MMM – Strickmieder

Es wird wieder höchste Zeit, ein neues Teilchen vorzustellen, aber wie es im Winter so ist, bevor man sich entschließt, dass das Licht zum Fotografieren ausreicht, ist es auch schon wieder weg. Deshalb gib es heute nur Spiegelfotos, denn der Gatte hat Jahresendspurt, die Etats müssen verbraten werden.

Im Sommer ersteigerte ich mir eine Strickmaschine, eine Brother KH 800, die erste mit Lochkartensteuerung, Produktionsjahr 1971-74. (Wessen Mutter oder Oma noch eine aus den späten 70ern oder 80ern auf dem Speicher stehen hat, eine weitere Maschine hat noch Platz in meinem Technikpark, sie kommt in gute Hände.)
Ich übte erstmal, um die Macken vom Maschinchen kennenzulernen und die verharzten Lager wieder gängig zu machen, die Probeläppchen kann ich samt und sonders wegwerfen, sie sind voller Fehler.

Dann machte ich mich an das erste Projekt. Ein Mieder aus Drops Baby Merino, angelehnt an dieses Modell, aber eben angepasst an eine Einbettstrickmaschine und meine Wiedereinsteigerfertigkeiten. Was zum Beispiel hieß, dass ich kein großes Cable & Lace-Muster in die Mitte machte, das war mir zu kompliziert. Das sind handmanipulierte Maschen, die man während der Arbeit nur von der Rückseite zu sehen bekommt, da griff ich lieber zu dem schönen einfachen Muster aus Kreuzmaschen, die Rückseite bekam Löcher für eine Schnürung.
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Zu Übungszwecken *hust* dröselte ich jedes Teil einmal auf, bis es passte und dann passte es aber auch perfekt. Die Frau Rosmarin meinte mal, Stricken sei wie 3D-Drucken. Ja, finde ich auch, das gute Stück paßt so ausgezeichnet, daß ich nicht viel Weihnachtsspeck ansetzen darf.
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Von der schweinchenrosa Schnürung hinten bin ich noch nicht so überzeugt, das Satinband ist erst einmal testhalber eingezogen.
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Eigentlich wollte ich noch ein schmales Band stricken, 5-8 Maschen breit, aber das mache ich erst, wenn ich das nächste Mal die Maschine aufbaue.
Da ich das dünne Gestrick, das sich an den Rändern einrollte, stabilisieren wollte, strickte ich kontrastfarbene Belege an.
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Hier noch einmal das Muster, das ich nach dieser Vorlage gemacht habe.
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Im Vorderteil habe ich zusätzliche Reihen eingearbeitet, damit die Balance zwischen hinten und vorn stimmt und einen Brustabnäher.
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Ich habe ziemlich lange an dem Teilchen gebastelt, klar kann man mit der Maschine auch fix arbeiten, aber Rollränder und Zirkuszelte mag ich nicht.

Als nächstes folgt noch ein schwarzer Pullover mit V-Ausschnitt und Lochmuster-Kante, dann habe ich erst einmal genug von den konventionellen Schnitten und die Wolle ist alle. So ein Rock wäre das übernächste Projekt. Ich brauche ganz dringend eine Firma, die mit mir Werbung für Wolle machen will.

Hier geht es zu den anderen Damen vom Me Made Mittwoch, wo Claudia eine wunderbare Idee für eine Winterhose hat: Wollstoff mit Seide gefüttert.

MMM – Snow White

Die Nähnerds sind schuld, dass ich nach fast 30 Jahren Pause wieder unvermittelt zu stricken begonnen habe. Erst dachte ich: Oh nee! Das war doch alles gruselig in den 80ern, entweder ich musste mir Modelle selbst zusammenstückeln, das sah auch meist so aus oder es gab Anleitungen in piefigen Zeitschriften, die sahen dann auch so aus, nur anders. Mal abgesehen von Acrylwolle, von der man nehmen musste, was es grad gab, richtige Wolle war für mein Theateranfängerinnensalär zu teuer. Dann war da noch die Sache mit der Geduld… (Weshalb ich dann irgendwann auf die Strickmaschine wechselte, aber das ist eine andere Geschichte.)
Nun gibt es heute das Internet, ziemlich gute Anleitungen, noch bessere Wolle und Hörbücher. Also stricke ich wieder. Den Anfang machten Tücher und Socken und dann wagte ich mich an einen Pullover.
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Auf der Suche nach dem, was mir gefällt – tailliert sollte es sein und mit einem hübschen Ausschnitt, stieß ich auf Snow White, ein Entwurf von Ysolda Teague (von der ich schon das Marin in hummerfarbener Seide gemacht hatte), den ich sofort mochte, weil er nicht wie alle anderen Pullover aussah und durchdacht konstruiert war, aus einem Stück ohne Nähte. So sieht das aus, wenn niemand drinsteckt:
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So sieht der Rücken mit Inhalt aus:
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Ich hatte einen ganzen Berg Drops Karisma in preußischblau, ein wenig mußte ich rechnen, denn das Originalgarn war dicker. Außerdem war ich skeptisch, ob ich mich in dem Rippenmuster, das eigentlich sehr eng sitzen sollte, wohlfühlen würde und war in der Berechnung etwas großzügiger. Ein Fehler, wie ich merkte, denn das ganze Stück gibt heftig nach.
Ich habe den Rücken gekürzt und das Vorderteil verlängert, die Balance beträgt 6 cm. Aber der Rücken ist zu weit und macht ziemliche Beulen. Hm, vielleicht mache ich ihn doch noch mal auf und ändere das, mal schauen.
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Was ich auf jeden Fall geändert habe, war der für meine breiten Schultern zu großzügige Ausschnitt, ich habe noch die Andeutung eines Raglanschnitts hineingenommen. Es ist mir sonst zu kalt, zu unproportioniert und es hängt einem ständig der BH raus. (Im übrigen sieht das Ganze mit einer weißen Bluse drunter sehr gut aus.)
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Das Stricken hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht, die Anleitung ist hervorragend und weil noch Wolle übrig war, habe ich mir noch ein Mützchen spendiert.

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MMM – Die Zufallstracht

Burda 7078Das Kleid stammt von der Spätherbstnähaktion letzten Jahres. Der Schnitt ist Burda 7078, die weiße Variante gefiel mir ausnehmend gut. (Fotos lassen sich mit anklicken in den Galeriemodus bringen.)
Ein bißchen hatte ich Zweifel, daß das, was an dem sehr dünnen, großen Model gut aussieht, an mir auch funktionieren würde, aber probieren geht über studieren.
Natürlich sollte mein Kleid schwarz werden. Ich hatte am Maybachufer einen dünne, aber sehr fest gewebten Baumwollstoff gekauft, der auch nach dem Waschen noch steif war und raschelte. Das fand ich sehr schön.

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Ich änderte das Übliche: Erweitere den Brustumfang, verlängerte das vordere Oberteil und den Rock und machte die Ärmel weiter, die mir viel zu eng erschienen. Hinten setzte ich Abnäher ein, die es nur beim anderen Modell gab.

Burda 7071Mittlerweile habe ich etwas mehr Übung, hier sieht man recht genau, was nicht stimmt – der Rücken ist viel zu weit und die Schultern zu breit. Ich habe nun mal auf dem Rücken und bis zur Brust die 42, danach wird üppiger.
Mittlerweile gehe ich tatsächlich von der 42 aus und erweitere den Bauch und die Hüften.
Die vordere Verlängerung reicht auch nicht aus und am Rücken hätten 2 cm weggekonnt, wegen des Hohlkreuzes.
Letztes Jahr hatte ich Angst, den Stoff zu verschneiden, weil der kein bisschen nachgibt. Klamotten, die um Rücken und Schulter zu eng sind un dich nicht mal den Arm heben kann, habe ich noch massenhaft im Altbestand (das ist dann aber die 40).

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Da mir das Schwarz zu kahl erschien, überlegt ich, wie ich es aufpeppen könnte – die üblichen Paspeln waren mir zu langweilig – und kam auf eine rote Borte. Richtige Borten erschienen mir zu kunstgewerblich (außerdem sind sie schwierig in die Kurve einzupassen), daher kombinierte ich zwei Zierstiche miteinander. Das gleiche Muster kam noch auf die Ärmel. Ich verkniff mir, noch eine Runde um den Rock zu machen, denn als ich ein Foto auf Twitter zeigte, kam aus Nähnerdrichtung: „Sieht nach Tracht aus!“ So ganz verjodelt wollte ich nicht durch Berlin laufen. Ich machte noch rote Knopflöcher und nahm ein paar Wildwestknöpfe ebenfalls vom Maibachufer.
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Burda 7071Die inneren Nähte versäuberte ich mit rotem Satin und ein Label gab es auch (meistens vergesse ich das).
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Zuerst fremdelte ich mit Schnitt und Dekor, doch als mir einfiel, daß ich den weißen Unterrock, den ich mir für einen Stufenrock genäht hatte, darunter tragen konnte, gefiel mir das besser.
Die Feuertaufe hatte das Kleid bei einem Folkkonzert, in das ich mehr oder weniger durch Zufall geriet. Ich dachte, das Kleid wäre angemessen, aber mir wurde stutenbissig auf dem Klo hinterhergezischt. (Hamburger Umland, die Damen waren samt und sonders in Jeans, Fleece und Steppwesten erschienen.) Das war ein gutes Kompliment, fand ich und mochte das Kleid ab da.

Hier geht es zu den anderen Damen, die ihre Kleider beim Me Made Mittwoch vorstellen.

Dirndl Sew-Along: Inspiration

Ok. mein erster Sew-Along: (Für alle, die nicht wissen, was das ist: ein gemeinschaftliches, thematisch eingegrenztes Nähprojekt mit verschiedenen Stationen von Fertigstellung.)
Ich weiß noch nicht, ob ich am Schluss tatsächlich ein fertiges Teil in Händen halte, ich kreise ja oft sehr lange um etwas, könnte sein, dass das noch länger braucht.

(Ich habe das heiße Foto von Claudia Cardinale erstmal rausgenommen. Ich Greenhorn muß erstmal klären, wie ich an die AP-Lizenz komme.)

Als erstes: Vergiß Dirndl. Deutsche Tracht wird oft auf die bayerische reduziert, ggf. denkt man noch an den Schwarzwälder Bollenhut und das ist nicht mein Kulturkreis.
Mich interessiert Trachtenkleidung zum einen im Zusammenhang mit Kulturgeschichte und Sprache. Vormoderne Kleidung spricht. Sie sagt, ohne Wort und Schrift, woher ein Mensch kommt, welchen Beruf, Gesellschafts-, Familienstand und Religion er hat, wie wohlhabend, kunstfertig bzw. fleißig er ist, zu welchem Zweck er draußen unterwegs ist und übermittelt dazu noch allerlei aktuelle Signale wie Stimmung, Offenheit und Ansprechbarkeit.
Zum anderen mag ich Kleidung, die einem relativ strengen Formen-Kanon folgt, die klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht, schöne handwerkliche Details erlaubt und absolut zeitlos ist. (Nebenbemerkung: Für die Generation meiner Großeltern war Tracht Ausdruck von hinterwäldlerischem, traditionsgebundenen Dasein, Tracht trugen nur noch dumme Bauern, über die sich der moderne Arbeiter lustig machte.)
Wenn ich die Eltern meines früheren Lebensgefährten in Oberbayern besuchte, trug ich ab und zu Kleider, die aufgeweichte Tracht aus den Touristenläden waren, das war mit immer etwas peinlich. Die Dörfler oberhalb von Berchtesgaden gingen zu Festtagen immer noch Old Fashioned umher, mit Lederhosen und Gamsbarthut, falschem Zopfkranz und Dirndl. (Aber die sprachen sich untereinander auch immer noch mit Hofnamen an und nahmen die „Zugroasten“ auch nach 30 Jahren nicht für voll.)  Mein Traum war ein Tostmann-Dirndl, aber das war unerschwinglich. Daß Gexi Tostmann sich weit jenseits von vulgären Wiesn-Dirndln mit der Modernisierung von Tracht beschäftigte, beeindruckte mich schwer.
In den Jahren mit viel Geld trug ich sehr oft Dolce & Gabbana. Die Kleider und auch die Unterwäsche waren oft von traditionellem sizilianischem Look inspiriert.

Schon im letzten Herbst recherchierte ich nach einer Hauskleidung, die mich einerseits warm hält bzw. sich in verschiedenen Modulen den Temperaturen anpasst, in der ich genauso Haus- wie Büroarbeit wie auch ein Nickerchen machen kann und weiblich ist.
Ich kam auf das Pioneer Dress. Die bäuerliche Variante Victorianischer Mode, die von den Siedlerinnen im damals tatsächlich noch wilden Westen getragen wurde, bestehend aus einfachen Schnitten und verschiedenen übereinander zu tragendenTeilen.
Erst hinterher merkte ich, dass ich das Fahrrad gerade zum zweiten Mal erfand, das erste Mal hatte es bereits Laura Ashley getan.
Zu dem Wort „weibliche Kleidung“, das bereits mehrere Male fiel. Ich habe einfach die Nase voll von Casual-Unisex-Kleidung. Ich spiele gern mit Geschlechterwechseln und habe jahrelang den Hochzeitssmoking meines Vaters getragen, aber Jeans und Sporthosen ohne Anlass (Arbeit, Sport) meide ich immer mehr. Seit ich sehr weibliche Körperformen bekommen habe, brauche ich Sachen, die nicht klemmen und kneifen, Busen, Bauch und Po Platz geben, Bewegungsfreiheit garantieren und trotzdem gut aussehen.(beim Link runterscrollen!) – Tracht wurde für Lebensjahrzehnte gemacht und musste während fetter und magerer Zeiten, Schwangerschaften und Klimakteriumsveränderungen ohne großen Aufwand passen. Schnürleibchen und weite Röcke funktionierten da sehr gut.

Ich fragte mich bei der Recherche, welche Tracht mich interessieren würde. Süddeutsch würde es nicht sein, s.o.
Also recherchierte ich die Trachten der Regionen, in denen ich meine Wurzeln habe. Meine Vorfahren stammen wahrscheinlich aus Böhmen, meine Großmutter, mit der mich viel verbindet, aus der Oberlausitz, ich bin im östlichen Brandenburg geboren und aufgewachsen. Das ist wendisches Gebiet.
Die Assoziation ist ganz schnell wendisch=sorbisch und mit sorbisch verbindet sich die Tracht, die eigentlich nur in ein paar Spreewalddörfern getragen wird.
Die für mich nächstliegende, die Lebuser Tracht, finde ich ganz schrecklich. Also ging ich südwärts auf der Karte: NiederlausitzHausschlangenland, nee, das wars nicht, Bautzen, nee irgendwie zu bunt – und wurde fündig. Die schwarzweißeTracht der katholischen Sorbinnen. (Die mich wiederum, Rücksprung, an den wilden Westen und an die Kleidung der Amish erinnert.)
Nun bin ich weder sorbisch noch katholisch. Aber im wendischen, später katholischen Land, unweit von Czorneboh und Bieleboh (schwarzer und weißer Gott, sagte mein Urgroßvater immer) liegen meine mentalen Wurzeln, da ziehts mich innerlich.
Als ich meine Großmutter in ihrer letzten Lebenszeit jährlich im Frühling nach Oppach zum Konfirmandentreffen fuhr, machte ich manchmal einen Abstecher nach Kloster Marienstern zur Messe. So wie diese Frauen, mehr oder weniger.
Eine kleine Anekdote, die dazugehört: In Zeiten, wo ich mal weder komplett die Nase voll von der Welt hatte, malte ich mir aus, Nonne in diesem Kloster zu werden, eine weißschwarze Zisterzienserin. (Bis ich dann vom Zickenkrieg in Klöstern hörte und den Gedanken aus meinem Kopf verbannte.)

Es wird also ein schwarzer Rock und ein gleichfarbiges hinten geschnürtes Leibchen, dazu eine weiße Leinenbluse, später vielleicht noch eine schwarze Jacke und eine weiße Schürze. Da die Anschaffung einer Stickmaschine bevorsteht, wird es Biesen und Stickereien geben, schwarz auf schwarz, weiß auf weiß.

Das ist nun mein schlangenartiges Inspirationsknäuel: Wendisches Blut -> Stella Maris -> Marienstern -> Wilder Westen -> Pioneer Women -> Amish -> Schwarz und Weiß -> Oberlausitz

Die Bildersammlung ist hier. (Ich scheue mich, solches Material direkt ins Blog zu posten, das gibt nur Urheberrechts-Ärger.)

Und das sind die Inspirationen der anderen Teilnehmerinnen beim Me Made Mittwoch.

Edit: Ich habe gerade mit dem Trachtenfundus in Rosenthal telefoniert. Vielleicht trägt es uns demnächst mal dort hin, damit ich Details anschauen kann. Die Verwalterin betonte extra, die katholische sorbische Tracht sei keine „Truhentracht“, die würde von den älteren Frauen auf dem Dorf auch im Alltag getragen.