Miz Kitty reist mit dem Grafen IV

Tag 9, Montag

Nachdem der Graf noch nachtsüber mit dem Hotelzimmer gehadert hatte, weil sich an das LAN-Kabel kein zweites Gerät anschließen ließ (physisch schon, es kam nur nicht ins Netz, weil die IP angeblich schon an ein anderes Gerät vergeben war), gab es am Morgen ein Frühstück unter unwirtlichem Tellergeklapper, denn die andere Tische wurden schon abgeräumt. Es ging so weit, daß die Dame begann, uns abgegessene Teller vom Tisch zu ziehen. Deutlicher kann man nicht sagen: Verpißt euch!
Das war überhaupt die Atmosphäre in diesem Hotel. Gestreßtes Personal, das mit angestrengtem Lächeln freundliche Worthülsen rüberschob, aber im Grunde signalisierte, daß man gefälligst sein Geld dazulassen und weiter nichts zu melden hätte. Nicht gut. Vor allem für knapp 150 € die Nacht.
Wir fuhren über liebliche Landwege weiter in Richtung Nyborg, dort wo die Brücke über den großen Belt beginnt. Im Bed&Breakfast-Katalog hatten wir ein Schloß mit bezahlbaren Zimmern entdeckt, das nicht ausgebucht war. Keine düster-feuchte Renaissance, kein helles Barock und Rokkoko, sondern strikter Klassizismus. Es sah aus wie eines dieser großen englischen Herrenhäuser. Die Herrschaften blieben zu zweit im Haupthaus unter sich. Die Gäste brachte man im ehemaligen Dienstbotenflügel unter, aber selbst das war schon sehr gediegen mit seinem leicht morbiden Charme und der sehr sensibel zu bedienenden Originalklospülung.
Da der Graf in der Nacht vorher die Direktive gerausgegeben hatte: Nur noch französisches Bett und funktionierendes WLAN, waren wir glücklich mit dem zwar etwas kleinen, aber kuscheligen Veilchenzimmer. (Miz Kitty hatte mit dem Orchideenzimmer geliebäugelt, in dem ein riesiges weißes Himmelbett stand, aber das wollte die leicht versoffen wirkende Madame, die schier unverständliches Englisch sprach, partout nicht rausgeben.)
Mit uns waren zwei ältere Ehepaare untergebracht, die Männer jeweils klein, drahtig und irgendwie unterbeschäftigt wirkend, wie sie vor dem Haus herumsaßen und auf ihre postklimatierisch auseinandergegangenen Damen warteten, die endlos Zeit brauchten zum Zurechtmachen und sich scheinbar fühlten wie im Adels-Roman.
Wir fuhren eine kleine Runde an die Ostsee, der Graf badete, ich bewachte derweil den Steg. Das Wasser und ich sind immer noch keine Freunde. Dann kauften wir für ein Picknick im Schloßpark ein, das wir dann auch gebührlich im riesigen Landschaftspark zelebrierten. Wir lagerten noch etwas auf der Decke und sahen der Sonne zu, wie sie zwischen riesigen Baumstämmen rotgolden unterging, als ein Rehbock bellte.
(Es gibt Wissen im hintersten Winkel meines Kopfes, das sich in solchen Augenblicken aktiviert. Nach Hund klang es nicht, Fuchs klingt auch anders, also konnte es nur ein schröckender Rehbock sein.) Danach war es mir da draußen zu gruselig und wir zogen uns ins Veilchen-Zimmer zurück.

Tag 10, Dienstag:
Morgens gab es noch ein nettes Frühstück in der Gesindeküche, dann machten wir uns auf den direkten Weg nach Hamburg. Dachten wir. Der Graf wollte nämlich noch einen ganz kurzen Abstecker an die Flensburger Förde machen, der sich dann als länger erwies. Die Sonne war mild, das Wasser strahlte weißblau, als hätte jemand am Photoshop-Regler gespielt und war so klar, daß sogar ich schwimmen wollte.
Deshalb ritten wir erst im Dunkeln in Hamburg ein und machten nachts noch einen kleinen Romantik-Stop an der Alster.

Tag 11, Mittwoch:
Hier offenbart sich mein Denkfehler. Ich hatte allen gesagt, ich wäre 10 Tage unterwegs. Mittwoch war aber schon Tag 11.
Ausschlafen war angesagt. Da ich auf meinem Frühstück bestehe, wenn ich es bezahlt habe, denn ich brauche für den Start in den Tag etwas im Magen, waren wir immer recht früh aufgestanden. Nun schliefen wir bis 11 Uhr und trödelten in der Wohnung der Freunde rum. (Man erinnere sich, die mit dem Klodeckel.)
Es war zu merken, daß wir schon lange keine Herausforderung mehr zu bewältigen hatten. Schönes problemloses Dasein, dem das einzige Problem immanent war, daß es grade zuende ging.
Wir schnürten durch die Hamburger Innerenstadt. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, mit den Norddeutschen warm zu werden. Die Stadt ist sauberer, die Leute besser angezogen als Berlin und die Berliner.
Wir machten mir den Freunden am Abend ein kleines Fischessen an der Alster (wenn der Urlaub war gebracht hatte, dann, daß wir zu Picknickern geworden sind) und fuhren auf der leeren Autobahn zurück nach Berlin.

Und nun? Alltag. Arbeit. Leben.

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