26.3.

Ach dieser Frühling! Es ist immer wieder, jedes Jahr, ein Ereignis wie eine Premiere. (Jetzt lachense bitte nicht über diesen blöden Vergleich!) Aber da hat jemand monatelang im Dunkeln rumgemunkelt und dann plötzlich: Vorhang auf, Spot an! Und es ist antrengend. All das Licht und die Wärme, da wird man dann ganz furchtbar müde.
Gestern stockte die Büroarbeit, vor dem Erwerb einer magentafarbenen Druckerpatrone ging erstmal nichts weiter. Also kletterte ich nach unten und marschierte einmal quer durch Mitte zum Alexa. (Von dem ich ja immer noch hoffe, daß es nachts mal einer versehentlich sprengt. Ist das häßlich!)
So ein Gang quer durchs Zentrum weckt in mir ja alte Erinnerungen.
In der Brunnenstraße habe ich mal ein halbes Jahr gewohnt, dort, wo jetzt das geräumte besetzte Haus ist. Ich hatte ein 15qm-Zimmer mit Bad(!) und Badewanne. (Das war eine modernisierte Küche-Kammer-Wohnung. Kennt den Grundriß noch jemand? Man kam direkt vom Treppenhaus in eine große Wohnküche, die in mittlerweile in Flur, Küche und Bad aufgeteilt war und dahinter lag die Schlafkammer.) Die Wohnung lag im 2. Stock,  mit Blick auf eine Seitenflügelmauer in drei Meter Entfernung und war lausig dunkel.
In der Steinstraße hatte mein Kommilitone Thomas eine Bude, die nur aus einer Kammer mit Kochplatz bestand, allerdings unsaniert. Das waren früher alles Puffzimmer dort im Hinterhof, wie eine seit ewigen Zeiten dort wohnende Omi berichten konnte. Der Innenhof des Hauses war unterkellert und stand knöchelhoch voll Wasser und ich sah immer das Bild vor mir, daß hier früher Ganoven ihre Sore versteckt hatten.
In der alten Schönhauser Straße hatte ein guter Freund jahrelang eine riesige Wohnung. Außer ihm wohnten dort nur noch die Ratten und ein paar Autowracks im Hof. Interessanterweise benutzte er von dieser Wohnung nur das Klo mit Dusche und einen 4 qm-Abschnitt im Wohnzimmer, dort stand sein Hochbett und darunter war ein Sofa mit Fernseher und Videorecorder. Ich erinnere mich an so manche Hollwoodfilmanalysenacht.
Später zog er in die Rosa-Luxemburg/Ecke Memhardt-Straße. Das waren dann Kinofilmrohschnitte mit verdammt gutem Whisky – der Mann hatte sich beruflich weiterentwickelt.
Der Alexanderplatz, das waren die Weltfestspiele 1973. Mein Bruder und ich saßen stundenlang in der Sonne an irgendeinem Brunnen, um uns herum ein Riesentrubel und die Eltern waren im Blauhemd als politische Agitatoren unterwegs.
Die andere Seite des Alexanderplatzes: Der Dachgarten der Stadtkommandantur, das Feuerwerk zum Ende der Weltfestspiele. Die Unterhaltungen dre Erwachsenen: Ulbricht liegt seit ein paar Tagen im Sterben. Er wollte nicht, daß das Fest gestört wird, deshalb steht es nicht in der Zeitung.
Das Alexander-Haus, hier hat der langjährige Gefährte als Broker gearbeitet. Eine modernisierungstechnische Sünde mit dreifachen Fenstern und eingezogenen Zwischendecken, um die heilige Kuh Denkmal zu erhalten und gleichzeitig modern arbeiten zu können.
Das Alexa. Früher einfach nur ein leerer Platz, auf dem im Winter der Weihnachtsmarkt stattfand und der meiner Erinnerung nach irgendwelche Funktionen bei Mai- und Militär-Paraden hatte.
In der Echtzeit bewege ich mich vom hippen Familien- und Backpackerviertel in die Region der grauhaarigen schwäbischen Touristen, die – völlig geschockt vom Großstadtverkehr – versuchen, mit einer Fahrrad-Gruppenführung die Stadt zu erkunden, über den unrinstinkenden Taschendieb- und Bettlerplatz ins Atzenkonsumparadies und kaufe eine Druckerpatrone in der Farbe Magenta.

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25.3.

Ein Sonntag, wie er im Buche steht. Der Graf schläft noch und ich krame vor mich hin. Ein Bad, auf dem iPad Twitter, Blogs und Zeitungen leerlesen, während dessen ein Spiegelei verfrühstücken und Kaffee, jede Menge Kaffee natürlich.
Dann ist der Graf wach und macht tatsächlich ernst, ist er doch für den Halbmarathon und den Berlin-Marathon angemeldet. Er zieht die Laufschuhe an, setzt das Basecap auf und rennt mal eben von Mitte Nord zum  Zoo und zurück.
Ich hübsche mich derweil, hab die Haare schön und die Augen bunt und werde müüüüüde. Es dauert eben immer zwei Tage, wenn ich in die Erschöpung reingefallen bin, wieder rauszukommen. Also lege ich mich schlafen und kaum bin ich im Traumland, kommt der Graf zurück. Bad Timing, wirklich.
Nach zwei Stunden haben wir es dann geschafft, die Schlaf-Wach-Phasen zu synchronisieren und spazieren durch Mitte. Es folgt natürlich der klassische Stop im Café Victoria: Schokoladen-Baiser-Torte für beide, damit wir nicht vom Fleische fallen und ein Päckchen Kaffee für Mme Jura zu Hause, die klagte nämlich über innere Leere.
Dann kehren wir im Buch- und Zeitungsladen im Bahnhof Friedrichstraße ein. Der sonntägliche Ersatz für Dussmann. Selbstverständlich frage ich nach Ashby House, hatten sie aber nicht.
Danach kommt eine halbe Stunde Soziophobiker-Training, Einkauf beim Edeka. Das ist für mich der Horror in Tüten. Der Laden ist mit Regalen so vollgestopft, daß keine zwei Leute nebeneinander durch den Gang laufen können und er ist voll, brechend voll. An manchen Wochenenden so voll, daß Security die Leute schubweise reinlassen muß. Da ist alles unterwegs. Penner, Touris, Besserverdienende. Der Edeka in der Friedrichstraße ist eigentlich das beredteste Beispiel dafür, daß sonntäglich geschlossene Läden im Zentrum einer Metropole wie Berlin riesiger Schwachsinn sind. Wir kaufen die notwendigsten Lebensmittel, Wein, Käse, Brot und machen einen Sprint zur Straßenbahn.
Wieder oben auf der Barminkante angekommen, erklettern wir das Heim, stellen die Einkäufe ab und kullern wieder runter ins um diese Zeit rein touristische Leben. Der gemeine Anwohner sitzt derweil zu Hause, bringt die Kinder zu Bett, ißt Abendbrot oder bügelt die Hemden für die Woche, schaut „Tatort“, hat danach S*x und geht schlafen. Bei uns ist die Zeit gerade aus den Fugen.
Wir essen in einem Falafel-Laden in der Kastanienallee (der heißt im Link noch Kamun, jetzt aber Ersra) und landen auf einen Wein im Ars Vini II, weil wir das mal testen wollen.
Sagen wir mal so… da ist einer Im Viertel rumgegangen udn hat geschaut, welche Läden brechend voll sind und ihm sind die Weinerei Forum und das Nola’s aufgefallen. Folgerichtig ist das Ars Vini II nun ein Laden mit Weinhandel, einer Riesentheke offener Weine, aber ohne Selbstbedienung und Fondue, aber ohne Schweiz. Muß man mögen. Die Bedienung war sehr engagiert, aber wie das so ist mit Weinpoesie, man muß sich seine Kundschaft schon ansehen, bevor man empfiehlt.
Und dann? Sonntag vorbei. Schade. Schnief. Der Ernst der Woche steht vor der Tür.

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24.3.

Ein Null-Tag. In die Sonne blinzeln, Schlafen und Essen. Nur nichts komplexes tun. Und schon Putzen ist komplex.
Am frühen Abend, nach dem Mittagsschläfchen, kam das Kind und wir saßen unten in der Weinerei bei Kaffee und Kuchen, dann stolperte ich wieder die Treppen hoch und bügelte etwas, das kann ich auch im Halbkoma.
Der Graf hatte seine Rückkehr für 23:30 Uhr angekündigt, aber da schlief ich schon…

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23.3.

Bringen wir doch mal mit Tagebuchbloggen wieder ein bißchen Schwung in den ollen Laden.

Also.

Seehr früh aufgestanden, weil im Nestchen noch zu putzen war vor der endgültigen Übergabe.
Die Einbauten der letzten 5 Vormieter (!) hatten wir schon am Tag vorher rausgenommen, eine Angelegenheit, die schwer über meine Kräfte ging. Die Dübel waren auch draußen, mit dem Ergebnis, daß die Knäckebrot-Wände fette Krater hatten.
Die Verwalterin, ehemalige Schwiegercousine, kam Gott sei Dank ein paar Minuten zu spät und so wurde ich tatsächlich fertig. Sie hatte den Malermeister mitgebracht für die Begutachtung der Arbeiten.
O-o. Man erinnere sich. Meine Stucco- und Putz-Übungen. Der Maler musterte die Wände und meinte: „Hm, was ist denn da los, da sind überall Absätze.“ Ich hyperventilierte, klimperte aber dann mit den Wimpern: „Ja verstehe ich auch nicht, das sah so aus, als ich die Tapete runterriß!“ Die Schwiegercousine: „Ja, das macht man doch auch nicht!“ und zum Malermeister: „Da kommt dann Raufaser drauf!“
Janeeisklar. Wir hatten schon immer beträchtliche Geschmacksunterschiede.
Aber keine halbe Stunde später hatte ich den Ablaßschein in der Hand und schaukelte dann mit dem vollgepackten gräflichen Auto in Richtung Osten, wo mir der beste Freund dankenswerter Weise seit Jahren einen Lagerraum zur Verfügung stellt.
Wir luden die Sachen aus und gingen hinterher in die auf seinen Gemarkungen ansässige Mehrzweckgaststätte, in der Menschen zu Küchenhilfen und Köchen umgeschult werden. Es gab Weißkohlauflauf. Das klingt vegetarisch, ist es aber nicht, schließlich befinden wir uns im tiefsten konservativen Osten. Das Verhältnis Kohl-Hackfleisch betrug ca, 1:1 und dann kam noch fett Käse drauf.
Immer wieder frappierend, daß 30 km von Berlin, an der S-Bahn-Endhaltestelle, eine völlig andere Welt existiert. Die junge  Frauen sehen entweder aus wie Cindy aus Marzahn oder billige Daniela-Katzenberger-Klone (das will was heißen!) und schieben meistens einen Kinderwagen. Ansonsten ist eine Armada von Rollatorsurfern beiderlei Geschlechts unterwegs. Man wird ausschließlich mit Jungefrau! angesprochen und der Umgangston zwischen Kunden und Verkäufern im Supermarkt ist beherzt-ruppig. (BTW. Es gibt noch ein Pfandflaschenhäuschen, in dem am Freitag nachmittag 4 Leute beschäftigt waren. Die sind scheinbar billiger als zwei Pfandautomaten. Dazu empfehle ich den liebenswürdigen tschechischen Film Pfandflaschen.)
Wenn man mag, daß die Menschen einem im öffentlichen Raum sehr nahe rücken, in der Kassenschlange meist so, daß man ihren Atem im Nacken spüren kann und es immer mal zufälligen Körperkontakt gibt und sich auf die rau-aber herzliche Art einläßt, dann sie sie sehr hilfsbereit, ohne darüber nachzudenken, was es ihnen für einen Vorteil bringen könnte. Manchmal brauche ich dieses Kontrastprogramm.

Nach Mitte zurückgekehrt, spielte eine Jazzband auf der Straße und im Café an der Ecke wurde Englisch, Französisch, Italienisch und manchmal auch Deutsch gesprochen. (Und immer häufiger auch ein Idiom, das scheinbar Hebräisch mit jiddischen Vokabeln ist, das ich garnicht kenne.)

Der Abend verging mit einem wissenschaftlich-technischen Disput, ob meine Waschmaschine, die bei leichter Unwucht in der Beladung mitunter die Dielen recht zum Schwingen bringt, damit langfristig Zerstörungen  am Haus auslösen würde. Und das, obwohl austariert auf einer Gummimatte steht. Weiß da jemand Bescheid?

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