Frühlingsversprechen

Ob nun Regen oder der gleißende Sonnenschein von gestern, bis jetzt ist es nur Etikettenschwindel, denn es ist bitter kalt. Da mögen die Amselhähne noch so laute Statements von den Dachfirsten flöten.

BTW. Amseln. Ich habe mich ja schon öfter beklagt, daß es in der Innenstandt jede Menge stressig-laute Krähen und Elstern* gibt und im Gegenzug immer weniger Amseln. Das eine hat aber mit dem anderen nicht unbedingt war zu tun. Ich unterstellte, daß die Elstern die Amselnester plündern, das ist aber nicht die Ursache für immer weniger Amseln. Die sind krank, seit ein paar Jahren scheinbar.

Am Samstag kochte ich des Grafen Wunschessen. Dazu nehme man 1 Dose Mais, 2 Dosen Kidneybohnen, 2 Dosen Pizzatomaten, 1 Dose Tomatenmark, zwei Zwiebeln, 1 kleingeschnittene mehlig kochende Kartoffel, 3-4 Chilischoten und einen ordentlichen Klumpen Hack.
Zwiebeln, Tomatenmark und Hack anbraten, den Rest drüberkippen. Ggf. mit etwas Wasser auffüllen, gut durchrühren, etwas köcheln und vor dem Essen mindestens 2 Stunden ziehen lassen.
Wie das aussieht, kennen Sie ja noch von Studentenparties und von Kochbuchfotos der 70er. Was für ein herrlich unstressiges Essen, das sich das ganze Wochenende bei Ankunft des kleinen Hüngerchens aufwärmen läßt und jedes Mal besser schmeckt.
Der Graf mußte am Samstag arbeiten, danach saßen und lagen wir den Regen aus, da es Frühling wird, sehr intensiv. Am Sonntag mittag hatte ich den Gesichtsausdruck einer ausgeschlafen und satt vor sich hinschnurrenden Katze. Also nichts wie raus, dachte ich und schaute dann glücklicherweise noch mal auf die Wetter-App.** Die Sonne, die die Zimmer formidabel aufheizte, brachte es im Freien nur auf 6 Grad. Gott sei Dank hatte ich nicht nach dem dünnen Mäntelchen gegriffen.
Kaum waren wir den Weinberg runtergekullert, bekamen wir Hunger. Ich hatte irgendwo auf Twitter mal den Tipp mit den Reismehlbaguettes im Banh Mi Deli bekommen. Nicht weit von uns, aber ich war noch nicht da. Die sind geschmacklich wirklich der Hammer. (Ich habe noch nie erlebt, daß marinierter Kohlrabi so lecker sein kann und das war ja nur ein Bestandteil.)
Wahrscheinlich ist an den Baguettes neben Reismehl auch Weizenmehl, meine Augen sahen heute morgen jedenfalls danach aus, aber das war mir egal. Auffällig, daß der Laden von vielen Asiaten besucht war. Das ist meist ein Zeichen für authentische Qualiät.
Dann trabten wir weiter durch das Viertel. Wir hatten uns vorgenommen, es mindestens bis zum Victoria-Café in der Auguststraße für das große Hüngerchen zu schaffen. Das gibt es erst seit einem knappen halben Jahr und es ist hoffentlich noch in keinem Stadtführer verzeichnet. Da haben sich drei Leute zusammengetan, um ihre Lieblingstortenrezepte in die Welt zu bringen. Hammer! Vor allem, weil immer mindestens eine glutenfreie Baisertorte dabei ist. Das muß man einfach probiert haben. Sie sehen göttlich aus, riechen und schmecken umwerfend. Selbst beim Weg aufs Klo kann man ein Minütchen im Flur stehenbleiben und die Gerüche nach Butter, Orangenschale und Gebackenem aus der hinten gelegenen Küche inhalieren.
Dann flanierten wir weiter, der Graf mittlerweile sehr frierend, weil die Sonne nur noch die oberen Stockwerke wärmte, weigert er sich doch konstant, Wintersachen zu tragen, und ich in einen Daunenmantel gewickelt, aber im kurzen Röckchen. Wir machten noch Station im Kunstbuchladen in den Hackeschen Höfen und blätterten hier und da und dann ging es flott nach Hause.

Ich bastelte einen kleinen Lachsflammkuchen aus glutenfreiem Blätterteig (gibts im Kaufland) mit Räucherlachs, Avocado, Zucchinischeibchen und Honig-Senf-Zwiebelwürfel-Sauce und dann versackte ich vor dem Fernseher.
Nein, ich sah weder Tatort noch „Slumdog Millionaire“. Die Tatorte nerven mich ehrlich gesagt zur Zeit sehr. Da ansonsten so gut wie nichts Fiktionales fürs Fernsehen und noch weniger Kino produziert wird und die Hochschulen in den letzten 15 Jahren aber jede Menge begabte Absoventen ausgespuckt haben, scharren alle überambitioniert mit den Hufen und jeder Tatort ist so überfrachtet wie ein Debüfilm, an dem jemand 10 Jahre herumgeträumt hat. Wenn dann auch noch die Readaktion daran bastelt, ist das Ganze oft schwer verdauliche Kost.
Und ich schätze Thomas Stiller sehr…
„Slumdog Millionaire“ war mir einfach zu mainstream-menschelnd, da stehen andere drauf. Ich sah mir lieber zum wiederholten Mal Miami Vice an. Ich hatte ihn zum Filmstart im Kino gesehen, machte aber den Fehler, die Originalversion sehen zu wollen. Ich dachte so bei mir: Kennick doch allet! Drogendealer, verdeckte Emittler, dit verstehste schon! Und dann redeten die Leute die übelsten amerikanischen und nichtamerikanischen Dialekte und Akzente und ich verstand nichts von der Story. Die Dramaturgie habe ich dann in der Klinik nachgeholt, da hatten wir Premiere und einen riesigen Fernseher, nur habe ich da nicht viel davon behalten. Nun also der dritte Anlauf.
Über die Serie brauchen wir garnicht reden. Was hab ich in den 80ern mit riesigen Augen vor dem Fernseher gesessen. Es stellte einfach alles in Sachen Coolness, Optik und Sound in den Schatten, was es vorher an Polizeiserien gab. Und ich war nicht allein begeistert. Ich traf mal jemanden, der erzählte, sie hätten sich die wöchentliche Folge in New York mit Kumpels und ordentlich Koks reingezogen. (Das das jetzt alles grauslich lächerlich wirkt, steht auf einem andere Blatt.)
Im Grunde ist es Michael Manns ureigenstes Thema. Männer und ihre Kämpfe in vollkommen verwischten Grenzen zwischen Gut, Böse, Gerecht, Ungerecht, Liebe und Haß. Eigentlich ist es egal, wer der Bulle und wer der Gangster ist, sie nehmen sich nicht viel. Nah mit der Kamera an die Gesichter ran, rein in die Emotionen und dann wieder riesige Cinemascope-Perspektiven auf amerikanische Großstädte. Heat mochte ich deshalb sehr. Und wenn die Frauen dann auch noch dabei und mehr als dekoratives Opfer sein dürfen, freut mich das, wenn das auch seine Grenzen hat, denn jede Frauenfigur ist in diesem Film an einen Mann angedockt. Ich schwelgte in dieser irrsinnigen Liebesgeschichte. Hey Mädels, das wollt ihr doch auch? In Costa Rica ins Speedboat steigen, mal kurz nach Havanna brettern, einen Abend Mojito trinken und tanzen, dann mit diesem scharfen Gangster/Bullen vögeln, mitnehmen, daß der harte Junge sich grade richtig verknallt hat und ab gehts wieder zurück ins Geschäftsleben. Und dazu Florida. Wo ich mal vor 20 Jahren war und viel zu wenig Geld hatte, diese Gegend zu genießen. Besonders anrührend finde ich die Parallelmontage am Schluß des Films: Der eine Polizist verhilft der Gangsterbraut, in die er sich verliebt hat zu Flucht und je weiter sie sich auf dem Meer entfernt, kehrt die verletzte Polizistin, die Frau des anderen Polizsten, ins Leben zurück. Der Fluch auf dem Einsatz weicht. Großes Kino.

So sind manchmal die Abende im gräflichen Wolkenkuckucksheim: Der Graf in der Zimmerecke an der Heizung im Sessel, einen Laptop auf den Knien, irgendwas frickelnd und Miz Kitty schaut sich einen Hau-, Schieß- und Vergewaltigungsfilm an.

Und dann war Montag. Der Graf hat einen Schnupfen und mir dröhnt auch der Kopf. Man muß halt einen Preis für so viel Dolce Vita zahlen.

 

 

*Schon gemerkt? Wenn man Elstern mit Flüchtigkeitsfehler schreibt, kommt Eltern raus… Hihi.
**Wie konnten wir eigentlich früher rausgehen, ohne auf den Regenradar zu schauen?

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Das war der Tag mit dem Nieselregen

Der ist ja bekanntlich gut für die Haare, da krieg ich immer gleich mächtig Mähne und Volumen.
Nach fiesem Amtstermin, der garnicht stattfand, weil die Dame krank war (und dafür fahr ich völlig komatös zu morgens 9 Uhr nach C-Burg!) etwas dämlich rumdallern am Schreibtisch, nach dem ich gestern bis 12 Uhr nachts über diesem Sch…formular saß. (Berliner Ämter haben ganz gerne keine ausfüllbaren pdfs. Hier hatte jemand sogar nur 12 seiten per Hand auszufüllende Word-Dokumente eingescannt und ins Netz gestellt.)

Dann Mittag gegessen und bevor mich das Suppenkoma niederstrecken konnte, rauf aufs Rad. Miz Kitty braucht Bewegung und außerdem war ein Vierwochenbaby zu besichtigen.
Und das war SO was von *hach*, inclusive gelassener wunderschöner Mutter (ich hatte von ihr nichts anderes erwartet). Während das keine Kerlchen abwechselnd Milch bekam, Bäuerchen machte, geputzt wurde oder an Mutters Busen schlief (das Leben ist ja so schön übersichtlich in dem Alter), stürzten sich die im Hause mitwohnenden Riesenkatzen auf mich und wollten gekuschelt werden. Bekanntermaßen habe ich eine Mordskatzenallergie. Könnte es sein, daß liebebedürftige Katzen in harten Zeiten ihre Allergene ausschalten können, um Steicheleinheiten zu erhalten? Außer zwei, drei Niesern war alles fein.

Dann gings retour zum Grafen., ein bißchen rumpusseln. Wäsche waschen. Furchtbar stinkenden Camembert essen, solange er schlief. (Dieser Le Rustique ist lecker, wenn er Zimmertemperatur hat. Aber er riecht, als würde eine Leiche in der Küche liegen.)

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Sozialleben

So langsam komme ich wieder aus der Winterhöhle. Es wird warm, die Vögel werden hektisch, die Sonne ist schon verdammt kräftig. Ich steige aus dem Wolkenkuckucksheim an der Barnimkate runter in Splitt und verschmierte Hundescheiße (die übrigens weniger wird in den letzten Jahren, habe ich das Gefühl) und stolpere kurzatmig durch die Straßen.
Gestern wurde das Sparschwein vom Iron Blogger vertrunken. Seeehr sympatische Menschen und ich Soziophobikerin fühlte mich wohl inmitten von ihnen.
Heute traf ich zum ersten Mal nach 10 Jahren eine Schulfreundin, die eigentlich die ganze Zeit fast in Reichweite in Berlin einen Paralleljob gemacht hat und doch sind wir uns nie über den Weg gelaufen, außer auf Klassentreffen. Wir saßen ein paar Stunden im Kuchenkaiser in Kreuzberg und brachten uns auf den neuesten Stand. Beide mit großer Kurve im Beruf, beide nach viel Arbeit und Streß jetzt mit Kurs auf ruhigere Fahrwasser – ich bin gespannt auf das Klassentreffen, das wohl dieses Jahr stattfinden wird. Vor 5 Jahren hatten viele böse Scheidungen vor und hinter sich. Nun wird wahrscheinlich der Job auf den Prüfstand gestellt…

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Ah, jetzt kommts

Es ist jetzt anderthalb Jahre her, daß ich die Agentur geschlossen habe. Ein für mich in den Dreißigern unvorstellbarer Vorgang. He, das war mein Baby, Lebensgrundlage und -inhalt, finanzierte Privatgymnasium, Sportwagen, Klamotten, Lebensgenuß und fütterte den Burnout, bis er mich fressen wollte.
Dann hing ich erst einmal lange in den Seilen. Immer wenn ich wieder zu arbeiten begann, ereilite mich ein Rückfall, wieder war ich wochenlang kaum belastbar.
Jetzt, nach zwei Jahren ausruhen, kreisen und kreiseln schält sich das neue Berufsbild endgültig heraus.
Programmieren können andere besser als ich, der Graf oder Frau Gedankengebäude, dafür texte ich sehr gut und Konzepte entwickeln kann ich auch. Vor allem, wenn es darum geht, einen Menschen und seine Aufgaben auf die Bühne des Lebens zu stellen. Und dann kam das vorbei, was ohnehin am nächsten lag.
Schließlich stehen 15 Jahre Karriereberatung und -begleitung in meiner Berufsbiografie. Der Unternehmensberater, den ich vor drei Jahren konsultierte, fragt mich auch, wie es denn wäre mit Coaching. Und ich wehrte mich mit Händen und Füßen: Bitte nicht noch ein Coach, das braucht kein Mensch.
Offensichtlich doch, denn die Jobs kommen zu mir. Ich blühe auf, wenn ich mich mit einem Menschen hinsetze und einen Berufsweg analysiere, schaue, wie jemand „funktioniert“, wo er hinpaßt, was ihn ungebremst und hingebungsvoll tätig sein läßt. Wir suchen nach Rezeptorenpunkten – wer sucht und braucht so jemanden? Befragen Träume auf ihren Realitätsgehalt und verabschieden alte Profilneurosen. Wir schauen, wie ein Mensch wahrgenommen wird. Projektionsfläche? One Hit Wonder am falschen Platz? Der ewig Unterschätzte? Der Bergsteiger? Wir verabreden einen Plan und bei der Ausführung bin ich dann gern noch dabei: Bewerbungen gegenlesen, Stellenangebote anschauen, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Immer mal einen Impuls geben, in Richtungen zu gehen, die vielleicht nicht so offensichtlich sind. Die Bewerbungsstrategie strukturieren. Erst bei den Unwichtigen vorsprechen zum Üben und Feld sondieren. Dann die Ziele fokussieren und los…

Und und und.

Da Ärzte sich nicht selbst behandeln können und auch nicht die geduldigsten Patienten sind, muß ich mir selbst bescheinigen, daß ich das Nächstliegende erst einmal ingnoriert und mich selbst nicht gerade effizient beraten habe. Aber es wird. Manchmal muß man noch eine Runde drehen.

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