8 – Was haben die denn geraucht?

Gestern schraubte ich eine Menge Fotos in die Website von LaPrimavera. Wunderschöne Fotos.

Und dann flatterte mir diese Website ins Postfach. Ebenfalls mit wunderschönen Fotos. Die Kampagne der Berliner IHK und der Wirtschaftsjunioren Berlin „Ich mach mich selbständig“. Ich wußte nicht, ob ich lachen oder heulen sollte.
Im Land der Selbständigen liegt Berlin am Meer und es ist ewiger Sommer. Die jungen Menschen, die den Schritt in die Freiheit getan haben, sitzen mit ihren Apple-Laptops (mit retuschiertem Logo selbstverständlich) in leichter Kleidung auf dem Steg oder einer Wiese in der Sonne oder telefonieren am Rand einer Blumenwiese mit ihrem Handy. Mädchen und Jungs paritätisch verteilt, versteht sich. Und – oh Wunder! – keiner ist übernächtigt, trägt einen muffigen Hoodie und eine Hipsterbrille!
Die optische Tonalität der Seite ist dominiert von Orange und Grün in allen Schattierungen, konterkariert von Himmelblau. Die Farben von Wellnessangeboten und Krishna-Jüngern.
Der Text unterstützt das noch. Selbständigkeit sei Freiheit. Man könne arbeiten, wann und wo man wolle! Natürlich wolle man nicht verschweigen, daß es manchmal viel Zeit erfordere, selbständig zu sein, weil man sich um viel kümmern müsse, aber man könne die eigenen Ideen umsetzen, ohne die Meinung eines Vorgesetzten beachten zu müssen. Ziel der Kampagne: Jungen Menschen zu vermitteln, dass sie mit ihrem Können alle Chancen und Möglichkeiten haben. Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Welch nette Parallele.

Zielgruppe der Kampagne sind Studenten, aber vor allem Schulen. Darunter eine Menge Schulen, deren Absolventen mit Hängen und Würgen demnächst durch Berufsbildungsprogramme geschoben werden, damit sie in der Jugend-Arbeitslosenstatistik nicht auftauchen und auf die ganze Scheiße eh keinen Bock haben, weil sie nicht mal die Fragen in den Tests verstehen, geschweige denn, in ganzen Sätzen schriftlich darauf antworten können. Für die Schule und Bildung eine Kette von Demütigungen sind und die bei dem Spruch, sie könnten alles erreichen, was sie wollten, nur das Kotzen kriegen. Da kommt jetzt also jemand und offenbart ihnen das Paradies der Selbständigkeit.
Feedback von Schülern einer Kreuzberger Schule, in der eine Veranstaltung mit den „Gesichtern“ der Kampagne stattfand: Unternehmer seien ja viel menschlicher, als in den Medien dargestellt! Und man habe die Schüler ernstgenommen. Wtf? Keine bösen Horrorkapitalisten mit Zylinderhut, Zigarre und Stoppuhr? Die Gegenseite scheint auch eine Menge Visionen zu haben, die nach Rauchware klingen oder noch nie in die Nähe eines Unternehmers gekommen zu sein, wahrscheinlich noch nicht mal in einem Ferienjob.
Die Gesichter der Kampagne. Schöner Ausdruck. Erinnert ein bisschen an diesen Berliner Nachwende-Modelwettbewerb „Gesicht 94 95 96…“ Das korrespondiert mit der ganzen Fassade, die die Kampagne zimmert. Die Gesichter der Herren und wenigen Damen sind aber eher blass und man trägt dann doch eher büro- und straßentaugliche Kluft. Man sollte sie mal fragen, wie oft sie in ihren Job mit dem Laptop entspannt auf dem Steg rumlümmeln. Ich weiss nicht, was die sich in der IHK bei dieser Aktion gedacht haben. Der Graf bekam einen leisen Aggroanfall und gedachte der durchgearbeiteten Nächte, ich erinnerte mich an meine ersten 3 Jahre, in denen ich am Freitag manchmal vor Erschöpfung geheult habe. Denen hat man bei ihren Meetings was in den Filterkaffee getan, da bin ich mir sicher. Das Anliegen der Sache ist ok., die Kommunikation eine Katastrophe.

Der Claim Arbeite wie du willst, wo du willst und wann du willst! könnte aber auch eine versteckte Botschaft sein für Leute, die sich so gar nicht auf die Reihe kriegen. Nach dem Motto: Ach, mach doch, was du willst!

7 – Wenn einem der Himmel auf den Kopf fällt

Oder besser, das Eis vom Dach, dann sperrt man den Gehweg exakt an der Stelle ab, an der es gerade runtergekracht kam. Zumindest in Berlin Mitte. Auch wenn nun gerade DA jetzt keine Dachlawine mehr zu befürchten ist. Ja. Nee. Is klar.
Ansonsten meißele ich gerade LaPrimaveras Lebenswerk in Bits und Bytes. Da sie so garnicht online spricht, ist das manchmal sehr bilingual, wenn wir uns verständigen. Merke: Den Offliner erkennt man daran, dass er schreibt: Willkommen auf meiner Hompage! Und behauptet, ein Blog ginge gar nicht, man sage nicht so viel persönliches von sich und seitenweise persönliche Bekenntnisse abliefert.

Veröffentlicht unter Leben