MMM 11.9. Das graue Kleidchen

Das kleine Kleid ist noch Teil der Sommerproduktion. Mal schnell vor dem Urlaub genäht und die Katastrophen die es dabei gab, sind hier beschrieben.

Der Schnitt ist eine verlängerte Tunika, bei der ich die Ärmel wegließ, ein Gratis-Download, den es in Burda 7/2008 gab. Am mageren Model sieht das so aus. Bei mir dann so:
Graues Kleid Detail

Das Material ist dünner weißer Baumwollsatin vom Markt am Maybachufer, der seit Jahren in der Kiste lag. Ich habe das Kleid nach dem Nähen mit Simplicol Grau gefärbt, ein sehr schöner, leicht bläulicher Farbton.

An den Armlöchern habe ich Besätze angearbeitet und die Größe 44 an den Seiten je einen Zentimenter verbreitert. Den Formstreifen unter der Brust habe ich gedoppelt, mir gefiel nicht, dass die angereihten Nähte laut Anleitung innen frei lagen. Ansonsten habe ich wie immer französische Nähte gemacht.
Graues Kleid Detail

Der Rücken war mit einem Gummizug versehen und saß für meine breiten Hüften nicht gut. Ich habe daher noch 10cm Stoff in die hintere Rockbahn eingesetzt und ein Bindeband in der Breite des Formstreifens angearbeitet. Ein paar Rückenabnäher im Oberteil wären nicht schlecht gewesen, aber da wäre ich nicht mehr reingekommen, denn zunächst hatte das Kleid keinen Reißverschluß an der Seite, den habe ich erst im Urlaub mit der Hand eingenäht, weil es allzu beschwerlich war, sich reinzuwinden.
Graues Kleid Detail
Wenn man das Flickwerk vorn und hinten als Style ansieht, mag es gehen, so viel verschnitten wie hier hatte ich noch nie.
Graues Kleid
Aber ich trage das Kleid wirklich sehr gern wenn es warm ist und komplettiere es abends mit einer langen, zartrosa Kuschelstrickjacke. Ein bisschen prall sitzt es, aber das darf es, ich mag große Ausschnitte und mein ständiger Begleiter auch.
Den Schnitt werde ich auf jeden Fall noch einmal für ein Wintermodell verwenden, diesmal aber etwas bequemer.

Und hier geht es zu den anderen Damen.

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Sterntaler

Mit dem schwindenden Sommer, der so groß war, läuft nun auch wieder das Getriebe des Jahres an.
Ein Seminar, das ich schon vor zwei Jahren entwickelt hatte, wird nun stattfinden. Es heißt „Sterntaler – vom Wert meiner Arbeit“ und genau darum gehts.
Ich saß vor zwei Jahren als Personalberaterin in Einstellungsgesprächen und wenn es um Gehaltsverhandlungen ging, war ich kurz davor die Seiten zu wechseln, die Bewerberinnen hart zu schütteln und ihnen zu sagen, dass das doch wohl alles nicht wahr sein könne.
In einem Fall kann ich aus dem Nähkästchen plaudern.
Über 200 Bewerbungen, davon 2 Männer, die aber beide indiskutabel unpassend auf die Stelle waren. (Einer, der sich auf eine Marketingstelle als Geschäftsretter und Messias anpries und einer, der eine animierte Show als Supergrafiker abzog. Die hatten beide nicht genau hingeschaut und sich standardmäßig überschätzt.)
2 Frauen fielen raus, obwohl sie gut passten, weil ein Unterton nicht stimmte. Beide kamen aus Höllenjobs, die eine von einer Luxusmarke in London, die andere von einer Frankfurter Werbeagentur und wollten es nun langsamer angehen. Das ist völlig ok., wer die Erfahrung hat muss nicht mehr wie verrückt rotieren. Aber die eine hatte viel zu hohe Gehaltsvorstellungen für einen mittelständischen Berliner Betrieb und bei der anderen hätte man Wetten darüber abschließen können, in wie kurzer Zeit sie schwanger ist, sich krankschreiben lässt und dann doch nicht mehr wiederkommt. Westdeutsch, bürgerliches Umfeld, verheiratet, gutverdienender etablierter Mann (den sie schon in der Bewerbung erwähnte), altersmäßig fürs Kinderkriegen allerhöchste Zeit – die klassische „ich gebe meine Kinder besser doch nicht ab!“-Frau. Ich war da neutral und hätte sie zumindest sprechen wollen, aber das wollte die Chefin nach zwei solchen Erlebnissen auf keinen Fall mehr.

Die knapp 20 Frauen, die wir einluden, hatten genau hingeschaut und waren super vorbereitet, bestens qualifiziert und arbeitserfahren. Als es an den Gehalts-Teil des Bewerbungsgespräches ging, wurde es wunderlich.
„Naja, ich hab schon vorher wenig verdient, ich möchte mich auf keinen Fall verschlechtern.“
„Nicht weniger als vorher, da bekam ich (nennt einen Hungerlohn.)“
„Ich weiß ja auch nicht, aber vielleicht (nennt einen Betrag 20% unter der schon unterirdisch niedrigen Kalkulation der Firmenchefin).“
„Mein Papa hat gesagt, ich soll (keine Ahnung woher der Papa diese astronomische Zahl hatte) verlangen.“
„Ich hab mit meinem Freund geredet. Wenn ich das hier mache, dann nicht unter (ebenfalls astronomische Zahl), sonst lohnt sich das Arbeitengehen nicht.“
„Geld ist mir egal, ich will Spaß haben.“ (Mutter von drei Kindern, die sich zehn Sätze vorher darüber beklagt hatte, dass als Freiberuflerin das Geld so knapp ist.)
Zwei, drei lagen ganz richtig, gaben aber bei der Feilscherei zu früh auf, so dass sich die Chefin nicht sicher war, ob sie auch für Verhandlungen mit Lieferanten den richtigen Biss hätten.
Die Favoritin hatte klarsichtig verhandelt, noch einiges an Sonderkonditionen rausgeschlagen und sagte nach einer Woche Überlegen ab. Eigentlich hatte sie nur ihre Marktwert überprüfen und in ihrer Firma eine Handhabe für eine Beförderung schaffen wollen.
Die Nachrückerin war in der Gehaltsverhandlung sehr defensiv und kartete nach der Zusage noch zwei Wochen nach. Erst wollte sie die Konditionen ganz neu verhandeln (unbefristeter Vertrag, 30% mehr), dann wollte sie wenigstens eine BVG-Umweltkarte. Was die Sache fast in die Grütze ritt und die Skepsis ihr gegenüber hoch steigen ließ.
Sie blieb auch nicht lange, so weit ich weiß.

Ich brauchte eine Weile, um das zu verarbeiten. Nicht, dass mir das nicht auch schon passiert war. In meinem ersten Job nach dem Studium saß ich mit Kulleraugen da und meinte „aber bitte nicht unter xxx Mark!“. Ich kannte nämlich nur die Konditionen der Theater und  der Offkunst-Szene und nicht die der Filmbranche. Irgendwann bekam ich hintenrum mit, dass meine Vorgängerin 30% mehr verdient hatte und ich zunächst unter „übergangsweise mag das mit der gehen, die ist doch froh, dass sie einen Job hat“ gehandelt wurde. Ich konnte meinen Kopf gar nicht so oft auf die Tischplatte schlagen, wie es nötig gewesen wäre. Dass ich das kurze Zeit später kompensierte, indem  ich der Chefin den A… rettete, als sie 8 Wochen schwer krank war und ich von jetzt auf gleich die gesamte Arbeit, auch ihre, ohne Einarbeitung übernahm und sie mir dahin schon aus Dankbarkeit das Gehalt wesentlich erhöhte, steht auf einem anderen Blatt. Aber was wäre gewesen, wenn es diese anstrengende „Heldentat“ nicht gegeben hätte?
In den Jahren danach habe ich schon berufshalber, indem ich für viele andere Verträge verhandelte, das ganze Geflecht von finanzieller Schätzung, Wertschätzung und Überschätzung kennengelernt. Inklusive des Standardspruches „Frauengagen sind ohnehin 30-50% niedriger“ – für Karrieren, die oft nur 10 Jahre dauern und überproportional hohe Investitionen in das Kapital Attraktivität erfordern. Selten, dass der Geder Gap so in Erz gegossen schien.

Deshalb gibt es jetzt einen Tag Recherche- und Kalkulations- und Verhandlungstraining nicht nur, aber vor allem für Frauen.

Edit: Da es auf Twitter und hier in den Kommentaren nachgefragt wurde: Ich mache das Seminar Mitte November in einer Hochschule, könnte es aber danach auch noch offen anbieten, wenn sich genug Leute finden, so dass sich ein Raum lohnt

Entschleunigen

richtig unangenehm wirds, wenn selbst skeptische, vernünftige und differenzierende menschen sich von irgendwelchen oberflächlichen, tendenziösen oder sogar bösartigen interpretationen emotional aufladen lassen und jedes skepsis und differenzierung fahren lassen.

wirres.net
Recht hat er. Mir tut so etwas nicht gut, aktiv wie passiv. Deshalb bin ich bis auf weiteres bei Twitter raus. Ich werde noch die Links zu meinen Blogposts twittern und ansonsten schaue ich in ein paar Wochen mal nach, wer dann grade mit wem nicht mehr redet oder jemanden indoktrinierend anpisst und aus welchem Grund (obwohl ich das wahrscheinlich gar nicht wissen möchte).

Ich halte es für eine neue Variante der Prokrastination: Rasender Stillstand. Wer seine Energie damit verschwendet, auf Twitter Menschen zu attackieren, die unterm Strich die gleichen Ziele haben, ist immer noch beim alten „geht nicht, weil“ und keinen Schritt weiter.

Was die Politik betrifft. Ich halte es für ein Gerücht, dass man halbwegs intelligente Menschen per Twitter zu einer Wahlentscheidung bringen kann. Meine Entscheidung steht seit vielen Monaten fest. Es ist ist mir zwar nicht leicht gefallen, dabei zu bleiben, denn dieses Jahr ist alles, wie man es dreht und wendet, die Wahl zwischen Pest und Cholera, aber mir geht es um Frauen in der Politik und die Kraft, die Neulandprobleme in den Fokus zu rücken. Insofern werde ich ähnlich, aber kompromissloser wählen als vor 4 Jahren.

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Das gute Leben

Ein Hoch auf die Freundschaft! La Primavera und ich kennen uns seit 1983, 30 Jahre also. In der Theaterrequisite tauchte eine Frau auf, die mutige selbst gemachte Kleider trug. Bald, nicht konfliktlos, aber konsequent, arbeitete sie nur noch für sich selbst. Es war in diesen Jahren in diesem Land nicht einfach, sich selbständig zu machen. Offiziell war sie Klavierlehrerin, inoffiziell machte sie Textilkunst und Modedesign. Hinreißende Sachen, zum Teil verschollen, zum Teil für sehr gutes Geld verkauft. Ich habe in diesen Jahren sehr viel von ihr gelernt. Nicht nur nähen, sondern auch gut zu leben. Für mich war es die Zeit des Rückzugs ins Private. Sobald ich mich exponiert hätte, meinen Weg gegangen wäre, wirklich die Dinge getan hätte, die ich hätte tun wollen, im Leben wie im Beruf, hätte ich mich politisch „richtig“ (oder das, was man glaubt, was für mich richtig ist) positionieren müssen. Dieser Konflikt bremste und drückte mich jahrelang nieder. LaPrimavera ging weg aus der Stadt, nach Rügen, zur Verwirklichung ihres nächsten Traums. Die Mauer fiel, unsere Leben veränderten sich radikal. Ich war frei, studierte und profitierte von meinem Nicht-Etabliertsein. Ihr Markt veränderte sich über Nacht. Für die Kunst zu leben, das machten nun viele, überleben konnten davon nur wenige.
Es gab in unserem Leben oft Phasen, in denen wir uns an diametral entfernten Punkten der Wohlbefindens- und Glücks-Sinuskurve befanden. Wir haben uns gestützt und mitunter heftigst den Kopf gewaschen. Nach Jahren hatten wir gelernt, unsere Dinge innerhalb kürzester Zeit auseinander zu fieseln und uns telefonische Kurzkritiken um die Ohren zu hauen. Im Leben wie im Geschäft, im Schreiben wie im Gestalten.
Zwei Frauen
Nun laufen wir grade synchron. In einer Phase, die ruhig ist, Luft holen, genießen und neu ausrichten für die nächsten 10 Jahre.
Wir haben eine Menge gestemmt, aber auch einiges richtig fies versenkt. Die Kinder sind erwachsen, eine Sozialarbeiterin und ein (nochnichtganz) Pilot. Wir haben sie ohne die Väter groß gezogen, aber mit guten Unterstützern. Ich habe jahrelang im Talentebergwerk geschafft, sie hat derweil zwei Häuser lang geübt, bis sie ein kleines Paradies geschaffen hat. Niemand sollte mehr reinreden, sie ist die Hausherrin.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Im Moment grooven wir uns gerade auf gemeinsames Fun-Catering ein:
Tafel 1
Bevor der Herbst kommt, mussten wir dringend noch mal feiern. Wenn wir gewusst hätten, wie warm dieses Wochenende ist, dann hätten wir das am Nachmittag im Weinbergspark getan. Aber welche Garantie hätte es drei Wochen vorher gegeben?
Tafel 2Tafel 3Tafel 4

So saßen wir bei offenen Fenstern und schauten über Berlin und tranken Cremant und Zitronenbowle. Danke, dass ihr da wart!

Veröffentlicht unter Leben