Morgen noch mal bei 34 Grad Dampfgaren im Büro und dann ist es wohl vorbei mit dem heißen Sommer.
Ja, Büro. Morgen sind 2 Wochen Urlaub vorbei. Der erste Urlaub seit 1994, in dem ich einfach nicht erreichbar sein durfte – und trotzdem bezahlt wurde und Urlaubsgeld obendrauf bekam. Luxus, großer Luxus. Und das Gefühl, wie ein Schulkind vor dem neuen Schuljahr zu stehen und zu denken: Ja, aber ich will doch den ganzen Tag spielen!, das gibt es wahrscheinlich gratis dazu.
Dessen ungeachtet bekommt ein Plan B Konturen. Mal schauen, ob und wie das funktionieren könnte. Fernziel wäre, von zu Hause und ggf. auch von Berlin unabhängig zu arbeiten und die Arbeitszeiten an die tatsächliche Nachfrage anzupassen. Also weg von täglich 9to6, das konnte ich noch nie. Ich habe immer viel gearbeitet, wenn viel zu tun war, aber nie Arbeit simuliert, wenn es ruhiger wurde.
In diesem Sommer sind kurz hintereinander zwei Menschen aus meinem früheren Arbeitsleben gestorben, nur wenige Jahre älter als ich. Einfach so, unerwartet, in keiner Risikogruppe. An verschleppter Krankheit bzw. plötzlichem Herztod.
Meine Zeit wird wertvoller. Ich möchte sie mit den Menschen, die ich liebe, verbringen und mit den Tätigkeiten, die ich liebe.
Wir waren einige Male schwimmen und ich merke, wie gut es mir tut, mehr als eine Stunde über einen ruhigen See zu ziehen. Für den Körper sowieso, aber auch für die Seele. Das ist nicht zu vergleichen mit dem Mief und der Enge eines Schwimmbads.
Weiter. Es gibt ein Thema, das für Twitter ungeeignet ist. Vor dem, was momentan passiert, kann niemand abtauchen. Plötzlich stehen in Deutschland Menschen vor den Türen. Kriegsflüchtlinge, Elendsflüchtlinge, Glückssucher. Viele. Mitten in der Urlaubszeit, in der Ämter, die ohnehin Dienst nach Vorschrift machen – was eine Qualität wir auch ein Fluch sein kann – genau wie andere Firmen minder besetzt sind. Die Lage der Menschen, die darauf warten, ihren Asylantrag zu stellen, ist unwürdig und prekär, zumindest in Berlin. Bürgerinitiativen versorgen die Ankömmlinge und organisieren und koordinieren diese Arbeit selbst, in anderen Regionen ist das Aufgabe der Verwaltung.
Mehr als Tausend obdachlose Menschen – das ist ein Altbau-Straßenzug in Berlin – kann diese Stadt also nicht versorgen und sie stranden zunächst in der normalen Berliner Ignoranz, die diese Stadt so frei macht, aber auch so unsozial. Ich möchte es nicht erleben, dass es hier einmal zu einer ernsthaften Katastrophe kommt.
Ich schicke den längeren Ausführungen eines voraus, falls das jemandem nicht klar sein sollte. Ich halte es für selbstverständlich, Kriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten Asyl zu gewähren. Für alle anderen, deren Leben viel besser wird, wenn sie ihre Heimat verlassen, braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz, wie es viele andere Länder mit hoher Lebensqualität und -perspektive haben.
Aber ich wollte eigentlich über etwas anderes schreiben, über Dresden, über Menschen, die als Pack bezeichnet werden und statt sich zum Schämen in die Ecke zu verkriechen, diese Bezeichnung annehmen.
Es gibt aber vorher noch eine Trigger-Warnung. Was ich hier schreibe, hat keine soziologische Fundiertheit. Es ist „grabe, wo du stehst“. Wer das nicht mag, sollte nicht weiterlesen.
Mein Großvater war Dresdner und wie sein Vater aktiver Kommunist, manchmal auch kommunistischer Aktivist. Er kletterte mit den Roten Bergsteigern im Elbsandsteingebirge und er erzählte mir, wie sich nach dem Klettern in der Kneipe die jungen Männer an der Farbe ihrer Anoraks erkannten. – Blau Kommunisten, braun Nazis. Waren genug Leute der jeweiligen Gruppierung vorhanden, gab es nicht nur Gepöbel, sondern aufs Maul.
Diese Ecke da oben ab Pirna war schon immer so starr im Kopf wie heute. Was ab der Romantik für die Oberklasse Naturschönheit war, war für die Menschen dort karger Boden und wenig Platz für Wohnraum. Zog Krieg durch, nahm man die Habseligkeiten und das Vieh und versteckte sich in den Höhlen. Wildern und Schmuggeln gehörten zum Leben. Für Neuankömmlinge war in der Regel kein Platz. Das war ein Ort, von dem man wegging, wenn das Handwerk oder der Hof niemand weiteren ernährte, aber keiner, an dem man sich neu ansiedelte oder Neuankömmlinge freundlich begrüßte, es sei denn, sie waren Touristen, ließen Geld da und gingen wieder. (Hier ein interessanter Blogpost von Wolfgang Michal zur ganz alten Fremdenangst in Sachsen.)
Der Talkessel Dresden war weiter und offener und doch ähnlich beschränkt. Hier findet man die Oberklasse sogar geografisch ganz weit oben – wer es sich in den Zeiten der Industrialisierung leisten konnte, hatte unten die Fabrik und baute von deren Profit oben am südlichen Elbhang in der klaren Luft eine Villa. Unten im Smog bildete das Pack hustende Klumpen in der Friedrichstadt, den Souterrains und Dachkammern der Äußeren Neustadt und später in Leuben, Niedersedlitz und Heidenau. Chemie- und Papierfabriken verpesteten die Elbe, Dampfmaschinen und Brennereien die Luft. Das hielt sich noch lange nach dem Krieg bis zur Wiedervereinigung, weil die Industrie nie großartig saniert wurde, man lebte von der Substanz. Nur die Villen am Elbhang waren aufgeteilt, hier wohnten nun viele Familien und sie verfielen allmählich als Relikt der alten Zeit und weil keiner sie erhalten konnte.
Dresden, das Tal der Ahnungslosen, wo man sich vom Westen erzählen lassen musste, weil das Westfernsehen nicht bis in den Talkessel kam, leerte sich. Man ging ins das Land der Verheißungen, wo man binnen kurzer Zeit ein Haus bauen und zwei Autos haben kann und wenn man mal keinen Bock auf Arbeit oder keine hat, bleibt man erstmal ein, zwei Jahre zu Hause und bekommt trotzdem genug Geld.
Dagegen redete nicht nur die Genossen an, sondern auch die linken Aktivisten, die das Land reformieren wollten. (Hier vermisse ich einen Link zu einer Schrift der Umweltbibliothek, die sich explizit gegen dumme und verblendete Wirtschaftsflüchtlinge aus der DDR wandte, der mir dieser Tage per RT in die Timeline gespült wurde.) Wer von guter Moral war (oder halt den A… nicht hochbekam oder heimatverwurzelt war und hier was zu verlieren hatte) blieb.
(Und wurde kurz darauf gef…t, möchte ich hier flapsig schreiben.)
Nach der Wiedervereinigung kamen sie in Horden in das Vakuum, das die weggejagten Genossen hinterließen. Die Geschäftemacher und Verkäufer, für die der Osten 17 Millionen neue Kunden bedeutete. Die Glücksritter und Heilsversprecher, die die nicht mehr konkurrenzfähige Industrie ausweideten oder aber dafür sorgten, dass der Konkurrent vom Markt verschwand. Die Investoren und Erben, die im Westen nicht den richtigen Claim gefunden hatten und es sich hier aussuchen konnten. Die drittklassigen Beamten, die qua Buschzulage die hakende Karriere pimpen konnten. Nicht zuletzt die, die sich preiswert in einer alten Kulturlandschaft ansiedeln wollten, die, die ihren alten Besitz wieder zurückkauften und solche, die sich als Entwicklungshelfer verstanden (was auch impliziert, dass die Eingeborenen grade noch mit der Keule durch den Wald rannten).
Linke und rechte politische Phantasten gab es gratis obendrauf. Mein Bruder war Anfang der Neunziger Sprecher und Aktivist der Marxistischen Linken in Dresden und warf das Handtuch, als diese Spinner einritten und begannen, rumzukrakeelen.
Die Entscheider, Eliten und Führungskräfte in sächsischen Ballungsgebieten wurde binnen 4-5 Jahren fast komplett durch Zugereiste aus dem Westen ausgetauscht, es bildete sich dazu eine bürgerliche Oberschicht, die vorher kaum noch existierte. Am Elbhang wohnten nun wieder reiche Großbürger, Unternehmer und hohe Beamte. Die linken Utopisten hatten die Äußere Neustadt okkupiert. Die Dresdner wurstelten sich so durch, wer etwas konnte, das die moderne westliche Industriegesellschft brauchte und/oder jung und anpassungsfähig war, hatte Glück. Die anderen waren auf Kurzarbeit 0, arbeitslos, Umschüler und schließlich ABM-Kräfte, sie bildeten das Kundenpotential für Quelle, Bertelsmann und Beate Uhse und hielten als Vorbild für die einfältige Dialekt-Lachnummer im Fernsehen und auf der Straße her.
Kurt Biedenkopf versuchte, ein Bundesland nach dem Vorbild von Bayern aufzubauen, das ist ihm in vielem gelungen. Schule und Verwaltung funktionieren, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist genauso volksnah und korrupt wie in den alten Bundesländern. Arbeit, vor allem schlecht bezahlte Arbeit gibt es auch wieder einigermaßen. Die Seelen der Alteingesessenen schweben aber immer noch in einem undefinierbaren Identitäts-Niemandsland. Sie benutzen die neue Infrastruktur, sie sind stolz auf ihr kleines Musterland, aber sie sind auch Fremde darin und kompensieren das durch lautes „Mir sin mir!“
Der Grat zwischen dem ausgelachten Zoni in Schneejeans, der von nichts eine Ahnung, aber große Erwartungen und Ängste hat und dem überangepassten Fake-Ed-Hardy-über-Plautze tragenden Superchecker, der laut über „unsere Regeln, unsere Bräuche“ schwadroniert, ist sehr sehr schmal.
Traditionelle Milieus neigen dazu, Parallelgesellschaften zu bilden, damit man unter sich ist, das Neue ist der Feind, das gilt für Einwanderer aus dem ländlichen Anatolien und ostdeutsche Datschenbewohner in gleicher Weise.
Noch mal zum Mitschreiben für die, die sich das nicht vorstellen können. Die Demütigungen, Kränkungen und Verunsicherungen, die ein durchschnittlicher ostdeutscher Mensch meiner Generation und älter erlebt hat, sitzen nachhaltig und tief. Durch jeden dieser Menschen gehen Risse.
Zudem lebten sie in einem double-bind. Denn das Geld für die sozialen Wohltaten, die die ostdeutschen Minderleister den Brüdern und Schwestern gleich stellten, kam aus dem Westen und bescherte Deutschland einen 20 Jahre langen wirtschaftlichen Einbruch, der sich (unter anderem) erst mit Hartz IV zum Besseren wendete.
Die Konsequenz von Hartz IV ist eine Entsolidarisierung in der Gesellschaft, die dauerhaften Empfänger dieser Leistung werden als stigmatisiert wahrgenommen. Es bildet sich ein neues Lumpenproletariat aus Menschen, die zwar nicht mehr hungern und verelenden, die aber perspektivisch (z.T. trotz Arbeit) nicht aus dem Transferleistungsempfang herauskommen werden oder aber immer wieder in der Gefahr sind, innerhalb kurzer Zeit hineinzurutschen.
Zudem hat sich eine neue Schicht von Arbeitern und Angestellten gebildet, deren Existenz zwar transferleistungsunabhängig ist, die aber bei Krisen oder persönlichen Schlägen Gefahr laufen, alles Geschaffene schnell zu verlieren, bevor die Grundsicherung greift. Diese Menschen schlittern auf sehr dünnem Eis und in Ostdeutschland haben sie auch kein familiäres Fallback, denn ihre Eltern haben meist kein kleines Kapital oder Immobilien.
Cornelia Koppetsch dazu im Freitag:
„Wohlfahrt, Bildung, Gesundheit und selbst Arbeit sind inzwischen zu Gütern geworden, die der Staat nicht mehr fraglos zur Verfügung stellt, sondern (die) von den einzelnen erkämpft werden müssen Dabei schneiden jene besonders schlecht ab, die Hilfe am dringendsten benötigen. Der westliche Staat genoss nur deshalb eine breite Zustimmung, weil er in der Vergangenheit immer wieder als Wohlfahrtstaat auftrat. (…)
Besonders gravierend scheint es da, wenn nun Leute mit Zuwendungen versehen werden, die vermeintlich nicht dazu gehören: Flüchtlinge und Migranten. Flüchtlingspolitik ist eben auch Sozialpolitik.“
BTW. Lumpenproletariat ist übrigens in der Regel politisch konservativ bis reaktionär.
Solidarität als Stichwort. Menschen, die in der DDR sozialisiert wurden, hörten dieses Wort mehrmals täglich. Es ersetzte in vielen Momenten die Formulierung Nächstenliebe, war aber viel weiter gefasst. Denn Solidarität wollte mehr sein als die Liebe des Nächsten und Ähnlichen. Der Kommunismus begriff sich als internationale Bewegung. Solidarität wurde als weltumspannendes mentales und materielles Band in einem Zeitalter geringerer Mobilität begriffen (Brecht/Eisler/Busch Solidaritätslied):
Zumindest in meiner Umgebung glaubten das die Menschen und spendeten Geld und Arbeit für Menschen in Vietnam, Chile, Angola und Mosambique. Alle taten das, vom Schulkind bis zum Rentner. Manchmal nur Pfennige, aber wer den Pfennig nicht ehrt… Nach der Wende wurde bekannt, dass dieses Geld das Land nie verlassen hat und die Empfänger nie erreichte.
Karitative Leistungen waren weitgehend unbekannt, da das Land bis auf wenige Überbleibsel säkularisiert war.
Die auf starker sozialer Kontrolle und relativ wanderungs- bzw. veränderungsarmen Soziotopen basierende Gesellschaft in der DDR (in der Momentaufnahme einer oder zweier Generationen natürlich, dieses Land gab es ja nicht lange) hatte eine eigene, fast dörfliche Form von Nähe entwickelt. Man war aufeinander angewiesen, auf Unterstützung und Tauschwirtschaft, von Geld ließ sich fast nichts kaufen. Auch das war eine Form von Solidarität, die ihr abruptes Ende mit der Wiedervereinigung hatte. Plötzlich gab es starke Wanderungsbewegungen und gesellschaftliche Schichten differenzierten sich wieder und kamen in einen massiven Distinkstionsprozeß. In der Empfindung war sich nun jeder selbst der Nächste und musste schauen, wo er bleibt. Der Identitätsverlust kam obendrauf.
Identität. Wer ist man, wenn man plötzlich erklärt bekommt, dass die bisherigen Ideale und Werte der letzte Dreck sind? Für die älteren Deutschen im Osten passierte das nun schon zum zweiten Mal. Die Westdeutschen konnten die Nazizeit mit Leistung kompensieren und neue Werte definieren. Die Ostdeutschen hatten kein Wirtschaftswunder. Sie waren der arme, etwas hinterwäldlerische Cousin am Katzentisch.
Nationalismus. Es war für mich immer wieder erschreckend, wie schnell selbst sehr intelligente Menschen, denen man die Werte des Sozialismus nahm und die die neuen Werte des Kapitalismus nicht adaptieren konnten oder wollten, ideologisch 50 Jahre zurückfielen.
Endlich durfte man wieder deutsch sein. Die offizielle DDR-Identität war ja etwas sehr Schemenhaftes, Behauptetes und Fragiles. Etwas das deutsch war, aber nicht deutsch sein durfte, so was halbrussisches, aber auch wiederum völlig anders als der Rest des Ostblocks, der aus dem Russischen Großreich mit asiatischen Vasallenstaaten, Polen und den Resten von Österreich-Ungarn zusammengelötet war. Dieses Rumgedruckse erwies sich als Nährboden für alles Mögliche, wenn Menschen die kommunistische Ideologie verabschiedeten.
Umschwung in symbolischen Nationalismus, der Jahrzehnte in irgendwelchen Hirnkellern überdauert hatte, teilweise mit Anleihen an die militante Studenten- und Burschenschaftsbewegung, die über 100 Jahre alt war. Orientierung an der Anthroposophie und der Reformbewegung, die auch die Nationalsozialisten nährte. Platt-geschichtsvergessen-Pragmatisches „ja, aber der hat doch die Autobahnen gebaut und Kinder bekommen war auch willkommen“ oder die böse Glatze-Springerstiefel-Hitlergruß-Provokation, von der man wußte, dass sie immer ins Schwarze traf und Reaktionen hervorrief. Ich habe das nie verstanden, weil ich alles Totalitär-Ideologische hasse wie die Pest, aber es ist da. Als Provokation, als Trotzalledem, als Halt.
Eine panische Suche nach Orientierung wird sichtbar. No Exit, der Diplomfilm von Franziska Tenner zeigt junge Rechtsradikale bei dieser Orientierungssuche (und wird in der Berliner Zeitung von irgendeinem Fatzke aus dem Westen verrissen, weil sich scheinbar Ostdeutsche nicht einmal ihren eigenen Herangang zu diesem Thema erarbeiten dürfen).
Kleiner Exkurs, Franziska Tenner ist eine der wenigen, die schon Anfang der 90er Recherchen im rechtsradikalen Milieu machte, sie weiß sehr genau, worum es geht, sie kennt die Akteure. Ein Milieu, in das sich normale Akademiker in der Regel nicht hintrauten.
Fremde. In der DDR, die sich weitgehend abgeschottet hatte, damit das Land nicht binnen kurzem verlassen daliegt und „der Letzte das Licht ausmacht“, wie es in einem viel erzählten Witz hieß, gab es kaum Fremde. Schon gar keine, die einfach so ins Land kamen. Es gab kubanische, polnische und vietnamesische Vertragsarbeiterinnen. Es gab die sowjetischen Truppen, die ihre eigene Gesellschaft bildeten. Es gab Afrikaner aus Mosambique, von denen ich immer dachte, sie würden einen Beruf lernen, die aber als Waldarbeiter eingesetzt wurden.
Begegnungen zwischen den Deutschen und den Fremden über die Arbeit oder organisierte und beaufsichtigte Treffen hinaus waren nicht erwünscht. (Allerdings nur im Arbeitermilieu, an den Universitäten war das anders.) Beziehungen gab es schon gar nicht, die waren regelrecht untersagt und es gab Strafen bzw. Versetzungen, die das Paar auseinanderbrachten. Deshalb blieben die Leute auch nie lange, damit sie sich nicht integrierten.
Für einfache, nicht mobile Leute waren das schon immer Fidschis, Preßkohlen oder Russenbesatzer, zumindest wenn man unter sich war, nur die gebildeten Schichten waren offener, hatte aber auch bessere Begegnungsmöglichkeiten durch das Studium oder Auslandsaufenthalte.
Kleiner Exkurs: In so einer Gesellschaft strandeten 1992 in Rostock-Lichtenhagen die vietnamesischen Vertragsarbeiter, die ihr Land nicht mehr zurücknahm und die sich mit allem möglichen durchbrachten und brachen hunderte Südeuropäische Einwanderer, vor allem Roma, ein, die wochenlang auf den Grünflächen zwischen den Plattenbauten kampierten, weil sie in einem suboptimal arbeitenden Amt Asyl beantragen wollen. (Also die LaGeSo-Situation in Berlin, nur ohne kleinen Tiergarten in der Nähe und unter Menschen, die Migration nicht kannten.)
Hier gibt es übrigens einen sehr interessanten und differenzierten Artikel dazu, der auf das Klischeefoto von dem Heil-Hitler-Typen mit der bepissten Jogginghose verzichtet.
Es ist kurzsichtig, Nazi zu schreien und nicht nach den Ursachen zu suchen, denn die Ereignisse von Lichtenhagen passierten nicht im luftleeren Raum. Da gab es keine Nazivergiftung per Chemtrail, noch war die DDR heimlicher Unterschlupf aller Nazis, die es im Westen wohl scheinbar nicht mehr gab.
Nazi. Ich halte es nicht für gut, jeden konservativen oder reaktionären Rumbrüller als Nazi zu etikettieren. Es ist sicher bequem, denn es entbindet einen vom Nachdenken und Privilegien checken, denn die meisten als Nazis etikettierten Menschen sind Unterprivilegierte gegenüber dem Nazi-Etikettierer.
Die wenigen Nazis, die ich kennengelernt habe, waren Arbeiter oder Ungelernte mit nicht viel im Kopf, kaum sozialen Bindungen, aber einer Menge Kraft und Energie, plötzlich keiner Vergangenenheit mehr und wenig Zukunft. Wo sollen da bitte moralische Werte herkommen?
Und dann gab es da noch die Rattenfänger, die kleinen Führer, die in der Menge badeten oder sich in den Männerbünden wohlfühlten.
Ich glaube nicht, dass es jemand von den politisch Radikalen wirklich nachhaltig ernst meint, bis auf ein paar ganz Ausgetickte, die dann auch ganz schnell außerhalb der Gesellschaft stehen und von Bewunderern freiwillig und Kontrollorganen (unfreiwillig?) über V-Leute supportet werden. Aber auch diese Leute können sehr viel Schaden anrichten. Siehe NSU, siehe RAF.
Es will mir nicht in den Kopf, dass Leute ernsthaft Gesellschaftssysteme wieder aufbauen wollen, die nach ein paar Jahrzehnten mit Riesenkrach gescheitert sind. Ich glaube das einfach nicht.
Es gilt die Mitläufer einzufangen, wieder einzunorden, in die gesellschaftliche Kontrolle zu bringen, möglichst bevor sie einen Molotow-Cocktail in der Hand haben und denen, die kommen und um Asyl bitten, zu zeigen, dass man denen Deutschland nicht überlassen hat.