Die Eilmeldungen

Als ich am Freitag früh mit der Zeitungsschau begann und die Schlagzeilen las, war ich etwas düpiert. Wieso schrieben die Zeitungen das japanische Erdbeben, das 36 Stunden her war, so emotional hoch? Es hatte gewackelt, es hatte Wellen gegeben und die Schäden hielten sich in Grenzen, weil die Japaner das kennen. Ich klickte nicht mal die Texte an.
Dann las ich meine Twitter-Timeline und kapierte, das war ein neues Erdbeben und das, was da passiert war, war nicht witzig.
Die deutschen Medien regierten wie immer verspätet, daß scheinbar niemand japanisch kann bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, um sich im dortigen Fensehen zu informieren, hat schon was peinliches. Vor allem, wenn jeder stärkere Wind und jede Schneewehe einen Brennpunkt wert ist. (Die Ereignisse, die alte Leute mit eingeschränktem Lebensbereich interessant finden, freie Journalisten ohne großen Aufwand produzieren und Sendeanstalten für billig Geld kaufen können.)
Am Freitag abend las ich die Meldungen über Fukushima.
Ich dachte an Tschernobyl. Daran, daß ich in der 8. Woche schwanger war, als Meldungen die Runde machten, die auf Mutmaßungen basierten und Nachfragen am Eisernen Vorhang abprallten. Als ich darüber nachdachte, daß Strahlungsschäden in der frühen Schwangerschaft die gravierendsten sind.
Die Fragen, die man sich stellt. Brennt das jetzt ein Loch in die Erde? Kann man da jemals wieder wohnen? Und wenn das in dichter besiedelten Gegenden geschieht?
Ich ging mit dem Gedanken schlafen, daß morgen früh andere Seite der Welt angeschmort sein könnte.
In dem Schreibkurs, den ich am Wochenende besuchte, hatte sich niemand im Netz informiert. Als ich ihnen erzählte, ich hätte auf Twitter den Link zu einem Video bekommen, abgefilmt vom japanischen Fernsehen, das die Explosion eines der Reaktoren zeigt, bekamen die Leute große Augen.
So sieht also Apokalypse aus. Schwarze Fluten, die Häuser und Schiffe mitreißen. Eine große Insel um zweieinhalb Meter versetzt. Kollabierende Kernkraftwerke.

Dann das, was der japanische Super-Gau für uns bedeutet. Wir sollten dankbar sein für diese Lehre.

Mir ist grade ziemlich schlecht.

Edit:
Aber was ich eigentlich noch aufschreiben wollte: Ein sehr schneller Ausstieg aus der Kernenergie wäre in Deutschland das mindeste. Wir haben nicht genug Meer, auf das der Fallout ziehen könnte. Unter anderem.
Dieses würdelose nach Wählern schielen, ohne aus dem Arsch der Lobby rauszumüssen, was eine dreimonatige Aussetzung der Aussetzung heißt, kann es doch wohl nicht sein.
Mir ist die ganze Anti-Atomkraft-Folklore zwar fremd, aber ich würde nur noch Parteien wählen, die einen schnellen Ausstieg mit schlüssigen Konzepten untermauern.

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Böse, böse!

Seit ich in Schöneberg wohne und eine neue Telefonnummer habe, kommen bei mir Anrufe für eine Firma an, die diese Nummer wohl vorher hatte.
Mein Standardspruch „Tut mir leid, sie sind heute schon der Dritte, ich habe die Nummer dieser Firma bekommen und habe nichts mit denen zu tun“ erzeugt meistens jede Menge Fragen:
Wie kann ich die denn jetzt erreichen?
Wissen Sie die neue Nummer?
Gibt es den Laden überhaupt noch?
Diese werden von mir mit „Keine Ahnung, googeln Sie doch einfach mal!“ beantwortet.
In 70% der Falle kommt eine halbe Sekunde Schweigen, dann werden die Fragen variiert wiederholt.
Wenn ich dann noch mal auf das Internet verweise, was sicher eine Auskunft auswerfen würde, herrscht eine weitere Sekunde Schweigen und dann kommt leicht angepißt:
Ja, das könnte man tatsächlich mal machen.
Gut, dann muß ich sehen, daß ich jemand anders frage.
Da muß ich mir was überlegen.
Oder resigniertes Brummeln von wegen, so was müsse doch nicht sein, etc.
Es handelt sich bei meinen Gesprächspartnern nicht etwa um Greise, sondern Leute in meinem Alter.

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Frauentag 1983

Obwohl ich gelernte DDR-Bürgerin bin, habe ich nur einmal so eine richtige Frauentagssause erlebt.
Als Kind kündigten sich mir die Bacchanalien des 8. März bereits an, denn eine ganze Woche lang liefen betrunken singende grölende Frauen durchs Plattenbauviertel.
Dann, im ersten Berufsjahr nach dem Abitur, das ich als Landarbeiterin verbrachte, war es so weit. Auch ich wurde zur Frauentagsfeier der LPG „10. Jahrestag des Sieges“ eingeladen.
Die Fraue mußten nur bis zum Mittag arbeiten und wurden dann nach Hause geschickt, damit sie sich feinmachen konnten. Was auf dem Dorf hieß, das buntgeblümte Kleid anziehen, die Goldkette drüberhängen, Haare auftoupieren und Lippen rot malen. Gegen drei Uhr versammelten sich alle im Saal des Kulturhauses. Die Männer hatten ein reines Hemd angezogen, den Schlips umgebunden, die Tische gedeckt und servierten.
Eine faßrunde Dame mit gußeisernen Dauerwellen vom Demokratischen Frauenverband hielt eine Ansprache. Der LPG-Vorsitzende und der BGL*-Vorsitzende würdigten in kurzen Reden die Damen. Was beim BGL-Vorsitzenden einen besonderen Gout hatte, denn der war im gesamten Dorf unter dem Spitznamen „Der Blaue Hahn“ als Schürzenjäger bekannt, er liebte vor allem die ganz jungen Mädchen, nahm aber alles mit.
Dann gab es ein einstündiges Unterhaltungsprogramm – eine Schlagersängerin mit Kapelle, der Schul-Kinderchor und die Kindergarten-Tanzgruppe.
Der Schallplattenunterhalter, der den Rest des Abends bestreiten würde, spielte während des Essens leise die Ostmusik-Quote ab.
Es gab Kaffee und pro Tisch je eine Flasche Wasser, Limonade, Cola, Rotwein, Weißwein, Likör (Kirsch oder Pfefferminz), weißen und braunen Schnaps. Die Herren signalisierten beim flotten Nachschenken, daß außer bei Wein der Nachschub kein Problem sei.
Dazu wurde kräftig gegessen. Cremetorte mit Schagsahne.
Als die Tortenberge halb abgetragen waren, begann der Tanz. Die ortansässigen Damen tanzten meist miteinander, weil ihre meist als Bedienung anwesenden Männer das Tanzen verweigerten und lieber draußen die Neigen aus den Schnapspullen tranken.
Und dann waren dann noch wir junges Gemüse (oder wie die älteren Bauern sagten „Det Fleesch“). Zwölf 19jährige in der Vorbereitung auf das Agrarstudium. Wir hatten Neuigkeitswert und waren verfügbar, während die Lehrmädels, die 14jährig nach der Sonderschule aufs Land gingen, im Wohnheim bewacht wurden.
Sobald wir einen Schluck aus dem Schnapsglas genommen hatten, wurde nachgeschenkt. Jeder, aber auch jeder der Herren wollte mit hochrot angesoffenem Kopf mit uns Brüderschaft trinken, mit Kuß natürlich. Weigern war zwecklos, auch wenn die Herren nicht mehr alle Zähne im Mund hatten. Die einheimischen Damen zischten schon gereizt.
Eine der Geschiedenen meinte es gut mit uns. Sie gab uns Tipps, vor wem wir uns ein bißchen vorsehen sollten, weil entweder die Frau recht aggressiv werden konnte oder der Typ selbst gewohnt war, sich zu nehmen, was er wollte.
Die drei schnuckeligen Jungfacharbeiter waren schnell an uns Mädels vergeben und tanzten sich die Seele aus dem Leib.
Der Rest des Saales war entweder besoffen und spitz wie Nachbars Lumpi oder besoffen und vor Wut kurz vor der Explosion.
Ich weiß gar nicht mehr, ob es noch Abendbrot gab. Ich glaube, die Party war offiziell um acht Uhr abends vorbei, damit die Familien auch noch was von Mutti hatten.
Ich versuchte zuerst, mich hinter den Gardinen zu verstecken, was aber als Signal verstanden wurde, zum Knutschen hinterher zu kommen, weshalb ich mich bald davonschlich.
Am nächsten Morgen waren nur wenige Frauen bei Arbeitsbeginn anwesend. Sie kamen im Laufe des Tages angeschlichen und hatten fürchterliche Kopfschmerzen und ganz kleine Augen. Die meisten hatten sich eine Flasche und ein paar Freundinnen geschnappt und privat weitergefeiert. Am Ende des Abends, so heiß es, waren die Männer im Festsaal weitgehend unter sich, hackestrackedicht und hatten sich wie immer gepflegt aufs Maul angeboten. Der Blaue Hahn war bei irgendeiner alleinerziehenden Mutti aus dem Lohnbüro gelandet, die sich noch Wochen hinterher Hoffnungen machte.

So, das war mal wieder ein Kapitel „Kitty erzählt vom Krieg“

*Betriebs-Gewerkschafts-Leitung

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Wenn frau

solch einen Strauß geschenkt bekommt, dann ist das schon xtremly *hach*:

flowers

Also was heißen will, Dick & Strike waren hier.

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