Ich habe nichts zu verbergen? – Prism und die Konsequenz

Wir müssen uns gerade damit beschäftigen, dass Geheimdienste alle unsere für sie erreichbaren Informationen speichern. Ein Vorgang, der in seiner Dimension ein Pendant zur atomaren „Abschreckung“ des Kalten Kriegs ist. Aber Prism ist kein rein politisches, sondern ein ethisch-moralisches Thema.

Wenn es um sie Speicherung meiner Daten ging, zuckte ich früher die Schultern. Sollen sie doch daran ersticken. Kein Mensch kann diesen Wust gespeicherter Daten auswerten. Kein Mensch. Maschinen schon. Auch wenn Targeting derzeit noch hilflos ins Dunkle schießen ist, diese Technologie ist erst am Anfang.

Atomspione

Als Snowden auf der Flucht war, hatte ich ein Déjà Vu. Nein, keines, das die Stasi betraf. Ich dachte an Ethel und Julius Rosenberg, die Atomspione. Wir haben heute zwar keine klar territorial und ideologisch abgegrenzten Fronten mehr, aber der Vorgang ist ähnlich: Es riskiert jemand sein Leben, um essentielle Geheimnisse zu verraten, die die Welt tiefgreifend ändern werden.
Wie die Atombombe ist die Speicherung und automatische Auswertung aller digitalen Daten ein Instrument, um Macht und Bedrohung gegenüber Menschenmassen ausüben zu können. Wir haben uns weiterentwickelt. Wir strafen nicht mehr, indem wir Leben und Körper zerstören, wir haben nun die Möglichkeit, Krieg zu führen, ohne dass Blut fließt.
Das „ich habe dich in der Hand und kann dich zerquetschen“ heißt nun „ich weiß alles über dich, du hast keine Chance zu leugnen“.
Wie auch zu Zeiten der atomaren Bedrohung ist die Waffe so überdimensioniert und von so absurdem Wirkungsgrad, dass sie kaum einsetzbar ist, denn technologische Vorsprünge werden schnell von allen Seiten eingeholt sein. Wenn alle alle Informationen haben, neutralisieren sie sich. Aber bis dahin wird es zu unheimlichen Scharmützeln kommen.
Wie zu Zeiten der atomaren Bedrohung war die Technologie schon lange da und es wurde euphorisch mit ihr herumexperimentiert. Was hat man in den 50er und 60er Jahren nicht alles zu bestrahlen versucht?
Ich habe das ungute Gefühl, dass die Zeit unserer euphorischen Daten-Experimente bald vorbei sein wird. War mein Vater als Kernphysiker in unseren Tischgesprächen der Apologet der atomaren Zukunft, war ich es in Sachen digitaler Information. Technologiegeschichte auf eine Familie gespiegelt.
Nicht von der Hand zu weisen: Das Leck eines großen Speichers mit heißen Daten hat die Dimension eines Reaktorlecks.

All you can watch oder das Aleph

Marginalie am Rande: Ich bekomme gerade eine Einladung zu einem Kongress, dessen Leitthema: All You Can Watch lautet. In dem Fall geht es um audiovisuelle Programm-Medien, nicht um Sicherheit. Doch die Muster gleichen sich:

(Ich) sah das Aleph aus allen Richtungen zugleich, sah im Aleph die Erde und in der Erde abermals das Aleph und im Aleph die Erde, sah mein Gesicht und meine Eingeweide, sah dein Gesicht und fühlte Schwindel und weinte, weil meine Augen diesen geheimen und gemutmaßten Gegenstand erschaut hatten, dessen Namen die Menschen in Beschlag nehmen, den aber kein Mensch je erblickt hat: das unfaßliche Universum
Jorge Luis Borges Das Aleph*

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie die Geschichte ausging, den Erzählband habe ich verborgt und nie zurück bekommen. Ich glaube, dass der Erzähler von dem Mann, der ihm das Aleph gezeigt hat, erpresst wird und das Haus mit dem Keller, in dem es sich befindet abreißen lässt.

Die Konsequenzen?

Kann man aus der Vergangenheit lernen? Vom ersten Einsatz der Atombombe bis zum Verzicht auf die Hochrüstung sind über 40 Jahre vergangen. Zwischendurch lagen Hiroshima und Nagasaki, viele Atomtests und die roten Knöpfe/Koffer/Telefone der Supermächte.
Lässt sich wirkungsvoll aus der Erkenntnis, wie unsouverän die Drohung „ich hab einen großen Bruder, der ist Boxer und der verhaut dich“ auf die absurde Angstbesetztheit der Formel „Big Brother is watching you“ schließen?

Ab 5 Uhr 45 wird zurückgepeichert

Der deutsche Wahlkampf ist durch das Thema internationale Überwachung in Schockstarre verfallen. Keine der Parteien (ich lasse die Piraten, die mittlerweile kaum noch handlungsfähig sind, mal aus) kann das Ende der Komplettüberwachung und -speicherung unseres Informationsverkehrs zum Wahlkampfthema machen, weil der Betrugsversuch zu offensichtlich wäre. Bisher hat jede Regierungspartei sehr wahrscheinlich davon gewusst. Bisher hat es sich keine Partei zu politischen Aufgabe gemacht, die alten Leichen, sprich Überwachungsklauseln aus den Verträgen der Alliierten von 1945 und 1990 herauszuholen und zu beerdigen. Oder auch nur über die Konsequenzen nachgedacht, die Überwachungsprogramme haben können. Unsere Daten sind wie atomarer Müll auch noch Jahrzehnte hinterher aktiv. Dass in Europa Demokratien in Regimes abdriften, ist noch nicht so lange her und massenhaftes Verschwinden von Daten wie zum Beispiel Kreditkartennummern ist gang und gäbe. Wer garantiert uns die Sicherheit unserer Daten bei der NSA und beim britischen Geheimdienst?
Es reift gerade ein zaghaftes Bewusstsein dafür, welche Dimension Big Data hat. Der sich vielleicht mit dem Ärger Einzelner mischt, dass die deutsche Politik so technikfeindlich gestimmt ist, dass sie scheinbar (?) vom Umfang der Schnüffelaktion überrascht war und vermutlich solche Mittel nicht einsetzen kann.

Es ist eine Frage der Moral

Der Umgang mit Informationsspeicherung ist ein gesellschaftliches Thema. Diejenigen, die sich hinstellen und sagen „Ja, und deshalb mach ich nichts mit diesem Internet!“ werden ohnehin aussterben und vorher nur matt abwinken, wenn sie gesagt bekommen, dass selbst ihre von ihrem Arzt per Mail verschickten CTGs auf irgendeinem amerikanischen Server liegen.
Sich als Deutsche mit den Amerikanern anzulegen, ist … nun ja, sportlich. Ich traue das keinem Politiker in diesem Land zu. Ich traue es auch keiner europäischen Politik zu.
Per Gesetz verbieten ist sowieso keine Lösung oder nur eine Hilflosigkeit. Das hat bei illegalen Downloads auch nicht funktioniert. Die Technologie ist da. Die Frage ist, wie sie eingesetzt wird und das ist eine Frage von Ethik und Moral.

Eine mutierte Spezies, die durch Wände schauen kann und sieht, wie die Nachbarin nackt ist und wo der Nachbar sein Geld versteckt hat, könnte per Gesetz geblendet werden, aus Angst, sie fängt an zu vergewaltigen und zu stehlen. Oder sie lernt, dass die nackte Nachbarin und das Geld des Nachbarn zwar sichtbar sind, aber nicht zu Handlungen berechtigen.

Nicht das Wissen, sondern die Tat ist strafbar

Als ich mich von meinen frühen politischen Prägungen löste, ging es mir vor allem darum, die Verfügungsgewalt über meine Gedanken zu bekommen. Der Kommunismus versucht wie jede andere Religion, tief ins Denken der Menschen einzudringen. Wenn sich diese Lehre verselbständigt, dann wird wie in der Inquisition oder im Stalinismus bereits der nonkonforme Gedanke strafbar, lange bevor er zur Tat wird. – Und das im Namen einer ominösen, von Machthabern definierten Sicherheit, denn schon anders Denken ist Bedrohung.
Plötzlich bin ich doch bei den Erinnerungen an die Stasi. Die Überwachung war uns so bewusst, wie uns nun bewusst ist, dass unser Datenverkehr auf Geheimdienstspeichern landet. Wir grüßten unseren Spion am Telefon, bei Veranstaltungen der Jungen Gemeinde wurden die Herren mit den Kameras nach vorn gebeten, damit sie besser fotografieren konnten, manchmal sagte man die eine oder andere politische Äußerung noch mal extra laut mit Blickkontakt in Richtung desjenigen („zum Mitschreiben, du Depp!“), der vermutlich unser IM war.
Der Spaß hörte auf, wenn sie jemanden am A… hatten. Wenn es nicht mehr das imaginäre riesige Ohr an der Wand war, sondern die grauen Männer kamen, die den Kollegen aus der Theater-Probe abholten. Wenn man nur noch gerüchteweise hörte, er wäre wegen illegaler Gruppenbildung (was immer das war) angeklagt, in Bautzen verschwand und abgeschoben wurde und wir nur dachten: „Der? Gruppenbildung? Der bumst doch nur den ganzen Tag schöne Frauen!“ Es gibt ihn noch, den Kollegen, er will über die Vergangenheit nicht reden. Meine Vermutung und die einiger anderer ist, dass es hier einen klassischen Fall von Informationsmissbrauch gegeben hat. Er hat ziemlich wahrscheinlich die falsche Frau im Bett gehabt.
Wer garantiert, dass so etwas oder ähnlich „banale“ Katastrophen nicht passieren?

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich habe bereits so viel zum Thema gelesen, dass ich nicht mehr weiß, in welchem Blog jemand schrieb (ich wäre dankbar für einen Hinweis, wer das war), dass das, was die NSA tut, nur Ausdruck einer unser Leben stark prägenden kulturellen Tendenz ist: Überwachung aus Sicherheitsgründen. Sicherheit, die neuerdings zum Supergrundrecht geworden ist.
Das fängt bei der Mutter, die ständig das Babyphon am Ohr hat oder ihr Kind nie aus den Augen lassen will an. Das geht weiter, wenn größere Kinder keinen Gang mehr allein tun dürfen, jedes Spiel überwacht werden muss. Das endet bei Friendly Stalking, Handyortung des Partners und Kameraüberwachung öffentlicher Plätze.
Das, was wir an Freiheit gewonnen haben, indem wir jungfräuliche Bräute, die Angst vor der Todsünde und den kritischen Blick in den Garten des Nachbarn, der die Wäsche falsch aufhängt, abgeschafft haben, vernageln wir uns gerade wieder mit digitalen Brettern. Vielleicht brauchen wir das auch.
Mir aber ist unwohl dabei. Ich fürchte mich davor, dass gut abgehangene Informationen plötzlich ganz anders goutiert werden. Ich dachte, ich hätte die grauen Männer in meinem ersten Leben gelassen.

Ich weiß schon, warum ich Borges so liebe. Ist „Die Bibliothek des Universums“ eine Methapher für das Internet, ist „Das Aleph“ eine für das Phänomen, zu jeder Information Zugang zu haben.

Auf den Regen warten

Es war deprimierend, auf dem Niederschlagsradar zu sehen wie am Freitag eine lange Regenfront auf uns zu- und über uns hinwegschwebte, die überall blaues und violettes Regenecho gab, nur Berlin war ein Loch in diesem Gebilde. Wahrscheinlich war es hier zu heiß und der Regen kam gar nicht auf der Erde an oder wir befanden uns in einem magischen Kraftfeld, hervorgerufen durch die Zuckungen der Tänzer im Berghain, die unbewusst eine Art Anti-Regentanz vollführten, was auch immer.
BTW. Regentanz. Ist euch eigentlich klar, was das für eine Anstrengung ist, bei 35 Grad im Schatten singend im Kreis rumzuhüpfen?
Ich entschied mich für die faule Variante. Also, nicht ganz. Nachdem ich den Samstag schlafend und dämmernd verbrachte, fuhren wir antizyklisch handelnd abends an den Schlachtensee und schwammen eine Stunde, der Graf gut anderthalb Kilometer, ich etwas weniger, weil ich keinen Bock auf das Wasser-Gewusel an der Fischerhütte hatte. Es war zu merken, dass die Wassertiere, ob des massenhaften und nachhaltigen Menschenüberfalls schwer gestresst waren. Ein winzig kleines Entchen hatte seine Familie verloren und schwamm suchend in Richtung Schilf und ein Haubentaucher, der versuchte, einen fetten Fisch im Schnabel zu behalten, wartete ewig darauf, dass er mal die Längsschwimmtrasse kreuzen konnte. Mich kreischte er dann wütend an und ich gab ihm die Vorfahrt.
(Überhaupt! Staubwolken auf den Fußwegen und auf der Fischerhütten-Liegewiese! So was brauche ich ja wie nen Kropf.)

Gut eine Stunde nach dem Schwumm (ein wunderbares Wort, das ich bei der Frau Kaltmamsell fand), lief mir aber schon wieder die Brühe runter. Ich hab früher nie verstanden, warum Menschen so über Wärme klagen können. Seit ich ein paar Kilo zu viel mit mir rumtrage (mir zu viel, was die Norm und andere sagen, ist mir Stulle), leide ich genauso. Gott sei Dank hatte ich langfristig etwas am Schilddrüsenhormon geschraubt, voriges Jahr hatte ich zusätzlich zur Hitze fiese Ödeme an den Beinen, das blieb mit dank Höherdosierung erspart.

Ich war also nicht bei der StopWatchingUs-Demonstration, obwohl ich mir das vorgenommen hatte. Dann muss ich meinen Senf demnächst hier im Blog dazugeben.
Vorher empfehle ich allen, die eigentlich wie ich der Meinung sind „ich habe doch nichts zu verbergen!“ diesen Film, der wunderbar grundlegende Gedanken sortiert und illustriert:

Die Samstagnacht verbrachte ich mit meiner alten Leidenschaft. Ich nähte den vor dem Urlaub liegengebliebenen Stufenrock und wunderte mich, was ich da beim nächtlichen Zuschneiden (das war so eine locker-flockig-Anleitung aus dem Netz: 3 Bahnen soundso breit, 4 Bahnen soundso breit…) vor zwei Wochen verbockt hatte. Irgendwie hatte ich eine Stufe vergessen, statt 5x20cm nur 4x 20 cm zugeschnitten, und so hat das ganze Petticoatlänge bekommen:
Stufenrock
Noch ist er ungefärbt und steht ob der Appretur. Ich seh damit mal wieder aus wie ein Teletubby.
Auf den Saum habe ich in Gedenken an des Grafen Omi etwas LitzeSpitzeBand (wie sie immer sagte) aufgenäht:
Stufenrock Detail
Wunderbar präzise Stiche, leicht zu machen.
Dann gab ich der neuen Nähmaschine ein bisschen was Kompliziertes zu tun. Wir sind ja immer noch auf dem Kennenlernparcours. Alles, was mit Zierstichen zu tun hat, ist für mich Neuland. Das ist ein Teilbereich, der noch einmal völlig separate Bedienung lernen für mich bedeutet. Und das ist ja nicht nur „Welches Knöpfchen drücke ich?“. Viele Dinge, die ich sonst instinktiv mache: Stoff, Nadel, Faden und Nähtempo abstimmen z.B., muss ich hier noch einmal neu lernen. Die Nadel tanzt herum und macht bei bestimmten Motiven Doppelt- und Dreifachstiche, was zur Konsequenz hat, das dickes Ziergarn nicht für jeden Stich geht. Auch die gleichmäßige Dicke der Stofflagen ist zu beachten, denn mitunter zieht der Transporteur noch mal alles einen halben Zentimeter zurück, um die andere Seite des Motivs zu sticken und braucht auch ordentlich was zu greifen.
Überhaupt, das ist mit die größte Umstellung. Bei einer Nähmaschine mit 9mm Stichbreite muss beachtet werden, dass die weit auseinander liegenden Transporteure anders greifen. Letztens saß ich mit „Häh???“ vor einer eigentlich easy zu nähenden Schräge, bis mir die Gebrauchsanweisung erklärte, dass kurze Nähte im 45-Grad-Winkel konstruktionsbedingt der blinde Fleck sind und man sie nur mit einem Trick hinbekommt.
Ich ließ das Maschinchen zum Kennenlernen die Nähte auf einem Schwebebalken balancieren:
Stufenrock Detail
Nämlich auf der 1 cm breiten französischen Naht der Stufen. Das sieht einfacher aus als es ist, denn manchmal kann der Rücktransport nicht richtig greifen, weil der mehrfach zusammengelegte Stoff zu schmal ist:
Stufenrock Detail
Das oben müssten eigentlich geschlossene quadratische Rhomben sein, wären es auch, wenn der Stoff überall gleich dick wäre.
Stufenrock Detail
Auch wenn es etwas zu dick für den Stoff ist, ich wollte das violette 30er-Ziergarn unbedingt dabei haben. Mitunter gab es stumme oder wirkungsvolle Rückmeldungen: Kannst du mal den Transporteur lockern? Das drückt! Der Faden schneidet ein, bitte locker machen! Oder: Meh, diese Nadel aus deinen Altbeständen hat einen Grat am Öhr… Bum-Peng-Krach!
Das sieht dann so aus:
Stufenrock Detail
Ich bin ja eher der Lerning-by-Doing-Typ.
Der Rock bekommt noch Farbe, einen zarten Flieder-Ton. Deshalb kaufe ich auch immer stapelweise weißen Baumwollzwirn, wenn ich ihn sehe. Mit dem mittlerweile fast ausschließlich angebotenen Allesnäher aus Polyester kann ich gar nichts anfangen. Der nimmt keine Farbe an. Waren das noch Zeiten, als Kurzwarenläden und Kaufhäuser die Farb-Paletten mit mindestens zwei Garnstärken und drei Qualitäten, Baumwolle, Seide, Synthetik anboten.

Am Sonntag war bei mir die Belastungsgrenze in Sachen Hitze erreicht. Der Haut macht der ständige Wechsel von schweißnass zu im Luftzug trocknen keinen Spaß. Die Haare haben sich zu Putzwolle verwandelt. Der ganze Körper sagte: Das reicht! Echtjetztmal!
Beim Warten auf das nächtliche Gewitter hatten wir alle Fenster weit geöffnet. Irgendwann muss es im Schlafzimmer eine kleine Windhose gegeben haben, denn alle unter dem Bett liegenden und für den Staubsauger unerreichbaren Wollmäuse klebten plötzlich an einer zusammengerollten Matratze, die an einer Wand aufgestellt ist.

Dann endlich kam der befreiende Regen…

Berliner Hundstage

Zunächst bescherte mir die Rückkunft nach Berlin 24 Stunden Schockstarre. Zu laut, zu heiß, zu staubig, zu viele Leute. Ich zog die Vorhänge vor, öffnete und schloss nach ausgeklügelter Hitzeabwehrstrategie die Fenster und brachte dem Grafen immer mal ein kühles Bier an die Ruhestatt, wo er den letzten Blogartikel verfasste und das Schlesische Elysium noch mal aktualisierte und polierte.
Ich hatte währenddessen einen akuten Putzanfall. Wer zwei Wochen in blankgeputzten Hotels logiert, kann sich hinterher schon mal über den Anblick der vorm Urlaub liebevoll selbst verdreckten Küche wundern. Mit dem Wort „Igitt“ auf den Lippen schwang ich einen halben Tag lang den feuchten Lappen bis die Gummihandschuhe Löcher hatten.
So langsam söhne ich mich mit diesem Steinwald voller Hipster und Touris wieder aus. Ich mixe Melonenshakes und mache gut salzige Gazpacho gegen den Elektrolytverlust, der mir bei dieser Hitze immer wieder fiese Kopfschmerzen beschert. In der Mittagshitze halte ich Siesta und frühmorgens uns nachts werden dann die liegengebliebenen Dinge erledigt.
Die Ferienentspanntheit, die die Berliner überkommt, wenn der Parkplatznahkampf nachlässt und die Stadt so tut, als läge sie am Meer, fällt mir bei kurzen Gängen aus meiner Höhle positiv auf. Der Weinhändler über die Straße, der mittlerweile auch Öl, Honig, Essig, Schokolade, Brot und Knoblauch führt, schenkte mir zum Wein- und Brotkauf frische Pflaumen, die er von einer Winzer-Tour vom Land mitbrachte.
Nun steht in der Küche ein kleines Töpfchen Zwetschgenröster und der Graf bekommt einen Kaiserschmarrn.
Ich habe meinen Schreibtisch aufgeräumt und kämpfe vorbildlich an der Papierfront. Eine Versicherung, die seit einem Jahr die Bearbeitung eines Antrages verzögert, macht mir Freude.
Dann liegt noch ein Stufenrock bereit, den ich vor dem Urlaub zugeschnitten hatte, aber dazu komme ich garnicht…