Bilanz

Das Jahr geht zur Neige und ich schreibe schon die finale to-do-Liste, die abgearbeitet sein muß, bevor ich in den Flieger besteige. Dieses Jahr ist es nicht mehr viel. Ein paar Geschenke auf den Weg bringen, ein paar abschließende Taten und Telefonate, die ungeliebte Buchhaltung noch und die Bilanz 2006 überprüfen.
Kein Vergleich mit dem Chaos und Streß im letzten Dezember: Den Kerl in die Wüste geschickt (vorübergehend, wie sich herausstellte). Ein riesiges Mailing vorbereitet und dafür aber 1500 Fehldruckexemplare bekommen. Eine Party ausgerichtet. Mit der Druckerei gestritten. Und das alles am Ende eines Jahres, das ohnehin voller Umbrüche war. Eine böse Trennung gab es, dem Kerl hab ich eine Prostataexplosion gewünscht und ich hoffe, das ist auch passiert. Das Kind und ich zogen auseinander, ich lebte zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder allein. Eine OP mitten im heißen Sommer, die mich – bei laufendem Geschäft – drei Wochen in die Horizontale brachte. Das war alles ein bißchen viel.
Dieses Jahr ist viel von dem Quark und Gewirr der letzten zwei in die richtigen Bahnen gekommen. Ich bin körperlich wieder einigermaßen fit und gesund. Es gibt wieder eine Beziehung, die diesen Namen tatsächlich verdient. Meine Arbeit ist so strukturiert, daß ich nebenbei noch leben kann und nicht nur funktioniere. Das Kind ist auf der Uni und dort sehr fleißig.
Und mir ist fast ein bißchen langweilig…

Ein richtiger Mann

Am Wochenende tauchte ein Exemplar einer aussterbenden Gattung auf. HeMans nächstälterer Bruder ist ein Mann alter Schule. Ein untersetzter Plautzenträger mit Bärenkräften, der sein Haus selbst saniert hat und dem es wichtig war, nach dem kniezerschmetternden Unfall in Italien die Harley noch sicher nach Norddeutschland zu fahren. Die Bierflasche ist ihm in die linke Hand gewachsen, während er mit der rechten meine Armaturen auseinanderschraubt, weil beide Hähne meiner Küchenwerkbank tropfen. Mein Werkzeugkasten, auf dessen bloße Existenz ich so stolz bin, ist ihm nur einen mitleidvollen Blick wert. Zum Abschied schenkt er mir einen Schraubenzieher mit auswechselbaren Bits (daß ich den hatte, hat er übersehen).
In HeMans Wohnung sitzen und Zeitung lesen, Museen besuchen, durch die Stadt bummeln, das ist alles nicht so sein Ding. Er begann nach fünf Minuten Anwesenheit die Funktionstüchtigkeit der Wohnungseinrichtung zu prüfen und nahm die ersten Gegenstände auseinander. Vor dem Kochen schliff er erst einmal unter lautem Trara eine halbe Stunde alle Messer.
Seine Frau ist nach dreißig Jahren Ehe nur noch mäßig begeistert von ihm. Er von ihr ebenso. Verträumt bedachte er mich mit Komplimenten, bis ich ihn darauf hinwies, daß es eine große Leistung sei, so lange verheiratet zu sein.
Seit er beruflich kürzer getreten ist, interessiert er sich auch für Hausarbeit. Er kocht, seine Frau kocht ja nur. Unter Anschaffung dutzender Spezialgeräte und Töpfe entstehen ziemlich leckere Speisen, die seine Frau jahrelang nebenbei genauso gut bereitet hat. Die Küche sieht danach aus wie ein Schlachtfeld. Ich hab das ja immer für einen Klischeesatz über kochnde Männer gehalten, aber es ist tatsächlich so. Suppenschlieren auf den Herd, Wasserpfützen auf der Erde und zerknüllte oder offene Verpackungen harrten des Menschen, der bereit wäre, sie wegzuräumen und zu -putzen. Dazu die obligatorischen Kronkorken, Flaschenöffner und leeren Bierflaschen überall in der Wohnung. Und damit die zwei Brüder sich nicht stritten, übernahm ich die Aufgabe. Denn HeMan ist das Gegenteil, fast zwanghaft ordentlich und sauber. Herumliegendes und Dreck werden für ihn schnell zum existenzbedrohenden Chaos.
Männer.
Aber in einem habe ich ihn ja schwer beeindruckt. Er bügelt nun auch, während seine Frau ein Leben lang nur bügelte. Und er hat sich zu diesem Zweck eine Bügelstation gekauft. Die S-KLasse unter den Bügelstationen sozusagen. Er legte mir eine Anschaffung nahe: „Das geht so schnell! Ist natürlich ein bißchen technisch anspruchsvoller, da darf man keine Angst vor haben.“ Ich konnte ihn beruhigen. Denn ich arbeite seit Jahren schon mit dem Porsche unter den Bügelstationen…