Wenn ich mit dem Abstand von zwei Tagen auf den Dienstag sehe, muss ich lachen. Schön, wenn einem plötzlich der Klassiker passiert. Der da lautet: Die Braut ist noch nicht fertig! Was habe ich feixend in Hochzeitsgesellschaften gestanden, auf den großen Auftritt wartend, aber entweder war die Frisur noch nicht fertig oder das Mädel musste noch mal umgeschminkt werden.
Ich stand und dreiviertel 1 (für die anderen Viertel vor 1) in Wäsche im Bad, war noch nicht geschminkt und rupfte mir schreiend die Lockenwickler aus dem Haar. Um 1 sollte die Limousine vor der Tür stehen. Aber irgendwie ging es dann doch. Ich hatte die entscheidenden Dinge geprobt und aus meinem kurzen Intermezzo als Theatergarderobiere wußte ich, wie man schnell und ohne Unfälle in eine Klamotte kommt. Wir warfen noch die Champagnerflasche mit zwei Gläsern in stilgerecht in eine Papiertüte, schauten zweimal, ob die Ringe und die Ausweise dabei waren, dann konnte es losgehen. Die Schuhchen wurden im Auto zugeknöpft und die restlichen Sachen an Ort und Stelle gezuppelt, alles fein.
Im Zehlendorfer Standesamt (zu dem wir ja kamen, wie die Jungfer zum Kinde, weil ein Termin frei war) war an einem Dienstag im April alles ganz entspannt. Ich kippte vor Aufregung erst mal der Standesbeamtin den Inhalt meiner Handtasche unter den Schreibtisch. Dann wurde es amtlich und emotional zugleich, eine ganz komische Mischung. Ich konnte mich gerade noch so zusammenreißen, nicht fürchterlich loszuheulen. Was man, glaube ich, auf dem amtlichen Foto auch sieht.
Das mit den Ringen war auch schnell erledigt, es flutschte, keiner klemmte (das gibts ja), es paßt eben. Die sind übrigens wunderschön und kommen aus der Schmuckgalerie, aus der auch der schwarze Ring stammt, den ich mir vor meinem Sprung ins Ungewisse schenkte. (Unten links, pikanterweise ein Ehering, ich Anti-Esoterikerin habe also erstmal vor drei Jahren unwissentlich mich selbst geheiratet…)
Korkenknall auf der Frühlingswiese
Als wir vor die Türe der netten kleinen Villa traten, sprang ein Straßenmusiker aus dem Gebüsch, der auf grauenvolle Art und Weise den Hochzeitsmarsch intonierte (Drinnen war unsere musikalische Begleitung eklektisch: Wir begannen mit
All Along The Watchtower in der Jimi Hendrix-Version und endeten mit Berlin, Dein Gesicht hat Sommersprossen, Hildegard Knef 1966.)
Nun aber kratzte eine Jammergestalt auf einer üblen Geige. Wir bekamen den Tipp: „Gebense dem nichts, den werden wir sonst nicht wieder los!“ Wir ignorierten ihn kräftig, so ein Typ kann ja einen großen Auftrieb mit Videokamera und pipapo richtig ruinieren…
Auf der frühlingsfeuchten Wiese, aus der die ersten Gradhalme sprossen – vergessen wir nicht, vor zwei Wochen lag noch Schnee und jetzt, berlintypisch, waren fast 20 Grad – füllten wir unsere Gläser und wünschten uns ein gutes Leben.
Dann stiegen wir wieder ins schwarze Auto und nutzten die Staus des Berufsverkehrs, um uns im Fond sitzend einen kleinen Schwips anzutrinken.
Eskapismus? Aber gern!
Ich hatte im Nachdenken über diesen Tag die kleine, piekende Horrorvorstellung, dass wir anschließend zu Hause den Rest des Tages banal vertrödeln würden. Das ist ja nix für Madame, die braucht ihren Auftritt. Und so organisierte ich eine Woche vorher einen besonderen Tag in Berlin.
Aus dem Job kannte ich von diversen Empfängen das Hotel de Rome.
Dort hätten wir organisiert und entspannt Hochzeit feiern können, denn das Standesamt Mitte kommt dort sogar zur Trauung vorbei (Hochzeits-Lizenz, so heißt das…) und es gibt eine Wedding Plannerin. Aber wir sind nun einmal liebenswürdige Chaoten, denen so etwas auf den letzten Pfiff einfällt.
Ich war vom Hotel de Rome immer heftig fasziniert, weil dieses Labyrinth aus Schwarz, Grau, Stein, Licht und immer mal sehr präsenter Farbe meinen Nerv traf. Irre Lage, mitten im preußischsten Quartier von Berlin, ein altes Bankgebäude, das schlichte elegante und gemütliche Kokons, Orte für sophisticated Drinking, Rumsitzing und zeitgleich einen großen Ballsaal und eine himmelstürmende Dachterasse für entspannte Feste hat.
Wenn hier eine Party war, mussten die letzten Gäste morgens fast herausgetragen werden, weil keiner gehen wollte. (und das mag bei der Berlinale was heißen, die Konkurrenzveranstaltungen locken schließlich) Da wollte ich hin. Am Abend dann zum Essen ins Vau, weil ich die Küche sehr inspirierend und wohlschmeckend finde.
Der Graf war leicht skeptisch, ob ihm das nicht alles zu viel wird. Das ist manchmal ein kleiner Dissenz zwischen uns, wenn Miz Kitty einen Roman inszeniert und dieser stille, sensible Mensch Bedenken hat, sich darin zu verlieren. Aber es funktionierte, er fühlte sich wohl.
Also ließen wir kurz an der Barnimkante anhalten, schnappten uns ein Übernachtungsköfferchen und uns zu guter Letzt in der Behrensstrasse absetzen. (Ich grüßte beim Vorbeifahren an der Neuen Wache noch in Gedanken meinen Großvater, der hier von 1971 bis 1978 zwei, dreimal die Woche mit mit allem Protokoll und Staatsgast vorfuhr. Dieser unser Tag hätte ihm gefallen. Und den Grafen hätte er sehr gemocht. Ist dieser doch so etwas ähnliches von Beruf wie er früher war.)
Wir hatten eine Juniorsuite mit Blick auf die Hedwigskathedrale, im ersten Stock, dort wo die Decken noch über 4 Meter hoch sind… und ja, wir wurden verwöhnt.
Kaum hatten wir etwas verpustet, kam schon Matl, um uns zu fotografieren.
Da das Wetter noch trübe war, nutzten wir zuerst das Interieur des Hauses.
Das riesige schwarze Samtsofa in der Lounge.
Das leider schwierig zu fotografierende historische Treppenhaus.
Dann ging es nach draußen, auf den Gendarmenmarkt.
Matl machte die ersten Gemäldefotos (das ist übrigens die Treppe am Konzerthaus).
Das ist der Moment, wo der Graf beginnt, sich vor der Kamera wohlzufühlen und meine Frisur löst sich immer mehr in Wohlgefallen auf und ich beginne, meinen Vorfahrinnen zu ähneln, KKM, Tante Meta und und…
Nach einer guten Weile merkten wir, dass 20 andere Leute, touristisch gekleidet, mitfotografierten. Wahrscheinlich waren die dann ganz enttäuscht, dass sie keinen Promi erwischt hatten.
Auf dem Dach von Berlin
Ich hoffe, es langweilt noch nicht. Das ist der Nachteil von alleinigen Hochzeiten, keine blumenstreuenden Kinder, keine skurril gekleideten Tanten, keine Späßchen machenden Onkel, nur das Paar ist das Fotomotiv.
Die Sonne und das schräge Berlin-Mitte-Abendlicht kam auf.
Matl versetzte uns kurz in die 40er und wieder zurück.
Dann gingen wir auf die Dachterrasse, die man uns freundlicherweise extra öffnete.
In diesem Licht gibt es dort oben Fotomotive, die sind bigger than life.
Das Licht war genial, nur Miz Kitty begann sichtlich zu schwächeln. Mir taten die Füße weh! Und so beendeten wir die Session.
Mit einem Fotogemälde, das wir demnächst sicher mal groß aufziehen lassen werden und in die Wohnung hängen.
Danach begann der ganz entspannte Teil des Abends.
Futtern wie am Kotti, nur viel viel besser
Wir verschnauften ein halbe Stündchen und liefen rüber ins Vau. Da wir furchtbar Hunger hatten, machten wir keine Sperenzchen und orderten das Menü. Das mitsamt den Aufmerksamkeiten aus der Küche so nette Dinge enthielt wie türkische Linsensuppe, Dreierlei von der Taube und Rosa Kalbrücken mit Rotkohlsalat. Deshalb meine Kotti-Assoziation. Dekonstruierte Kreuzbergromantik. (der Kleeberg wird mich erschlagen…) – Für die Leser, die durch Zufall hier landen. Wir haben uns im Kaisers am Kotti kennengelernt und wer den kennt, weiß, daß das ein spezieller Berliner Ort ist.
Also superbes Essen, entspannte Mit-Gäste, nur ich Depp, der mir die Weinwahl überlassen wurde, weil ich einlud, oderte etwas, was der Sommelier sicher nicht empfohlen hätte. Naja, Schuld eigene.
Als wir dann wunderbar satt und leicht betrunken zurück liefen, dachten wir eigentlich nur ans Schlafen.
Man hatte uns das Bett aufgedeckt und die Vorhänge zugezogen, der Fernseher sendete einen knisternden Kamin, als wir eintraten.Im Zimmer gab es jeweils eine englische Goethe-Ausgabe, die die Leiden des jungen Werther, die Italienische Reise und den Faust enthielt und eine englische Übersetzung der Blechtrommel von Günther Grass. Die wir aber nur zum Ablegen der Fliege nutzten, hatten wir doch noch eine Hochzeitsnacht vor uns…
Nichts zu bereuen
Am Morgen erwachte ich und die deckenhohen gesteppten Vorhänge vor den Fenstern (Weiß, mit einer taupefarbenen Kante, dahinter ein braun-schwarz-grau gestreiftes Rouleau, allein über die Inneneinrichtung könnte ich abschnitteweise schwärmen! Eine Einrichtung in Schwarz, Metall, grau, Braun und weiß mit roten Akzenten, dazu saugemütlich!) Also noch mal, die Sonne schien durch die gesteppten Vorhänge und das Zimmer war in ein diffuses, zartgraues Licht getaucht, die taupefarbenen Streifen der Vorhänge schimmerten rötlich. Überwältigend!
Wir rappelten uns auf und gingen schwimmen.
Das Foto habe ich mir aus dem Netz gepickt, ich war so begeistert, hatte aber kein Telefon dabei. Wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich eigentlich nur Schwimmen, Schlafen und Essen müsste, wenn ich es mir aussuchen dürfte… Wahrscheinlich war ich in meinem letzten Leben eine Seekuh.
Dann trödelten wir zum Frühstück und hätten es fast verpasst. Danach musste der Graf leider arbeiten und ich drehte noch einmal eine Runde durchs Haus.
Schnappte unsere Sachen, nicht ohne ein #609060-Foto zu machen, und fuhr zurück zur Barminkante. Als verheiratete Frau.
Abspann – wie im Film
Mein wahnsinnig bequemes und schönes Kleid ist mal wieder von Anna Scholz.
Der Bling-Bling-Schmuck ist aus der Waterfall-Kollektion von Konplott.
Den Grafen zog Rafael German im Patrick-Hellmann-Flagship-Store an.
Die Blumen sind von Grey Gardens.
Die Fotos von Matl Findel, mit dem ich schon lange Jahre zusammenarbeite und der uns wortlos verstand.
Und das Hotel de Rome gab uns bei der Nachfrage, ob wir mit dem Fotografen auf die Dachterrasse dürfen, eine Medien-Rate auf das Zimmer, so wie ich das aus meinem früheren Beruf kannte.