Countdown

Wie im letzten Jahr prokrastinierten wir die Weihnachtseinkäufe bis zum letzten Tag. Statt dessen machte ich mir in Ruhe Gedanken, was es denn sein sollte.
Heute morgen dachte ich allerdings, das Einkaufen müsse risikoreich auf Sonntag verlegt werden, denn mir fällt die Welt mit einem Tag Verspätung auf den Kopf. Aber ich war schlicht nur verkatert.
Gestern hatte eine liebe Freundin Geburtstag. Wir waren ins Adnan geladen und ich war nach gut zwei Jahren mal wieder abends in C-Burg.
Das Adnan war auch früher nicht so unbedingt meine Area. Ich erinnere mich, dass ich, als ich zum ersten Mal eintrat, sofort zu HeMan sagte: „Hier hat keine der Frauen ihre Klamotten selbst bezahlt.“ Gestern haben wir die Quote dann mal ein bisschen geändert. (BTW., alle Frauen unter 40, mit Ausnahme von uns, hatten künstliche Brüste.) Das Essen war wie immer der Hit und es herrschte allgemein Freude darüber, dass wir uns alle wiedersahen. Das ist wirklich verrückt. Wir haben alle im Dezember, Januar und Februar Geburtstag, da laden wir uns gegenseitig ein und im Sommer schaffen wir es nie, uns zwischendurch zu sehen.
Also herrschte viel Geschwätz am Tisch, wir mussten uns schließlich auf den neuesten Stand bringen. Als die anderen aufbrachen, machten der Graf und ich noch einen Bogen ins Gainsbourg, auf einen Absacker. Aber wo dieser liebenswürdig schrappelige, geißblattbewucherte Eingang war, war NICHTS, außer einer neu hergerichteten Charlottenburger Mietshausfassade. Wir standen wie blöde davor. Daß der Laden umgezogen (worden) ist, lasen wir erst später im Netz.
Also gingen wir ins Florian, Cremant auf Eis trinken. Es war wie früher. Man kommt rein und alle machen lange Hälse. (Könnte ja wer wichtiges sein.) Wir waren mit Abstand die Jüngsten, das hatten wir lange nicht mehr.* An einem Tisch saßen fünf Herren 60+, deren Gesichter sonderbar entspannt und geglättet aussahen. Lassen sich also auch schon die Männer botoxen.

Aber zurück zu heute. Auf meinem Kopf hatte jemand die nunmehr abgelaufenen Maya-Prophezeiungen gestapelt, als ich aufwachte. Aber nach einem Stündchen ging es und wir flanierten durchs Schneegestöber quer durch Mitte.
In der Brunnenstraße ging ich endlich mal zu Nuts & Pearls in den Hinterhof. Ein wunderschön gestalteter Laden mit Sächelchen, die ich mir am liebsten alle in die Manteltasche gestopft hätte. Einziges Problem: Für den ironisch-kargen Style dieser Straße sind die Sachen sehr teuer, weil echt und kein Talmi. Da merkt man schon, dass der Ur-Laden in Hamburg ist.
Dann ging es weiter in diverse Schnupsi- und Schnulli-Läden, über die Hackeschen Höfe bis zum Lafayette. Im Q207 einen Promotion-Rosé-Sekt auf fast nüchternen Magen gekippt, zwischendurch mal versucht, ein Paar Stiefel zu finden, das nicht für Jungmädchen-Storchbeine gemacht ist, dann Momente tiefer Erniedrigung in der Umkleide der Wäscheabteilung erlebt, weil ich glaubte, eine Größe kleiner gehts auch mit dem BH (muss ich halt ins KaDeWe, da sind sie besser sortiert).
Aber vor allem haben wir alle Weihnachtsgeschenke bekommen.
Auf dem Rückweg kehrten wir bei Fräulein Burger ein. Man muss wissen, dass der Graf seit Wochen lauerte, dass der Laden endlich eröffnete. Also erstmal ist er nett und stylisch. Die Burger, Pommes und Soßen sind alle Bio und aus der Region, die Servietten Recyclingware, man muss das Fleisch nicht durchgebraten nehmen und alles schmeckte sehr gut. Der Dezember-Burger mit zartrosa gegrilltem Rindfleisch, Ziegenkäse und Preiselbeersauce war phantastisch. Das hat seinen Preis. Zwei Burger-Menüs (Fräulein- und Dezember-Burger, kleine Pommes rot/weiß und Zitronenlimonade) kosteten stolze 22 Euro. Die Preisgestaltung des Menüs war nicht so richtig durchschaubar.
In der Küche spielten drei sehr junge und sehr müde Leute „Jugend forscht“ und standen sich ziemlich auf den Füßen, so richtig routiniert sieht das alles noch nicht aus. (Und Frauen mit langen blondem Pferdeschwanz brauchen was aufm Kopp in der Küche!)
Das wird top oder hopp. Entweder das wird ein gehypter Laden, dann muß mehr Routine in die Küche oder das war alles nur gut gemeint. Die Frage ist, wer wird dauerhaft bereit sein, für eine gute, aber schnelle Mahlzeit in einem nett eingerichteten, aber engen Gastraum, mehr als 10 Euro auszugeben?
Man wird sehen.

 

*Bei der Feurzangenbowlenparty Mitte der Woche war das Publikum Mitte 20 und Internetunternehmer. Ich kam mir vor, als hätte man mich in die Zeiten des Neuen Markts zurückgebeamt.

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Wir leben noch

Aber heute ist ja noch alles drin, der Weltuntergangstag ist kurz, die Nacht lang und überhaupt sehen Pyro-Spezialeffekte im Dunkeln besser aus. Außerdem: Wenn ich Gott wäre, würde ich die Leute auch den ganzen Tag zappeln lassen.

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Augen zu und durch

In diesem Jahr bekämpfe ich mein dezemberliches mentales Unwohlsein einfach durch komplettes Ignorieren des Weihnachtsterrors. Das funktioniert hervorragend.
Dazu gehört auch, Weihnachtsmärkte weitgehend zu meiden, aber derzeit habe ich es sowieso nicht so mit Alkohol, dann gibts eben keinen Glühwein.
Und die Plätzchen, die ich backe, mache ich, weil es im Winter erhöhten Kohlehydratbedarf gibt etc.
In den nächsten Jahren haue ich vielleicht wieder nach Nordafrika ab, den Grafen im Bunde, Marokko steht immer noch auf der Wunschliste. Oder es gibt irgendwann ein Enkelkind. Ha! Dann gibt es wieder einen Weihnachtsbaum und ich werde Stollen backen und ihn bis zum 4. Advent bewachen, denn vorher darf er nicht angeschnitten werden, sondern muss reifen. Aber den Weihnachtsbaum wird es erst am 24. geben. Ich weiß gar nicht, wie man auf die Idee kommen kann, sich vorher einen in die Wohnung zu stellen. Das ist doch wie auf dem Postamt!
LaPrimavera war da und wollte auf den Ökoweihnachtsmarkt am Koppenplatz. Der Graf und ich waren neulich schon einmal vorbeigekommen und wir hielten die ganze Veranstaltung für ein improvisiertes Nachbarschaftsfest. Also mit Umwelt hat es nur in dem Zusammenhang etwas zu tun, daß dort ein Öko-Stromanbieter Verträge feilbietet und Greenpeace Mitglieder wirbt. Ansonsten ist das normales Berliner Niveau von Kunsthandwerk und Plünnen. La Primavera war zwar glücklich, ist sie doch von Schwerin nicht gerade verwöhnt, dort gibt es nur Fressbuden und Billigsocken, aber an den Gendarmenmarkt und den Markt vom Schloss Charlottenburg kommt das nicht ran und den Nischenbonus haben sie auch nicht genutzt.
Es ist übrigens immer mal gut, zu merken, wie wir hier im differenzierten Überangebot schwimmen. Wir saßen dann noch für Torte im Victoria und das ist etwas, das gibts halt nicht in McPomm.
Wir haben in Laufweite der Barnimkante eine Auswahl an Ideen, Waren, Design, Dienstleistungen, Menüs und Lebensstilangeboten, ohne das sie verpflichtend sind, das ist einmalig. (Sagt aber auch viel über die Härte der Konkurrenz.)

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