Ich machte eine kurze Schreibtischsession, nachdem der Graf aus dem Haus war. Dann wechselte ich zwischen Küche und Nähmaschine. Der Unterrock sollte bei Tageslicht fertig werden, abends tun mir oft die Augen weh. Irgendwann kapierte ich es, was mich an dem Batist aus „reiner Baumwolle“- laut Versicherung des Händlers – so befremdete. Der schwere, labberige Fall, der leichte Glanz, ja und dann der erste leichte Sengfleck meines zugegebenermaßen stramm heißen Bügeleisens. Es ist Viskose, vielleicht halb und halb mit Baumwolle. Als Unterrock ideal, aber wie immer sollte man sich auf dem Stoffmarkt am Maybachufer nicht auf die blumigen Argumente des Verkäufers verlassen.
In der Küche entstand währenddessen Rote-Bete-Suppe. Bevor wir zu La Primavera fahren, wollte ich noch alle Gemüsevorräte aus der Biokiste verarbeiten. Die kommen in den Tiefkühler und werden je nach Bedarf frostige Herbstnasen wärmen.
Ich überlegte mir schon, welche Ausrede ich der Freundin zukommen lassen könnte, mit der ich am Abend zum Yoga verabredet war, da kam von ihr eine Mail: „Ich erwarte dich um 18:15 Uhr auf der ausgestreckten Matte!“. Ok., da musste ich. Ich gab meinem fetten inneren Schweinehund, der ständig im Weg rumliegt, einen Tritt, dass er winselnd bis nach Timbuktu flog, grabbelte meine Bequemhosen aus dem Schrank und beeilte mich, in die Stargarder Straße zu fahren. Von der Stunde (die harmloseste Sorte Yoga, die sie dort anbieten) nur so viel, die Engel sangen bei jeder Dehnung in Chor, zweimal konnte ich fast nicht mehr (sensible Lehrerin, die dann immer das Tempo wegnahm) und eine halbe Stunde danach hätte ich Bäume ausreißen können. Coole Sache. Und was noch schön ist: Meine letzte Yogaübungen sind gut drei Jahre her, aber das ist wie Fahrradfahren das verlernt man nicht.
Am Abend sah ich, daß ich auf Twitter zwei (Oder waren es drei?) Empörungs-Meme verpaßt hatte und mutete nach kurzem Einlesen die Hashtags. Es nervt mich nur noch.
Ein Artikel in dem ein infantiler Berufsjugendlicher seine Versagensängste auf eine Mutterfigur und die ihn leider ignorierenden Objekte der Begierde – nämlich Mädchen (wer ein ewiger Junge ist, nennt Frauen Mädchen, was sonst?) projiziert, ist mir kein Schulterzucken wert.
Ein ähnlicher Artikel einer ähnlich tickenden jungen Frau, die sich über die dominanten Macho-Typen in der Uni und den Nazi im Prüfungsamt beschwert, der ihr das Studium versaut hat, wäre im Diskurs meiner Fem-Filterblase von einer fucking Heldin geschrieben und somit sakrosankt.
Dann erzählt Mutti mal eine Runde vom Krieg: Ich habe meine Nudeln mit Ketchup im Studium mit meiner Tochter geteilt und statt Interrailurlaub zu machen, habe ich Geld gespart, damit ich ihr Schuhe kaufen konnte.
Der Nachteil: Weniger Rumspielerei und Spaß, keine drogengesättigten Raves. Der Vorteil: Ich wurde für voll genommen, weil ich da war und nicht irgendwo in der Verweigerung, und mein Leben war daher nicht minder interessant.
Armut ist Scheiße, wenn es keinen Ausweg gibt. Studenten erarbeiten sich mit dem Studium eine Palette an Chancen und es zeigt sich sehr schnell, wer sein Leben in „ich würde ja, aber es geht nicht, weil die anderen schuld sind“ verdallert und ewig am jammern ist und wer nicht. Der junge Mann von oben wird wahrscheinlich ewig in der Pose des zu kurz gekommenen und entthronten kleinen Prinzen verharren. Lassen wir doch dort mit seinem Kurzenund kümmern wir uns derweil um relevantere Dinge.