Meine Arbeitskutte

Von Johannes Itten,dem künstlerischen Leiter der Bauhaus-Schule sagte man, er hätte eine Art Mönchskutte beim Arbeiten getragen.
Kutte Ich habe mir im Winter ein Haus- und Arbeits-Kleid aus schwarzem Flanell genäht, das der Graf ebenfalls meine Kutte nennt.
Das war aber so nicht gedacht, eigentlich sollte es ein nettes, weites Kleid sein, in das man sich einkuscheln, aber auch in der Küche stehen oder am Schreibtisch oder an der Nähmaschine sitzen kann.
Kutte 3Aber so ein bisschen nach Mutter Oberin sieht das schon aus.
Der Schnitt ist Simplicity 7599 (auch unter Nr. 1800 erhältlich).
Kutte 2
Da ich im November mit meinen Maßen noch nicht so recht umgehen konnte, hatte ich eine zu große Größe gewählt, die 20 Cup C hätte gereicht. So machte ich eine abenteuerliche Mittelnaht, vorn im Stoffbruch, damit die Brustabnäher sitzen und produzierte damit nicht passende Ärmel. Aber damit hatte ich das dann auch gelernt.
Kutte 4
Das Kleid ist mit dünnem, sehr rutschigen Batist vom Maibachufer gefüttert, den ich violett gefärbt habe.

Nach dem Winter bin ich jetzt wieder regelmäßiger dabei. Ich kann mich wieder im Spiegel ansehen und ich bin nach wie vor kein Wintersachentyp. Da sitze ich dann doch wieder mit Jeans und Hoodie in der Ecke.

(Die Konstruktion der Ärmel finde ich bei Simplicity ohnehin sonderbar, passen allen, sehen aber Sch… aus.)

In der Hektik gestern vergaß doch doch glatt den Backlink: Hier ist er und sind die anderen Frauen und ihre Werke.

WMDEGT Mai 2014

Der Beitrag hat gleich mal satte zwei Tage Verspätung, weil ich den 5. gar nicht realisiert habe. Sonst mache ich abends den Feedreader auf und lese schon einen Tag vorher bei Frau Brüllen: „Es ist wieder so weit!“ Aber dieser Montag war schon … speziell.

Dabei begann der Tag ganz gemütlich, denn manchen Montagen muss der Graf erst mittags außer Haus. Ich saß vor meinem Kaffee, plante die Woche im Kopf durch, dachte an die nächsten Nähschritte für das aktuelle Kleid und ob ich diese Woche noch einen Rock schaffe, begann schon mal mit dem Schriftkram und meinem Mailpostfach und dann kippten die Pläne.
Als erstes nahm mir nämlich die Unterlagen für den Workshop in Palermo vor, die am Donnerstag vorher angekommen waren und las, dass da eine Vorbereitung nötig ist.*
„Stellen Sie die Kultur Ihres Landes in einer maximal zehnminütigen Präsentation vor, mittels Essen, Trinken, Gegenständen, Musik“ (mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer nicht englisch sprechende Migranten sind).

Ach. Du. Scheiße.

So verging der Vormittag damit, dass ich hirnqualmend darüber nachdachte, was eigentlich typisch deutsch ist. Wurst, Sauerkraut und Bier, klar, und sicherlich bestimmte Gegenstände. Aber ich habe noch nie so lange außerhalb Deutschlands gelebt, dass ich wüsste, was das ist. (Und die Dinge, über die wir in Kanada oder Sardinien mal sprachen, habe ich längst vergessen.)
Gibt es einen kleinen, gut transportablen typisch deutschen Gegenstand? Über Hinweise bin ich sehr, sehr dankbar.**
Das Phänomen ist, daß seit 1945 die so mühsam im 19. Jahrhundert konstituierte „deutsche Kultur“ (die in den Eliten ohnehin französisch geprägt war) aus sehr einsichtigen Gründen nicht mehr so hoch im Kurs steht und eine Globalisierungs- und Amerikanisierungswoge uns alle so ziemlich gleich gemacht hat. Aber was wird heute von außen als deutsch wahrgenommen? Sind das doch die Versatzstücke von bayerisch-bäuerlicher Volkskultur: Lederhose, Schuhplattler, Dirndl? Oder Autos als Symbol von Wohlstand und präzise funktionierender Mobilität (=Freiheit) für alle, also BMW, Mercedes, Volkswagen? Sport, der Millionäre macht – Bayern München, Werder Bremen?
Sind es Mangel an Eleganz und Höflichkeit, die durch Klarheit und Verlässlichkeit kompensiert werden? Frakturschrift? Maschinen? Anträge, Anfragen, Genehmigungen und Verbote? Planung? Pünktlichkeit? Sicherheitsdenken? Häusle bauen? Sparen? Und vor allem, wie verklickert man das jemandem, der einen nicht versteht, dem man keine abstrakten Begriffe um die Ohren hauen kann? Fragen über Fragen.

Ich kam darauf, dass es das Beste wäre, zu singen oder Musik spielen, je nach Möglichkeit. Von fremdsprachiger Musik versteht man die Melodie (kennt sie vielleicht auch schon, so wie Italien für mich immer den Sounddtrack „O sole mio“ hat), fängt die Emotionen auf, die sie vermittelt und ab und zu blitzt ein Wort auf.
Für mich sind romantische Kunstlieder so ziemlich das deutscheste, was es gibt. Klare, schlichte, langsame Melodien und ebenso schlichte, aber symbolträchtige Texte mit herzwehen wandernden Handwerksburschen, sterbenden Kriegern und Naturschönheit. Also pickte ich mir drei Lieder heraus. Am Brunnen vor den Tore, klar, der Klassiker des deutschen Liedgutes. Der Mond ist aufgegangen mit diesen wunderbaren Vokalen und dem zutiefst frommen Text, der doch nur ironisch gemeint sein kann (ist er aber nicht…) und Der gute Kamerad. Für mich die Entdeckung. Leider fürchterlich negativ besetzt, weil immer, wenn es um deutschen Militarismus geht, spielt man das Lied in irgendeiner Fernsehdoku an und jeder „Im Felde unbesiegt“-Spacken benutzt es. Es gibt Texte, die muss man sich noch einmal ganz genau ansehen. Ein winziges Drama in drei Strophen, voller *räusper* Männerliebe.
Als Dreingabe gibt es noch Kauf dir einen bunten Luftballon. Der Wiedergänger-Hit. 1943 für den „Heile Welt“-Eisrevuefilm Der weiße Traum (zeitgleich gedreht mit Stalingrad, wo sie erfroren sind, das muss man sich mal reintun) komponiert, 1961 vom gleichen Regisseur noch einmal verfilmt. Dann noch mal 99 Luftballons: Nena.
Eigentlich müsste ich noch populärer werden. Aber auf „Eins, zwei, drei, gsuffa!“ hab ich keinen Bock.

Dann war es auch schon Mittag und ich setzte mich an die Nähmaschine, nähte weiter an meinem Kleid und übte nebenher meine Stimme. A capella zu singen ist nicht so einfach. Vor allem, wenn man nach zwei Jahren Gesangsunterricht immer noch den Stimmumfang eines Hamsters hat. Ich hoffe, dort gibt es einen Beamer und eine Tonanlage, dann bleibt mir das erspart.
Um vier Uhr nachmittag, nachdem ich hektisch von der Nähmaschine aufsprang und mich in ein paar Klamotten warf, traf ich mich mit Frau Crafteln, auf die ich nach einem knappen Jahr Me Made Mittwoch ganz gespannt war. Wir hatten ein schönes Cafétreffen in der Bergmannstraße. Knopf Paul hatte zwar – wie immer montags – geschlossen. Dafür landeten wir in dem Lederladen, der dort schon immer war und ich fand unkompliziert und preiswert einen blauen Gürtel in meiner Taillenweite.
Am Abend nähte ich weiter. Das Kleid, nach meinem gerade angepaßten Grundschnitt, war schlicht und ergreifend zu weit. Ich schwemme Wasser aus ohne Ende, seit meine Dottoressa bei mir wieder das Licht angeknipst hat und ich war eingedenks zu enger Sachen um den Bauch herum mit der Weite einfach zu großzügig. Ich wollte längst fertig sein, denn der Schnitt war nicht kompliziert. Aber die Taille musste ganze 10 cm enger gemacht werden und ich mache dann immer gern noch nette Details und das braucht viel Zeit.
So fiel ich um halb eins todmüde ins Bett und kam nicht mal mehr dazu, ein bisschen in Blogs zu lesen.

Hier gibt es übrigens die anderen Tage zu lesen.

* Es geht um Erwachsenenbildung und um Methoden, jenseits von Schreiben und Lesen Inhalte zu vermitteln, vor allem über Theaterformen. Das Thema „Literacy of Adults“ ist nun nicht unbedingt meins. Ich wäre nicht darauf gekommen, wenn ich nicht gefragt worden wäre, ob ich mitmachen will. Ich sagte zu, weil ich für solche Veranstaltungen sonst nie Zeit hatte und weil ich in meiner Arbeit auch Spielszenen verwende. Ich kann tausend Mal erklären, wann man sich in einer Verhandlung verreitet, wenn die Leute das spielen und andere dabei zusehen, wird das sehr schnell begriffen. Was manchmal nicht so einfach ist, Erwachsene spielen nicht mehr gern. (Eine Freundin von mir hat sogar über diese Barriere eine Bachelorarbeit geschrieben.)
** Manchmal sind es wirklich Details. Die Kanzlerin hat mal vor langen Jahren in einem Interview gesagt, dass für größte persönliche Errungenschaft der Wiedervereinigung für sie dichte Fenster waren. Da kann man drüber lachen. Wer aber jemals im Winter versucht hat, zugige Altbaufenster, aus denen fast die Scheiben fallen, irgendwie dicht zu bekommen, weiß wovon sie redet.

Kein Sonntags-Mäander

Wegen völligem Entsetzen, dass zu dem Workshop in Palermo eine Vorbereitung sein soll.
Die da heißt: „Stelle Deutschland vor. Vor Leuten, die nicht englisch sprechen. Und auch sonst nicht sehr gebildet und auf wirren Wegen nach Sizilien gekommen sind, um in Europa ihr Glück zu suchen.“
Ich glaube, ich werde singen. Schön falsch und laut. Mit allem. Mit Schubert, Hollaender, Weill, Profes, Sichler, Rammstein* und einem Fußballchoral.
Die re:publica habe ich dieses Jahr ohnehin ausgeklinkt, das Geld ist gerade woanders besser aufgehoben.

* Note to myself: Heinos Rammstein-Cover ansehen *hust*

Veröffentlicht unter Leben