Was für eine Woche.
Die Rentenversicherung so: Sie werden in Gulag V am Ende der Welt verschickt.
(Bewertungsportale so: Konfektionsgröße 40-42 gilt als adipös, Abnehmgebot bei gleichzeitigem Großküchenfraß und miesen Sportbedingungen, Frontalunterricht in gesunder Lebensführung gilt als Verhaltenstherapie, Tafelbilder müssen abgeschrieben werden.)
Ichso: Haben Sie meinen Antrag überhaupt gelesen?
Die RV so: Ups, nö, da hatten wir wohl was überlesen, da steht ja eine Wunscheinrichtung. Wir melden uns.
Tage später.
Die RV so: Geht alles gar nicht, auch wenn ambulant für uns billiger ist. Suchen Sie sich was unter drei anderen Gulags aus, aber mal flotti.
(Bewertungsportale so: Eins inakzeptabel, ein anderes am A… der Welt, das dritte ginge schon, aber ich will keine nette Auszeit, ich will Alltagstraining.)
Ichso: §9 SGB IX?
Die RV so: …
Da ich im Hinblick auf die Vertretung meiner eigenen Interessen oft verwirrt und etwas hilflos bin und komischerweise weniger formvollendet reagieren kann, als würde ich das als Beruf machen, muss da jetzt mal ne Anwältin draufschauen.
Von außen sind das Luxusprobleme. Aber ich lasse mich ungern als Verschiebemasse behandeln. Diese 5 Wochen sind wertvolle geschenkte Zeit. Ich möchte die nicht so verbringen, dass ich die Tage abstreiche, wann ich da wieder weg kann und mich ansonsten dort unsichtbar machen oder womöglich nur rumstreiten.
Freundschaft gekündigt bekommen. Sehr schade. Aber Reisende soll man nicht aufhalten.
Bei der Beerdigung eines Freundes gewesen. Vor fast 35 Jahren stand ich schon einmal für einen fast Gleichaltrigen auf diesem Friedhof. Ein Mitschüler. Einer der schlimmsten Arbeitsunfälle der Region. Damals war es blankes Unverständnis, dass Kläuschen, den alle mochten, in der Anspannung eines Jobbeginns einen kleinen Fehler machte – und eine Maschine strafbar falsch verschaltet war – und dann war er nicht mehr da. Das war Wut und Verrat für eine ganze Schule und die Elternschaft. Da war jemand schuld.
Es sterben hier keine Menschen mehr im Krieg. Wir leben unser Leben auf Sicherheit bedacht. Heute ist nur in seltenen Fällen jemand schuld. Im Straßenverkehrskampf vielleicht.
Heute ist es mein Trost, dass K. bei uns bleiben wird. Im Kopf und im Herzen.
Ein paar Parzellen weiter auf der anonymen grünen Wiese dieses Friedhofs liegen Großonkel, Großtante und die Großmutter. Sie sind sehr alt geworden und es war an der Zeit. Und sie wollten keine Umstände machen, niemandem.
Ich komme mit Begräbnisritualen immer weniger zurecht. Einerseits finde ich es gut, einen Platz zu haben. Das ist mein Lebensthema. Ist das auch über den Tod hinaus mein Thema? Andererseits finde ich, dass Trauer immer seltener auf Friedhöfen stattfindet. Diese Institution hat sich für mich überlebt. Aber wer weiß, wie ich in 15 Jahren darüber denke.
Das Lebenszukunftsprojekt hat einen herben Rückschlag erlitten. Das ist sehr traurig und bitter, aber durch uns kaum zu beeinflussen. Wir wollten nichts von Null aufbauen und über unsere Kräfte gehen, sondern etwas übernehmen und langsam weiterentwickeln und hatten etwas gefunden, das zu 90% passte. Aber wie so oft bei Nachfolgeregelungen sind bei dem, der ab- und aufgibt, sehr viel Emotionen, der Abschied von einem Lebenstraum und vielleicht auch der Einfluss des Umfelds mit im Spiel. Wir sind raus, es ist angeblich jemand anders zugesagt worden (scheinbar jemand aus dem Umfeld, der interessiert ist, aber nicht zu Potte kommt), obwohl wir die Favoriten waren. Aber eine endgültige Entscheidung ist immer noch nicht gefallen, wie wir hörten. Wahrscheinlich sind alle ernsthaften Interessenten erst mal an den Rand geschoben und die Entscheidung fällt dann, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Bei der Sache lohnt es sich schon, noch weiter dranzubleiben und abzuwarten, bis es so weit ist. Es ist aber, als wolle man einen Pudding an die Wand nageln.
Durch diese Sache wussten wir aber mit einem Schlag, wie das Projekt aussehen und funktionieren kann. – Wir suchen so etwas in der Art noch einmal. Das sind dann staubige, vermeintlich unscheinbare Solitäre, die sicher auch die eine oder andere Macke haben und selbst die liegen nicht zuhauf am Straßenrand. Im Gegenteil.
Es ist sehr anstrengend. Aber auf eine gute Weise. Vor fünf Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass so etwas mit einem Partner überhaupt geplant und angegangen werden kann.