Dirndl Sew-Along: Inspiration

Ok. mein erster Sew-Along: (Für alle, die nicht wissen, was das ist: ein gemeinschaftliches, thematisch eingegrenztes Nähprojekt mit verschiedenen Stationen von Fertigstellung.)
Ich weiß noch nicht, ob ich am Schluss tatsächlich ein fertiges Teil in Händen halte, ich kreise ja oft sehr lange um etwas, könnte sein, dass das noch länger braucht.

(Ich habe das heiße Foto von Claudia Cardinale erstmal rausgenommen. Ich Greenhorn muß erstmal klären, wie ich an die AP-Lizenz komme.)

Als erstes: Vergiß Dirndl. Deutsche Tracht wird oft auf die bayerische reduziert, ggf. denkt man noch an den Schwarzwälder Bollenhut und das ist nicht mein Kulturkreis.
Mich interessiert Trachtenkleidung zum einen im Zusammenhang mit Kulturgeschichte und Sprache. Vormoderne Kleidung spricht. Sie sagt, ohne Wort und Schrift, woher ein Mensch kommt, welchen Beruf, Gesellschafts-, Familienstand und Religion er hat, wie wohlhabend, kunstfertig bzw. fleißig er ist, zu welchem Zweck er draußen unterwegs ist und übermittelt dazu noch allerlei aktuelle Signale wie Stimmung, Offenheit und Ansprechbarkeit.
Zum anderen mag ich Kleidung, die einem relativ strengen Formen-Kanon folgt, die klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht, schöne handwerkliche Details erlaubt und absolut zeitlos ist. (Nebenbemerkung: Für die Generation meiner Großeltern war Tracht Ausdruck von hinterwäldlerischem, traditionsgebundenen Dasein, Tracht trugen nur noch dumme Bauern, über die sich der moderne Arbeiter lustig machte.)
Wenn ich die Eltern meines früheren Lebensgefährten in Oberbayern besuchte, trug ich ab und zu Kleider, die aufgeweichte Tracht aus den Touristenläden waren, das war mit immer etwas peinlich. Die Dörfler oberhalb von Berchtesgaden gingen zu Festtagen immer noch Old Fashioned umher, mit Lederhosen und Gamsbarthut, falschem Zopfkranz und Dirndl. (Aber die sprachen sich untereinander auch immer noch mit Hofnamen an und nahmen die „Zugroasten“ auch nach 30 Jahren nicht für voll.)  Mein Traum war ein Tostmann-Dirndl, aber das war unerschwinglich. Daß Gexi Tostmann sich weit jenseits von vulgären Wiesn-Dirndln mit der Modernisierung von Tracht beschäftigte, beeindruckte mich schwer.
In den Jahren mit viel Geld trug ich sehr oft Dolce & Gabbana. Die Kleider und auch die Unterwäsche waren oft von traditionellem sizilianischem Look inspiriert.

Schon im letzten Herbst recherchierte ich nach einer Hauskleidung, die mich einerseits warm hält bzw. sich in verschiedenen Modulen den Temperaturen anpasst, in der ich genauso Haus- wie Büroarbeit wie auch ein Nickerchen machen kann und weiblich ist.
Ich kam auf das Pioneer Dress. Die bäuerliche Variante Victorianischer Mode, die von den Siedlerinnen im damals tatsächlich noch wilden Westen getragen wurde, bestehend aus einfachen Schnitten und verschiedenen übereinander zu tragendenTeilen.
Erst hinterher merkte ich, dass ich das Fahrrad gerade zum zweiten Mal erfand, das erste Mal hatte es bereits Laura Ashley getan.
Zu dem Wort „weibliche Kleidung“, das bereits mehrere Male fiel. Ich habe einfach die Nase voll von Casual-Unisex-Kleidung. Ich spiele gern mit Geschlechterwechseln und habe jahrelang den Hochzeitssmoking meines Vaters getragen, aber Jeans und Sporthosen ohne Anlass (Arbeit, Sport) meide ich immer mehr. Seit ich sehr weibliche Körperformen bekommen habe, brauche ich Sachen, die nicht klemmen und kneifen, Busen, Bauch und Po Platz geben, Bewegungsfreiheit garantieren und trotzdem gut aussehen.(beim Link runterscrollen!) – Tracht wurde für Lebensjahrzehnte gemacht und musste während fetter und magerer Zeiten, Schwangerschaften und Klimakteriumsveränderungen ohne großen Aufwand passen. Schnürleibchen und weite Röcke funktionierten da sehr gut.

Ich fragte mich bei der Recherche, welche Tracht mich interessieren würde. Süddeutsch würde es nicht sein, s.o.
Also recherchierte ich die Trachten der Regionen, in denen ich meine Wurzeln habe. Meine Vorfahren stammen wahrscheinlich aus Böhmen, meine Großmutter, mit der mich viel verbindet, aus der Oberlausitz, ich bin im östlichen Brandenburg geboren und aufgewachsen. Das ist wendisches Gebiet.
Die Assoziation ist ganz schnell wendisch=sorbisch und mit sorbisch verbindet sich die Tracht, die eigentlich nur in ein paar Spreewalddörfern getragen wird.
Die für mich nächstliegende, die Lebuser Tracht, finde ich ganz schrecklich. Also ging ich südwärts auf der Karte: NiederlausitzHausschlangenland, nee, das wars nicht, Bautzen, nee irgendwie zu bunt – und wurde fündig. Die schwarzweißeTracht der katholischen Sorbinnen. (Die mich wiederum, Rücksprung, an den wilden Westen und an die Kleidung der Amish erinnert.)
Nun bin ich weder sorbisch noch katholisch. Aber im wendischen, später katholischen Land, unweit von Czorneboh und Bieleboh (schwarzer und weißer Gott, sagte mein Urgroßvater immer) liegen meine mentalen Wurzeln, da ziehts mich innerlich.
Als ich meine Großmutter in ihrer letzten Lebenszeit jährlich im Frühling nach Oppach zum Konfirmandentreffen fuhr, machte ich manchmal einen Abstecher nach Kloster Marienstern zur Messe. So wie diese Frauen, mehr oder weniger.
Eine kleine Anekdote, die dazugehört: In Zeiten, wo ich mal weder komplett die Nase voll von der Welt hatte, malte ich mir aus, Nonne in diesem Kloster zu werden, eine weißschwarze Zisterzienserin. (Bis ich dann vom Zickenkrieg in Klöstern hörte und den Gedanken aus meinem Kopf verbannte.)

Es wird also ein schwarzer Rock und ein gleichfarbiges hinten geschnürtes Leibchen, dazu eine weiße Leinenbluse, später vielleicht noch eine schwarze Jacke und eine weiße Schürze. Da die Anschaffung einer Stickmaschine bevorsteht, wird es Biesen und Stickereien geben, schwarz auf schwarz, weiß auf weiß.

Das ist nun mein schlangenartiges Inspirationsknäuel: Wendisches Blut -> Stella Maris -> Marienstern -> Wilder Westen -> Pioneer Women -> Amish -> Schwarz und Weiß -> Oberlausitz

Die Bildersammlung ist hier. (Ich scheue mich, solches Material direkt ins Blog zu posten, das gibt nur Urheberrechts-Ärger.)

Und das sind die Inspirationen der anderen Teilnehmerinnen beim Me Made Mittwoch.

Edit: Ich habe gerade mit dem Trachtenfundus in Rosenthal telefoniert. Vielleicht trägt es uns demnächst mal dort hin, damit ich Details anschauen kann. Die Verwalterin betonte extra, die katholische sorbische Tracht sei keine „Truhentracht“, die würde von den älteren Frauen auf dem Dorf auch im Alltag getragen.

MMM – Der Palermo-Rock

Das Motto des letzten MMM vor der Sommerpause lautet „Ich packe meinen Koffer“. Da ich dieses Jahr schon gereist bin, kann ich mein bewährtestes Reisekleidungsstück vorstellen.
Jersey-Rock 1
Eine banale Notiz im Briefing für die 10tägige Weiterbildung in Palermo, die ich fast übersehen hätte, brachte mich kurz vor der Abreise in Panik. „Bringen Sie einen Tanzrock mit“ stand da.
Also sprang ich 24 Stunden vor der Abreise zu Frau Tulpe rein, weil der Laden drei Häuser von mir entfernt ist – sonst ist er mir zu teuer – und kaufte 80 cm Viskosejersey und 20 cm gerippten Jersey für Bündchen.
Jersey-Rock 2
Innerhalb einer knappen Stunde hatte ich den Stoff zusammengenäht, angeriehen und an den Bund genäht, der Saum ist eine gedehnte Zickzacknaht. Ich habe ohne Overlock gearbeitet, nur mit den Jerseystichen der Nähmaschine. Ich bin ja ansonsten eine reine Webstoffnäherin, weil ich finde, Jersey verleitet zur Schlamperei beim Nähen und zum bequemen jogginghosenmäßigen Rumhängen.
Nun ja. Ja! Der Rock wurde auf der Reise mein Lieblingsstück. Es war nämlich nicht so warm wie ebenfalls im Briefing angekündigt und so war ich froh über jeden Zentimeter Stoff auf den Beinen. Zum Tanzen trug ich ihn nicht, sondern an den kühlen Abenden in den Bergen und bei unserem Abstecher ans Meer. Und ich muss zugeben, er ist seeehr bequem und irgendwie doch recht figurgünstig. Nur der Bund wird mit der Zeit weiter und rutscht.
Eine Jerseynäherin wird aus mir trotzdem nicht.
Jersey-Rock 3
Das Shirt ist von Hasi und Mausi und die Schuhe verschnippte Flipflops aus alten Zeiten, die ich alle Jubeljahre mal trage, weil sie schön, aber leider nicht sehr bequem sind.

Und hier geht es zu den anderen Damen vom Me Made Mittwoch.
Außerdem sende ich einen herzlichen Dank an das Team, das mit uns in die Sommerpause geht, ihr habt die Betreuung wunderbar gemacht!