Alles Vintage oder was?

Als ich 19 Jahre alt war und am Theater zu arbeiten begann, plünderte ich manchmal heimlich den Fundus, in dem Kleider aus den 50ern und 60ern hingen, die in irgendwelchen Geschäften nicht mehr verkauft werden konnten.
Ich hatte ein weißes Seidenkleid mit tiefen Kellerfalten und blusenartigem Oberteil und ein glänzend grünes mit U-Boot-Ausschnitt, weitem Rock und einem Schoßjäckchen. Dann gab es da noch ein weißes Spitzen-Etuikleid mit lindgrünem Futter, das meine Mutter zum Abiball trug.
Als ich wieder zu nähen begann, faszinierten mich die wieder aufgelegten Vintage-Kleider sofort. Eines der ersten, das ich machte, war dieses schnell genähte Wickelkleid aus Vichy-Karostoff aus einem Original-Schnitt.

Das Kind hatte mir das Rockabella-Buch von Gretchen Hirsch geschenkt. Ich traute mich aus irgendeinem Grund an die Schnitte nicht ran, fand aber ihre Ausführungen über Konstruktionen und Materialien sehr interessant: Unter den Kleidern und Röcken liegt ein unsichtbares Stützgerüst aus Nähten, Einlagen und Bändern, das bei den oft leichten Stoffen Zug und Starre verhindert, aber dem Schnitt trotzdem Form gibt.

Wenn wir uns heute Schnitte im Stil der 50er und 60er interessieren, vergessen wir diese Konstruktionsprinzipien oft. Wenn sich Selber-Näherinnen der Materie dieser faszinierenden Kleider nähern, kommen sie oft vom Nähen einfacher Schnitte aus Jersey oder Stretch-Material.
Schnittmuster mit möglichst wenig Einzelteilen und Anpassungsbedarf und ohne Details, die man aufwändig verarbeiten muss und die man am Schluss ggf. nicht einmal sieht, sind erst mal der Renner.
Schnittlabels, die die Bedürfnisse ihrer Kundinnen nicht beachten und zu komplizierte Schnitte machen, verkaufen nicht viel. Und das merkt man adapierten Vintage-Schnitten oft an.

Ich hatte verfolgt, wie Frau Drehumdiebolzeningenieur lange, akribisch am Schluß erfolgreich um die Paßform des Tia Dress vom Label Sewchic gerungen hatte, für das sie einen hinreißend schönen Stoff fand.
Schauen wir uns den Schnitt einmal an: Er ist für eine Sanduhrfigur gemacht. Wichtigster Punkt der Passform ist die schmale Taille. (Warum, erläutere ich später.) Die ebenso wichtige Partie für Passform und Silhouette ist die Ausformung des Büstenteils. Es liegt nicht nur auf dem Brustpunkt an, sondern auch am Ober- und Unterbrustumfang.
Schauen wir mal, wie die Models präsentiert sind:
Frau Nr. 1 mit normaler Oberweite sitzt.
Frau Nr. 2 mit normaler Oberweite sitzt auch, wir sehen vorn eine komische Falte an der Taille.
Frau Nr. 3 ist recht schlank mit etwas weniger Oberweite, sie sitzt auch und trägt einen Gürtel eng um die Taille, das Oberteil wirkt blusenartig.
Frau Nr. 4 ist die Einzige, die steht, sie ist recht flachbrüstig und schlank, das Kleid liegt eng an.

Ich sehe mir aus genau diesem Grund sehr gern die Modelfotos der Designer genauer an. (Burda hat es ja mal geschafft, ein Plus-Size-Kimono-Kleid, über dessen Passform alle klagten, nur von hinten zu fotografieren.)
Noch mehr Aufschluss bringt die Google Bildersuche, bei denen dann auch die Fotos der Frauen dabei sind, die das Projekt realisiert haben.

Das Mittelding zwischen Bombshell und bravem Sommerkleidchen mit Trachtenanklang macht das Tia Dress so reizvoll. Deshalb ist es wichtig, dass die Oberweite gut angepasst wird. Wer nur vom Schnitt runternäht ohne Anpassung, sieht im besseren Fall aus wie Frau Nr. 3, im schlechteren wie Tante Trudchen mit Kittelschürze, ganz zu schweigen von falsch sitzenden Brustpunkten, zu enger Oberweite etc. (Es gibt für die Anpassung einen Craftsy-Kurs.)

Ich möchte die Aufmerksamkeit aber auch noch auf die Taille lenken. Die 50er waren, bis auf wenige Ausnahmen, extrem taillenbetont. (Hier ist dazu noch ein guter Blogpost mit vielen Fotos.) Die Vision der Designer war ein Taillenumfang, der ungefähr dem Kopfumfang mit mäßig toupierter Frisur entsprach. Der Busen war nur bei Sexbomben-Filmstars enorm groß und ausgestopft. Die Betonung von Hüfte und Oberweite entstand eher aus der Reduzierung der Körpermitte.
Man trug kleine Korseletts und in schwereren Fällen auch schwere Geräte, um die Taille schmal zu bekommen. Der Körper passte sich daran an, das kann man gut an den Bikini-Foto von Ursula Andress als Bond Girl sehen.
Für eine Generation, die mit Bauchmuskeltraining und Hüfthosen aufgewachsen ist, fühlt sich eine enge Taille komisch an. Wir haben eine weniger schmale Taille als die Generationen vor uns, weil wir sie nicht eingequetscht haben.

Es gibt noch einen rein physikalischen Grund, warum beim Tia Dress und auch anderen Kleidern mit weiten Röcken die Taille wirklich hauteng sein muss. Das Gewicht des Rockes und die Kräfte, die beim Schwingen des Stoffes in der Bewegung wirken, ziehen nämlich das Kleid von den Schultern nach unten und machen so alle Anpassungsarbeit an der Brust zunichte. Im schlimmsten Fall zieht das Kleid vom Brustpunkt aus gerade nach unten und man seht aus wie eine Keksrolle.
Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Taillenabnäher des Vorderteils scheinbar auf die Seite gedreht sind oder nicht existieren.
Ich fürchte, das ist der Grund, warum drei der Models auf der Website des Schnittlabels sitzen.

Der Craftsy-Kurs gibt den Tipp, dass man an der Taille innen ein Ripsband einnnähen solle, sagte mir Frau Drehumdiebolzeningenieur. Das kann auf jeden Fall verhindern, dass sich der Stoff dehnt. Ich würde sogar weiter gehen und statt des Ripsbandes ein Gardinenband verwenden, das sich einkräuseln lässt. So eine ähnliche Konstruktion hatte ich in den Kleidern meiner Großmutter gefunden. Das innere Band muss dann noch in jedem Fall mit Haken und Öse oder einem Knopf geschlossen werden, sonst geht der Zug beim Hinsetzen und Bewegen auf den Reißverschluss, der, so er zart und nahtverdeckt ist, das nicht lange aushalten wird. Mit diesem inneren Band wird das Gewicht des Rockes getragen wie von einem Rockbund.
Alternativ nimmt man einen breiten Gummigürtel. Das sieht aber längst nicht so schick aus. Ist er zu straff, beult das Oberteil, ist er zu weit, zieht der Rock trotzdem. Außerdem wirken diese Gürtel immer etwas billig.

Nachdem ich Frau Drehumdiebolzens hinreißend schönes Kleid gesehen hatte, wollte ich auch eines. Nun habe ich nicht nur mehr keine Taille, ich habe auch noch ziemlich viel Bauch.
Ich habe mich nicht mit Schnittanpassung aufgehalten sondern gleich meinen angepassten Oberteilschnitt in einem Probeteil auf die Puppe gebracht.

Die kleinen Puffärmelchen wollte ich besser gar nicht erst probieren, das sieht bei mir schnell albern aus. (Ich vergaß aber, dass ich eine sehr gut passende Armloch-Ärmel-Kombi eines längeren Puffärmels von einem Vogue-Schnitt hatte.)
Die Anpassung funktionierte recht gut, ich integrierte einen Bauchabnäher in das Schnittteil unter der Brust, passte das Brustteil so an, dass es über und unter der Brust eng anlag, arbeitete den Rücken mit Schwung aus und setzte das dann in schwererem schwarzen Baumwollsatin mit leichtem Stretchanteil um.
Ich verabschiedete mich sogleich von den Ärmeln. Ich sah damit so bieder wie eine Sonntagsschullehrerin aus. Auch die bunte Blende, die am Oberteil über die ganze Breite geht, reduzierte ich etwas, um dem Kittelschürzenlook zu entgehen und den Oberkörper optisch schmaler zu halten. Es passte super, bis der Rock kam.

Was dann passierte, hätte ich vorher wissen können. Der angeriehene Tellerrock, dessen Stoff zwar leichter war als der schwarze, aber trotzdem gut ein Kilo wog, zog das Oberteil gerade. Alle Passform war dahin. Ich griff jetzt doch stärker in den Entwurf ein und machte noch Flankenabnäher und setzte innen auf die Nähte der Taille und unter der Brust Bänder.

Aber auch das brachte nicht die endgültige Wirkung. Der Stoff dehnte sich trotzdem und leierte aus. So nähte ich zwei Stunden vor der Hochzeitsfeier, auf der ich das Kleid tragen wollte, noch einen Stretchgürtel. Das ist ein Kompromiss.
Da ich von dem Baumwollsatin noch einmal 5 Meter mit schwarzweißem Rosenmuster habe, werde ich das Kleid noch einmal nähen und dann in die Taille Reih- oder Gardinenband integrieren.
Ansonsten mag ich das Kleid und trage es mit und ohne Petticoat.

WMDEDGT Juni 2017

Frau Brüllen fragt, was wir den ganzen Tag gemacht haben und ich bin wie fast immer und (wie ich gerade nachsah) seit fast 4 Jahren dabei.

Der gestrige Montag begann im Internetnirvana und endete auf der Autobahn, deshalb kommt der Text erst jetzt. Denn wir waren auch dieses Jahr bei Kunst offen im Norden unterwegs, diesmal mit dem Schwerpunkt Kunst in historischer Umgebung vor allem in Vorpommern, den wir uns ausgewählt hatten.

Gestern morgen hatte ich mir zur Sicherheit den Wecker gestellt, denn das Zimmer in Schloß Zinzow, in dem wir übernachteten, war total still gelegen und das Bett stand noch dazu in einem kleinen Alkoven. Aber ich wachte trotzdem kurz vor 9 Uhr auf.
Ich duschte und hübschte mich und zog ein etwas sommerlicheres Outfit an als an dem kühlen und regnerischen Tag zuvor. Dann begann ich, die Tasche zu packen.

Inzwischen war auch der Graf wach geworden und bald darauf gingen wir zum Frühstück hinauf in den großen Salon. Es gab Rührei mit Büffelwurst (schade, die neugierigen Wasserbüffel im Park habe ich nicht fotografiert) und noch andere Leckereien.
Wir zahlten und räumten unsere Sachen ins Auto und fuhren weiter auf unserer Route, die der Graf letzte Woche zusammengestellt hatte.

Unsere erste Station war das Gutshaus Hohenbüssow, wo Bilder von Lasse Pook ausgestellt waren. Ein schönes Haus, voller Kinder und junger Menschen. Das ist für die Gegend nicht so ganz selbstverständlich.
Dann fuhren wir durch das Tollensetal und hielten immer mal wieder an Orten, die uns gefielen.
Unsere nächste Station war das Gutshaus Landsdorf, bzw. der daneben gelegene Kornspeicher. Die Dame des Hauses hatte ihre Hutkollektion hervorgeholt, ihr Sohn steuerte Möbel bei.
Nach einigem Überlegen habe ich jetzt dank des Grafen einen neuen Hut. Der Hut, der mich sofort angesprochen und gesagt hatte: „Ich gehöre doch zu dir, oder?“

Wir aßen noch ein Stück Kuchen tranken Kaffee und schlenderten etwas durch den öffentlichen Teil des Landschaftsparkes.
Dann ging es weiter nach Eixen, wo die Textildesignerin, die ausstellte aber nicht mehr offen hatte, weil sie sich nur für Samstag und Sonntag angemeldet hatte.

Unsere nächste Station erwähne ich nicht namentlich. Decken wir den Mantel der Liebe und des Schweigens darüber. Wenn eine Hobbykünstlerin eine Installation zum Thema deutsche Schuld, Krieg und Flucht in einem aufgelassenen Neubauernhaus macht, ist das interessant. Weniger interessant finde ich, dass ich 5 Minuten nach dem Kennenlernen und bevor ich die Installation sehen konnte, von der Frau ewig lang erzählt bekomme, was ihre Installation bedeutet und was für schlechte und uneinsichtige Menschen ihre Eltern seien, die ihre Schuld in einer öffentlichen Ausstellung vor ein paar Jahren nicht bekennen wollten, obwohl sie eingeladen waren. Wenn ich richtig rechne, muss ihr Vater, der bei der SS war, damals Anfang 20 gewesen sein, wenn nicht jünger und dann heute 90.
Gott sei Dank habe ich für solche ins Klo gegriffene künstlerisch ambitionierten Gutgemeinheiten noch mein spezielles Künstleragentinnengesicht parat und kann die Leute loben, wie toll sie das gemacht haben, um danach sofort die Flucht zu ergreifen.

Wir beeilten uns, weiterzukommen, weil um 18 Uhr alles vorbei war und fuhren nach Sommerfeld, um ins Atelier von Karsten Miller zu kommen. Ich mochte die Kunstschmiedearbeiten sehr. Dazu plauderten wir und bewunderten neben den Plastiken die Maschinen und die Schmiedewerkstatt.
Dann gingen wir noch ein paar Schritte weiter zum Gutshaus Sommerfeld, das im Kern eines der letzten erhaltenen „festen Häuser“ (Wohn- und Wehrturm) der Region ist.

Eine Viertelstunde vor Schluss kamen wir in Schloß Parow an und sahen uns noch eine Einzelausstellung von Petra Feyerherd an, die leider mit Internet nix am Hut hat und so nicht verlinkt werden kann.

Das wars dann.

Es war 18:30 Uhr, als wir in einem großen Bogen, mit einer kurzen Rast an der Trebelbrücke in Nehringen mit Käse, Reiswaffeln und Schokoriegeln, wieder zurück nach Berlin fuhren und nach Mitternacht dort ankamen.

Alle andere Einträge finden sich wie immer hier.

An einem kühlen Frühsommertag 2

Das sind alles Klagen auf einem sehr hohen Niveau. Das Leben ist anzunehmen wie es ist.
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Ursula K. LeGuins Left Hand of the Darkness soll als Miniserie verfilmt werden. Das hatte ich irgendwo, bei der Kaltmamsell? gelesen. Das würde mich sehr interessieren, hoffe aber, es wird kein 0815-Science Fiction, denn das war das Buch von Anfang an nicht.
Auch eine Geschichte, die mich bis ins Mark traf. Ich las das Buch mit 13 oder 14 Jahren, als ich alles verschlang, auf dem Science Fiction stand (das war in der DDR beileibe nicht viel und Qualität hatten vor allen die Strugatzkis und LEM) und fühlte mich in dem berührt, was mich damals umtrieb und worüber ich nie gesprochen hätte: Ich wollte keine Frau sein, ich fühlte mich nicht als eine, auch wenn ich so aussah. Als Mann hätte mir die Welt vollständig offengestanden und ich hätte mich für nichts rechtfertigen müssen. Wäre Geschlechtswechsel damals so einfach wie heute gewesen, hätte ich darauf bestanden und mein Leben als Mann weitergeführt.
(Bitte einfach zur Kenntnis nehmen, darüber diskutiere ich nicht.)
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Da das Meta-Thema heute „das Gras ist auf der anderen Seite der Straße grüner“ zu sein scheint, noch ein schöner Blogpost von Modeste über 19 Jahre alt sein. (Und über Selbstwahrnehmung.) Wann fängt das eigentlich an? Jungs finden sich doch überwiegend klasse, wenn sie über die Werther-Phase weg sind. Mädchen aus denen Frauen werden, glauben immer, es genügt, sie genügen noch nicht. Komische Sache.

An einem kühlen Frühsommersonntag

Berlin ist so geworden, wie ich es mir vor vielen vielen Jahren erträumt habe. Mit Menschen, die ganz selbstverständlich von überall herkommen, schönen Orten am Wasser, gutem Essen, spontanen Festen an unaufwändig hergerichteten Orten und phantastischen Wohnungen, in denen man aus der Badewanne den Himmel sehen kann. Ein Leben wie in Filmen, in denen die Helden bald die Welt retten müssen und natürlich erfolgreich sind.

Kurz bevor Berlin so wurde, habe ich dieses Leben probiert. An einem warmen Sommerabend saß ich, nachdem mit einem rotgoldenen Cabrio durch die Stadt gefegt war, auf dem Podest, das in der Mitte meines Lofts stand, hatte einen Cocktail vor mir, hörte Elektro-Musik,  war selbstredend schön zurecht gemacht, trainiert, schlank und erfolgreich und fühlte … nichts. Das, was ich als Teenager als Verkörperung von schönem Leben erträumte, hinterließ nur Leere in mir.
Dabei waren wir alle ziemlich hip in unserer Kreuzberger Luxuslegebatterie. Die Viva-Moderatorin führte nächtens ihre SM-Spielchen bei offenem Fenster auf, der smarte Unternehmer hatte sonntags den Anzug abgelegt, hing im Sling, ließ sich hintenrum bedienen und hörte Straußwalzer, der charmante junge Anlagebetrüger hortete teure Autos und der MTV-Moderator war so nett, schlumpfig und unauffällig wie der Soap-Star drei Eingänge weiter.
Fellinis „La Dolce Vita“ war, als ich 13 oder 14 war, wie ein Blitz in mich eingeschlagen. Damals habe ich aber den Spin nicht begriffen. Dass diese glänzende Schwärze der Nacht, dieses alles haben können, was man will, nur Abgegriffenes hinterläßt oder Enttäuschung, dass etwas nicht so ist, wie es scheint.

Heute stehe ich in Berlin, das so geworden ist, wie ich es mir erträumt hatte und habe mich zu einem Menschen entwickelt, der Lärm und Menschenmengen nicht mehr mag, der Schmutz und Staub hasst, den Chaos verunsichert und dem mitterweile alles zu schnell geht.
Wie so oft – aus meiner egozentrierten Sicht – war ich schon eher an der Stelle und bin darüber hinweg, wenn sich das Phänomen auf dem Zenit befindet.
Ich stehe in den Straße in Mitte und sehe Motive und Sujets und weiß, dass das die Fotomotive sind, die um die Welt gehen. Bärtige Hipster mit Lastenfahrrädern, kleine Geschäfte mit wunderschönen, mit Liebe gemachten Dingen, große alte Häuser, die für einen Abend für ein lautes Fest geöffnet werden, schöne junge Menschen, die erleuchtet und so fragil wie Reiher aussehen, auf einem Podest vor einem Detox-Restaurant.
Bilder, bei deren Anblick andere Menschen seufzen werden, dass sie so leben möchten, dass das das wahre Leben ist.
Manchmal laufen diese Leute, nachdem sie geseufzt haben, hier durch die Straßen. Sind so zurechtgemacht, wie es die Bilder zeigten, und suchen nach diesem Gefühl, dass damit in ihnen ausgelöst wurde. Da gehen Achtzehnjährige wild angezogen die Kastanienallee entlang und hoffen, dass sie entdeckt werden, dabei ist das Castingallee-Phänomen über zehn Jahre her. Da haben sich wunderschöne asiatische Mädchen ihre selbstentworfenen minimalistischen schwarzen Kleider angezogen, die Haare geglättet und Manga-Augenbrauen gemalt, gehen in die Boutiquen und treffen auf Menschen, die ihnen genau das verkaufen wollen – und die Geschäfte laufen nicht gut. Da sitzen melancholische junge Männer mit einem Drink an der Bar und hoffen auf SIE, mit wehendem Kleid und Haaren, Brüsten wie Rehzwillinge und hohem, schlanken Wuchs und treffen auf Mädchen aus der ihrer Nachbarstadt, die auch träumend auf der Suche sind oder auf übermüdete Startup-Head of Something-Mädels, die nicht wissen, wovon sie ihre nächsten Drogen zahlen sollen, wenn sie ihre Miete zahlen.

Irgendwie nehme ich das alles aus dem Augenwinkel mit. Liebe die Ergebnisse. Esse die besten Kekse und Törtchen der Welt, lasse mir von Isländern Burger braten, trinke Milano Spritz, kredenzt von einem wunderschönen Italiener, aber das ist alles Schein. Das Geld fliegt mir aus der Tasche und abends hocke ich mit data overload auf dem Sofa und schaue auf den Fernsehturm.

Ich sehne mich nach einem Fluss, in dessen sandigem Steilhang die Schwalben nisten.