10 Gründe, nicht Schauspielerin zu werden

Ein Rant von Josephine, veröffentlicht auf ihrem Theaterblog und ihrem privaten. Ich habe tiefes Verständnis für die Wut ihres Textes. Vielleicht schafft sie es, einen Frieden mit sich und diesem Beruf zu machen.
Denn es lohnt sich nicht. Schauspielerin ist der meist überschätzte Beruf, den ich kenne.
Vorangeschickt: Der nachfolgende Text enthält wenig positiv verpackte klare, aus der Erfahrung gewonnene Fakten, bezieht sich auf keine konkrete Person und gilt in geringfügigen Variationen auch für Männer.
Nebenbei: Ich weiß sehr genau, wovon ich rede.

  1. Lookism ist die Essenz des Schauspielerinnenberufes*. Eine Schauspielerin ist (auch) Skulptur, ihr Körper ihr Instrument. Es heißt nicht umsonst Zuschauer, ihr Beruf ist es, gesehen zu werden.
    Sie ist Projektionsfläche für die Träume des Publikums. Träume sind sehr uniform, bestätigen kulturelle Stereotypen und handeln in der Regel von nicht alltäglichen Personen, die einem Ideal entsprechen und überhöht sind.
  2. Die Auswahlmechanismen staatlicher Schauspielschulen spiegeln die personellen Strukturen des Storytellings wider, diese wiederum sind ein Spiegel unserer Gesellschaft  Es werden 60-75% Rollen für Männer geschrieben, die verbliebenen Frauenrollen sind zu 80% unter 35 Jahren alt und entsprechen dem aktuellen Schönheitsideal. Unsere Kultur erzählt Geschichten von männlichen Helden und attraktiven Frauen, die gerettet und erobert werden.
  3. In der Aufnahmeprüfung gesagt zu bekommen, man entspräche nicht den gängigen Erwartungen an Äußerlichkeit ist nur der Anfang, besonders an dieser Schule, deren Absolventen eine fast 100%ige Jobchance haben. (Wo kommt die denn sonst her?) Für alle, ob hässlich oder hübsch, dünn oder dick, laut oder leise, schnell oder langsam, gilt: Sie werden Dinge hören, die ihnen ein dickes Fell verschaffen oder sie werden aufgeben. Denn sie tragen in Zukunft ihre Haut zu Markte. Besser, sie ist eine Rüstung.
  4. Es gibt sie, die nicht schönheitsnormgerechten Frauen an Schauspielschulen. Sogar verdammt gute. Es werden nur keine Rollen für sie geschrieben. Leider.
    Trotzdem sind erfolgreiche Schauspielerinnen in Europa nicht ideal schön. (Im Gegensatz zu den operierten Amerikanerinnen.)  Sie entschuldigen und schämen sich nur nicht dafür. Hadern mit sich im stillen Kämmerlein ist erlaubt, das machen wir alle.
  5. Ist es wirklich sinnvoll, ein hammerhartes Spezialistinnenstudium zu absolvieren (denn ein Schauspielstudium qualifiziert für wenig anderes), im Wissen um geringen Verdienst, schwierige Jobchancen und Marktbedingungen? Was die Bewerber in den Aufnahmeprüfungen erleben, setzt sich im Arbeitsleben fort: 500 bis 800 Leute, die um einen befristeten Job konkurrieren, der selten Entwicklungschancen verspricht.
  6. Wer sich in diese Welt begibt, muss entweder verdammt gut mit sich selber klarkommen oder aber den harten Weg lieben. Meist letzteres. Das ist das Tragische. Die Unvergessenen sind die, die ihr Herzblut gaben. Die guten Technikerinnen sind bei weitem nicht so interessant, man goutiert ihre Virtuosität, aber sie lassen kalt. Bigger than life zu sein, kostet Seele.
  7. Wer Schauspielerin werden will, um sich selbst auszudrücken, anerkannt oder wohlwollend betrachtet zu werden, ist auf dem Holzweg. Das ist ein Prozent dieses Knochenjobs.
  8. Wie sinnvoll ist es, Jahre um einen Studienplatz zu kämpfen, dessen Absolventinnen im Alter von 35 zu 80% aus dem Beruf ausgeschieden sind? (Dies gilt für Frauen und „unmännliche“ Männer.)
  9. Ist es wirklich so toll, zu machen, was andere sagen? Ich finde nicht. Die Weisungsgebundenheit von Schauspielerinnen hat Sub-Dimensionen.
  10. Die Genugtuung, mit dieser Ausbildung irgend jemandem etwas zu beweisen, geliebt zu werden, sich selbst zu heilen, den hungrigen Narzissmus satt zu bekommen, ist nicht nachhaltig. Das schafft eine gute Therapie besser.

Gestern Abend vergaß ich den optimistischen Ausblick. Wenn sie es geschafft haben, dürfen Sie dann das machen:

Diese Frau ist einmal durch die Hölle gegangen und zurück.

* Seien wir mal ehrlich: Brad Pitt, George Clooney, dieser Mr. Cumerbatch oder wer auch immer werden sicher nicht wegen ihrer überragenden Schauspielkunst geschätzt. Lookism? Aber hallo, meine Damen!

Nachtrag einen Tag später.
Filmempfehlungen vor Beginn des Studiums wären: „Salut l’artiste“, die Anfangsszene von „Tootsie“ und „A Chorus Line“

Es tut mir leid*

hier sind keine Bekenntnisse zu erwarten. Ich eignete mich nicht zum Mobbingopfer, weil ich zu weit außerhalb der Hackordnung stand, man hat außer Versuchen nicht einmal die Energie aufgebracht, mir diese Beachtung zu schenken. Meine Reaktionen waren auch nicht adäquat. Entweder ich verstand nicht, was die Leute von mir wollten oder wenn ich es verstand und es mich ärgerte, habe ich ziemlich kompromisslos zugeschlagen. Dann war die Sache erledigt. Oder ich zog mich zurück. Ohnehin meine normale Existenzform.
Ich hatte auch nicht den Drang mitzumobben, weil mir jegliche Gruppenveranstaltung zuwider war. Einmal klinkte ich mich nach langem Zuschauen in so eine „Iiiii die stinkt!“-Sache ein, in der fünften Klasse, mit einem Satz. Und dem Gedanken: Komisch, dass andere so was toll finden. Einen Tag später musste ich zu Direktorin und bekam den Kopf gewaschen. Ich, allein. Meine Erkenntnis daraus: Aha, wenn man so was macht, muss man sich danach rechtzeitig verpissen oder leugnen. War nicht meins.
Im Täter und Opfer sein war ich wahrscheinlich ganz normal. Wie das so ist auf dem Schulhof, mal fängt man einen Spruch oder einen Tritt, mal kommt einer zurück.
Ansonsten bin ich im Nachhinein ob der Geschichten anderer erstaunt, wie harmlos meine Plattenbaukindheit in den 70ern war. (die Zeit vorher als Kind allein in einem Riesengarten zählt nicht). Im Kindergarten gab es Hänselchöre. Ich sei ein Angeber. Ja, für mich war es normal, zwei Wochen in den Winterurlaub zu fahren. Aber ich wollte da sowieso nicht hin, also in den Kindergarten, zu viele andere Kinder, zu laut, zu hektisch. Also klappte ich die Ohren zu.
Die Schule schaffte es, eine Menge verschiedener Kinder zu integrieren. Bis auf die ein, zwei ganz gestörten Aggros, die um sich prügelten, nichts lernten und den Unterricht unmöglich machten, integrierte meine Schule so ziemlich alle. Es gab sogar einen autistischen Jungen, der in der Pause in der Ecke stand, mit dem Gesicht zur Wand, immer mal mit den „Flügeln“ schlug (er ruderte mit den Armen als wolle er losfliegen), der aber für keinerlei Kontakt zu haben war, weil er dann schreiend und schlagend auf alle losging. Deshalb hielt man sich fern von ihm und er war ein irre guter Schüler, solange er nicht reden musste. Auch ein schwer verhaltensgestörtes Mädchen fand Hilfe in der Klasse, obwohl sie schwierig war und ich bis heute noch nicht weiß, ob die Horrorgeschichten, die sie über ihre Stiefmutter erzählte, wahr oder ausgedacht waren.
Ansonsten gab es viele Dinge, für die man heute Schulpsychologen bemühen müsste: Gut über die Population verteilte, meist unblutige Prügeleien, Mappen und Mützen flogen über die Zäune, kleine Aggressionen. Aber selten etwas, das wirklich Grenzen überschritt und das hatte dann schnell Konsequenzen. Es gab lange Geduld mit einem Jungen, der wie ein gereizter Pitbull war (diese Aggro-Jungs waren alle aus ähnlichen Familien), als er eine schwangere Lehrerin trat, war die dann zu Ende. Eine Erzieherin attackierte einmal meinen Bruder. Das war eine absolut schräge Sache. Aber auf die Beschwerde meiner Eltern gab es eine Reaktion. Ein sadistischer Sportlehrer wurde von Vätern, die sich zusammengefunden hatten, grün und blau gehauen. Die soziale Kontrolle im Viertel war dörflich engmaschig. (Vielleicht hat Unfreiheit Vorteile für Leute, die mit Freiheit nichts anzufangen wissen.) Nichts, was man sich schönreden kann, aber es war scheinbar anders. Harmloser? Ich weiß es nicht. Es war keine gewaltlose Zone, über die plötzlich unmäßige Gewalt hereinbricht wie ein Vulkan, vor der alle hilflos wie die Hühner deeskalierend herumrennen. So kommt mir das heute manchmal vor.
Meine Außenseiterposition als dickes, nerdiges Mädchen war nicht immer angenehm. Einsamkeit und Unverstandenheit sind überhaupt nicht angenehm. Aber erträglicher als vieles andere. (Wenn es das Internet gegeben hätte, das wäre gut gewesen.)
Da ich mich nicht verstanden fühlte – ich las zu viele alte Romane und Lexika und hatte victorianisches Kopfkino, garniert mit wissenschaftlichen Erkenntnissen – die Schule mich nicht wirklich ausfüllte, auch wenn ich im Unterricht abgestellt war, mich um schwächere Schüler zu kümmern (Sie merken, wir kommen zum zweiten Bekenntnisblock), ging ich mit 10 oder 11 Jahren, weil Socialising zu stressig war, einfach mehrere Wochen nicht mehr hin. Ich verpasste nichts. Heute würde man sagen unterfordert, hochbegabt. Klassen überspringen, das gab es damals nicht und dazu waren meine Fähigkeiten nicht ausgeprägt genug, ich war kein Superhirn. Nur eine normale Nerdesse. Außerdem: Hochbegabung hat einen Nutzen wie überirdische Schönheit. Man kann sie schmalspurig ausbeuten, aber sozial ist sieeher behindernd. Mein Vater und ich sind mit dem gleichen IQ geschlagen. Aber meine Grütze im Kopf verwandelt sich seit dem Burnout sofort in Popcorn, wenn ein Zeitlimit dazukommt. Nicht wichtig also, weil zu fragil.

*Keine Verteidigungsrede, kein Abwiegeln. Einer der besten Freunde hat tiefe Schäden von Mobbing aus der Kindheit davongetragen. Diese Wichser, die ihm das angetan haben, möchte ich noch immer umbringen, wenn ich auch nur die Andeutungen lese.

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Normalität ist eine Frage der Perspektive. Für Risiken und Nebenwirkungen konsultieren Sie die Gaußsche Normalverteilung. Es ist nie gut, in einer Gruppe von Schwachmaten der „andere“ zu sein.

Langeweile am Sonntag nachmittag? Nicht hier!

Ein kühler, regnerischer Sonntag nachmittag kann langweilig sein. Aber das lässt sich schnell ändern. Sorgen Sie für prickelnde Action!

  1. Pusseln Sie in der Küche rum. Füllen Sie das Geschirrspülpulver aus der Tüte in die Metallflasche um, die Sie immer benutzen. Stellen Sie dafür unbedingt die Flasche mit dem Trichter etwas erhöht und nicht nach unten in die Spüle. Schauen Sie noch einmal genau hin, ob die Flasche schon voll ist, rütteln Sie am Trichter und verteilen Sie etwas Pulver sorgfältig in der Umgebung. Schnüffeln Sie gründlich. Das neue Produkt hat einen neuen Geruch!
  2. Den Effekt können Sie verstärken, indem Sie zusätzlich Waschsoda locker aus der Tüte in einen Topf schütteln.
  3. Setzen Sie sich entspannt ins Wohnzimmer und lesen Sie die aktuellen Tweets. Reiben Sie sich ab und zu die Augen und wundern Sie sich, woher das fiese und stärker werdende Brennen kommt.
  4. Sinnieren Sie über den aktuellen Pollenflug und darüber, dass die Birkenpollen doch längst durch sind.
  5. Reiben Sie nochmals kräftig ihr rechtes Auge, hören Sie das Feedback Ihres Gatten: „Was ist denn mit deinem Auge los?“und bauen gaaanz langsam die Kausalkette Alkalisches Reinigungspulver -> Staubwölkchen -> Auge auf.
  6. Spülen Sie mehrmals das Auge aus. Es sollte jetzt gut dunkelrot sein.
  7. Legen Sie sich eine Stunde schlafen. Lesen macht jetzt sowieso keinen Spaß.
  8. Nach dem Erwachen sollte sich die äußere Haut des Auges abgelöst haben und alles sieht schön verschwollen aus. Stolpern sie etwas ratlos und schlecht sehend durch die Gegend und granteln sie ob des tränenden Auges herum, das sich anfühlt, als hätten Sie Sägespäne darin.
  9. Lesen Sie sicherheitshalber im Internet nach, ob das gefährlich ist. Vor allem da der Gatte schon das Wort „Notaufnahme“ fragend in den Raum gestellt hatte. Üben Sie ob der Informationen, die Ihnen das Suchergebnis bietet das Mantra Oh mein Gott! Ich werde erblinden!
    Außerdem wird sich bald eine leichte Übelkeit einstellen, die mit dem Gedanken verbunden ist, dass Ihnen bald ein Arzt am Auge fummelt.
  10. Telefonieren Sie mit der Notaufnahme der Charité und lassen Sie sich ins Virchow-Krankenhaus komplimentieren. Verbunden damit sind die Empfehlung, schnell zu kommen, das Auge zu bedecken und auf keinen Fall selbst zu fahren.
  11. Verlassen Sie sich bei der Taxibestellung auf Ihren Gatten und kleben Sie sich leicht verstört unter großzügiger Verwendung weißen Pflasterbandes eine Mullkompresse auf das Auge.
  12. Irren Sie wie ein geblendeter Hase durchs Treppenhaus, ins Taxi und durch die Flure des Krankenhauses. Ignorieren Sie, dass der Taxifahrer auf der kurzen Strecke genauso verpeilt unterwegs war und einen riesigen Umweg fuhr.
  13. Genießen Sie die Signalwirkung ihres halb verklebten Kopfes. Ihr Outfit wird ihre Wartezeit beträchtlich verringern. Außerdem können Sie zum Zeitvertrieb analysieren, wie stark sich der Ausfall eines Auges auf ihr Wahrnehmungsvermögen auswirkt.
  14. Der Wartebereich ärztlicher Notaufnahmen in Metropolen bietet hervorragende Einblicke in die Familienstruktur und -kommunikation ihrer Bewohner. Hier kommt kaum jemand allein. Vergessen Sie nicht, auch Sie sind in Begleitung ihres Gatten.
    Vor allem südländische Patienten reisen mit ihrer gesamten Familie an, das können durchaus sechs Personen sein. Auch ältere Angehörige, die zu Hilfe geeilt sind und sich notdürftig mit Sonntagshütchen, Gesundheits-Sandalen und eilig gegriffenem Wintermantel bekleidet haben, tragen zum pittoresken Charme des Ensembles bei.
    Hören Sie zu, das ist amüsant. Die Umsitzenden unterhalten sich, als würden Sie zu Hause auf dem Sofa sitzen. (Was sie ja auch sonst tun würden, müsste die Tochter nicht gerade wegen eines Bienenstiches im Gesicht dem Arzt vorgestellt werden.)
    Genießen Sie die Nähe anderer Menschen. Gerade im Virchow-Klinikum sind die wenigen Sitze des Wartebereiches noch in der historischen Schmalheit der 70er Jahre und eng nebeneinander geschraubt. Dazu Gepäckstücke, Taschen und Mäntel, knapp daneben der Strom der blau, grün und weiß gekleideten Notaufnahme-Angestellten, das ist wahres Gefühl von Zwischenmenschlichkeit.
  15. Lassen Sie sich von einer netten AIPlerin verarzten und beruhigen, dass dies nur eine Verätzung ersten Grades ist, die sich von selbst wieder gibt. Beobachten Sie nebenbei, wie der hinzugekommene AIPler aus dem HNO-Raum nebenan mit der jungen Dame flirtet. Spinnen Sie sich eine kleine Krankenhaus-Soap im Kopf zusammen.
  16. Suchen Sie mit dem Gatten den Ausgang aus dem Krankenhaus-Labyrinth, die Beschilderung hilft nicht. Kommen Sie an einem halben Dutzend türkischer Großfamilien vorbei, die mit einem kranken Angehörigen in dem Wartebereichen der Eingänge zu den Stationen Picknick machen.
  17. Bewundern Sie den Taxifahrer, der Sie für 60% des Preises der Hinfahrt nach Hause chauffiert.
  18. Entspannen Sie sich, das Auge wird in den nächsten Stunden dank guter Schulmedizin-Augentropfen wieder abschwellen. Danken Sie dem deutschen Gesundheitssystem, dass dieser Aufenthalt nur eine Stunde gedauert hat und nicht den Rest des Tages.

This is how I work

Isabella Donnerhall hat ein Stöckchen geworfen, nicht an mich, aber ich finde es spannend zu lesen, wie andere arbeiten und mich selbst zu beschreiben.
(Zum besseren Verständnis, ich setze manchmal noch einen Kommentar zu meiner Job-Arbeitsweise darunter, die ist ganz anders als das Schreiben im Blog.)

Miz Kitty’s Tagebuch war schon immer ein klassisches Befindlichkeitsblog (früher sogar ungeoutet und hochgradig anonym), garniert mit Ausflügen in Gesellschaftsanalyse und Kunst- besser Kulturkritik. Mit mir selbst bin ich nun mal geschlagen, da kann ich nichts ändern, das ist mein Leben. Manchmal gibt es Ausflüge in das, was ich „Miz Kitty’s Flying Matriarchal Circus“ nenne: Kochrezepte, Haushaltstipps, neuerdings wieder Näharbeiten.
Was die analytischen Dinge betrifft: Ich äußere mich zu bestimmten Themen auch, wenn ich nicht mit dem Strom schwimme. Das mag gerade beim Thema Feminismus mitunter stören, Frauen sind untereinander eher konsenshungrig. Aber mir ist das egal. Ich weiß, dass ich da etwas zu sagen habe. Das hat nichts mit Mangel an Solidarität, sondern mit anderem Blickwinkel auf bestimmte Dinge zu tun und einer Menge sozialer Erfahrung, einer gänzlich anderen als eine Menge anderer Frauen, die sich dazu äußern.
In der Kunst- und Kulturkritik mag ich die die Spitze und Pointe, die aber halbwegs auf Kenntnis und Bildungsinstrumentarium beruht.

Digitale Gerätschaften:
Ein fast 5 Jahre altes iPhone 2G, dessen Akku unkaputtbar ist, auf dem kaum noch Apps laufen und eines der ersten iPads (beide mit Minimal-Speicherplatz) und ein MacBook 13“, im Büro steht ein Cinema-Display mit Bluetooth-Tastatur und Magic Mouse.
Analoge Gerätschaften:
Berge von Kladden, die überall rumfliegen. Entweder Clairefontaine mit Linien oder Restbestände von Uromas alten Kontorbüchern (A5), dazu Bleistifte HB und ein Metall-Lamy mit breiter Spitze und dunkelblauer Dokumententinte (der zarte Pelikan-Stresemann mit Goldfeder, den ich vor ein paar Jahren geschenkt bekam, ist leider eine unbrauchbare Zicke). In die Kladden schreibe ich Jobnotizen und Synopsen und Figurenporträts. Also meine ungeschrieben Romane. Für seltene, besonders kreative Anfälle gibt es das A4-Künstlerbuch aus Aquarelllkarton, das mir das Kind schenkte, da zeichne ich mit Feder und Japantusche Storyboards hinein. Meine ungedrehten Filme.
(Interessant, wie ich gerade merke, daß meine fiktionalen Versuche – als Arbeit kann man das nicht ernst nehmen – für die analogen Gerätschaften reserviert sind.)
Für meine Jobnotizen gibt es außer den Kladden große, weiße A1-Bögen, von denen in einer Beratungsstunde 2-3 nebeneinander liegen. Auf die Bögen kommen große Mindmaps, die mit dicken Filzstiften in klaren Grundfarben geschrieben und gezeichnet werden.
Arbeitsweise:
Beim Schreiben: Flow. Wie beim Surfen, die meiste Zeit vergeht beim Warten auf die Welle.
Beim Beraten: Absolut fokussiert, das ist wie gemeinsame Meditation.

Welche Tools nutzt du zum Bloggen, Recherchieren und Bookmark-Verwaltung?

Mein Blog läuft nach Textpattern und Twoday seit zwei Jahren auf WordPress. Ich mache seit 1997 meine Firmenhomepages selbst (zuletzt sogar dynamisch, mit selbstgestrickten php-Skripts), da macht ein Blog den Kohl auch nicht mehr fett. Die Twoday-Jahre dienten vor allem der Synergie und waren außerdem dem Umstand geschuldet, dass mein Englisch lausig ist. Ich habe die Movable Type- und WordPress-Tutorials auf Englisch einfach nicht verstanden.

Aber mein allerwichtigstes Tool ist mein Hirn. Da sausen Faktenfetzen durch die Gegend und sortieren sich unter den richtigen Einflüssen, das ist wie mit Interferenzmustern.
Ich recherchiere selten gezielt. Ich googele durch die Gegend oder nutze die Twitterlinks der anderen. Dadurch, dass ich sehr schnell lese, grase ich im Internet wie eine Kuh, da ist ein leckeres Büschel und dort ein duftender Halm und schon bin ich in einer neuen Ecke gelandet und muss mich erstmal zum Mental-Wiederkäuen hinsetzen. (Entschuldigt bitte diese peinlichen, schrägen Bilder!)
Das Angelesene brodelt in mir, formt ein Thema und irgendwann will es raus, da muss ich auch den richtigen Moment abpassen. Manchmal benutze ich Stimulanzien: Formuliere Headlines, Subtexte oder Fragen, um dem Prozess einen zeitlichen Rahmen zu geben, manchmal kommt der Kick auch von außen, durch eine Deadline oder einen aktuellen Diskurs.
Deshalb schreibe ich auch keine Entwürfe. Ein Text muss raus. Was im Entwurf hängen bleibt, ist ein totgeborenes Kind. Manchmal, wenn der Text zu lang ist (so wie heute) unterbreche ich für eine Nacht. Aber nur, wenn ich einen Plan habe, wo der Text enden wird. Ohne klares Ende setze ich ich mittlerweile eigentlich garnicht mehr hin. Früher sind mir die Texte immer so im Sande verlaufen. Mittlerweile definiere ich den Opener, das Leitmotiv, den Diskurs-Bogen und das Finale.
Daher habe ich auch keine Bookmarkverwaltung und könnte auch nie Linklisten posten wie andere. Manchmal maile ich mir etwas Wichtiges oder schiebe es in Instapaper (was aber bei mir die Garantie ist, daß ich es nicht lese). Ich habe ein paar wenige Bookmarks, praktische Sachen, die ich brauche oder schön finde, Seiten mit websicheren Farben und Hexcodes z.B., ein schöner Kleidschnitt, tolle Schuhe (also alles visuelle Sachen). Schrift und Sprache muß in meinem Kopf gespeichert sein.

Vorträge mache ich mit Powerpoint. Mir ist einfach egal, mit welchem Programm die Bildchen und Stichpunkte arrangiert werden, Hauptsache sie entsprechen dem Look, der mir vorschwebt. (Da hilft mir der Graf.) Ich spreche ohnehin frei und habe mit den Folien nur meine Leuchttürme, an denen ich entlang segele. Ich komme vom Theater. Ich brauche kein Rednerpult oder nur als Requisit, sondern ich habe eine Bühne und ein Publikum, das ich auf eine Reise mitnehmen will.

In den Beratungen lasse ich den Menschen auf mich wirken: Was mir erzählt wird, was ich notiere, dazu Stimme, Körpersprache etc und in mir entsteht ein Bild. Manchmal sind das ein paar Worte, manchmal ein Satz, die das Charakteristische eines Lebenslaufes beschreiben. Ich nenne das den Luziden Moment, den muss ich einfangen. Das passiert sehr früh und darauf baue ich dann alles andere auf und differenziere es.
Dazu gibt es ein paar Persönlichkeitstypen- und Kommunikationssystem-Tools, die eher im Hintergrund laufen, denn ich arbeite nicht mit Fragebögen.

Wo sammelst du deine Blogideen?

Die laufen mir zu, einen anderen Teil diktiert mir meine Eitelkeit. Die Hälfte vergesse ich, dann waren sie nicht so wichtig, manche kommen zurück und machen mich penetrant auf sich aufmerksam. Ich schreibe über das, was für mich dran ist. Deshalb habe ich auch keinen Entwurfsspeicher. In den Artikelentwürfen liegt ein einziger, begonnener Artikel zum Thema Religion. Den habe ich zu Ostern begonnen, als die Wessis in meiner Timeline ihre kollektiven Karfreitagsverhöhnungsritale begingen. Vielleicht ist der nächstes Jahr dran.

Was ist dein bester Zeitspar-Trick/Shortcut fürs Bloggen/im Internet

Im 10-Finger-System tippen. Ich bin aber zu faul, das zu lernen, da ich mit 6 Fingern schon ganz flott schreibe. Ansonsten der Feedreader, dringend, unbedingt und Tweetbot, weil ich da auch mal Sachen ausblenden kann, die nerven.
Ich bin in meiner gesamten Freizeit mit dem iPad zugange, das ist mittlerweile meine Hirn/Welt-Schnittstelle, damit lese ich alles. Geschrieben wird auf dem MacBook.
Und ansonsten: Internet und Zeit sparen? Wer kommt denn auf so eine Idee? Ich lese kaum noch Papier und sehe seltenst fern, da hat ein Verdrängungsprozeß stattgefunden.

Ich bin generell nicht so für Zeit sparen. Effizienz aus Erfahrung ist etwas Gutes, weil sich Vorgänge und Erkenntnisse automatisiert haben. Aber Zeitsparen aus Zeitgeist oder Protestantismus („Bei allem, was du tust, schau, daß du es effizienter gestalten kannst!“) ist gar nicht mehr meins. Ich hatte Jahre das Gefühl, von meinem Job gehetzt zu werden. Eigentlich hat er mich (also ich mich) fast zu Tode gejagt. Alles was Bedeutung hat, braucht seine Zeit und nimmt sie sich sogar. Was noch nicht reif ist, kommt noch mal in den mentalen Brutkasten. Statt Prokrastination benutze ich mittlerweile lieber das Wort Inkubationszeit.

Benutzt du eine To-Do List-App? Welche

To Do-Listen mache ich mir nur in hektischen Zeiten, wenn ich viel hintereinander abarbeiten muss, das nicht viel mit mir und meiner eigentlichen Arbeit zu tun hat.
Die sind dann die klassischen Zettel. Entweder Post its, an auffällige Stellen geklebt oder Listen, die abgehakt oder durchgestrichen und täglich auf neue Listen übertragen werden.
Aber: I hate it!
Das sind völlig entfremdete Blöcke von „Ok., bringen wir es hinter uns!“ und damit verbundenem Gefühl von Heldenmut. Ich bin nicht unbedingt dafür, nach dem Lustprinzip zu arbeiten, da würde meine Steuer nie fertig. Aber in bestimmten Arbeitsbereichen lege ich auf kreatives Chaos großen Wert. Das hält mich offen. Durchgeplante Dinge sind für mich tot, bevor sie angefangen haben. (Großer Unterschied zum Grafen, der alles vom Ende denkt. Das knallt auch oft.) Ich habe eine Idee und eine Menge im Kopf, checke ein paar Grundbedingungen und fange an. Das dauert dann, weil es trial an error ist. Aber wenn ich es einmal in mich rein gelassen habe, kann ich es die weiteren Male.
Ein Unternehmensberater hatte mir mal dringend nahegelegt, dass ich meine Arbeit minutiös durchplanen müsste. Er hatte schon recht, weil sich dann für mich Freizeit und Arbeit besser trennen würden. (Ich habe damit keine Erfahrung weil ich früher im Job immer Feuerwehr gespielt habe, geplante Sachen waren nur frühmorgens und abends möglich.) Aber ich bin nicht dafür gemacht. Meine Arbeit sollte sich doch weitestgehend nach mir richten.

In den Beratungen gibt es ein festes Ritual, das ist wie eine Messe lesen.

Gibt es neben Telefon und Computer ein Gerät ohne das du nicht leben kannst?

Ich telefoniere nur noch, wenn es unbedingt nötig ist. In meinen Anfängen in der Filmbranche habe ich 70-100 Telefonate täglich geführt (später wich die Kommunikation auf Mail aus und alle kriegten einen Depri, weil das Telefon nicht mehr ständig klingelte, weil das ja Zeichen von gut laufendem Geschäft war). Ich bin perfekt in Kundengesprächen, aber es nervt und zieht Energie.

Ein Smartphone ist für mich nicht mehr wegzudenken, auch wenn ich es nicht zum Telefonieren nutze. Ansonsten? Mein Leatherman. Eine Kaffeemaschine. Und ein Eckchen, das nur mir gehört. Ich brauche ein festes Revier. Ein Sessel, einen Bürostuhl.
On the fly zu arbeiten, ist gar nicht meins. Deshalb wären Reisejobs auch nichts für mich.
Wenn ich unterwegs bin, dann bin ich Kartenfetischstin. Entweder digital oder analog. Früher hatte ich zum Trampen eine auf dünnen Nylonstoff gedruckte Generalstabskarte dabei. (die noch immer in einer Kiste liegt, nun aber eher historischen Wert hat) Auch alte Wanderführer liebe ich sehr. Aber nur mit Übersichtskarten. Ich muß drauf schauen können. (das gilt auch generell für alle andere Arbeit, ich brauche die Distanz für die Übersicht)

Gibt es etwas, das du besser kannst als andere?

Mich mit Steilvorlagen, kühnen Schlußfolgerungen und Statements blamieren vielleicht? Meine Mischung aus großem Auftritt, Furchtlosigkeit und Ignoranzpotenial ist vielleicht nicht so ganz frauentypisch. Das ist zwar nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal aber eine Art Markenzeichen, denke ich. (und es ist von Hasenherzigkeit und Skrupeln im kleinen Kämmerlein gesund konterkariert)
Ich bin analytische Denkerin und nicht sooo kreativ wie ich gern wäre. Wenn ich dem Raum gebe, kann ich Sachen, die andere nicht so gut können.

Was begleitet dich musikalisch beim Bloggen?

Nichts. Ich war noch nie Freundin von Musikteppichen. Dazu ist mir Musik zu wichtig und ich bin nicht multitaskingfähig genug. Manchmal benutze ich sie als Inspiration, beim freien Schreiben auf Papier, beim Malen und Nachdenken und ich denke nach beim Kochen, Nähen und Putzen, also höre ich dabei oft Musik, Techno, Rock, Klassik. Vollkommen eklektisch, Hauptsache dramatisch-emotional.
Außerdem habe ich das Gefühl, daß ich meinen Partner mit meiner Musik stören könnte. Deshalb läuft Musik vor allem, wenn ich allein bin und ich mir ausgiebig meinen Raum nehme, den ich ansonsten nur im Kopf habe.

Wie ist dein Schlafrhythmus – Eule oder Nachtigall?

Definitiv Eule. Ich werde gegen 8 oder 9 Uhr wach und brauche ewig zum Starten. Wenn ich dann warm bin, gehen kreative und kopfintensive Sachen am besten von 16-22 Uhr (+/- 1 Stunde). Morgens mache ich am besten blöde, entfremdete Dinge.
Mittlerweile mache ich ganz gern ein Nachmittagsschläfchen, denn mein Kern-Arbeitspensum ist gesundheitsbedingt immer noch niedrig und bei drei Stunden am Tag.
Ich weiß nicht, ob das noch mal anders wird.

Eher introvertiert oder extrovertiert?

Introvertiert. Allein oder mit jemand Vertrautem zu zweit sein spendet mir Kraft. Viele Menschen und Kontakt kosten mich Kraft.
Wenn ich allerdings vor allem Sender bin, auf einem Podium zu Beispiel oder vor einem Auditorium oder meine Position und Gewolltheit geklärt ist, ich also niemanden kommunikativ „erobern“ muss, bin ich recht gesellig. Aber danach muss ich mich dringend ausruhen, manchmal klappe ich ganz unvermittelt zusammen.
Die meiste Kraft bekomme ich, wenn ich allein in weiter Landschaft bin und ein Hüttchen für mich habe. Ich bin also die klassische Einsiedlerin.

Wer sollte diese Fragen auch beantworten?

Das lassen wir mal aus, denn s.o. ich bin introvertiert und hätte das Gefühl jemanden damit zu belästigen.

Der beste Rat den du je bekommen hast?

„Du bereust, was du nicht getan hast.“

Noch irgendwas wichtiges?

*räusper* Sex ist wichtig. Sehr sogar. Das vergisst frau bei allen Verstricktheiten ganz schnell.

Mittlerweile gibt es sehr viele Blogposts zum Thema, die Isabella hier sammelt.