Miz Kitty reist mit dem Grafen IV

Tag 9, Montag

Nachdem der Graf noch nachtsüber mit dem Hotelzimmer gehadert hatte, weil sich an das LAN-Kabel kein zweites Gerät anschließen ließ (physisch schon, es kam nur nicht ins Netz, weil die IP angeblich schon an ein anderes Gerät vergeben war), gab es am Morgen ein Frühstück unter unwirtlichem Tellergeklapper, denn die andere Tische wurden schon abgeräumt. Es ging so weit, daß die Dame begann, uns abgegessene Teller vom Tisch zu ziehen. Deutlicher kann man nicht sagen: Verpißt euch!
Das war überhaupt die Atmosphäre in diesem Hotel. Gestreßtes Personal, das mit angestrengtem Lächeln freundliche Worthülsen rüberschob, aber im Grunde signalisierte, daß man gefälligst sein Geld dazulassen und weiter nichts zu melden hätte. Nicht gut. Vor allem für knapp 150 € die Nacht.
Wir fuhren über liebliche Landwege weiter in Richtung Nyborg, dort wo die Brücke über den großen Belt beginnt. Im Bed&Breakfast-Katalog hatten wir ein Schloß mit bezahlbaren Zimmern entdeckt, das nicht ausgebucht war. Keine düster-feuchte Renaissance, kein helles Barock und Rokkoko, sondern strikter Klassizismus. Es sah aus wie eines dieser großen englischen Herrenhäuser. Die Herrschaften blieben zu zweit im Haupthaus unter sich. Die Gäste brachte man im ehemaligen Dienstbotenflügel unter, aber selbst das war schon sehr gediegen mit seinem leicht morbiden Charme und der sehr sensibel zu bedienenden Originalklospülung.
Da der Graf in der Nacht vorher die Direktive gerausgegeben hatte: Nur noch französisches Bett und funktionierendes WLAN, waren wir glücklich mit dem zwar etwas kleinen, aber kuscheligen Veilchenzimmer. (Miz Kitty hatte mit dem Orchideenzimmer geliebäugelt, in dem ein riesiges weißes Himmelbett stand, aber das wollte die leicht versoffen wirkende Madame, die schier unverständliches Englisch sprach, partout nicht rausgeben.)
Mit uns waren zwei ältere Ehepaare untergebracht, die Männer jeweils klein, drahtig und irgendwie unterbeschäftigt wirkend, wie sie vor dem Haus herumsaßen und auf ihre postklimatierisch auseinandergegangenen Damen warteten, die endlos Zeit brauchten zum Zurechtmachen und sich scheinbar fühlten wie im Adels-Roman.
Wir fuhren eine kleine Runde an die Ostsee, der Graf badete, ich bewachte derweil den Steg. Das Wasser und ich sind immer noch keine Freunde. Dann kauften wir für ein Picknick im Schloßpark ein, das wir dann auch gebührlich im riesigen Landschaftspark zelebrierten. Wir lagerten noch etwas auf der Decke und sahen der Sonne zu, wie sie zwischen riesigen Baumstämmen rotgolden unterging, als ein Rehbock bellte.
(Es gibt Wissen im hintersten Winkel meines Kopfes, das sich in solchen Augenblicken aktiviert. Nach Hund klang es nicht, Fuchs klingt auch anders, also konnte es nur ein schröckender Rehbock sein.) Danach war es mir da draußen zu gruselig und wir zogen uns ins Veilchen-Zimmer zurück.

Tag 10, Dienstag:
Morgens gab es noch ein nettes Frühstück in der Gesindeküche, dann machten wir uns auf den direkten Weg nach Hamburg. Dachten wir. Der Graf wollte nämlich noch einen ganz kurzen Abstecker an die Flensburger Förde machen, der sich dann als länger erwies. Die Sonne war mild, das Wasser strahlte weißblau, als hätte jemand am Photoshop-Regler gespielt und war so klar, daß sogar ich schwimmen wollte.
Deshalb ritten wir erst im Dunkeln in Hamburg ein und machten nachts noch einen kleinen Romantik-Stop an der Alster.

Tag 11, Mittwoch:
Hier offenbart sich mein Denkfehler. Ich hatte allen gesagt, ich wäre 10 Tage unterwegs. Mittwoch war aber schon Tag 11.
Ausschlafen war angesagt. Da ich auf meinem Frühstück bestehe, wenn ich es bezahlt habe, denn ich brauche für den Start in den Tag etwas im Magen, waren wir immer recht früh aufgestanden. Nun schliefen wir bis 11 Uhr und trödelten in der Wohnung der Freunde rum. (Man erinnere sich, die mit dem Klodeckel.)
Es war zu merken, daß wir schon lange keine Herausforderung mehr zu bewältigen hatten. Schönes problemloses Dasein, dem das einzige Problem immanent war, daß es grade zuende ging.
Wir schnürten durch die Hamburger Innerenstadt. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, mit den Norddeutschen warm zu werden. Die Stadt ist sauberer, die Leute besser angezogen als Berlin und die Berliner.
Wir machten mir den Freunden am Abend ein kleines Fischessen an der Alster (wenn der Urlaub war gebracht hatte, dann, daß wir zu Picknickern geworden sind) und fuhren auf der leeren Autobahn zurück nach Berlin.

Und nun? Alltag. Arbeit. Leben.

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Miz Kitty reist mit dem Grafen III

Tag6, Freitag:

Die Sonne kam heraus. Zwar nicht ganztätig, aber doch sichtlich.
Allerdings verschliefen und verdallerten wir die Sonnenstunden, um dann angesichts eines kleinen Regenschauers zu beschließen, lieber drin zu bleiben.
Das Zimmer war nun absolut nicht mehr zu verlängern, am Wochenende war das ganze Hotel wegen einer Vernissage in der Galerie nebenan ausgebucht.
Mittlerweile war es voll, vor allem paarweise reisende mittelalterliche Damen und Ehepaare, bei denen die Gattin kulturbeflissen dreinschaute, waren eingetroffen. Eine der Damen brachte in der Nacht eine Solonummer. Sie stand auf dem Gang und motzte laut ob des Umstands, daß sie den Bewegungsmelder für die Flurbeleuchtung nicht auslöste. Ihre Worte bestanden aus so undamenhaften Ausdrücken wie: „Halts Maul“ und „Was ist denn das für eine Scheiße?“. Sie war auch nicht mehr ganz artikulationsgenau. War wohl ordentlich Küstennebel unterwegs.

Am Abend liefen wir lange über den Strand irgend wann kam der Mond und der Horizont blieb hell. Ich redete und lief und hörte zu und alles um mich herum bewegte sich im diffusen Licht. Das Meer, der Sand, die Wolken… und da zog wohl einer in meinem Kopf die Reißleine. Data overload. Mit der Assistenz des Grafen, dem in Ohnmacht fallende Damen nichts Neues zu sein schienen, wurde ich in den Sand gelegt und durfte etwas rekonvaleszieren. Danach ging es langsam heimwärts, auf einen galanten Arm gestützt.
O-o. Daß ich immer noch nicht merke, wann Schluß ist.

Tag7, Samstag:

Am nächsten Morgen ritten wir noch weit vor der normalen Aufstehzeit vom Hof. Natürlich nicht ohne eine Herausforderung zu produzieren. Ich hatte mein Make up-Beutelchen vergessen, wie wir einen halben Tag später telefonisch informiert wurde. Das reist nun getrennt von uns per Post nach Berlin.
Wir fuhren von der Nordsee nach Fünen an die Ostsee. Der Graf hatte dort schon einiges erlebt und wollte mir die Insel und seine alte Plätze zeigen.
Wir fanden ein Bed&Breakfast bei Faaborg. Wobei der Name für das Domizil schwer untertrieben war. Ein Grundstück mit Meerblick in der Ferne, davor Wiesen, eine Schafweide und ein Acker. Darauf ein modernes schwarzes Holzhaus und das Nebengelaß mit den Gästezimmern im englischen Landhaustil eingerichtet. Als Gastgeber ein lässiges älteres Paar mit Stil. So in etwa könnte ich mir meinen Lebensabend auch vorstellen. Ein bißchen Garten, ein bißchen Inneneinrichtung, ein bißchen kochen und mit den Gästen plaudern, die mir interessant erscheinen.
Wir machten die Runde durch Faaborg und verspürten ein kleines Hüngerchen. Die Gastgeberin hattte uns gewarnt: Hier wären die Restaurants abends sehr voll und würden früh schließen. Also bestellten wir den Burger nach Art des Hauses mit Country Potatoes. Was kam war ein Riesenmonster. Von der Idee her delikat, vom Koch her allerdings völlig verdorben. Versalzen und verbrannt. Ich weiß nicht, was mich geritten hatte, das Ding so zu akzeptieren, statt es zurückgehen zu lassen.
Der Graf war hinterher kurz vorm Amoklaufen vor Ärger, das er das Ding gegessen hatte, ich nur pappesatt und kaloriengelähmt.
Wir fuhren an einen Sandstrand oder besser an einen, der einer sein sollte. War er aber nicht. Zwischendurch fragten wir hier und da nach einem Quartier, aber es war alles ausgebucht, bis auf ein Redneck-Anglerheim mit Triebtäteratmosphäre, bei dem wir Bettwäsche und Frühstück hätten separat bezahlen müssen und der Preis hätte dann dem des Hotels an der Nordsee entsprochen. Wir ignorierten das Angebot und riskierten eine Suche am nächsten Tag, denn im schwarzen Haus konnten wir nicht bleiben, auch hier war alles vergeben.
Wir saßen am Abend mit Blick auf das Meer. Nebenan sang ein Ehepaar gemeinsam Wanderlieder. (wtf???) Einige Zeit später hatten wir noch Baumaßnahmen zu erledigen. Die Betten waren wunderschön, aber separat und federleicht. Mit zwei zu Seilen geknoteten Hunde-Netto-Tüten banden wir sie aneinander. Was definitiv die geringere Herausforderung war, als eine Verletzung vom Absturz in die Besuchsritze zu bandagieren.
Die Frage ist, ob die Leute, die Hotelzimmer einrichten, womöglich alle keinen Sex haben (oder diesen bei ihren Gästen vermeiden wollen?), daß sie sich so was einfallen lassen.

Tag8, Sonntag:
Nach einem sehr delikaten englischen Frühstück, serviert von der Hausherrin, mit der ich – obwohl ich der Sprache kaum mächtig bin – heftig auf Englisch scherzte, verließen wir mit großem Bedauern das schwarze Haus. (Natürlich hatten wir unsere baulichen Veränderungen rückgängig gemacht.)
Wir nahmen ein nettes Hotelzimmer in Svendborg direkt am Hafen und fuhren eine Insel weiter, um uns Schlösser anzusehen.
Erst eines, das auch vermietete, ein uralter Renaissance-Bau. In den Räumen(die auch im Sommer heftig geheizt werden mußten) umherzugehen, wo abends wahrscheinlich der Inhaber auf dem Sofa saß, war schon etwas sonderbar. Aber laut dem Grafen ist das hierzulande üblich.
Dann fuhren wir durch eine liebliche Landschaft nach Waldemars Slot. Das hatte schon etwas sehr Royales. Mit gefiel der kleine barocke Teepavillion am Meer am meisten. Da ließe es sich leben. Das Gesinde könnte mir Tee und gebratenen Fasan bringen, abends würde ich die obligatorische Flasche Champagner köpfen und nachts im weißen Nachthemd durchs Haupthaus geistern…
(Notiz an mich: Mal sehen, ob Jobs als Schloßgeist ausgeschrieben sind. Weiße Dame könnte ich ganz gut.)

Noch eine Insel weiter, auf Langeland, stieg ich auf einem Parkplatz dann glücklich in Wanderschuhe und kurze Hosen. Wir suchten uns an der Steilküste ein lauschiges Plätzchen und machten ein Picknick, um endlich wieder einmal die vollen Kontrolle über die Kalorienzufuhr zu bekommen. Die Sonne spiegelte sich im Wasser, Schiffe fuhren vorbei und wir schlummerten etwas auf den rundgespülten Steinen.
Danach waren wir in einem Zustand, in dem wir endlich entspannt einen mindestens dreiwöchgen Urlaub beginnen konnten, um dann noch eine Woche Urlaub abgewöhnen dranzuhängen.
Abends am Svendborger Hafen aßen wir noch eine Kleinigkeit auf die Hand und genossen das die alten Boote im Abendlicht. Ich hatte einen Karton Pommes vor mir und der Graf eine Pizza Calzone. (Solange man die Essensration noch tragen kann, ist es nicht zu viel.)
Und nun? Drei Tage aufschreiben im Hotelzimmer, vor einer Fake-Tiffany-Lampe, deren eine Glühbirne immer mal streikt. Willkommen im Hier und Jetzt.

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Miz Kitty reist mit dem Grafen II

Tag5, Donnerstag

Regen. Von oben, von unten und von der Seite. Und sonst keine weiteren Herausforderungen, als den satten, müden Körper vom Frühstückstisch in den Schaukelstuhl, von da aus zur Siesta ins Bett und dann ins Auto zu tragen, um die Insel Mandö zu besichtigen.
Dort kam erstmalig die Sonne raus und es duftete nach Salzwiesengräsern. Ganz kurz switchte die Idee durch meinen Kopf, das wir doch das Lämmchen, was am Straßenrand herumlümmelte zwecks Grillierung mit uns nehmen könnten. Allein, der Graf sah sich nicht in der Lage, es zu schlachten. Schade eigentlich. Wozu reist frau mit einem Mann mit Schweizermesser?
Also fuhren wir zurück ins Hotel, wo wir am Morgen das Menü gebucht hatten (der kochende Hotelier hatte uns angesprochen, wahrscheinlich hatte er meine existenziellen Hungersnöte erahnt). Es gab Schweinefilet mit Bacon, Rosmarinkartoffeln, Zuckererbsensalat und dazu göttliches Brot, zu dem ich nicht Nein sagen konnte, Glutenunverträglichkeit hin oder her.
Dann gingen wir noch einmal ans Meer und liefen zwei Stunden durch die Nacht. Die Wolken hatten sich noch nicht verzogen, aber der Horizont war hell und der Vollmond hinter den Wolken brachte den Sand zum Glimmen. Das Wasser stieg immer höher. Es war warm und unwirklich. Im Erdseezyklus von Ursula K. LeGuin hatte ich von solchen Stimmungen gelesen. Da waren meist die eignen Geister nicht weit und der Weg in die Zwischenwelt offen.
Die nächtlichen Begegnungen eben.

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Miz Kitty reist mit dem Grafen

Selbstverständlich lassen sich auch Reiseberichte prokrastinieren.
Aber wer in strömendem Regen im warmen Hotel sitzt, das leidlich funktionierendes Internet hat, findet leider keine Ausrede mehr.
(Der mitreisende Gefährte, der seit einiger Zeit das Ying zu meinem Yang ist, wird ab sofort der Graf genannt. Was mit dem zu tun hat, das er macht.)

Also, das war so:

Tag1, Sonntag:

Von Berlin nach Hamburg. Der Auto-Opa erinnerte sich schnell an die Strecke, die er früher oft fuhr und trug uns schnell dort hin.
Selbstverständlich waren wir wieder zu spät dran, was daran lag, daß ich ohne Frühstück und Kaffee nicht aus dem Haus kann. Frau Koma läge nämlich sonst bald im Koma.
Wir hatten Quartier abwesenden Freunden des Grafen in einer hübschen kleinen Wohnung und hauten uns dort erst einmal ein Stündchen hin. Die hübsche kleine Wohnung war sehr sauber und mit cremefarbenen Teppichböden ausgelegt.
Eigentlich eine gute Gelegenheit für Kitty, angelegentlich eine Flasche Rotwein fallen zu lassen. Also sah ich mich vor, denn ich kannte meine Schusseligkeit, die immer dann einsetzt, wenn vorsichtiges Bewegen angesagt ist.
In dem Moment, in dem ich mich jenseits von hellen Teppichböden entspannt aufs Klo setzte, passierte es dann. Eine Plastikschraube gab nach und ich schusselte auf dem Klositz durchs halbe Bad. Zur Erinnerung: Es war Sonntag, die Gastgeber waren bis Montag mittag aushäusig und es ist doch etwas blöde, einen Zettel zu hinterlassen, auf dem stünde: „Übrigens hat meine Freundin eure Klobrille kaputt gemacht. Upsi!“
Wir verdrängten das Problem die Herausforderung zunächst und begaben uns in die Strandperle. Easy Living bei Anblick von hochhaushohen Containerschiffen. Hamburg wäre es auch gewesen, wenn ich nicht in Berlin hängengeblieben wäre.
Als es dunkel wurde, fuhren wir ins Schanzenviertel, wo der Graf, als er noch ein sehr schüchterner, sehr junger Mann war, vor langen Jahren mit vielen netten Omis in einem 50er-Jahre-Haus gewohnt hatte. Seine Feststellung: Alles anders jetzt. So ein bißchen wie Friedrichshain um die Simon-Dach-Straße. Und die Omis waren alle ins Jenseits verzogen.
Nun wäre Kitty nicht gelernte DDR-Bürgerin, wenn sie auf Reisen nicht die ständig Angst begleiten würde, daß sie nichts zu essen bekommt. (Wir erinnern uns, die DDR war das Land, in dem in den wenigen Kneipen platziert wurde, die Küche um 22 Uhr schloß, Restaurants zwei Ruhetage in der Woche hatten, ab 7 Uhr weder Kekse im Konsum noch Bockwurst an der Imbißbude erhältlich und die Sanitäranlagen unbenutzbar waren. Deshalb reist Kitty auch heute noch gern mit einem Vorrat an Eßware und Feuchttüchern, die den früher üblichen feuchten Waschlappen in der Plastiktüte ersetzten.)
Wir drehten in der Schanze die Runde, auf der Suche nach glutenfreiem, nicht zu teurem, schnellem und leckerem Essen. Der Bok-Imbiss ignorierte uns, der sich als Veggie-Restaurant gerierende Inder war zu fettig, andere hatten schon zu und so landeten wir beim Türken und ich saß kurz vor zwölf glücklich vor einem Teller Checken-Döner mit Reis und Salat, nicht ohne mich über die Hamburger Preise zu wundern.
Dann machten wir uns an die Herausforderung. Sekundenkleber würde es sicher richten. Wir fuhren die Hamburger Tankstellen ab. Als ich schon aufgegeben hatte, wollte der Graf noch zur Tanke an der Reeperbahn und siehe, der Herr hinter der Kasse kramte unterm Ladentisch und förderte Sekundenkleber zu Tage.
Die Schraube wurde geklebt und wir krachten gegen drei ins Bett, selbst der Rasenmäher, der pünktlich morgens 8 Uhr Ordnung in den Hinterhof brachte, konnte mein Schnarchen nur kurzzeitig unterbrechen.
Ganz vergessen, vor dem Schlafengehen suchten wir noch eine geschlagene halbe Stunde nach einem Parkplatz…

Tag 2, Montag

Ab nach Dänemark. Doch halt, die Herausforderung kam zurück. Der Sekundenkleber hielt der Scherbelastung auf der kleinen Fläche der Plastikschraube nicht stand und diesmal schlitterte der Graf mit dem Klodeckel durchs Bad.
Meinen Vorschlag, doch noch mal zu kleben und sich vom Acker zu machen, lehnte er verständlicherweise mit Rücksicht auf seine Freunde ab. Also hieß es, einen Baumarkt zu suchen, um dort eine Lösung zu finden. Nach einer reichlichen Stunde kehrte der vollkommen entnervte Mann erfolgreich zurück (heiß, Parkplatzsuche, Baumarktodyssee etc.), zwei Plastikschrauben in der Hand, die wahrscheinlich mehr als der Klodeckel gekostet hatten.
Also konnten wir los. Wir schunkelten entspannt durch den Norden. Das Hotel war schon per Internet gebucht, ein Landhotel, das rustikale dänische Küche und Livemusik versprach androhte, aber preiswert und günstig gelegen war.
Vor der dänischen Grenze las ich das Schild „letzte Tankstelle in Deutschland“ und meine Ossialarmanlage schlug an. „Sollten wir tanken?“ war meine Frage, denn der Tank war nur noch zu einem Viertel voll. „Och nö“, war die Antwort, „können wir nachher noch machen.“
Im Hotel angekommen, wurde ich erst mal ins Bett geschickt. (Die Unterkunft waren übrigens ein paar aufgemotzte Wohncontainer an der Landstraße nach Romo, hinter einem alten Dorfgasthof.) Der Graf fuhr schnell tanken, damit wir heute abend noch zum Meer kamen, um unsere Flasche Wein zu trinken.
Als ich nach anderthalb Stunden ausgeschlafen erwachte, dachte ich mir: Wie nett, er sitzt im Gasthof, trinkt ein Bier und will mich nicht wecken. Aber so langsam ist es neun Uhr, wir sollten mal was essen. Da klingelte das Telefon. Er sei wieder in Deutschland, denn alle Tankstellen wollten die Geheimnummer der Kreditkarte wissen (weiß irgendjemand von euch die Geheimnummer seiner Kreditkarte????) und mit ec-Karte ging garnichts, hier in Deutschland seien die meisten Dorftankstellen abends geschlossen. Ich solle die Daumen drücken, daß er es noch zur nächste Tanke, die offen sei, schaffe.
Upsi die zweite. Urlaub machen ist nicht so einfach. Ich setzte mich vor den Gasthof, wollte aber nichts essen, weil das ja etwas gemein und wenig solidarisch gewesen wäre, einen hungrigen und gestreßten Mann satt und ausgeschlafen zu empfangen. (Daß die Küche längst geschlossen war, entging mir.)
Irgendwann, die heftig biertrinkenden dänischen Gäste hatten mich schon mehrmals eingeladen, brachen wir zur Insel auf.
Ich lernte etwas faszinierend Neues: Man kann mit dem Auto zum Strand fahren, ohne daß die Welt sofort in einer Umweltkatastrophe versinkt oder sich illegale Rennen fahrende Jugendliche in Blechhaufen zerknüllen.
Doch bevor wir uns am Strand im Auto in den Anblick der vom Scheinwerfer beleuchteten Wellen ergingen, mußten wir etwas zu essen besorgen. Die Läden und Kneipen, die vor Minuten noch offen waren, hatten inzwischen geschlossen, einzig eine Softeisbude, in der geputzt wurde, verkaufte uns noch etwas.
Wenn ich nicht in Hamburg darauf bestanden hätte, Brot und Gemüse zu kaufen, wären wir tatsächlich mit einem Softeis im Bauch zu Bett gegangen, für so verfressene Wesen wie mich eine Katastrophe. So gab es ein nettes Picknick und nach nicht mal 20 km Umweg (müde Karte lesen ist anstrengend) lagen wir gegen 3 Uhr im Bett.

Tag3, Dienstag

Das rustikale dänische Frühstück beinhaltete sogar Bulletten und Bratkartoffeln. Um uns herum saßen Rentnerpulks, die bald in einem Bus verschwanden.
Wir recherchierten nach dem nächsten Hotel. Der Reiseführer drohte uns eine synthetische Proletensiedlung mit Softeis- und Pommesbuden an, wir wolltens aber mal riskieren, weil die Fotos vom Hotel nett aussahen.
Und nun stand ich vor einer Herausforderung. Upsi die Dritte. Ich hatte vor dem Urlaub eine Menge erledigt, eine essentielle Sache aber prokrastiniert. Die nun anbrannte. Was hieß, ich mußte dringend eine ziemliche Menge Geldes auf den Weg zum Empfänger bringen. Auslandsüberweisung? Homebanking um drei Ecken übers hapernde Funknetz? Hm.
Der Graf hatte eine gute Idee. Wir nahmen die Fähre von Romo nach Sylt. Eigentlich, um ein deutsches Bankhaus aufzusuchen und die Überweisung zu tätigen, was nach einer halben Stunde erledigt war. Uneigentlich, um Sylt anzuschauen. Hübsch, wirklich hübsch. Am Nachmittag senkten wir den Altersdurchschnitt im Gogärtchen. Eindruckvolle Silberrücken tranken dort den ersten Prosecco des Tages und sahen zu, wie ihre gut gelifteten Gattinnen kultiviert mit den Enkelkindern spielten.
Das Thema am Nebentisch waren die Flugzeiten mit Anfahrt vom häuslichen Anwesen in die Sylter Dependance. Wir gaben Nerd und Nerdesse und waren die einzigen Smartphonebenutzer.
Am Abend kamen wir in dem wirklich hübschen Hotel in einem Örtchen bei Esbjerg an und buchten spontan einen weiteren Tag. Ein hübsches Zimmer (aber unbegreiflich, warum alle Betten eine Besuchsritze haben!), nette Gastgeber, ein schöner Salon, da nimmt man das Bad auf dem Gang gern in Kauf.
Wir nahmen den Picknickkorb, auf mein Betreiben hatten wir uns schon vorher mit Eßwaren eingedeckt und machten ein kleines Heringsessen auf der Düne bei Anblick von Strand und Sonnenuntergang.

Tag4, Mittwoch:

Upsi, wieder eine Herausforderung, eine kleine allerdings. Wie schafft man es, auf Reisen einen in Deutschland gesperrten Youtube-Clip wieder ans Netz zu bringen? Es geht.
Und dann regnete es und wir liefen im Regen den Strand entlang und badeten sogar.
Himmlisch, göttlich und sehr entspannt. Mit den von mir geliebten Pastelltönen von Sand, Gras, Meer und Himmel und schwebender Verliebtheit.
Nach meinem späten Mittagsschlaf brachen wir auf, um etwas zu essen. Merke: An so wichtigen Zeitmarken, wie 21 Uhr in verschlafenen Familienferiendörfern nie NIE! überlegen, ob man nun hier oder da essen will. Dann hat nämlich außer den Kneipen auch der Supermarkt zu und man muß mit einer halben Tüte Chips und einer Portion Softeis im Bauch ins Bett, selbst wenn die letzte Mahlzeit das Frühstück war.
Das war nun eine sehr große, existenziell bedeutsame Herausforderung für mich. Ich hatte Hunger! Ich mußte was essen! Was richtiges! Fleisch! Jetzt! Sofort!
Ich stürzte in eine leicht ranzige Burgerbude, die unter anderem Pizza Gyros führte, bevor auch diese schloß, orderte Fish & Chips und sah erst dann in das erstaunte Gesicht des Grafen. „Isso.“, konnte ich nur sagen, bevor ich mich hingebungsvoll dem Junk-Food widmete.
Die Nordländer sind halt entspannt, weil sie nicht so verrückt sind, dermaßen lange und viel wie die Deutschen zu arbeiten. Da schließen die Küchen um 9 und fast alle Osloer Hotels und Kneipen haben zu Weihnachten geschlossen. Isso.
Das Zimmer haben wir übrigens noch einen weiteren Tag verlängert.

Die Reise aus der Sicht des Grafen können Sie übrigens da nachlesen.

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