Wo zieht ihr denn hin?
Nach Bassendorf, in die ruhigste Ecke von Vorpommern, kurz hinter Tribsees, einen Steinwurf vom Flüßchen Trebel entfernt.
Ein Guthaus? Habt ihr im Lotto gewonnen?
Nö. Wir geben weniger Geld aus, als würden wir ein nicht unterkellertes Fertighaus irgendwo am Ende der Berliner S-Bahnlinien kaufen.
Bei einem Treffen mit anderen Menschen, die solche Projekte haben (diese Gutsanlagen sind ein Kulturgut, das es so häufig nur in Mecklenburg-Vorpommern gibt), merkten wir, dass es uns wie den anderen ging: Suche nach einem Haus mit Platz -> an den Rändern der Metropolen ist es zu teuer oder zu eng -> die Begegnung mit großen Häusern in kleinen Dörfern, in schöner Landschaft gelegen -> eine klare Antwort auf die Frage, ob man wirklich noch in der Stadt wohnen möchte.
Spielt ihr jetzt Gutsbesitzer?
Zu Gutsbesitz gehörten früher auch alle Felder rundherum, oft auch noch Mühle, Schmiede und Brennerei. Die Felder werden heute für intensive Landwirtschaft genutzt, da sitzt pro Dorf ein Bauer drauf und der hat oft wenig Lust, sich noch ein denkmalgeschütztes Gebäude ans Bein zu binden.
Von all den umgebenden Ländereien ist dort ein Teil des (ehemals englischen) Parks mit sehr alten Bäumen und ein Schafstall mit kleiner Wohnung beim Haus geblieben. Zum Gutsbesitzer spielen gibt es also keinen Grund.
Ganz allgemein – für ein Dorf ist das Gutshaus eine ambivalente Sache. Früher saß da die Herrschaft. Man wollte nach der Wende auf gar keinen Fall, dass diese Herren zurückkommen. Zwischen 1945 und 1990 waren die Gutshäuser in der Nutzung der Gemeinden, zuerst waren sie voll mit Flüchtlingen, dann waren dort die Schule, der Dorfladen, der Kindergarten, der Festsaal, das Gemeindeamt oder die Verwaltung der LPG untergebracht, oft wohnten auch noch Menschen in den Obergeschossen. Diese Häuser waren also das Zentrum des Ortes.
Die meisten Gemeinden konnten die Häuser nach der Wende nicht halten, der Sanierungsbedarf war zu hoch und der Nutzungsmöglichkeit nicht angemessen. Die Dörfer in Mecklenburg-Vorpommern waren bitter arm und verloren immer mehr Einwohner, deshalb verfielen die Häuser und/oder wurden verkauft.
Nicht immer verlief der Verkauf gut und glücklich. Deshalb ist es eine große Verantwortung, so ein altes Gebäude zu übernehmen und weiter zu erhalten.
McPomm? Das ist doch voller Nazis, das liest man doch in jeder Zeitung! (Also außer dort, wo ich in den letzten Jahren im Urlaub war…)
Es gibt solche und solche Ecken. In Gegenden, die nur noch als Stellfläche für Windparks gehandelt werden, wo die dörfliche Gemeinschaft zusammenbricht und nicht mal mehr die Freiwillige Feuerwehr noch funktioniert oder jemand Bürgermeister sein will, wachsen die komischsten Radieschen.
Das Vertrauen in die traditionellen Parteien ist weg. Man wählt Wählergemeinschaften, weil man dann weiß, wer das ist und dass nicht die Interessen von Menschen weit weg vertreten werden.
Hier gilt wie überall: Genau hinschauen, Vorurteile ablegen, mit Menschen reden.
In eine „national befreite Zone“, in der nur NPD-Wahlplakate hängen, würden wir nicht gehen.
Und das noch: Bei den Fahrten über Land haben wir gemerkt, dass sich etwas verändert hat. Die gute wirtschaftliche Lage kommt in kleinen Ausläufern auch in Vorpommern an. (Oder wie mir neulich jemand sagte: „Zwischen 2009 und 2011 war der Tiefpunkt im Osten, von da aus konnte es nur noch aufwärts gehen.“)
Die, die übrig geblieben und noch keine Rentner sind, haben Mut und Zuversicht und vertrauen ihrer Kraft. Das ist gut.
Wann zieht ihr denn aus Berlin weg?
Das dauert. Die Kaufabwicklung zieht sich noch etwas hin. Das Haus ist noch bis nächstes Jahr in Benutzung. Wenn die Wohnung im Nebenhaus frei wird, werden wir erst einmal dort einziehen und beginnen, alles herzurichten.
Warum das alles?
Ich beantworte das mal für mich. Ich habe Berlin nach 30 Jahren durchgespielt. Die Stadt ist grandios, aber kommt ganz gut ohne mich aus. Ich wollte schon immer ruhiger und abgelegener wohnen, habe das in den Jahren in Grünau auch gemacht. (Da wächst die Stadt übrigens grade hin, nach den schwarzen Jahren um 2010 wird der Ort mit großen, teuren Wohnanlagen gentrifiziert).
Ich hatte mehrere Versuche unternommen, aufs Land oder – als schlechtere Alternative – in die Kleinstadt zu ziehen und mir fehlte der Partner dazu, der das auch wollte.
Jetzt kann ich von überall arbeiten und es tut mir mental und gesundheitlich gut, einen großen Teil meiner Beschäftigung aus Handarbeit bestehen zu lassen. Dazu muss ich nicht in Berlin Mitte sitzen, wo fast jeder Gang nach draußen aus Konsum besteht.
Was macht ihr dann da?
Zunächst richten wir das Haus für unsere Bedürfnisse und Pläne her. Ein barockes Haus mit schweren Eichenbalken braucht weder Hochglanzsanierung noch Adelung zum Designobjekt, dazu hätten wir auch kein Geld. Überhaupt waren die Generationen, die dort zuvor wohnten, ebenfalls recht geerdet und hatten wenig Sinn für Chichi.
Einfach, schön und gemütlich soll es sein. Die Gegend war einmal Südschweden, bevor sie an Preußen ging, die Stilrichtung ist dann fast von allein klar.
Es wird uns sicher das eine oder andere Unvorhergesehene ins Gesicht fliegen und der Park braucht gut 10 Jahre, bis er nicht mehr Wildnis ist und wir sind nicht mehr 35.
Mit etwas größerem Zeithorizont wollen wir ein paar Gästezimmer und eine Wohnung fertig machen. Für Menschen, die genauso wie wir nicht mehr jeden Abend um die Häuser ziehen müssen und Ruhe suchen.
Inspiriert von unseren Reisen durch Polen, weil uns das in dem Schloss, in dem wir oft abgestiegen sind, immer gefehlt hat, wollen wir das zugänglich machen, was die Region bietet. Wild, Fisch und Geflügel, Rindfleisch, Gemüse, Kräuter und Obst und es wird eine große Küche neben dem Saal geben.
Schauen wir mal, ob das alles so aufgeht, wie wir uns das denken.