MMM – Der eisvogelblaue Rock

Wer hier mitliest, weiß dass ich eine Schwäche für glänzendes Kobalt-, Stahl- und Eisvogelblau habe.
Frau Creezy hatte mir vor über zwei Jahren den Tipp gegeben, dass es gerade bei Karstadt Bouretteseide im Sonderangebot gab (was waren das in den 90ern für Zeiten, als es gut 5 Sorten Seide mit vielen Farben und Mustern für 10 bis 20 Mark das Meter einfach so im Kaufhaus gab). Ich ergatterte den letzten Rest dieses hinreißenden Blautones und nähte einen klassischen Faltenrock daraus.
Eisvogelrock
Das Blau ist in der Realität etwas grünlicher, solche Farbtöne sind schwer zu fotografieren.
Der Bund hat an der Seite jeweils 10 cm Gummizug, damit er mir dem wechselnden Taillenumfang mithält, es gibt wie immer französische Nähte und der Saum ist recht breit, damit er schwer fällt.
Es gibt ein noch paar kleine Details.
Der Reißverschluss verschwindet hinten in der Mittelfalte. (Auf dem frontalen Foto ist der Rock etwas verrutscht, die Falten sitzen mittig.)
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Der Bund ist nicht doppelt umgeklappt, weil mir das zu sehr aufträgt, sondern innen mit einem grauen Band versäubert, das mit Zickzackstick befestigt ist. Der Zickzackstich bremst, dass das Oberteil wegen des glatten Stoffes herausrutscht und der Saum hat an der Innenseite eine breit graue Blende, weil ich so kleinen, unsichtbaren Komfort sehr mag.
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(Und auf dem letzten Foto ist der Farbton endlich einigermaßen getroffen…)

Andere Kleider und ihre Näherinnen gibt es wie immer beim Me Made Mittwoch.

WMDEDGT Oktober 2015

Frau Brüllen fragt wie immer am Monatsfünften, was wir getan haben. Nun:
Heute war mein erster Arbeitstag nach drei Wochen Krankschreibung.
Zehn Minuten vor sechs Uhr klingelte mein Wecker. Das Aufstehen fiel mir leicht, weil ich gut ausgeruht war. Ich frühstückte Joghurt mit Bananen und Trauben, trank zwei Tassen Kaffee und packte mir Pflaumenkuchen und Gemüsesuppe fürs Büro ein.
Viertel nach Sieben – fast ein bisschen spät – weckte ich den Grafen, der mich zur Arbeit fahren wollte, weil ich gestern schon wieder den einen oder anderen Schwindelanfall hatte.
Zehn vor Acht stand ich vor dem Bürohaus und hatte den Schlüssel nicht dabei, den hatte ich irgendwann mal von meinem Bund abgemacht. Was super ist, denn ich kam nicht mal auf die Etage, um zu klingeln, denn der Fahrstuhl geht ohne Schlüssel erst ein paar Minuten nach Acht.
Dann musste ich noch einige Male nach der einzigen Kollegin klingeln, die sehr früh anfängt, sie hing nämlich schon am Telefon, es gab jemanden, der schon ganz früh unbedingt etwas klären wollte.
Dann groovte ich mich erst mal langsam ein. Meinen Arbeitsbereich hatten sich die Kolleginnen aufgeteilt und es stand die Frage im Raum, wie ich das im Sommer in der Hauptsaison überhaupt geschafft hätte. Naja, irgendwie halt, mit Nächten, in denen ich immer wieder aus dem Schlaf aufschreckte, Tagen, an denen ich 9 Stunden ununterbrochen Mails schrieb und telefonierte und dem ständigen Gefühl, den Anforderungen nciht gerecht zu werden. Und schlußendlich mit einem Hörsturz und einigen anderen Ekligkeiten. Schuld eigene.
Es zeichnet sich vage eine Lösung für reduzierte Arbeitszeit ab, mit der ich leben kann, Cheffe ist Mittwoch wieder da, da wird das besprochen.
Ich verbrachte den Vormittag mit Mails sichten und den Nachmittag mit Beiträgen zur Prozeßorganisation und damit, ein bisschen Assistenz für Cheffe zu spielen.
Um die Mittagszeit ging ich zum Optiker, um meine Titanbrille richten zu lassen (ja, richtig, die die ich erst vor 6 Wochen hatte richten lassen), denn ich hatte mich auf dem Sofa letztens draufgekniet. Der Optiker meinte aber, dazu bräuchte man Spezialwerkzeug und das hätte er nicht, weil er Lindberg-Brillen nicht führe. Hrmpf.
Ich kaufte noch ein paar Blumen für die Mädels und Schokolade für alle, als Dankeschön für die Vertretung.
Der Graf holte mich pünktlich um 17 Uhr ab und wollte noch eine Currywurst essen. Wir liefen zum Fleischer an der Weberwiese und ich hatschte übel, denn ich hatte mir in meinen immer noch nicht eingelaufenen hellen Ballerinas auf dem kurzen Weg mittags Blasen geholt.
Danach war Entspannungsprogramm bis jetzt angesagt: Badewanne, Salat und Käsebrot. Dazu habe ich noch auf ebay erlegten Stoff gesichtet. Schließlich soll es noch weitere Einhornschlafplätze geben.
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Und nun, kurz nach 22 Uhr geht es ab ins Bett.

Die weiteren Einträge finden sich hier.

Sonntagsmäander heute schon am Samstag

Über den Tag der deutschen Einheit muss ich nichts schreiben. Das habe ich immer mal wieder getan. Nach 25 Jahren ist das nun Normalität. Ich habe mein Erwachsenenleben nach der Wiedervereinigung verbracht und in der Rückschau weiß ich, es hätte nicht viel anders kommen können, denn die Zeit war reif. Ich bin heute nicht mal sicher, ob es in der historischen Alternative militärische Gewalt gegeben hätte. Wenn sich ein Erdrutsch in Bewegung setzt, kommt man nicht mit einer Sprengung dagegen an. Wo mit Wucht zerrieben, geschoben und gerissen wird – dort schmerzt es oder gibt neue Kraft.
Über einen langen Zeitraum ist die Summe von Freud und Leid gleich. Millionen Menschen haben andere Lebensperspektiven bekommen, so wie den gleichen Millionen Menschen die gewohnte Existenzgrundlage genommen wurde. Die Mitte tauschte Datsche und Plattenbau gegen Fertighaus und Mallorca, aber ich wage zu behaupten, so grundlegend änderte sich nichts, es wird immer noch gleichbleibend geklagt und gemeckert, aber irgendwie auch ok. gelebt. An den Rändern wird gefroren oder gefeiert. Dort sind Verluste und Gewinne nicht so ausgeglichen, da sitzen Verletzungen und Demütigungen tief oder aber das alte, graue Leben ist längst vergessen über dem Glanz der neuen Existenz.
Dass sich jetzt, nach 25 Jahren, der Begriff Nation noch einmal völlig neu definieren wird, ist wahrscheinlich an der Zeit. Es gibt eine Generation, die ohne Eisernen Vorhang und streng bewachte nationale Grenzen in Europa aufgewachsen ist. Für viele Abkömmlinge bürgerlicher Familien waren Trips in andere Länder, Fernbeziehungen über Ländergrenzen und längere Auslandsaufenthalte durchaus normal. Für digitale Bürger und Konsumenten scheint es gar keine Ländergrenzen mehr zu geben. Was man ganz gern darüber vergisst ist, dass man bei diesen Ausflügen die Reputation seines Elternhauses, seiner Kreditkarte, seines nationalen Sozialsystems und seiner Kultur mit sich nimmt. Ob als Austauschschüler, Erasmus-Student oder Easy-Jetter.
Den Ostdeutschen wurde diese Reputation geschenkt. Sie mussten nur ihre alte Staatsbürgerschaft dagegen eintauschen. Wer mittendrin war, weiß, dass das nur an der Oberfläche einfach war. Die rassistischen Herrenmenschen-Sprüche derer, die in den westdeutschen Way of Life hineingeboren waren, gab es gratis dazu.
Wer sich heute mit Rassismus/Othering beschäftigt und Critical Wasauchimmer, muss sich nicht an Amerika orientieren. Der braucht sich nur die sozialen Reibungen in der deutschen Gesellschaft der letzten 25 Jahre anzusehen. Ich habe über Zonen-Gaby nie lachen können. Ich war eine Zonen-Gaby.

Aber weiter im Text. Nachdem meine soziale Existenz in den letzten 6 Monaten vor allem aus no-shows bestand, besteht nun Hoffnung. Zumindest waren wir heute bei der Finissage der Ausstellung Leib, zu der die Frau Indica einen sehr sehenswerten Beitrag geleistet hatte.

Ich bin voller Hoffnung, dass sich das wieder einpendelt. Am Montag gehe ich wieder zur Arbeit und was die Verhandlung um weniger Arbeitszeit bringen wird, werden wir sehen.
Ich bin allen (das waren nicht wenige), die an mich herangeredet haben wie ein krankes Pferd, damit ich noch länger zu Hause bleibe und nicht kurzzeitig die Heldin spiele, überaus dankbar. Diese Woche hat endgültig die Genesung und neue Kraft gebracht.

Die Zeit zu Hause konnte ich für die Beendigung scheinbar endloser Knibbeleien verwenden. 12142641_898528810233858_255791449_n
Das habe ich getan, wenn ich nach der Arbeit zu müde war, noch irgendetwas anderes zu tun. Hörbuch auf die Ohren und stricken.

Stricken.(Triggerwarnung: Ironie!) Ich finde die Guerilla-PR-Kampagne der Berliner Radfems für Nadja Hermann aka Erzählmirnix überaus effizient und für die Buch-Autorin verkaufsfördernd. Ich frage mich, ob sich da nun jemand als PR-Fachfrau empfiehlt oder einfach nur in aller Tugend-Furiosität nen Streisand gebaut hat.

Weiter zuguterletzt mit Stricken. Dieses graphitgraue Tuch habe ich im Frühjahr fertig gestellt und es hat mir schon gute Dienste geleistet.
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Die Form ist ein sogenanntes Färöer-Tuch. Das Besondere daran ist, dass eine Art Schulter eingebaut wird und das Tuch damit um den Nacken keine Falten wirft, die Brust aber gut bedeckt.
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Das sieht dann aus wie eine kleine Fledermaus.
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Da das dunkle Seidengarn kleine violette, gelbe und grünliche Sprenkel hat, habe ich das Tuch auf den romantischen Namen Nachtwald getauft.
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Das Muster ist von einer deutschen Strickerin auf Ravelry, das Garn aus einem Etsy-Shop aus Nordengland, die dunkelopalfarbenen Perlen, die dem Saum die Schwere geben, aus Amerika. Nun wird das Tuch getragen in Berlin und wenn es in der Tasche liegt, steckt es in einem Leder-Pompadour mit dunkelblauem Seidenfutter aus den späten 30ern, denn Schlüssel und anderer Kram aus Damenhandtaschen tun ihm weh.
(die wunderbaren Herbstlichtfotos sind vom Grafen, wir machten heute einen Spaziergang von Mitte bis fast nach Stralau)