einen in die Fresse bekommen hat für seinen Bildzeitungs-Dummbatz-Populismus, das freut mich ungemein.
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Nenn mich Robin
Tag 2 nach meinem Friseurbesuch. Ich sitze HeMan beim Sonntagsfrühstück gegenüber, ich trage sein Replay-Sweatshirt und bin noch ungeschminkt. Mein strubbeliges Haar ist kürzer als seines.
Er kauft gern ein und macht himmlische Blumenarrangements. Ich verstehe was von Technik und koche gut. Außerdem fand ich Männerklamotten schon immer interessanter.
Wir sind also ein prima schwules Paar.
Nicht daß sich mein Frisieur nicht Mühe gegeben hat nach meinen Klagen. Aber beim Präzisieren des Schnittes werden Haare leider auch nicht länger. Das Kind meint: „Sieht klasse aus. Wie ein etwas nach hinten gerutschtes Toupet.“ Und alle, denen ich vom Reparaturversuch meiner angeknacksten Friseurbeziehung erzähle, wundern sich, daß ich wiederum den vollen Preis gezahlt habe.
Ich Weichei.
Die Sache mit meinem Friseur
Meinem Friseur bin ich länger treu als allen meinen Männern. Seit 12 Jahren darf er mit meinem Haar machen, was er will. Das bedeutet bei dem miesen Ausgangsmaterial (straßenköterblond, fein, dünn, Geheimratsecken und unkalkulierbare Naturwellen) und meinem Unvermögen, mit Föhn und Bürste umzugehen, viel Arbeit bei weistestgehend gleichbleibend magerem Ergebnis. Also kaum Herausforderung in Sachen innovatives Design. Es gab das eine oder andere Highlight: strubbelige Kurzhaarfrisuren, was marilynmäßiges und auch Schulterlänge hatten wir geschafft, aber seit einigen Monaten bin ich extrem unzufrieden und das bessert sich nicht.
Es wäre ja kein Problem, da ginge ich zum nächsten und mal schauen, was der mit mir macht. Aber so einfach ist das nicht. Mein Friseur und ich haben eine gemeinsame Geschichte. An dem Tag, an dem ich zum ersten Mal zu ihm ging, hatten wir beide gerade unseren finalen Streit mit dem damals aktuellen Geschäftspartner. Wir redeten über Trennung und Neuanfang. Wir starteten beide zeitgleich durch und hatten Erfolg. Wir erlebten uns in allerlei Lebenslagen. Krank und dennoch arbeitend, beziehungsfrustriert, frisch verliebt, erfolgseuphorisch, ausgebrannt, in Geldnöten, mit dem Finanzamt über Kreuz etc., etc. Er ackerte mit mir eine seelisch tödlich verstrickte Arbeits- und Liebesbeziehung durch. Ich besprach mit ihm seine Familiendynamik, denn die Frau rettet sich seit Jahren über Kinderkriegen und nunmehr chronische Krankheit ins Hausfrauendasein. Er verkaufte mein vorletztes Auto zum sehr guten Preis, überließ mir das rote Hurenauto, schickte mich zu befreundeten Autohändlern mit Rabattvorverhandlungen. Ich verschaffte ihm einen Auftritt in einem Kinofilm und schickte ihm Kunden.
Die jeweiligen Liebsten nörgeln schon aus Prinzip an meinen Frisuren rum, denn dieser enge Kontakt ist ihnen nicht geheuer. Und dann ist er auch noch nicht mal schwul, dieser Typ. Und ziemlich attraktiv und nett. Und steht auf etwas ältere Frauen…
Beim letzten Mal, kurz vor Weihnachten, saß ich bei ihm (man muß wissen, er hat keine Mitarbeiter und läßt sich viel Zeit, für Färben, Schneiden, Föhnen gehören drei Arbeitsstunden nur mir) und wir redeten. Er schnitt und schnitt und ich lächelte in den Spiegel und war wie immer erschrocken, wie viele Falten in den zwölf Jahren dazugekommen sind. Und neben dem Schneiden telefonierte er. Winterreifen übers Internet. Billig, aber mit Lieferverzögerung. Dann schnitt er wieder. Wir waren beide so mit den Winterreifen beschäftigt – ich brauchte auch welche – daß ich beim finalen Blick in den Spiegel einen Schreck bekam. Oben zu kurz, an den Seiten so lang wie Pudelohren, die Geheimratsecken glänzten raus. Garantiert nicht zu stylen. Nach zwei Haarwäschen sah ich aus wie diese ostdeutsche Bürgerrechtlerin, die sich aus Zeitmangel die Haare mit der Bastelschere schnitt. Und das auch noch im Winter, wo mir beim Mützen- und Wollpullovertragen sowieso nur noch Gefissel vom Kopf absteht. Auf die zahlreichen Komplimente von Frauen gabe ich da garnix. Dieses „Hach, diese tolle Kurzhaarfrisur!“ Heißt im Untertext: „Dann muß ich mir wenigstens nicht anhören, daß mein Männe dich atraktiv findet.“ oder „Würd ich mich nie im Leben trauen. Aber es ist so wahnsinnig praktisch.“
Was soll ich nur tun? Einen Termin bei Vidal Sassoon machen? Oder zu meinem Friseur gehen und sagen, er müsse das retten?
Da war doch was
Die Jahresrückblicke spülen es wieder an die Oberfläche des Gedächtnisses.
Da gab es einen jungen, körperlich ziemlich präsenten Regisseur, der für einen Debütfilm eine hohe internationale Auszeichung bekam. Und daraufhin in alle Welt krähte, was für ein toller Erfolgstyp er doch ist oder wie die „Zeit“ in dieser Woche schrieb: Der machte mächtig einen auf dicke Hose, ob er das denn nötig gehabt hätte?
Seine Produzenten standen derweil bescheiden auf deutschen Filmveranstaltungen herum. Sie waren ja nur diejenigen (auch noch nicht so lange von der Filmschule weg), die einen Debütfilm produziert hatten…
Und bevor ich vor lauter fremdschämen im Erdboden versunken bin, habe ich mir immer gesagt: Warten wir seinen zweiten Film ab. Warten wir ab, wessen Leistung dieser so viel besuchte und beachtete Film war (den ich bis jetzt immer noch nicht gesehen habe, weil er eher das Stasi-Thema für Wessis aufbereitet behandelt).
Wenn ich jetzt das Nähkästchen mal aufmache, dann kann ich daraus plaudern, daß der junge Mann bei der Arbeit viel von seinen sehr erfahrenen und bekannten Hauptdarstellern erklärt und gerichtet bekam. Und daß er in seiner großen Hilflosigkeit sehr viel Support auch von anderen bekam, die zum Teil kein Geld dafür erhielten und denen in der nachfolgenden One-Man-Show nicht einmal Anerkennung zuteil wurde. „Das Riesenbaby“ nannten ihn seine Kollegen und halfen ihm, damit das Projekt und die Produzenten nicht baden gingen.
Erfolgsbedingte Amnesie ist eine schöne Einrichtung…