Vigil 43

Wenn der Eishersteller, der meine Verfressenheit am besten reizen kann, einmal im Jahr Eis verschenkt, sind der Graf und ich doch gern zur Stelle. Vor allem wenn diese Eisverschenkstelle fünf Gehminuten von unserer Wohnung entfernt ist.
Ich liebe dieses mit Zusatzkalorien vollgestopfte Eis. Die Neuheit ist etwas Eis in zwei Cookies. Eis in Gebackenem zum Anfassen ist nicht neu, aber ich hasste tropfende Eiscreme in glitschigen Waffeln. Domino hieß das wohl im Westen und im Osten gab es das auch.
Damit kann man sich zwar die nächste Mahlzeit sparen, hat aber ein leicht bekifftes Grinsen im Gesicht.

Vigil 40

Kleider-Schnitte selbst zu konstruieren, ist toll. Ich kippe zwischen Theorie und Praxis hin und her – erst ist auf dem Papier alles zwingend und logisch und auf dem Nessel-Probeteil sieht es dann gaaanz anders aus, aber das macht nichts. Dann kniffe ich hier noch etwas Stoff weg und lasse da etwas raus und in der nächsten Runde fällt mir wieder etwas auf, das ich optimieren könnte. Noch bin ich in den Anfängen. Wenn es irgendwann komplexer wird – Hosen, Jacketts – muss man mir wahrscheinlich das Weitermachen verbieten, sonst werde ich nie fertig.
Das ist erst einmal nur die Passform für das Dastehen, Passform in Bewegung ist noch anders und Kleidungsarchitektur ist eine Kunst.
Das gibt es in der Konfektion kaum noch. Da wird einfach Plastik-Vlies aufgeklebt, damit eine Form entsteht. Mit einem weichen Seide-Woll-Tweed sollte man das aber nicht tun.
Ich glaube, ich brauche mal zwei Jahre Zeit, um in diese Materie richtig einzutauchen.

Vigil 39

Alle Menschen sind gleich, mache sind gleicher. Sagt man zumindest ironisch.
In meiner digitalen Umgebung wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass Menschen gleich sind und Othering (feststellen, dass jemand anders als man selbst ist) bekommt den Wert einer moralischen Verfehlung.*
Am Mittwoch Abend ist ein Mann in Frauenkleidern brutal zusammengeschlagen worden, berichtet der Tagesspiegel. Um sich am Ende des Artikels dafür zu entschuldigen, dass man den Mann in Frauenkleidern zunächst als Transgender bezeichnet hätte, weil die Polizei von einem transphoben Verbrechen sprach. Nach Hinweisen aus der Community hätte man das geändert.
Interessante Sache. Wer will da mit wem nichts zu tun haben und warum? Finden die Fetischisten Transgender bäh und bemühen sich um die richtige Einordnung ihres Neigungsgenossen? Möchten die Transgender mit ollen Fetischisten nichts zu tun haben? Und was hat das alles damit zu tun, dass jemand schwer zu Schaden gekommen ist? Warum muss dann minutiös erklärt werden, welche geschlechtlichen Aggregatzustand oder welche Passion jemand hat?

*Wobei zu bemerken ist, dass es in den letzten Monaten besser geworden ist. Die Zeit scheint vorbei zu sein, in der auf Twitter werauchimmer von irgendwelchen Studentx angeblökt wurde, x solle seine wenauchimmer gerade in seinem mentalen Komfort störende Äußerung worüberauchimmer nicht mehr machen.

WMDEDGT April 2016

Frau Brüllen fragt wieder, was wir den ganzen Tag gemacht haben.

Ich stand viertel nach 8 auf, kochte Hirsebrei und machte mir und dem Grafen Kaffee. Nebenher räumte ich allen noch herumliegenden Kram weg und die Geschirrspülmaschine aus, denn Dienstag ist alle zwei Wochen Putzfrauentag.
Ich aß die Hälfte der mit etwas Sahne und Zucker und Zimt aufgepimpten Hirse, vertupperte die andere Hälfte und packte sie mit einem Löffel in meinen Schwimmrucksack.
Halb 10 verließ ich das Haus und lief zum Schwimmbad in der Gartenstraße, nur mit Bluse und Strickjacke bekleidet war es warm genug. Die Sonne strahlte schon vom Himmel in jedes Eckchen, denn Blätter gibt es ja noch nicht an den Bäumen.
Der Berliner Frühling ist wie ein Typ, der plötzlich unangemeldet wieder vor der Tür steht. Grinst einen an und meint: „Da kiekste wa? Haste nich jedacht oder?“ Ein paar Tage macht er einen Riesenbohei und wenn man sich an ihn gewöhnt hat und er eingeplant ist, verpisst er sich wieder bis fast zum Sommerbeginn.
In der Umkleide vom Bad bekam ich erst einmal einen mittelprächtigen Anfall (also ich warf böse Blicke), latschten doch alle Leute um mich herum mit Schuhen bis zu ihren Spinden. In Anbetracht dessen, dass der Berliner Dreck zu einem guten Teil aus pulverisierter Hundescheiße besteht, ist der Gedanke, dass man so an den Badelatschen den Straßendreck bis zum Becken trägt, nicht grade angenehm.
Ich schwamm gemütlich meine 1.000 m, derzeit wieder auf der Spackenbahn, weil ich mich auf einer der Sportbahnen nur gehetzt fühlen würde. Es war mittelvoll und funktionierte noch unfallfrei, diverse schwatzende Freundinnenpärchen zu umkurven. Trotz längerer Pause – erst Grippe, dann Gründe (also Trägheit), lag ich mit 32 min ganz gut in der Zeit. Dann ging ich wieder Richtung Brunnenstraße zurück.

Gegen 11:30 Uhr traf ich in der Stadtbibliothek ein. Es war mittlerweile sehr warm. Ich aß den Rest von meinem Grießbrei und arbeitete anschließend. Irgendwann wurde ich sehr sehr müde, das ungewohnte Schwimmen hatte mich ziemlich angestrengt.
Ich ging zurück nach Hause und machte kurz bei Frau Tulpe Halt, weil bei denen vor der Tür Packpapier und eine weitere noch originalverpackte Rolle lagen. Siehe da, das hatte wohl ein Nachbar vor die Tür getan. Es gibt hier im Viertel eine ausgeprägte Kultur des vor-die-Tür-Stellens. Meist findet sich ein Interessent, wenn nicht, kommt das Teil halt in den Müll.
Ich nahm beides mit. Das Packpapier kam mir wie gerufen, es gibt derzeit in keinem Laden der Umgebung Packpapier zum Schnitte zeichnen. Nur so fipsiges dünnes Zeug.
In dem Päckchen war, wie ich oben angekommen mit dem Grafen feststellte, eine Rolle Vollgummi, vielleicht drei Meter, 70 cm breit, einen halben Millimeter dick. War bestimmt nicht billig. Was macht man damit? Ich kenne das nur für Fetischklamotten. Egal, es kommt erst mal zum Stoff- und Papierlager.

Dann musste ich mich erst einmal hinlegen und schlafen. Als ich wieder aufwachte, war es schon 17 Uhr. Wenn diese Erschöpfungseinbrüche kommen, kann ich nix machen. Im Gegenteil. Dagegen angehen hat üble Konsequenzen.
Danach hatte ich Bärenhunger (wie so ein Baby!). Der Graf hatte schon gegessen und so ging ich allein zu Nong Nia bei uns zwei Häuser weiter. Ich saß im Garten, um mich herum blühten die Sträucher und ich aß ein wunderbares Mahl, mariniertes gegrilltes Schweinefleisch mit Reisnudeln und Kräutern (Buntnessel!) und Passionfruchtsaft.
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(Bei Monsieur Vuong eine U-Bahnstation weiter stehen sie Schlange und es ist nicht nicht besser.) Ich würde mich freuen, wenn das Restaurant dauerhaft in der nicht sehr glückhaften, weil etwas versteckt gelegenen Location, bleibt.

Gegen 18 Uhr ging ich wieder nach oben und begann das Feintuning eines Nessels für ein Kleid in A-Linie, das bis zur höhergesetzten Taille körpernah sein soll. Die Entscheidung zwischen Sack und guten Kurven fällt ja nicht schwer und mit einer Konstruktion mit den eigenen Maßen ist man mit ein, zwei Absteckerlein auch fix bei partiell rasanten Formen. Den Rest der Arbeit ließ ich mir für den nächsten Tag und strickte erst mal eine Wintermütze fertig (wie es sein soll, pünktlich zum Frühlingsbeginn) und machte an einer Socke mit Lochmuster weiter, an der ich letztes Jahr im Frühjahr scheiterte. Dazu nieste ich vor mich hin. Irgendjemand müsste mal Frühling ohne Baumpollen erfinden.

Und nun ist es nach Mitternacht und höchste Zeit zum Schlafengehen und den Beitrag im Linkup einzustellen. Die anderen Beiträge stehen hier.