadelstreifenanzug mit der kleinen Offenherzigkeit. Das bin ich, zart und hart.
Für das Geschäft war es natürlich nicht schlecht. Ich hatte nie wieder so viele Einladungen, die Verhandlung doch persönlich und nicht per Telefon zu führen. (Plötzlich war es dann auch der Chef und keiner seiner Indianer.) Man ging essen, redete, machte auf den Abschluss den Deckel drauf, orderte sogar nach und ich verdiente gut.
Ich führte das zunächst nicht auf das Foto zurück. Bis mir eine Freundin, die in einer der nämlichen Firmen arbeitete, sagte, ihr Chef wäre so angetan von mir, er erzähle gern, ich wäre nicht nur gut im Job, sondern auch noch attraktiv, er hätte das Foto im Katalog mit der Realität abgeglichen.
Sex Sells. Isso. Der Anlass für diesen Ausflug in die Vergangenheit ist eine junge Dame, eine Bäckerin und die Diskussion, die sich um ihre Webpräsenz entspinnt.
Aufgeschnappt hatte ich das bei der Kaltmamsell, die schrieb:

Allerdings hätte mich zudem interessiert, warum Frau Pölzelbauer ihre Bäckerei online mit erotischen Fotos von sich präsentiert.

Und ich dachte „Skandal“ und klickte neugierig die nette Bäckerin an. Was ich sah, war eine Homepage mit Fotos, die ich eher in eine Modestrecke sortieren würde. Was ich noch sah war: Die Frau ist schön! Sie ist ein bißchen unnahbar. Sie zeigt einmal nackte Füße, mal Hände voll Mehl und einmal eine nackte Schulter. Sie suggeriert dem Betrachter keine erotische Situation und auch zeigt auch keine irgendwie erotisch konotierte Körpersprache. Die Erotik entsteht – wenn überhaupt – im Kopf des Betrachters.
Ist das erotische Fotografie? Da wird schließlich nicht mit einem anonymen Tittenmädchen Brot verkauft, sondern die Macherin wird neben ihren Maschinen abgelichtet. Erinnert sich noch jemand an den Puddler von Meunier? An dieses ganzes Genre das im 19. Jahrhundert halbnackte, athletische Männer bei der Industriearbeit abbildete? Soll das eine Männerdomäne bleiben, weil Mädchen sich brav bedeckt halten müssen, weil ja jemand was denken könnte? Aber bitte!
In den Kommentaren klingt noch etwas an: Das hat sie sich doch nicht selbst ausgedacht! (Achtung, Opferalarm!) Kann sich nicht einmal eine experimentierfreudige, selbstbewußte junge Frau, die zu ihrem Äußeren steht, in einem fragwürdigen Marketingkonzept verrennen? (Zum Fragwürdigen zähle ich diese 5-Elemente-Geschichte genauso wie die extrem persönliche Verkaufe. Es wird viel behauptet. Ob sie gutes Brot bäckt, wird sich zeigen)

Selbst wenn mein Foto 1998 solche Reaktionen gehabt hätte (hatte es vielleicht auch bei einigen, aber da habe ich ein zu hohes Ignoranzpotential, um das mitzubekommen), ich wollte das. Ich fand mich schön und ich wollte etwas ausprobieren und nicht brav sein. Brav, das ist für die anderen.

Hausmütterchenalarm

Mal wieder ein Castingbriefing aus der Hölle
(die Verteiler vergessen einen nicht)

Wir suchen eine Frau zwischen 28-33 Jahre alt, natürlich, gutaussehend. Sie ist kein Hausmütterchen, aber auch keine Tussi.
dazu:
Junger Familienvater (30-33). Netter sympathischer Typ, kein Langweiler.
(garniert mit einem Moodfoto des 47jährigen Ben Stiller)
dazu:
Kinder (6-9)

Frauen in der Werbung bekommen also zwischen 19 und 27 ihre Kinder. Dit is ja wie in der DDR. Die dazugehörigen Männer sind so alt wie sie, sehen aber 15 Jahre älter aus. Dit is ja och wie in der DDR.

AAAAAHHHHHHH!

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